Freitag, 3. April 2015

Praetorius: Complete Organ Works (cpo)

Das Orgelwerk von Michael Praeto- rius (1571 bis 1621) stellt Friedhelm Flamme auf diesen beiden CD vor. Der Sohn eines Pfarrers wuchs in Torgau und Zerbst auf, und bereits 1585 begann er an der Viadrina in Frankfurt/Oder mit dem Studium der Theologie. Von 1587 bis 1591 war Praetorius dort Organist an der St. Marienkirche. 1594 wurde er Kammerorganist des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig und Lüneburg. Dieser residierte nicht nur in Wolfenbüttel, sondern auch auf Schloss Gröningen bei Halber- stadt, und ließ ab 1592 durch David Beck eine große Orgel in seiner Schlosskapelle errichten. Eingeweiht wurde sie 1596 durch einen „Organi- sten-Convent“, zu dem, teilweise aus großer Entfernung, immerhin 54 bedeutende Organisten anreisten. 
1604 wurde Praetorius zum Hofkapellmeister des Herzogs ernannt. Nach dem Tode seines Dienstherren im Jahre 1613 finden wir ihn am kursäch- sischen Hof in Dresden. Er reiste wahrscheinlich sehr viel – belegt sind Aufenthalte beispielsweise in Sondershausen, Kassel, Magdeburg, Nürnberg, Leipzig und Bayreuth. So wirkte der Musiker als Organisator, Dirigent, Musikberater und Diplomat an verschiedenen Orten. Außerdem komponierte er fleißig; überliefert sind zahlreiche Werke, sowohl Kirchen- musik als auch weltliche Klänge. Wie er daneben noch Unmengen an Briefen sowie sein dreibändiges Syntagma musicum, das als erstes Handbuch der Musikwissenschaft überhaupt gilt, schreiben konnte, das lässt uns heute sehr staunen. 
Wenn man Praetorius heute zumeist nur noch als Urheber des bekannten Chorsatzes zu Es ist ein Ros' entsprungen sowie vom Quempas-Singen kennt, dann ist das zu bedauern. Spätestens nach dem Anhören der vorliegenden Einspielung wird man sich auf die Suche nach weiteren Aufnahmen machen. Da dürfte so manche Überraschung warten. Denn der Komponist gehörte jener Musikergeneration an, die versuchte, den deutschen protestantischen Choral mit dem italienischen Madrigal zu verknüpfen, um dadurch eine wesentlich tiefgründigere Textausdeutung zu erzielen. Aus der Vokalmusik leitet Praetorius zudem die Formen für seine Orgelmusik ab; so entwickelt er aus der Choralbearbeitung die ebenso umfangreiche wie ausdrucksstarke Choralmotette. Schlichte homophone Sätze umstrickt er kreativ mit Kontrapunktik und figurativem Zierrat, und niemals gehen ihm dabei die Ideen aus. So wird die Orgelmusik dieses Großmeisters auch nie langweilig, egal, wie lang die Stücke sind. 
Flamme musiziert an der Treutmann-Orgel in der Klosterkirche St. Georg zu Grauhof. Dieses Instrument wurde 1737 von dem Magdeburger Orgelbauer Christoph Treutmann vollendet. Es vereint Elemente sowohl aus der nord- als auch der mitteldeutschen Tradition, und wurde 1989-92 durch die Firma Hillebrand, Altwarmbüchen bei Hannnover, grundlegend restauriert. Flamme nutzt die reiche Palette an Klangfarben, die ihm dieses Instrument zur Verfügung stellt, gekonnt. Und weil die wenigen erhaltenen Orgelwerke von Michael Praetorius die beiden Silberscheiben nicht ganz füllen, ergänzt der Organist das Programm noch durch die kleineren Orgelgesamtwerke von David Abel, Johann Bahr, Jakob Bölsche, Petrus Hasse I und II, Wilhelm Karges, Hieronymus Praetorius III, Andreas Werckmeister und Melchior Woltmann. Wer sich für norddeutsche Orgelmusik interessiert, der kommt an dieser Einspielung jedenfalls nicht vorbei. 

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