Antonius Josephus Reicha (1770 bis 1836) war der Sohn eines Pra- ger Stadtpfeiffers. Sein Vater starb jedoch, als er noch in den Windeln lag. Reicha wuchs daher am 1781 bei seinem Onkel Joseph auf, der als Cellist und Kapellmeister der Hofkapelle des Fürsten Krafft Ernst von Oettingen-Wallerstein eine so- lide Position hatte, und den Neffen adoptierte. Er unterrichtete seinen Ziehsohn in den Fächern Klavier, Violine, Flöte und Komposition. 1785 wechselte Joseph Reicha als Kapellmeister der Kurfürstlichen Hofkapelle nach Bonn. Dort musi- zierte bald auch Anton mit; er erhielt eine Stelle als Zweiter Flötist. In diesem Orchester lernte er einen anderen Musiker kennen, mit dem er zeitlebens eng befreundet blieb: Ludwig van Beethoven spielte dort Bratsche, an einem der hinteren Pulte.
Als die Franzosen das Rheinland besetzten, wurde das Orchester auf- gelöst. Anton Reicha ging als Musiklehrer nach Hamburg, später dann nach Wien, wo er Unterricht bei Johann Georg Albrechtsberger und Antonio Salieri nahm, selbst jedoch auch bereits sehr erfolgreich war als Komponist von Gelegenheitsmusik. 1808 ließ sich Reicha schließ- lich in Paris nieder; 1818 wurde er dort am Konservatorium Professor für Kontrapunkt. Zu seinen Studenten gehörten unter anderem Franz Liszt, Hector Berlioz, Charles Gounod und César Franck.
Seine Werke sind heute fast nur noch Bläsern bekannt. Denn Reicha gilt als der Vater des Bläserquintetts. Für diese Besetzung schuf er allein zwischen 1811 und 1820 mehr als 24 Werke. Sie waren für fünf Professoren am Pariser Conservatoire bestimmt, die außerordentlich virtuos Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott spielten. Ihre Kon- zerte müssen ein Ereignis gewesen sein; wenn sie der Öffentlichkeit ein neues Werk Reichas vorstellen wollten, dann soll sich das Publi- kum um den Einlass schier geprügelt haben.
Das Ensemble Island stellt auf dieser CD zwei ebenso ausgefallene Werke des Komponisten vor: Das Grand Quintet und die Variationen für Fagott und Streichquartett. Sie zeigen, dass Reicha für seine Zuhörer nicht nur jede Menge Überraschungen parat hatte, sondern offenbar auch ein Mann von Humor war, der das strenge Regelwerk der Form virtuos zu handhaben wusste. Jane Gower demonstriert, wie phantastisch ein Fagott - und wir sprechen hier vom historischen Instrument der damaligen Zeit, nicht vom modernen Fagott mit seinem Klappensystem - klingen kann, wenn es nur gut gespielt wird. Diese CD lässt den Zuhörer staunen. denn gemeinsam mit Madeleine Easton und Alice Evans, Violine, Galina Zinchenko, Viola und Cathe- rine Jones, Violoncello bringt Gower diese Musik regelrecht zum Swingen. Reichas tänzerische Sätze hüpfen so fröhlich daher, dass es eine Lust ist, und sein Lento arioso wirkt in seiner sanglichen Gestal- tung so edel, dass man sich nur wundern kann, wie so etwas mit einem Fagott möglich ist. Bravi!
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