Die ganze Farbenpracht barocker Gambenmusik präsentieren Frauke Hess und ihre Mitstreiter auf dieser CD. Im Mittelpunkt der Einspielung steht der sogenannte Stylus Phan- tasticus, eine musikalische Form, die zunächst in der Orgelmusik außerhalb der eigentlichen Liturgie aus der Improvisation entstanden ist, und bald auch auf andere Instrumente übertragen wurde.
Die Viola da gamba erfreute sich im späten 17. Jahrhundert in der Kammermusik großer Beliebtheit. Und so nutzten nicht nur berühmte Gambenvirtuosen „die allerfreieste und ungebundenste Setz-, Sing- und Spiel-Art“ - so nannte Johann Mattheson 1739 den Stylus Phan- tasticus - um ihr Instrument gekonnt zu präsentieren.
Auf dieser CD erklingen einige Werke, die zeigen, wie die Gambe in dieser innovativen Spielart der Barockmusik verwendet wurde. Philipp Heinrich Erlebach (1657 bis 1714) beispielsweise, Hofkapell- meister im Hause Schwarzburg-Rudolstadt, veröffentlichte 1694
VI Sonate à Violino e Viola da Gamba col suo Basso Continuo. In der dritten Sonate aus dieser Sammlung, die hier erklingt, tritt die Gambe in einen Dialog mit der in Skordatur gestimmten Violine. So ergibt sich eine klanglich reizvolle Triosonate.
August Kühnel (1645 bis um 1700), im Dienst beim Landgrafen von Hessen-Kassel, gehörte zu den berühmten Gambenvirtuosen jener Zeit. In Kassel erschienen 1698 seine Sonate o Partite ad una o due Viola da Gamba con il Basso Continuo; die ersten sechs dieser Werke sind für zwei Gamben geschrieben, ansonsten erklingt das Instrument solistisch. Auch enthält der Band anspruchsvolle und weniger schwierige Stücke, was uns einen Hinweis darauf gibt, dass der Landgraf wohl selbst die Viola da gamba gespielt hat. Zwei Sonaten aus dieser Sammlung sind auf dieser CD zu hören.
Über das Leben von Johann Michael Kühnel ist wenig zu erfahren; es wird vermutet, dass er als Lautenist und Gambist in Potsdam, Weimar und Dresden gewirkt hat. Die CD stellt ein Concerto vor, in dem die Gambe gemeinsam mit der Laute zum Basso continuo konzertiert - eine rare, aber sehr aparte Kombination.
Auch Dieterich Buxtehude (1637 bis 1707) schrieb Kammermusik, in der er die Gambe einsetzte. So gehören zwei Bände mit je VII Sonate à due, Violino et Viola da Gamba con Cembalo zu den wenigen Werken des Komponisten, die zu seinen Lebzeiten gedruckt wurden. Bereits der erste Band war so gefragt, dass der Verleger die Druckkosten für den zweiten übernahm. Die Sonata IV aus dieser Sammlung, die 1696 in Hamburg erschienen ist, gehört mit ihrer kunstvollen Verknüpfung von Stylus Phantasticus und Kontrapunkt zu den schönsten auf dieser CD.
Johann Sebastian Bach verwendet die Viola da gamba in seiner Matthäuspassion, beispielsweise in Ja! Freilich will in uns das Fleisch und Blut/Komm, süßes Kreuz. Dort übernimmt sie einen Solopart, der den des Sängers beinahe zur Nebensache werden lässt - und wohl auch zu den schwierigsten der gesamten Gambenliteratur gehört. Bassbariton Dominik Wörner antwortet auf diese instrumentale Brillanz mit Theatralik - mein Fall ist das nicht. Aber ansonsten ist die CD mit der Gambistin Frauke Hess, Josh Cheatham an der zweiten Gambe sowie am Violone, Veronika Skuplik, Violine, Andreas Arend, Chitarrone und Barocklaute, und Torsten Johann an Orgel und Cem- balo sehr gelungen und stimmungsvoll.
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