Das Verbier Festival, hoch in den Schweizer Alpen, führt seit seiner Gründung in den 90er Jahren etab- lierte Musiker und den künstlerischen Nachwuchs zusammen. Mit seiner freundlich-intimen Atmosphäre ist es aber auch ein ideales Experimentier- feld für die Kammermusik, und das perfekte Forum für das Lied. Gern bringen die Organisatoren dafür Musiker zusammen, die zuvor in dieser Formation noch nicht gemein- sam aufgetreten sind.
Auf dieser CD ist ein solches Konzert zu erleben. Es vereinte ein Quartett von Gesangsstars und zwei große Pianisten: Zu hören sind Andrea Rost, Magdalena Kožená, Matthew Polenzani und Thomas Quasthoff, sowie James Levine und Yefim Bronfman am Konzertflügel. Der Mitschnitt entstand im Jahre 2003. Auf dem Programm standen Werke von Johannes Brahms – jeder dieser hochkarätigen Solisten singt alleine einige wenige Lieder, begleitet von James Levine. Sie korrespondieren mit den Liebes- lieder-Walzern und den Neuen Liebeslieder-Walzern, vorgetragen vom gesamten Ensemble. Bei der Deutschen Grammophon wurde der Live-Mit- schnitt nun zum ersten Mal veröffentlicht.
Man wird feststellen, dass längst nicht jeder Opernstar auch ein begnade- ter Liedsänger ist. Thomas Quasthoff freilich bietet eine Interpretation der 5 Lieder op. 94, die keine Wünsche offen lässt. Das ist schier atemberau- bend. Bei den Liebeslieder-Walzern mischen sich die höchst unterschied- lichen Stimmen zu einem durchaus interessanten Gesamtklang; und die Pianisten erweisen sich als ebenso kenntnisreiche wie passionierte Lied- begleiter. Was für ein Ereignis!
Donnerstag, 30. Juni 2016
Bach: Cello Suites - Isang Enders (Berlin Classics)
„Die Frage, warum Bachs Musik nach nun 300 Jahren immer noch solch eine Wirkung auf uns hat, ist wahrscheinlich nur mit seiner Musik selbst zu beantworten“, schreibt Isang Enders in einem Begleitwort zu dieser CD. „Bachs Musik ist so menschlich und dadurch immer zeitgenössisch und rein. Sprechen sollen die Suiten, singen und tanzen, jagen und besinnen – durch und durch subjektiv und charakteristisch für mich, nachdem ich nun meine Zweifel überwunden habe.“
Für die Aufnahme wählte Enders das holzvertäfelte Teldex-Studio in Berlin, und ganz bewusst keinen Kirchen- raum. Enders schildert seine Auseinandersetzung mit Bachs Cello-Suiten als ein fortwährendes Ringen. „Eine erste Einspielung habe ich dabei nach finaler Arbeit vollständig verworfen“, so der Musiker. Er hat nun akzep- tiert, dass auf dieser CD eine Momentaufnahme festgehalten worden ist. Dafür allerdings hört sich das recht gediegen an. Enders Interpretation zeugt von überragender Technik, jugendlichem Schwung sowie viel, viel Arbeit und Nachsinnen.
Die Box enthält eine schwarze und eine weiße CD: Der Cellist hat die Suiten nicht nach Werkverzeichnis-Nummern, sondern nach hellen und dunklen Farben geordnet. „Diese Reihenfolge macht das ,Aufsteigen' in Sekund- schritten (c-Moll / d-Moll / Es-Dur) und im Quintenzirkel (C-Dur, G-Dur, D-Dur) möglich“, erläutert Enders seine Entscheidung. „Die Ergänzung der reduzierten Noten aus der vermeintlichen Ursprungsfassung der
5. Suite (Lautensuite in g-Moll, BWV 995) ist hoffentlich nicht nur für mich eine Bereicherung.“ Als zusätzliche Überraschung gibt’s im Beiheft übrigens einen brillanten Aufsatz von dem mit Enders befreundeten Pianisten Kit Armstrong.
