Eigentlich wollte Dieter Klöcker Archäologe werden. Doch dann zeigte ihm sein Klarinettenlehrer Karl Kroll, dass man auch als Musiker Entdeckungen machen kann. Denn Kroll war vor dem Ersten Weltkrieg Soloklarinettist des St. Petersburger Hoforchesters gewesen - und steckte mit seiner Begeisterung für die Pretiosen, die er dort in der Bibliothek vorge- funden hatte, auch seinen Schüler an.
Bereits bei seinem Musikstudium in Detmold bei Jost Michaels begann Klöcker, sich für die Kammermusik zu engagieren. Doch der Detmolder Bläserkreis, mit dem Klöcker seine ersten Konzertreisen und Rundfunkaufnahmen absolvierte, zerstreute sich nach dem Examen seiner Mitglieder. Aus den Augen verloren haben sich die Bläser aber nicht; gemeinsamen Auftritten als "Rheinisches Bläsersextett" folgte 1965 die Gründung des Ensembles Consortium Classicum. Das klang nicht nur eleganter - es ließ auch Raum für gemischte Besetzungen, beispielsweise mit Streichern und Klavier.
1968 beschloss Klöcker, die Anstellung im Orchester aufzugeben, um sich ganz der Kammermusik und seiner Solistenkarriere zu widmen. Er ging in Archiven und Musikbibliotheken auf die Suche - und fand dort Musik, die das Publikum entzückte. Wenn Namen wie Cannabich, Lachner oder Hummel heute dem Musikfreund wieder präsent sind, so ist das nicht zuletzt sein Verdienst. Schallplatteneditionen zu Themenkomplexen wie Bayerns Schlösser und Residenzen, Haydn - seine Freunde und Schüler oder Mozart - Original und Fälschung geben Zeugnis von seiner Entdeckerfreude. So ist Klöcker, obwohl er doch Musiker geworden ist, dennoch so manche Ausgrabung gelungen.
Seit 1986 erschienen die Aufnahmen von Dieter Klöcker und dem Consortium Classicum bei Dabringhaus und Grimm. Am 21. Mai 2011, kurz nach seinem 75. Geburtstag, ist der Musiker gestorben. MDG ehrt das Andenken dieses virtuosen Klarinettisten, hochgeschätzten Lehrers und akribischen Forschers nun mit einer Auswahl aus dem umfangreichen Fundus seiner Aufnahmen.
Die Edition beginnt mit den Bläserquartetten von Gioacchino Rossini, aberwitzig virtuosen Stücken, die wirken, als wären sie für das Con- sortium Classicum geschrieben. Noch immer hört man, wieviel Ver- gnügen Wolfgang Dünschede, Flöte, Dieter Klöcker an der Klarinette, Klaus Wallendorf, Horn und Karl-Otto Hartmann am Fagott mit diesen brillanten Werken hatten. Dieses Feuerwerk an Musizierlust und Esprit war die erste Gesamteinspielung dieser Werke überhaupt – und das Debüt des Ensembles bei MDG.
Klöcker verdanken wir die Wiederentdeckung von großartiger Musik lange vergessener Komponisten, aber auch den Zugang zu berühmten Meisterwerken in zeitgenössischen Arrangements. Ohne seine beharrliche Suche nach solchen Raritäten würden die zauberhaften Serenaden von Johann Nepomuk Hummel und Ignaz Pleyel sowie die Kammermusik von Carl Czerny wohl noch immer im Archivstaub vor sich hin schlummern. Die interessanten Bearbeitungen für Klarinette und Streichtrio von Vincent Gambaro nach Streichquartetten von Joseph Haydn wären ebenso unbekannt geblieben wie ihr Autor. Und natürlich stellte Klöcker auch neben Mozarts berühmte Sinfonia concertante KV 297b zwei Überraschungen.
Ergänzt wird die Sieben-CD-Box durch die Portrait-CD des Consor- tium Classicum aus dem Jahre 1993, die ebenfalls das außerordent- lich breite Repertoire dieses Ensembles präsentiert. Musiziert wird stets auf allerhöchstem Niveau. Jede dieser Aufnahmen ist gelungen, und die Angabe "Vol. 1" auf der Box lässt darauf hoffen, dass weitere folgen werden.
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