Über das Leben und Werk von Heinrich Ignaz Franz Biber (1644 bis 1704) wurde hier im Blog bereits des öfteren geschrieben. Der böhmische Musiker wirkte zunächst in der Hofkapelle des Fürstbischofs von Olmütz, um dann nach zwei Jahren offenbar ohne Genehmigung seines Dienstherrn nach Salzburg zu wechseln, wo er schließlich zum Hofkapellmeister aufstieg. Und vom Kaiser Leopold I. wurde der Musiker obendrein für sein grandioses Geigenspiel 1690 als Truchseß in den Adelsstand erho- ben.
Annegret Siedel hat nun eines der bekanntesten Werke dieses Violin- virtuosen, die sogenannten Rosenkranz-Sonaten, gemeinsam mit Michael Freimuth, Theorbe, Hermann Hickethier, Viola da gamba und Violone, und Margit Schultheiß, Orgel, Cembalo und Barockharfe, bei Berlin Classics eingespielt. Das ist ein anspruchsvolles Unter- fangen, denn wie dieses Werk einst geklungen hat, das kann man nur vermuten. Überliefert ist eine Reinschrift, die Biber vermutlich eigenhändig für seinen Dienstherren, Erzbischof Max Gandolph Graf von Kuenheim, angefertigt hat. In dieser Partitur sind in zwei Zeilen die Partie der Violine und der bezifferte Bass notiert. Alles andere bleibt der Phantasie und dem Sachverstand der Ausführenden überlassen.
Nur eine der 15 Sonaten sowie die abschließende Passacaglia lässt sich auf einer normal gestimmten Geige spielen, die anderen erfor- dern umgestimmte Instrumente. Die sogenannte Skordatur war zu Bibers Zeiten sehr beliebt, weil sie die klanglichen Möglichkeiten der Violine enorm erweitert. Schon Reinhard Goebel klagte jedoch einst darüber, dass über das Skordatur-Spiel in den zeitgenössischen Pu- blikationen nur wenige Informationen zu finden sind. Die Darmsaiten, mit denen historische Violinen üblicherweise ausgestattet sind, lassen dies erst recht zu einer heiklen Angelegenheit werden. Denn sie verstimmen sich leicht, und tönen, über die Lagen betrachtet, ohnehin nie ganz sauber. Was sich daraus ergibt, wenn man eine Geige umstimmt, das mag sich jeder selbst vorstellen. Annegret Siedel hat aus dieser Misere einen eleganten Ausweg gefunden: Sie spielt gleich neun verschiedene Violinen aus dem 17. und 18. Jahrhundert.
Anders als Goebel, dessen 1991 bei der Deutschen Grammophon erschienene Einspielung mit dem Ensemble Musica Antiqua Köln als Referenz gelten darf, und der in erster Linie auf Brillanz setzt, betont Siedel den meditativen Charakter dieser Stücke. Sie wählt sowohl bei den Violinen als auch im Continuo einen eher warmen, sonoren Ton, und konzentriert sich auf den geistlichen Untertext, der auch durch das Motto der jeweiligen Sonate herausgestellt wird. Sie besinnt sich auf den Rosenkranz, und macht ihn zum Mittelpunkt der Sonaten. Biber, der offenbar ein frommer Mann war, hätte dies sicherlich gut gefallen. Und auch das schön gestaltete Cover sowie das Beiheft nebst einem Nachdruck des Rosenkranz-Bruderschaftsblattes, dem Biber einst die Illustrationen für sein prächtiges Manuskript entnahm, begeistern.
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