"Denn eine Musik, welche nicht in einem einzelnen Lande, oder in einer einzelnen Provinz, oder nur von dieser oder jener Nation allein, sondern von vielen Völkern angenommen und für gut erkannt wird (...) muss, wenn sie sich anders auf die Vernunft und eine gesunde Empfindung gründet, außer allem Streite die beste seyn", schrieb Johann Joachim Quantz (1697 bis 1773) 1752 in seinem Versuch einer Anweisung die Flöte traversière zu spielen.
Quantz, Sohn eines Hufschmieds und früh verwaist, wuchs bei einem Onkel auf, der Stadtmusikus in Merseburg war. Er wurde zum Stadt- pfeifer ausgebildet, und erlernte dabei, wie üblich, eine Vielzahl von Instrumenten - von der Violine über die Trompete und ihre Verwand- ten bis hin zu Blockflöte, Fagott und Kontrabass. Nach einer ersten Anstellung 1716 in der Stadtkapelle Dresden begann Quantz seine Karriere als Oboist am Hofe Augusts II.
Doch schon bald wechselte er das Instrument: Quantz nahm Quer- flötenunterricht bei dem französischen Virtuosen Pierre-Gabriel Buffardin, und er begann zu komponieren. Reisen erweiterten seinen Horizont. Dabei ging er zunächst nach Italien, wo er bei Francesco Gasparini, dem Konzertmeister des Lateran in Rom, Kontrapunkt studierte, und auch sonst eine Menge Anregungen erfuhr. So begeg- nete er Alessandro Scarlatti, lernte den Kastraten Farinelli kennen und hörte in Venedig Vivaldi. Seine Bildungsreise führte Quantz weiter nach Frankreich, in die Niederlande und nach London; Georg Friedrich Händel riet dem jungen Musiker, in England zu bleiben.
Doch dieser kehrte nach Sachsen zurück. 1728, nunmehr als Flötist am Dresdner Hof, lernte er Kronprinz Friedrich von Preußen kennen, der bei ihm Flötenunterricht nahm. Nachdem Friedrich König ge- worden war, wurde Quantz 1741 sein Kammermusikus und Hof- komponist. Und das blieb er, bis zu seinem Tode.
Unter dem Motto "Regelmäßig, feurig und erhaben" - so beschrieb der Nachruf das Flötenspiel des Virtuosen - präsentiert das Ensemble La Ricordanza zwei Werke des Wahlberliners, nebst vier sehr passen- den Stücken von Zeitgenossen. Dass dies die Quellen Quantz'scher Kreativität gewesen sein sollen, das darf getrost bezweifelt werden. Dennoch ist die Zusammenstellung erlesen; insbesondere die Welt- ersteinspielung von Quantz' Concerto à 5 in D-Dur QV 5:45 ist eine Überraschung. Es folgt die Sonate en Trio op. 2 Nr. 8 für Blockflöte, Viola und Basso continuo von Jean-Marie Leclair.
Carl Philipp Emanuel Bach war zunächst Cembalist, dann Kammer- musikus am Hofe Friedrichs des Großen.1768 wurde er Telemanns Nachfolger als städtischer Musikdirektor und Kantor in Hamburg. Wie sehr ihn Quantz beeinflusst hat, das sieht man auch daran, dass er 1753 ein Buch mit dem Titel Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen publiziert hat. Aus dem Schaffen des "Berliner"/"Hambur- ger" Bachs wurde für diese CD die Triosonate Wq. 146 in A-Dur für Flöte, Violine und Basso continuo ausgewählt - ein galantes Stück mit Seufzerfiguren im langsamen Mittelsatz.
Johann Gottlieb Graun gehörte schon in Ruppin zu den Musikern um Kronprinz Friedrich. Eine Oper seines Bruders Carl Heinrich erklang anlässlich der Verheiratung Friedrichs mit Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern. Nach seiner Krönung wurden die Brüder Konzertmeister bzw. Kapellmeister der Berliner Oper. Unterhaltsam ist Grauns Konzert in F-Dur für Blockflöte, zwei Violinen und Basso continuo zu nennen, das ebenfalls für die vorliegende CD eingespielt wurde.
Es folgt eine Triosonate für Blockflöte und Traversflöte in C-Dur QV 2:Anh. 3 - eines von wenigen Werken, das beide Flötenarten zugleich erklingen lässt, und dabei jeweils ihre Stärken herausstellt. Die Blockflöte dominiert mit ihrem klaren, aber ziemlich eintönigen Klang die schnellen Sätze. Die Traversflöte hingegen mit ihren überlegenen klanglichen Gestaltungsmöglichkeiten kommt besonders in den lang- samen Sätzen zur Geltung. Musikwissenschaftler streiten darüber, ob dieses charmante Werk tatsächlich von Quantz stammt, der für Block- flöte kaum etwas geschrieben hat - oder ob nicht doch Telemann der Komponist war.
Von Michel Blavet hingegen ist nur ein einziges Flötenkonzert über- liefert - das Concerto à 4 in a-Moll für Traversflöte, zwei Violinen und Basso continuo. Quantz erlebte den Flötisten auf seiner Grand Tour in Paris, und lobte ihn als einen der führenden Virtuosen seiner Zeit. Witzigerweise enthält das Stück lediglich in seinem zweiten Satz, einer Gavotte, eine Reverenz an den französischen Stil, folgt aber anson- sten den italienischen Vorbildern - und überrascht mit atemberau- benden Kadenzen.
Brian Berryman, Traversflöte, stand für diese Aufnahmen eine exzellente Quantz-Flöte zur Verfügung. So darf man sich über ein ausgewogenes, ziemlich originalgetreues Klangbild freuen, denn auch die anderen Mitglieder von La Ricordanza sind ausgewiesene Barock- experten - allen voran Annette Berryman, Blockflöte, aber auch Christoph Heidemann und Katharina Huche-Kohn, Violine, Bettina Ihrig, Viola, Dorothée Palm, Violoncello, Barbara Hofmann, Gambe und Zvi Meniker, Cembalo.
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