Donnerstag, 25. Januar 2018

Living on the edge (Genuin)

Das Ballett der Küchlein in ihren Eierschalen – vorgetragen von einem Posaunen-Ensemble? Trombone Unit Hannover beweist auf dieser CD, dass so etwas möglich ist. Frederic Belli, Mateusz Dwulecki, Karol Gajda, Lars Karlin, Angelos Kritikos, Tomer Maschkowski, Tobias Schiessler, Mateusz Sczendzina und Michael Zühl haben neben dem Zyklus Bilder einer Ausstellung von Modest Mussorgski auch Musik aus Sergej Prokofjews Ballett Romeo und Julia sowie die populäre Feuerwerksmusik von Georg Friedrich Händel eingespielt. Dabei wurden sie unterstützt durch den Posaunisten Yuval Wolfson sowie Martin Hennecke, Dominik Minsch und Johannes Walter am Schlagzeug. Ein irrwitziges Programm – und trotzdem klingt das alles so soft, so entspannt und so rund, als wäre dieses Repertoire ein Spaziergang. 
Doch ganz so einfach ist das offenbar nicht: „Leben an der Kante“, so haben die Mitglieder der Trombone Unit Hannover ihr zweites Album genannt. Veröffentlicht haben sie es fünf Jahre nach dem ersten, pünktlich zum zehnjährigen Jubiläum des Bläserensembles. „Aus End-Zwanzigern sind Mitt-Dreißiger geworden, die Zahl der Familienväter ist von einem auf vier gestiegen und die Mitgliederzahl im ,Trombone Unit Kindergarten' hat sich ebenfalls von drei auf neun erhöht“, so beschreibt Frederic Belli die Veränderungen, die sich in diesem Zeitraum ergeben haben. 
Eine Herausforderung ist es ohnehin, das Musizieren in einem Ensemble, dessen Mitglieder über ganz Deutschland verstreut leben und arbeiten. Und auch das Programm, das Trombone Unit sich für diese CD ausgesucht hat, ist ohne Zweifel „on the edge“. Verantwortlich ist dafür nicht zuletzt Lars Karlin, der Arrangeur. „Was die Stücke betrifft, die ich für die Trombone Unit geschrieben habe, so hätte ich sie niemals für irgendein anderes Ensemble schreiben können“, räumt der Posaunist ein. „Niemand hätte so etwas akzeptiert! Viele der späteren Arrangements sind so nah an der Grenze sowohl der musikalischen als auch der technischen Möglichkeiten, dass ich mich selbst frage, wie das enden soll.“ 
Seine Bearbeitungen, so Karlin, sollen möglichst wie das Original klingen – und so will der Musiker auch möglichst wenig aus der originalen Partitur weglassen. Das bringt für Blechbläser einige Probleme mit sich: „Diese Person ist verantwortlich für unmenschliche Höhen und Tiefen auf unseren Instrumenten, technische Passagen, die weder auf den ersten, noch auf den zweiten oder dritten Blick möglich zu sein scheinen“, so wiederum Frederic Belli. „Er schreibt als Anweisung in den Noten zum Beispiel ,Jetzt oder nie!' oder ,wenn der erste Alt stirbt, spiele die nächst höhere Stimme' oder ,spiele das hohe F nur, wenn Du die Kraft dazu hast :-)'.“ 
„Als Arrangeur der Trombone Unit versuche ich Musik zu schreiben, die für das Ensemble auf den ersten Blick immer zu schwer aussieht. Nach mehrmaligem Durchspielen wird dann klar, dass sie doch machbar und irgendwann für die Spieler sogar ganz normal ist. Mit der Zeit erkennen das auch die Ensemblemitglieder“, meint wiederum Karlin. „Die Grenzen sind immer fließend, wenn man bereit ist, das Ensemble ein wenig anzustoßen.“ 
Diese Neckereien verbergen ein wenig den Ehrgeiz, trotz aller Schwierigkeiten erstklassige Qualität zu erreichen. Und das hat schon auch seine Tücken, wie die Musiker verraten. So entstand die Bläserversion der Bilder einer Ausstellung seinerzeit für ein Konzert im Jahre 2009 auf Wunsch von Frederic Belli. 
Karlin zweifelte sehr daran, dass Ravels bombastische Orchestrierung auf acht Posaunen zu übertragen sein wird. Versuch macht klug, so der Musiker: „Also besorgte ich mir die Partitur und fing an. Ich begann spät und arbeitete Tag und Nacht, eine ganze Woche lang. Frederic weckte mich jeden Morgen per Telefon, so dass ich mit dem Arrangieren fortfahren konnte. Die Transkription wurde rechtzeitig fertig... zwei volle Tage vor dem Konzert!“, erinnert sich Lars Karlin. „Ich werde gar nicht erst versuchen, das Gesicht von Tobias zu beschreiben,als er seine Partie der Altposaune I bei der ersten Probe übte. Unvergesslich...“ Der Aufwand freilich lohnt sich. Denn die Klangpracht, die das Ensemble aufbieten kann, ist unvergleichlich. 

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