Dienstag, 17. Juli 2012

Schieferdecker: Geistliche Konzerte (Carus)

Johann Christian Schieferdecker (1679 bis 1732) stammte aus Teuchern, einem kleinen Städtchen unweit von Weißenfels. Sein Vater war Schulrektor, Kantor und Organist; er unterrichtete auch den fünf Jahre älteren Reinhard Keiser, mit dem Schieferdecker junior offenbar eng befreundet war. 
Beide setzten ihre Ausbildung zu- nächst an der Thomasschule und anschließend an der Universität in Leipzig fort. In der Messestadt komponierten sie zudem ihre ersten Opern. Keiser ging dann nach Hamburg - und holte Schiefer- decker nach; ab 1702 wirkte er als Cembalist am Hamburger Opern- haus am Gänsemarkt, für das er auch fleißig komponierte. 
Diese Leidenschaft für die Oper teilte der junge Musiker mit einem renommierten Kollegen der älteren Generation: In Lübeck suchte damals Dieterich Buxtehude, Organist an der Marienkirche, einen Nachfolger. Der sollte allerdings nicht nur Amt und Bürgerrecht er- halten, sondern auch Buxtehudes schon etwas in die Jahre gekomme- ne Tochter Anna Margareta heiraten. Diese Bedingung verschreckte die Bewerber Johann Mattheson und Georg Friedrich Händel - Schieferdecker nahm an; allerdings hatte er bereits ein gutes Jahr lang Buxtehude assistiert, als dieser 1707 starb, und wusste, worauf er sich einließ. 
Schieferdecker musizierte nicht nur im Gottesdienst. Er führte auch die sogenannten Abendmusiken weiter, Kirchenkonzerte, die durch die Kaufleute der Stadt finanziert wurden - eine Tradition, die schon Buxtehudes Vorgänger Franz Tunder begründet hatte. Es ist bekannt, dass Schieferdecker dafür eine Vielzahl von Kantaten geschrieben hat. Doch überliefert wurde davon leider so gut wie nichts. Insofern ist es eine kleine Sensation, dass nun doch drei Kantaten für Bass, zwei Violinen und Basso continuo in Brüssel aufgespürt werden konnten. Gesungen werden sie auf dieser CD von Klaus Mertens. Auch In te domine speravi, ein Geistliches Konzert für Tenor, Violine und Basso continuo, vermittelt einen Eindruck davon, wie Schieferdecker solche Werke gestaltete. Zu hören ist hier Jan Kobow, der sich damit erneut als ein exzellenter, klug gestaltender Sänger empfiehlt. Komplettiert werden diese vier Weltersteinspielungen durch zwei der XII Musicalischen Concerte des Komponisten, Ouvertürensuiten im Stile der Zeit, die 1713 in Hamburg im Druck erschienen sind. Dem Ensemble Hamburger Ratsmusik um die Gambistin Simone Eckert kann man für dieses Engagement nicht genug danken. Denn diese CD zeigt deutlich, dass Schieferdecker keineswegs nur  eine Randgestalt des reichen norddeutschen Musiklebens jener Zeit war. 

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