Anders als die evangelische Kir- chenmusik, die zumindest in ihrem Ursprung stark am Wort und seiner Auslegung mit den Mitteln der Musik orientiert war, scheint die katholische Kirchenmusik eher auf den Klang zu setzen, um Gefühle und Assoziatio- nen zu wecken. Welche Ideen die Komponisten dazu entwickelten, das zeigt exemplarisch eine CD, die kürzlich bei Pan Classics erschienen ist.
Das Ensemble Ars Antiqua Austria unter Gunar Letzbor stellt darauf gemeinsam mit St. Florianer Sänger- knaben ein Requiem sowie die Missa Jubilus sacer von Joseph Balthasar Hochreither (1669 bis 1731) vor. Dieser Komponist entstammte einer Salzburger Musikerdynastie. Seine Lehrjahre absolvierte er ab 1681 am Salzburger Kapellhaus, einer Ausbildungsstätte für talentierte Knaben, die ab 1684 durch Heinrich Ignaz Franz Biber geleitet wurde. 1688 verließ Hochreither als Magister die Salzburger Universität. Nach einer Zwischenstation als Organist in einem Benediktinerinnenkloster wechselte er 1694 an das Stift Lambach. 1721 schließlich ging er als Domstiftsorganist nach Salzburg, wo er dann bis an sein Lebensende wirkte.
Lediglich 21 Werke des Komponisten sind überliefert. Ein neuer Musikarchivar hat etliche Kompositionen in den Beständen des Stiftes Lambach aufgespürt. Letzbor hat mit Ars Antiqua Austria bereits die Missa Ad multos annos eingespielt. Erfreut von der Klangpracht dieser Neuentdeckung, stellt das Ensemble nun zwei weitere Werke vor.
Das Requiem ist nicht nur aufgrund seiner Überlieferung in drei Mappen ein Kuriosum. Jede von ihnen enthält Teile des Werkes; sie unterscheiden sich in Datierung, Handschrift und Besetzung. Zu welchem Anlass das Werk geschrieben wurde, das ließ sich nicht herausfinden.
Hochreither schreckte auch vor außergewöhnlichen Methoden nicht zurück, um die gewünschten Effekte zu erzielen. So gibt er vor, der Bassist möge „das Tuba mirum, item das Lacrymosa (…) aus einem Rödtrohr“ singen. „Diese Anweisung bereitete mir schlaflose Nächte“, gesteht Gunar Letzbor. „Bis kurz vor der CD-Aufnahme hatte ich keine Idee, was das bedeuten sollte. (...) In der vorletzten Nacht vor dem ersten Aufnahmetag kam dann die rettende Idee. Ich erinnerte mich an einen Bericht, wonach in der Barockzeit manchmal akustische Spielereien versucht wurden, wo man beispielsweise ein Rohr über lange Strecken durch dicke Mauern legte und damit Überraschungseffekte erzielte, wenn aus dem Nichts plötzlich eine bedrohliche Stimme erklang. (...) Am nächsten Morgen montierte ich die Plastikregenwasserrohre von unserer Gartenhütte ab.“ Man kann sich vorstellen, welche Wirkung eine solche Konstruktion im Konzert auf das Publikum hat – der Klangeffekt aber, der dadurch erzielt wurde, ist beeindruckend.
Die Missa Jubilus sacer, entstanden 1731, ist Abt Gotthart Haslinger von Lambach gewidmet. Es ist ein prächtiges Werk, eine Festmesse, die für alle Solisten virtuose Passagen bereithält. Die St. Florianer Sängerknaben, in Mini-Besetzung, singen wunderbar; insbesondere Alois Mühlbacher hat einen großartigen Auftritt. Von allen CD mit dem herausragenden Knabensopran ist dies ohne Zweifel eine der besten.
Ob es allerdings wirklich zweckmäßig ist, mit einer CD den Klangeindruck vermitteln zu wollen, den der Dirigent am Pult hat, sollte kritisch überprüft werden. „Natürlich sind hier Ansatzgeräusche bei den Bläsern und Streichern auch abgebildet“, schreibt Letzbor. „Man hört manches Klopfen der Bögen, das man in drei Metern Entfernung nicht mehr bemerken kann.“ Genau dort sitzen aber üblicherweise die Zuhörer; dort erreichen sie die „Arbeitsgeräusche“ der Musizierenden nur noch gedämpft – und das ist gut so.
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