"Aus Liebe zur Barockmusik habe ich dieses Programm eingespielt", schreibt Ramón Ortega Quero, Solo-Oboist des Symphonie- orchesters des Bayerischen Rund- funks und Rising Star der European Concert Hall Organization 2010/11. "Wir haben die drei italienischen Sonaten und drei französische Stücke aufgenommen und versucht, Ähnlichkeiten und Unterschiede beider Stilrichtun- gen deutlich zu machen."
Das ist offenbar gar nicht so einfach, denn die Musiker der Barockzeit reisten umher, um zu lernen, einander zuzuhören und Arbeiten berühmter Kollegen zu kopieren. Italien galt damals als das Maß aller Dinge. Concerti grossi nach Corelli, die Kirchensonate oder die nea- politanische Oper wurden bald in ganz Europa nachgeahmt.
Die Franzosen bevorzugten Suiten, Folgen von Tanzsätzen; sie über- nahmen aber bald die Innovationen aus Italien. So steht auf dieser CD nur noch ein Werk für den französischen Stil - und die Suite VI in f-Moll stammt lustigerweise von Charles Dieupart, der in London lebte und arbeitete. Die beiden Werke von Michel Blavet, damals der berühmteste Flötist in Frankreich, folgen bereits dem Modell der Sonate. Die CD enthält zudem Sonaten von Francesco Maria Veracini und Antonio Vivaldi - darunter auch die Sonate c-Moll RV 53, das einzige der sechs Werke, das ursprünglich für Oboe entstanden ist.
Alle sechs Werke stehen zudem im Tongeschlecht Moll, was das Label veranlasste, den Titel Schatten für die CD zu wählen. Nach der Affektenlehre, die im Beiheft sogar zitiert wird, haben aber nicht alle Moll-Tonarten etwas Düsteres; erst die Wiener Klassik bevorzugte die Dur-Tonarten, und degradierte Moll zum Kontrast. Johann Mattheson beschreibt in seinem Neu-Eröffneten Orchestre (1713) aber nicht nur die Charaktere der einzelnen Tonarten: "Der gleichsam redende Haut- bois, ital. Oboe, ist bey den Frantzosen, und nunmehro auch bey uns, das, was vor diesem in Teutschland die Schalmeyen (von den alten Musicis Piffari genandt) gewesen sind, ob sie gleich etwas anders eingerichtet. Die Hautbois kommen, nach der Flute Allemande, der Menschen-Stimme wol am nähesten, wenn sie mannierlich und nach der Sing-Art tractiert werden, wozu ein großer Habitus und sonder- lich die gantze Wissenschaft der Singe-Kunst gehöret. Werden aber die Hautbois nicht auff das aller delicateste angeblasen, (es sei denn im Felde oder inter pocula, wo mans eben so genau nicht nimmt) so will ich lieber eine gute Maultrummel oder ein Kamm-Stückchen davor hören, und glaube, es werden ihrer mehr also verwehnet seyn."
Was die Qualität des Oboenspiels angeht, so ist bei dieser CD nicht viel zu befürchten; auch wenn der Ton vielleicht noch ein wenig weicher, singender, samtiger werden könnte. Und mit Luise Buchberger am Violoncello und Peter Kofler am Cembalo steht Ramón Ortega Quero ein versiertes Continuo zur Seite.
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