Paganini (1782 bis 1840) gilt vielfach als Inbegriff des Geigen- virtuosen. Doch der letzte jener grandiosen Solisten, die durch die Welt reisten, um vor allem auch ihre eigenen Werke zu spielen, war Fritz Kreisler. Der Sohn eines Arztes, geboren 1875 in Wien, begann schon als Vierjähriger, Geige zu spielen. Er studierte in seiner Heimatstadt am Konserva- torium bei Joseph Hellmesberger und Anton Bruckner, und danach in Paris bei Lambert Joseph Massart, Léo Delibes und Jules Massenet. Als Vierzehnjähriger star- tete er seine Solistenkarriere - und wo ihm Repertoire fehlte, erfand er sich flugs die entsprechenden Werke. Die Kritik reagierte ziemlich ungnädig, als Kreisler einräumte, einige der hoch gelobten "Klassiker" selbst komponiert zu haben.
Es ist sehr interessant, wie ein Musiker, der das Prinzip Mimikry derart perfekt beherrscht, die Werke seines großen Vorgängers liest. Philippe Quint, ausgebildet der großen russischen Geigentradition entsprechend, hat gemeinsam mit dem Pianisten Dmitrij Cogan einige Paganini-Bearbeitungen von Kreisler eingespielt. Das Programm ist attraktiv. Es beginnt mit dem berühmten "Glöckchen-Rondo" aus dem Violinkonzert Nr. 2, enthält zwei groß angelegte Variationen über Themen aus Rossini-Opern, drei der 24 Caprices, das Moto perpetuo op. 11 sowie Le streghe, op. 8, Variationen zu einem Thema aus dem Ballett Il noce di Benevento des Mozart-Schülers Süssmayr.
Es fällt auf, dass Kreisler darauf verzichtete, seine Violine umzu- stimmen. Statt die Möglichkeiten der scordatura auszunutzen, wählte er lieber die Transposition - und verließ sich ansonsten auf seine eigene Virtuosität. So brachte er seinerzeit Paganinis Musik zu einem staunenden Publikum. Quint und Cogan haben an den technisch kniffligen Bravourstücken durchaus Vergnügen. Man hat aber nicht den Eindruck, dass sie dabei irgendwo auf eine Herausforderung stoßen. Dennoch vermisse ich das Quentchen Witz, dass aus einer soliden eine überragende Einspielung macht. Schade.
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