Gotha gehörte zu jenen thüringi- schen Residenzen, die sich im Laufe der Jahrhunderte weithin einen Ruf als Musenhof erworben haben. Die Herrscher dort wett- eiferten geradezu darum, bedeu- tende Komponisten, Musiker und Sänger, Schauspieler und Dichter in ihre Dienste zu nehmen. Die Thüringen Philharmonie Gotha, die ihre Wurzeln in der 1651 gegründe- ten Hofkapelle hat, stellt auf dieser CD einige Werke jener Komponi- sten vor, die seinerzeit das Musikleben am Gothaer Hof prägten.
So wirkte in Gotha von 1750 bis 1778 Georg Anton Benda als Hof- kapellmeister. Herzog Friedrich III. von Sachsen-Gotha hatte ihn aus Potsdam abgeworben, wo er seit 1742 in der Hofkapelle des Preußen- königs musizierte. Er komponierte vor allem für die Bühne. Auf dieser CD erklingt jedoch sein Konzert für Viola und Orchester F-Dur, eines der ersten Bratschenkonzerte überhaupt; als Solistin zu hören ist Tat- jana Masurenko, ausgebildet in St. Petersburg, seit 2003 Professorin an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig.
Sein Nachfolger Anton Schweitzer kam 1774 aus Weimar nach Gotha, und wirkte dort von 1778 bis zu seinem Tode 1787 als Hofkapell- meister. Seine Alceste nach einem Text Wielands, gern als die erste deutsche Oper angesehen, war 1773 in Weimar uraufgeführt worden. Auf dieser CD erklingt die Ouvertüre dazu.
Von 1805 bis 1812 wirkte Louis Spohr als Violinvirtuose und Hof- kapellmeister in Gotha. Als Solisten in seiner Concertante C-Dur für Violine, Violoncello und Orchester musizieren Antje Weithaas und Michael Sanderling. Spohrs Nachfolger wurde Andreas Romberg - seinerzeit ein bekannter Geiger, Dirigent und Komponist, der vor allem für seine Vertonungen von Schillers Balladen gerühmt wurde. Er schuf 1816 in Gotha die Oper Die Großmut des Scipio; diese CD stellt die Ouvertüre vor.
Ludwig Böhner, der "Thüringer Mozart", war der Sohn eines Kantors aus Töttelstädt bei Gotha. Er war als Pianist und Komponist zunächst ziemlich erfolgreich, soll davon jedoch aufgrund von charakterlichen Schwächen nicht wirklich profitiert haben. "In der vergangenen Nacht ist der einst in den weitesten Kreisen hochgefeierte Componist Ludwig Böhner nach wechselvollem Leben in hohem aber leider freudlosem Alter verstorben", vermeldete am 29. März 1860 un- missverständlich die Gothaische Zeitung. Die Thüringen Philharmo- nie Gotha spielt seinen Grand Galop concertant e brillant pour grand orchestre, nach der Gattin eines Gothaer Postmeisters auch Aurora-Galopp genannt.
1844 übernahm Herzog Ernst II. die Regierung in Gotha. Er unterhielt enge Verbindungen zu Franz Liszt, Richard Wagner und Giacomo Meyerbeer, und komponierte auch selbst fünf große Opern. So erlebte Santa Chiara, 1854 in Gotha unter der Leitung von Liszt uraufgeführt, selbst in Paris sechzig Vorstellungen - was damals keineswegs selbst- verständlich war, und für die Qualität der Musik des "Opernherzogs" spricht.
Friedrich Grützmacher, Erster Cellist am Leipziger Gewandhaus und Königlicher Kammervirtuose der Dresdner Hofkapelle, verwendete thematisches Material aus dieser Oper als Grundlage seiner Großen Concert-Fantasie op. 33 für Violoncello und Orchester, die er dem Herzog widmete. Die Solopartie in diesem hochvirtuosen Werk übernimmt hier der brillante Jens Peter Maintz.
Auch Franz Liszt setzte in seinem Festmarsch aus dem Jahre 1859 auf Motive aus einer Oper des Herzogs. Und Johann Strauss hatte eine ganz eigene Beziehung zu dem thüringischen Musenreich: 1887 reiste er an, um Bürger des Herzogtums zu werden. Denn er wollte seine Adele heiraten - eine Scheidung aber war im katholischen Österreich nicht möglich. Dankbar widmete der Walzerkönig mehrere Werke dem Herzog, darunter - gewiss kein Zufall - die Polka Neues Leben op. 278. Und natürlich spielen die Musiker der Thüringen Philharmonie auch ein Werk von Ernst II. - den Fackeltanz, den dieser zur Vermäh- lung des Prinzregenten von Baden mit Prinzessin Louise von Preußen 1856 komponiert hat.
Eine ambitionierte Werkauswahl, die vom Orchester unter Hermann Breuer leider nicht durchweg perfekt gespielt wird - aber die Solisten sind wirklich sehr gut; insofern lohnt sich die CD als ein Dokument der mitteldeutschen Musikgeschichte in doppelter Hinsicht.
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