Auch wenn Johann Joseph Fux (um 1660 bis 1741) uns heute vor allem als Musiktheoretiker ein Begriff ist – zu Lebzeiten hatte der kaiserliche Hof- kapellmeister eine Vielzahl höchst praktischer Aufgaben. So war er für die Hofmusiker zuständig, und entschied über die Besetzung von Vakanzen. Mit seiner Musik reprä- sentierte er das Habsburgerreich – und er bildete ganze Scharen von Schülern aus, die ähnliche Aufgaben an all den vielen anderen Höfen Europas übernehmen wollten.
Diese CD stellt drei dieser Musiker mit Werken vor. František Ignác Antonín Tuma (1704 bis 1774) beispielsweise, Sohn eines böhmischen Organisten, studierte bei den Jesuiten in Prag, und stand zunächst in Wien bei Franz Ferdinand Graf Kinsky im Dienst. Später wurde er Kapellmeister der Kaiserinwitwe Elisabeth Christine. Tumas Werk ist umfangreich, aber zum größten Teil editorisch bislang unerschlossen. Eine der wenigen Ausnahmen ist sein Stabat mater, das auch hier zu hören ist. Dieses Werk, das lediglich mit einem vierstimmigen Chor nebst Basso continuo besetzt ist, beeindruckt durch die geschmeidige Verbindung des stile antico mit der Frühklassik. Das ist wirklich großartige Musik, die es wert wäre, viel öfter aufgeführt zu werden.
Zwei Sonaten des aus Breslau stammenden Geigers und Komponisten Johann Georg Orschler (1698 bis zwischen 1767 und 1770) hat der Dresdner Konzertmeister Johann Georg Pisendel eigenhändig kopiert. Sie befinden sich in den Notenbeständen der Dresdner Hofkapelle. Schon diese Tatsache macht deutlich, dass es sich bei Orschler nicht um ein künstlerisches Leichtgewicht handelte. Auch er hat bei Fux studiert, musizierte dann für diverse adelige Herrschaften und war zuletzt Mitglied der Wiener Hofmusikkapelle. Die Triosonate, die hier erklingt, erscheint ebenso originell wie klangschön.
Dass Jan Dismas Zelenka (1679 bis 1745) ebenfalls zu Fux' Schülern gehörte, das wurde in diesem Blog bereits mehrfach berichtet. Dem Dresdner Hof-Kirchenkomponisten verdanken wir zudem einen Einblick in die Unterrichtspraxis des Wiener Musikpädagogen: In Zelenkas Nachlass, so berichtet Václav Kapsa in dem sehr informativen Beiheft zu dieser CD, fand sich ein Notenband mit Übungen zum Kontrapunkt sowie Abschriften diverser Meisterwerke mit Modellcharakter. Zelenka selbst hat Palestrinas Missa Nigra sum, von der in Dresden wohl nur Kyrie, Gloria und Credo vorhanden waren, dem Vorbild entsprechend um Sanctus und Agnus Dei ergänzt. Analog dazu schrieb er Ergänzungen für Palestrinas Missa sine nomine. Im stile antico gestaltete der Komponist auch seine Vertonungen des Gebetes Sub tuum praesidium, das in Wien sehr gebräuchlich war. Maria Josefa, Ehefrau des sächsischen Kronprinzen und Tochter des Kaisers Joseph I., ließ die Kirchenmusik offenbar auch in Dresden nach dem vertrauten Vorbild gestalten.
Das Collegium 1704 stellt unter Vaclav Luks diese wenig bekannten Werke vor, einige sogar in Weltersteinspielung. Die Sänger und Musiker des Ensembles präsentieren sich ausgesprochen versiert, sie sind mit derartigen Repertoire bestens vertraut. Klanglich stets ausgewogen, stets sehr durchdacht und souverän musiziert diese kleine Besetzung, und bringt den Zauber dieser musikalischen Traditionslinie bestens zur Geltung. Sehr hörenswert!
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