Wieder einmal hat sich Gunar Letzbor der Handschrift XIV 726 des Wiener Minoritenkonvents zuge- wandt. Sie ist, schreibt der Geiger im Beiheft zu dieser CD, „nicht nur eine herausragende Quelle für Violin- musik österreichisch/süddeutscher Herkunft, sie ist auch eine Fund- grube für Kompositionen mit ,verstimmter' Geige.“
Diese Musizierpraxis sei wahrschein- lich durch Geiger niederer sozialer Schichten entwickelt worden, erläutert Letzbor in seinem sehr informativen Text: „Diese Bradlgeiger oder Linksfäustler, wie sie auch abwertend genannt wurden, (..) passten die Stimmung der Instrumente an die besonderen Anforderungen für verschiedene Musikstücke an.“
Die Stadtpfeifer und Hofmusiker übernahmen allerdings dann dieses Vorgehen der Bauerngeiger und Wirtshausvirtuosen, weil sie feststellten, dass das Umstimmen, die sogenannte Skordatur, den Klang der Instru- mente beeinflusst: „Eine Geige, deren Saiten mehr gespannt sind als in Normalstimmung, klingt lauter und durchdringender. Vermindert man die Saitenspannung, klingt die Violine dunkler, weicher, sonorer“, so Letzbor. „Eine Tonart kann eine besondere Klangfülle erhalten, wenn möglichst alle vier Saiten der Geige in den Tönen des Grundtondrei- klanges gestimmt werden, es gibt dann viele resonanzen. Manche Skordaturen mischen Töne des Grundtondreiklanges mit Tönen der Dominante und der Subdominante. Es entstehen dabei besondere Klangfarben, die die Normalstimmung niemals hervorbringen kann.“
Die experimentierfreudigen Musiker der Barockzeit schätzten solche Effekte, wie Letzbor gemeinsam mit seinem Ensemble Ars Antiqua Austria auf dieser CD gekonnt deutlich macht. Sie enthält unter anderem Sonaten von Nikolaus Faber, der zu Bibers Zeiten in Kromeritz am Bischofshof wirkte, einem Joan Voita, bei dem Letzbor vermutet, es könnte sich um den Prager Musiker Johann Ignaz Franz Voita handeln, und Werke der berühmten Musikerfamilie Schmelzer. Nicht alles hat höchstes Niveau, aber einige grandiose Entdeckungen sind Letzbor dennoch gelungen. Auf die dritte CD der Serie „ex Vienna“, die in diesem Jahr erscheinen soll, darf man bereits gespannt sein.
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