Die Musik von Charles Koechlin (1867 bis 1950) ist hierzulande wenig bekannt. Zum hundertfünfzigsten Geburtstag des Komponisten – der am 27. November 1867 in Paris das Licht der Welt erblickte, aber seine Wurzeln im Elsass hatte – sind nun bei SWR Music in zwei Boxen jeweils sieben CD alle Koechlin-Produktio- nen des Senders erschienen.
Als Zugabe gibt es jeweils ein umfangreiches Beiheft. Es enthält einen detailreichen Aufsatz von Otfrid Nies, der einen Überblick über Leben und Schaffen des Komponisten bietet. Nies setzt sich seit viele Jahren dafür ein, diesem Zeitgenossen von Debussy und Ravel mehr Beachtung zu verschaffen. Er hat dazu 1984 in Kassel das „Archiv Charles Koechlin“ gegründet, das mittlerweile über eine beeindruckende Kollektion an Dokumenten verfügt.
Mit Sorgfalt zusammengestellt: höchst informatives Beiheft
Otfried Nies und Robert Orledge, ebenfalls ein ausgewiesener Koechlin-Experte, haben dann ausführliche Anmerkungen zu den einzelnen Werken hinzugefügt. Diese werden gelegentlich durch Kommentare der beteiligten Musiker ergänzt. Außerdem sind die Texte sämtlicher Vokalwerke zu finden, und Kurzbiographien der Mitwirkenden – und all das auf Deutsch, Französisch und Englisch. Und als Zugabe gibt es obendrein noch Photographien von Koechlin. Soviel Sorgfalt ist selten; desto mehr ist der SWR zu loben, der diesen Aufwand treibt, um den Jubilar zu ehren und dem Musikfreund den Zugang zu seinem eigenwilligen Werk zu erleichtern.
Charles Koechlin, obgleich mit Musik aufgewachsen, wollte eigentlich Ingenieur werden. Doch dann erkrankte er schwer an Tuberkulose, und musste seine Lebenspläne ändern. Er wandte sich der Musik zu, und studierte am Conservatoire, zunächst bei Jules Massenet, und dann bei Gabriel Fauré. Aber auch die Musik von Claude Debussy schätzte Koechlin sehr: „Il suffit parfois d'une seule mesure chez un génial confrère, pour nous ouvrir la porte sur des jardins enchantés, où nous pourrons très bien cueillir d'autres fleurs que les siennes“, so beschrieb er in seinen Memoiren die Inspiration, die er durch dessen Stück Mandoline erfuhr.
Das Werk von Charles Koechlin ist umfangreich, und umfasst nahezu alle Gattungen mit Ausnahme von Opern, Oratorien und anderer geistlicher Chormusik. Ein besonderes Faible hatte der Komponist für das Orchestrieren; diese Gabe nutzten auch seine Kollegen gern, so dass er beispielsweise Faurés Musik zu Pelléas et Mélisande oder Debussys Ballettmusik Khamma orchestrierte. Seine Erfahrungen in diesem Bereich gab er in dem vierbändigen Traité de l'orchestration weiter.
Schon im Jahre 2001 startete der SWR das Koechlin-Projekt; dabei arbeiteten der Stuttgarter Rundfunksender mit seinem Radio-Sinfonie- orchester, Dirigent Heinz Holliger und Otfrid Nies mit dem Archiv Charles Koechlin eng zusammen. Die beiden CD-Boxen zeigen, wie viele Facetten Koechlins Werk hat. Da wäre zunächst die Kammermusik, auf vier CD zusammengefasst – wobei der Komponist die Bläser offenbar sehr schätzte, insbesondere Klarinette und Flöten. Doch auch für Streichinstru- mente hat er etliche Werke geschrieben.
Koechlins magische Musik - oder: Fronarbeit im Zaubergarten
Entstanden sind die Aufnahmen im Laufe vieler Jahre. Auch die Liste der Mitwirkenden ist lang; sie reicht von Dirk Altmann, Klarinette, über Peter Bruns, Violoncello, bis hin zu Peter Thalheimer, Flöte. Die meisten Interpreten sind Mitglieder des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart und haben sich über viele Jahre mit dem Werk Koechlins beschäftigt.
Die Klavierwerke, auf drei CD, hat Michael Korstick eingespielt. Der Pianist wurde durch eine CD auf die Musik Koechlins aufmerksam: „Gleich mit den ersten Akkorden öffnete sich ein fremdartiger Zaubergarten voller süchtig machender Farben und Düfte“, berichtet er. Korstick fragte beim Archiv nach – und bekam von Otfried Nies ein Notenpaket. „Allerdings sind die feinsinnigen und farbigen, eine große innere Ruhe ausstrahlenden Klavierschöpfungen Koechlins für den Pianisten eine harte Nuss“, stellt Korstick fest. „Der stark orchestral konzipierte Satz kümmert sich nicht im geringsten um das mit zwei Händen Machbare, wirkt mit seinen extrem aufgefächerten Akkorden über weite Strecken wie das Particell eines Orchesterwerks, welches vom Pianisten erst in einem ,Griffplan' eingerichtet werden muss und zudem noch ganz eigene, hoch differenzierte Pedaltechniken erforderlich macht.“
Die Veröffentlichung mit den Orchesterwerken Koechlins enthält zahlreiche Weltersteinspielungen. Sie bietet einen breiten Überblick über Koechlins Schaffen, von den frühen Orchesterliedern über orchestrierte Werke anderer Komponisten bis hin zu seinen klanggewaltigen und üppig besetzten Spätwerken.
Koechlins Musikstücke beziehen sich oftmals auf Außermusikalisches, wie Literatur oder Filme. Am ehesten bekannt sind wohl seine Musikstücke zum Dschungelbuch von Rudyard Kipling, wie Chanson de nuit dans la jungle, Le Chant de Kala Nag oder Les Bandar-Log. Auf sieben CD erklingen die von 2000 bis 2012 aufgenommenen und veröffentlichten Produktionen des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart unter Heinz Holliger sowie La Méditation de Purun Bhagat, ebenfalls ein Dschungelbuch-Stück.
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