Manchmal ist es gut, wenn das Geld knapp ist. Die Kirchgemeinde in Cappel beispielsweise, zwischen Bremerhaven und Cuxhaven, musste im Jahre 1810 nach einem Brand ihre Kirche wieder aufbauen. Für eine neue Orgel reichte es dann nicht mehr – und so wurde ein Instrument gebraucht gekauft: 1816 setzte Orgelbauer Georg Wilhelmy die Schnitger-Orgel aus der Hamburger St. Johanniskirche nach Cappel um.
Dabei behielt er die alte Disposition bei; aber die Stimmung wurde verändert und ist nun annhähernd gleichstufig. In späteren Jahrhunderten blieb diese Orgel von Verände- rungen verschont. Sogar die originalen Prospektpfeifen aus Zinn, die typischerweise im Ersten Weltkrieg konfisziert wurden, sind hier erhalten.
In den 50er Jahren war die Schnitger-Orgel in Cappel so gut gepflegt, dass Helmut Walcha daran seine legendären Bach-Aufnahmen für die Deutsche Grammophon einspielen konnte. Das machte auch das Instrument berühmt. Allerdings baute die Gemeinde in den 70er Jahren in die Kirche eine Heizung ein – was erhebliche Schäden an der Orgel mit sich brachte. Sie sind mittlerweile dank einer Restaurierung beseitigt. Und auf dieser CD präsentiert sich die Schnitger-Orgel in Bestform. Harald Vogel, Experte für die norddeutsche Orgelkunst, hat Orgelmusik des jungen Johannn Sebastian Bach eingespielt. Man darf annehmen, dass Bach das Instrument bei seinen Aufenthalten in Hamburg mehrfach gespielt hat. Doch nicht nur das macht die Orgel, die einst zum Johanneum gehörte, zum idealen Medium für Bachs frühe Werke.
Klanglich bietet sie sehr viel Abwechslung, und somit schöne Möglichkeiten, durch die Registerwahl zu differenzieren. Dies nutzt Vogel gekonnt aus, um musikalische Strukturen aufzuzeigen. Ganz nebenbei gelingt es ihm, in seinem Programm alle historisch adäquaten Register klingend vorzustellen. Ausgewählt hat der Organist in erster Linie Musik aus der sogenannten Möllerschen Handschrift, die vor allem von Johann Sebastians älterem Bruder Johann Christoph Bach zu Papier gebracht wurde. Sie enthält neben Johann Sebastian Bachs frühesten Orgelwerken auch norddeutsche Orgelmusik. Als Quelle diente auch das Andreas-Bach-Buch, in dem der junge Organist beispielsweise die Fantasia ex c notierte, in Form einer Buchstabentabulatur.
Choralbearbeitungen aus der Neumeister-Sammlung machen deutlich, wie Bach mitteldeutsche und norddeutsche Einflüsse integrierte. Details erläutert Vogel sehr anschaulich in dem mit großer Sorgfalt erstellten Beiheft zu dieser CD. Folgt man seinen Erklärungen, kann man etliches über die Ausbildung des Musikers lernen: Johann Pachelbel, Georg Böhm, aber auch Reincken, Buxtehude, Bruhns, dazu Vorbilder aus der thüringi- schen Tradition – der junge Bach hat seine Meister mit Fleiß studiert. Das zeigt auch sein „Gesellenstück“, die Fantasia ex Gb duobus subjectis BWV 917, die sich am Schluss der Möllerschen Handschrift befindet und zeigt, was er in Lüneburg bei Georg Böhm gelernt hat. Sie erklingt auf dieser Super Audio CD in Ersteinspielung.
Eine Reihe von weiteren Werken zeigt uns den jungen Bach als Orgel- virtuosen. Insbesondere auch die Fuga h-Moll über ein Thema von Corelli, Präludium und Fuge g-Moll sowie die berühmte d-Moll-Toccata nutzt Vogel, um deutlich zu machen, wie versiert Bach sein Handwerk verstand. Eine rundum gelungene Aufnahme, in jeder Hinsicht ansprechend.
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