Antje Weithaas gibt sich mit Ober- flächlichkeiten nicht zufrieden. Zwei Aufnahmen geben Zeugnis von ihrem Ringen mit der musikalischen Substanz. Die Geigerin hat, zum einen, zwei Werke Ludwig van Beethovens, die eigentlich für kammermusikalische Besetzungen entstanden sind, in Arrangements für Streichorchester eingespielt – die Kreutzer-Sonate in einer Bearbeitung von Richard Tognetti, das Streich- quartett Nr. 11 in f-Moll op. 95 hat sie selbst arrangiert, gemeinsam mit der Kontrabassistin Käthi Steuri. Eingespielt hat Antje Weithaas die beiden Werke mit der Camerata Bern.
Eigentlich ist es gebräuchlich, große Werke mit einer umfangreichen Besetzung für kleinere Ensembles oder aber Klavier zu bearbeiten. Damit konnte man sie im häuslichen Umfeld studieren und aufführen, was durchaus auch in den Salons des Adels und des Großbürgertums üblich war. Denn wer hat schon ausreichend Platz für ein komplettes Orchester? Ein Mozart-Klavierkonzert mit Streichquartett, Beethovens Eroica für Klavierquartett, oder die komplette Pastorale für Streichsextett – das kann, wenn gekonnt gemacht, wirklich spannend sein.
Warum aber bringt man ein Streichquartett oder aber eine Violinsonate auf Orchesterformat? Weithaas meint, dass beide Werke Beethovens „sehr symphonisch gedacht“ seien. Die Geigerin sieht in der klanglichen Ver- breiterung einen Schlüssel zum besseren Verständnis des Werkes. Nicht nur Farben und Klänge ändern sich; das Streichquartett beispielsweise kommt mit sehr viel mehr Wucht und Energie daher.
Auf einer zweiten CD treibt Weithaas dieses Experiment noch weiter: Sie spielt das Brahms-Violinkonzert mit einer eher kleinen Orchesterbe- setzung, kammermusikalisch und ohne Dirigenten, und Brahms' Streich- quintett op. 111, ebenfalls mit einem Streichorchester. Beteiligt sind erneut Musiker der Camerata Bern. „Mit einem anderen Ensemble wäre ich das Abenteuer wahrscheinlich nicht eingegangen“, berichtet die Geigerin. „Das Entscheidende ist, dass jeder einzelne Musiker in einer kammer- musikalischen Idee mit der nötigen symphonischen Energie dabei sein und Verantwortung übernehmen muss.“
Das Ergebnis klingt erstaunlich kraftvoll und wuchtig. Das Brahmskonzert sei „ein durchgearbeitetes Stück“, erläutert Weithaas im Beiheft: „Hier haben wir das, was wir von Beethoven eigentlich erwartet hätten: die vollständige, tiefgründige, dichte Durcharbeitung der Motive, die äußerst konsequente Polyphonie. Und das ist wichtig, herausgestellt zu werden, neben der ganzen Schönheit und Melodienseligkeit, die es auch in diesem Werk gibt.“ Weithaas betrachtet das Konzert als „Orchesterwerk mit obligater Solovioline“ – und so spielt sie es auch: Mit Hingabe, aber gänzlich uneitel und zupackend.
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