Das Label Solo Musica verblüfft immer wieder mit verrückten musikalischen Projekten. Wer kommt schon auf die Idee, die ersten Werke für Violoncello, die jemals gedruckt wurden, auf einem Violoncello von Andrea Amati - fertiggestellt im Jahre 1566 und damit eines der ältesten derartigen Instrumente der Welt überhaupt - einzuspielen?
Der Cellist Julius Berger engagiert sich seit vielen Jahren für die Werke von Gianbattista Degli Antonii (1636 bis 1698) und Domenico Gabrielli (1651 bis 1690). Die beiden Musiker stammen aus Bologna; Degli Antonii war Organist der Kirche San Giacomo Maggiore, Gabrielli wirkte als Cellist an St. Petronio. Beide wurden von Francesco II., dem cellospielenden Fürsten von Modena, geschätzt und gefördert. Ihm widmete Degli Antonii daher seine Ricercate sopra il Violoncello, die 1687 in Bologna im Druck erschienen sind. Es wird vermutet, dass Gabrielli seine Sette ricercari per il violoncello solo ein Jahr später geschrieben hat.
Beide Werke stehen bei Musikwissenschaftlern seltsamerweise nicht hoch im Ansehen. Sie werden gern als pädagogische Werke oder als Lehr- und Übungsstücke abgetan. Diese CD beweist jedoch, dass die alten Stücke viel mehr sind als Trainingsmaterial für Musikerfinger. Denn sie sind stimmungsvolle, traumhaft schöne Musik - und Berger, der hier mit ganzer Seele musiziert, tut recht daran, sie Bachs Solo- suiten zur Seite zu stellen. "Für mich gehört die Entdeckung der ersten Werke für Violoncello solo mit dem ältesten Violoncello der Welt zu meinen faszinierendsten Erfahrungen", meint Berger. "Den Zuhörern wünsche ich ähnliche Erlebnisse, ich wünsche Ihnen durch die Musik von Degli Antonii und Gabrielli das, was Bach die ,Recrea- tion des Gemüths' genannt hat." Die Aufnahme ist grandios gespielt, und von nahezu überirdischer Klangschönheit - ein großer Wurf, in jeder Hinsicht. Für mich gehört diese CD zu den besten und interes- santesten Violoncello-Einspielungen der letzten Jahre.
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