Julia Fischer war acht Jahre alt, als sie Paganinis Capricen zum ersten Male hörte. Damals saß sie, als Mit- glied eines Kinderkurses, auf einer Holzbank in einer österreichischen Kirche und lauschte Thomas Ze- hetmair, die Noten auf dem Schoß, berichtet die junge Violinistin. Jedes zu Ende gespielte Stück habe sie ordentlich abgehakt, erinnert sich die Musikerin, und nach der Nummer 24 habe sie gedacht: "Wenn ich die auch mal spielen kann, dann habe ich es geschafft, dann bin ich eine echte Geigerin."
Mittlerweile kann sie das, und viele dieser Piecen hat sie zudem bereits öffentlich gespielt, denn die virtuosen Häppchen sind eine lohnende Zugabe im Konzert; bestens geeignet, um das Publikum nachhaltig zu beeindrucken. Natürlich sind diese Stücke technisch anspruchsvoll - es sind ja eigentlich auch Etüden, Übungsstücke, an denen Musiker bestimmte Bewegungsabläufe trainieren, hunderte Male, bis der gewünschte Effekt "sitzt". Sie sind zudem durchaus faszinierend, weil jedermann mitbekommt, dass sie schwierig sind. Aber sind sie musikalisch auch derart lohnend, dass man sich daran machen muss, alle 24 hintereinander für eine CD einzuspielen?
"Ich kann nur ein Stück aufnehmen, an das ich glaube", meint Julia Fischer. Und ihre Technik ist in der Tat grandios. Die 24 Capricen spielt sie so locker, als ginge es um - pardon! - Kaffeehausmusik. Im Beiheft wird erläutert, sie gebe "dem Komponisten Niccoló Paganini mit dieser Aufnahme zurück, was er in den letzten 200 Jahren verloren hat: seine Bedeutung als Musikrevolutionär, der 1782 in die Wiener Klassik hineingeboren wurde, um halb Europa mit dieser romantisch-irrwitzigen Musik in seinen Bann zu ziehen." Davon freilich höre ich nichts; ich höre Etüden, blitzsauber und teilweise rasant gespielt, aber ohne Herzblut - und vollkommen ohne Humor.
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