Neben dem strahlenden Ruhm Ludwig van Beethovens erschienen über eine lange Zeit andere Kompo- nisten des 19. Jahrhunderts blass und unbedeutend. Schumann, Schubert, Brahms wurden wahrgenommen als Nachkommen, die mit dem Erbe des Titans rangen. Erst allmählich stellt nun die Wissenschaft fest, dass neben Beethovens Sonne noch etliche weitere Sterne durchaus am Leuchten sind – und so werden langsam, langsam einige Komponisten der Beethoven-Zeit wiederentdeckt.
Einer von ihnen ist Carl Czerny (1791 bis 1857), der im Alter von zehn Jahren Beethovens Schüler wurde und bis zu Beethovens Tod dessen enger Vertrauter blieb. Der Nachwelt ist er als Autor von Unterrichtswerken sowie als Klavierpädagoge von Rang im Gedächtnis geblieben. Zu seinen Schülern gehörten Franz Liszt und Theodor Leschetitzky, und seine Etüden gelten heute noch als vorbildlich.
Obwohl er ein exzellenter Pianist war, mied er die Selbstinszenierung als Virtuose – mit dem Unterricht sowie mit Vortragsstücken im brillanten Stil, die er für Verlage anfertigte, verdiente er ohnehin ein Vermögen. Und so unterließ er alles, was seinen ausgezeichneten Ruf beschädigen könnte. Aus diesem Grunde veröffentlichte er auch etliche wirklich bedeutende Werke nicht. In der Schublade blieben beispielweise seine Kirchenwerke, viele Sinfonien und die Streichquartette – und dieses Material ist bis heute noch nicht editorisch erschlossen; die Forschung vermutet mittlerweile, dass Czerny mindestens 20, vielleicht sogar doppelt so viele Streichquar- tette geschaffen haben könnte.
Umso erfreulicher ist es, dass inzwischen einige dieser Werke in Konzerten wieder vorgestellt worden sind. So hat das Sheridan Ensemble 2007 in Berlin einige Streichquartette Czernys gespielt. Vier dieser Werke, zwei davon in Weltersteinspielung, sind nun auf einer Doppel-CD bei Capriccio erschienen. Es sind Musikstücke von bedeutendem Format und großer musikalischer Eigenständigkeit. Czerny weiß seine Mittel höchst ein- drucksvoll und ausdrucksstark einzusetzen. Insofern wäre es sehr zu begrüßen, wenn seine „ernsthafte“ Musik nun endlich aus dem Archivschlaf erweckt und ediert werden könnte. All den Anregern und Hinweisgebern um Anton Kuerti und Dr. Heinz von Loesch, die die Musiker dazu animiert haben, in die alten Noten zu schauen, kann man nur dankbar sein. Und wenn die anderen unveröffentlichten Werke Carl Czernys ein ähnliches Gewicht haben, dann ist da noch Erstaunliches zu entdecken und zu erwarten.
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