Für die Aufnahme wählte Enders das holzvertäfelte Teldex-Studio in Berlin, und ganz bewusst keinen Kirchen- raum. Enders schildert seine Auseinandersetzung mit Bachs Cello-Suiten als ein fortwährendes Ringen. „Eine erste Einspielung habe ich dabei nach finaler Arbeit vollständig verworfen“, so der Musiker. Er hat nun akzep- tiert, dass auf dieser CD eine Momentaufnahme festgehalten worden ist. Dafür allerdings hört sich das recht gediegen an. Enders Interpretation zeugt von überragender Technik, jugendlichem Schwung sowie viel, viel Arbeit und Nachsinnen.
Die Box enthält eine schwarze und eine weiße CD: Der Cellist hat die Suiten nicht nach Werkverzeichnis-Nummern, sondern nach hellen und dunklen Farben geordnet. „Diese Reihenfolge macht das ,Aufsteigen' in Sekund- schritten (c-Moll / d-Moll / Es-Dur) und im Quintenzirkel (C-Dur, G-Dur, D-Dur) möglich“, erläutert Enders seine Entscheidung. „Die Ergänzung der reduzierten Noten aus der vermeintlichen Ursprungsfassung der
5. Suite (Lautensuite in g-Moll, BWV 995) ist hoffentlich nicht nur für mich eine Bereicherung.“ Als zusätzliche Überraschung gibt’s im Beiheft übrigens einen brillanten Aufsatz von dem mit Enders befreundeten Pianisten Kit Armstrong.
Brahms: Complete Piano Music Vol. 3 - Late Piano Works (MDG)
„Unausgesetzt beschäftigen mich die Clavierstücke, die von allem, was Sie für Clavier geschrieben haben, so sehr verschieden sind und vielleicht das Gehaltreichste und Tiefsinnigste, was ich in einer Instrumentalform von Ihnen kenne“, schrieb Philipp Spitta 1892 an seinen Freund Johannes Brahms. „Sie sind recht zum langsamen Aufsaugen in der Stille und Einsamkeit, nicht nur zum Nach-, sondern auch zum Vordenken und ich glaube Sie recht zu verstehen, wenn ich meine, dass Sie derartiges mit dem ,Intermezzo' haben aussa- gen wollen. ,Zwischenstücke' haben Voraussetzungen und Folgen, die in diesem Falle ein jeder Spieler und Hörer sich selbst zu machen hat.“
Hardy Rittner hat die späten Klavierwerke des Komponisten als dritte Folge der Gesamtaufnahme bei dem audiophilen Label Dabringhaus und Grimm eingespielt. Diese Musik wird üblicherweise als „innerer Monolog“, in Töne gesetzt, verstanden. In jedem Falle fordern die Stücke vom Interpreten Präzision ebenso wie Raffinesse. Rittner gelingt dieser Balanceakt bestens. Er erweist sich nicht nur im Umgang mit dem Notentext als extrem sorg- sam und aufmerksam. Jede Nuance, jedes kleine Detail beachtet der junge Pianist – und wird so dem Romantiker Brahms in allen Facetten gerecht, die von heftiger Leidenschaft über tiefe Melancholie bis hin zu ironischer Walzerseligkeit reichen. Der Musiker hat auch über Klangfarben gründ- lichst nachgedacht, und für diese Einspielung gleich zwei Instrumente aus der Sammlung von Gerd Hecher, Wien, ausgewählt. Zu hören sind ein Flügel von Johann Baptist Streicher & Sohn aus dem Jahre 1870, wie Brahms ihn besaß, und einer aus der Werkstatt J.M. Schweighofer's Söhne, dort gebaut 1876/77. „Besonders staunenswert am Schweighofer ist sein außerordentliches Klangvolumen, das mit seiner aufbrausenden, schroff-bissigen Charakteristik jenes der meisten Konzertflügel der Zeit übersteigt“, urteilt Rittner. An dem Streicher & Sohn-Flügel hingegen lobt er „poetische Weite und differenzierteste Zartheit“. Beides wird hier benötigt, so der Pianist: „Der Verzicht auf einen der beiden Flügel wäre nicht nur schade im Sinne eines Vorenthaltens der vielfältigsten und für die jeweilige Musik klanglich am besten geeigneten Möglichkeiten der Tasteninstrumente des 19. Jahrhunderts, er wäre als Quasi-Übertragung der heutigen instrumentalen Einheitsklang-Ästhetik auf die Musik einer Zeit, deren Instrumentarium sich dieser Norm mit seiner immensen konstruktiven und klangfarblichen Pluralität diametral entgegengesetzt zeigte, auch schlicht unhistorisch.“
