Dass Robert Schumann mit zahl- reichen Musikern seiner Zeit bekannt und mit etlichen auch eng befreundet war, ist kein Geheimnis. Wie weit aber diese Beziehungen reichten, das erstaunt bei näherer Überlegung dann doch. So begeg- nete er in seinen Leipziger Jahren, nicht zuletzt in seiner Funktion als Musikkritiker, sämtlichen bedeu- tenden Geigern seiner Zeit - von Henry Vieuxtemps bis Charles Li- pinski, dem er Carnaval widmete.
Ferdinand David, der Konzert- meister des Gewandhausorchesters, ging bei den Schumanns ein und aus. 1850 schrieb er an den Komponisten: "Deine Fantasiestücke für Piano und Clarinette gefallen mir ungemein; warum machst Du nichts für Geige und Clavier? es fehlt so sehr an etwas gescheidtem Neuen, und ich wüßte niemand, der es besser könnte als Du." Und in der Tat schuf Schumann 1851 zwei Violinsonaten - die erste, die Sonate in a-Moll op. 105, wurde 1852 in Leipzig von David uraufge- führt; die zweite, die Große Sonate d-Moll op. 121, ist ihm gewidmet. Joseph Joachim spielte sie 1853 in Düsseldorf zum ersten Male vor Publikum.
Auch die dritte, die sogenannte F.A.E-Sonate a-Moll für Violine und Klavier aus dem Jahre 1853 bringt die vorliegende Doppel-CD. Sie ist ein Kuriosum, wie die Widmung belegt: "In Erwartung des verehrten und geliebten Freundes Joseph Joachim schrieben diese Sonate Robert Schumann, Johannes Brahms, Albert Dietrich." Die drei Töne F, A und E spielen darin die Hauptrolle - sie stehen für "Frei, aber einsam", das Motto des Junggesellen Joachim. Schumann ersetzte unmittelbar nach der Freundesgaudi kurzerhand die beiden Sätze seiner Kollegen durch eigene Kreationen - kühn, hochvirtuos (da ohne Rücksicht auf die technischen Möglichkeiten der Violine), und enorm spannungsvoll.
Die drei Romanzen op. 94 entstanden 1849, eigentlich für Oboe und Klavier. Doch schon zum Weihnachtsfest spielte Clara Schumann sie gemeinsam mit dem Dresdner Geiger Franz Schubert; es existiert zudem eine Fassung für Klarinette.
Auch Joseph Joachim komponierte; allerdings war der Violinvirtuose derart selbstkritisch, dass er kaum eines seiner Werke gelten lassen wollte. Unter den wenigen Stücken, die er veröffentlichte, ist eine Romanze C-Dur für Violine und Klavier - ein reizendes Salonstück. Selbst Clara Schumann trug etwas bei: Im Juli 1853 komponierte sie Drei Romanzen op. 22 für Violine und Klavier - eines von lediglich zwei Kammermusikwerken aus ihrer Feder, gewidmet dem lang- jährigen Kammermusikpartner Joseph Joachim.
Und noch ein weiterer Musikus gehörte quasi zur Familie: Woldemar Bargiel, der Halbruder von Clara Schumann, der Sohn der ersten Ehefrau Friedrich Wiecks, Marianne Tromlitz, aus ihrer zweiten Ehe mit dem Klavier- und Gesangslehrer Adolph Bargiel. Er studierte am Leipziger Konservatorium, unterrichtete später in Köln, Rotterdam und Berlin, und gehörte zu den angesehendsten Kompositionslehrern Europas. Auf der vorliegenden Doppel-CD ist er mit der Sonate f-Moll für Klavier und Violine op. 10, entstanden 1854, vertreten. Sie ist, soviel sei hier verraten, in ihrer Dramatik, ihrem Pathos und ihrer Klangfülle eines der stärksten Stücke dieser Einspielung, und es spricht für die große Sorgfalt, mit der Gudrun Schaumann, Violine, und Christoph Hammer, Klavier, die Werke dafür ausgewählt haben. Denn Bargiels Sonate ist aus dem Konzertleben verschwunden; es ist sehr verdienstvoll, dass die beiden Musiker sie hier nun wieder- entdeckt haben.
Auch im Klangbild bemühen sich die Musiker um Originalität. Schaumann spielt eine Stradivari aus dem Jahre 1731 mit Darm- saiten. Hammer begleitet sie an einem historischen Hammerflügel von Johann Baptist Streicher, Wien, 1836. Das hat seine Reize, nimmt den Musikern aber zugleich auch Chancen zur Differenzierung; nicht umsonst haben sich Instrumente weiterentwickelt.