Das erklärte Ziel der Pianistin Silke Avenhaus ist es, "auf dem Klavier zu singen". Für diese Einspielung hat sie sich ein Programm ausgesucht, an dem sich dieses Ideal perfekt umsetzen lässt. Denn sie kombiniert Franz Liszts Bearbeitungen von Schubert-Liedern mit "Liedern ohne Worte" von Felix Mendelssohn Bartholdy.
"Mendelssohn hat mit seinen Liedern ohne Worte [...] Stimmungsbilder geschaffen, Schubert hat darüber hinaus Seelenlandschaften ausgebreitet", merkt Avenhaus dazu an. Liszt hat diese Stücke vergleichsweise milde modifiziert; dramatische Zuspitzung und virtuose Mätzchen halten sich bei seinen Schubert-Bearbeitungen im Rahmen.
Auf dieser CD wechseln sich die Werke beider Komponisten ab. Avenhaus hat mit Sorgfalt nach Stücken gesucht, die sich in der musikalischen Gestaltung ebenso wie im Ausdruck ähnlich sind. So kombiniert sie Schuberts "Der Wanderer" und Mendelssohns op. 62 Nr. 3, bekannt auch als "Trauermarsch", oder auch das berühmte "Gretchen am Spinnrade" mit op. 67 Nr. 4, unüberhörbar das "Spinnerlied". In solchen Werk-Paaren lotet die Pianistin Gemeinsamkeiten und Unterschiede aus. Dabei wird der Zuhörer viele Entdeckungen machen.
Er wird aber auch bedauern, dass Avenhaus sich darauf beschränkt, melodische Linien aufzuzeigen, und darüber nur zu oft versäumt, musikalische Struktur diesseits der "Melodiestimme" zu gestalten. So versinkt vieles, was man eigentlich hören möchte, im undefinierbaren Mulm eilig dahinströmender Arpeggien und Akkordblöcke. Das gilt weniger für den Schubert, der Avenhaus ganz offensichtlich liegt, als insbesondere für die "Lieder ohne Worte". Sie nicht romantisierend als Vortragsstücke für die höhere Tochter interpretieren zu wollen, ist ein ehrbarer, aber leider kein hinreichender Vorsatz. Dieses fehlende vertikale Gestaltungsvermögen deutet darauf hin, dass Avenhaus zwar eine gute Pianistin ist - aber im Vergleich zur allerersten Liga fehlt dann möglicherweise doch ein Stück.
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