Hardy Rittner hat die späten Klavierwerke des Komponisten als dritte Folge der Gesamtaufnahme bei dem audiophilen Label Dabringhaus und Grimm eingespielt. Diese Musik wird üblicherweise als „innerer Monolog“, in Töne gesetzt, verstanden. In jedem Falle fordern die Stücke vom Interpreten Präzision ebenso wie Raffinesse. Rittner gelingt dieser Balanceakt bestens. Er erweist sich nicht nur im Umgang mit dem Notentext als extrem sorg- sam und aufmerksam. Jede Nuance, jedes kleine Detail beachtet der junge Pianist – und wird so dem Romantiker Brahms in allen Facetten gerecht, die von heftiger Leidenschaft über tiefe Melancholie bis hin zu ironischer Walzerseligkeit reichen. Der Musiker hat auch über Klangfarben gründ- lichst nachgedacht, und für diese Einspielung gleich zwei Instrumente aus der Sammlung von Gerd Hecher, Wien, ausgewählt. Zu hören sind ein Flügel von Johann Baptist Streicher & Sohn aus dem Jahre 1870, wie Brahms ihn besaß, und einer aus der Werkstatt J.M. Schweighofer's Söhne, dort gebaut 1876/77. „Besonders staunenswert am Schweighofer ist sein außerordentliches Klangvolumen, das mit seiner aufbrausenden, schroff-bissigen Charakteristik jenes der meisten Konzertflügel der Zeit übersteigt“, urteilt Rittner. An dem Streicher & Sohn-Flügel hingegen lobt er „poetische Weite und differenzierteste Zartheit“. Beides wird hier benötigt, so der Pianist: „Der Verzicht auf einen der beiden Flügel wäre nicht nur schade im Sinne eines Vorenthaltens der vielfältigsten und für die jeweilige Musik klanglich am besten geeigneten Möglichkeiten der Tasteninstrumente des 19. Jahrhunderts, er wäre als Quasi-Übertragung der heutigen instrumentalen Einheitsklang-Ästhetik auf die Musik einer Zeit, deren Instrumentarium sich dieser Norm mit seiner immensen konstruktiven und klangfarblichen Pluralität diametral entgegengesetzt zeigte, auch schlicht unhistorisch.“
Mittwoch, 29. Juni 2016
Vivaldi - Bach - Telemann: Oboe Concertos (Supraphon)
Eine schöne Einspielung barocker Oboenkonzerte ist bei Supraphon erschienen. Vilém Veverka, Oboe, spielt diese gemeinsam mit dem Ensemble 18+ und der Cembalistin Barbara Maria Willi. Es erklingen die Konzerte RV 455 und 450 von Antonio Vivaldi, TWV 51:d1 von Georg Philipp Telemann und die (rekonstruierten) Konzerte BWV 1059 und 49/169 von Johann Sebastian Bach. Bei Vivaldis Konzert für zwei Oboen, Streicher und Basso continuo RV 535 übernimmt Dominik Wollenweber einen Oboenpart. Musiziert wird historisch informiert auf, abgesehen vom Cembalo, modernen Instrumenten.
Dienstag, 28. Juni 2016
Goldberg Variations (Genuin)
Die Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach gehören zu den Gipfeln der Klavierliteratur. Es gibt wohl keinen Pianisten, der diese Musik nicht sorgsam studiert hat. Kaum ein anderes Werk wurde so oft eingespielt; die Liste ist lang, und sie gleicht einer Aufzählung der großen Namen – von Glenn Gould bis zu Grigory Solokov, von Keith Jarrett bis zu Wilhelm Kempff und von Wanda Landowska bis hin zu Andras Schiff.
Es ist also ein Wagnis, wenn sich eine junge Musikerin für ihre allererste CD gerade dieses Werk aussucht. Es kann ein Abenteuer sein, eine gezielte Provokation oder aber ein Statement. Letzteres dürfte bei Marie Rosa Günter, Jahrgang 1991, zu vermuten sein. Ein kurzer Text im Beiheft beweist, dass sie in der Lage ist, Musik blitzgescheit zu reflektieren. Dabei beschreibt sie musikalische Strukturen mit poetischen Bildern. Hörbar machen kann sie diese aber auch. Die in Hannover ansässige Pianistin spielt die Goldberg-Variatio- nen so wohlüberlegt und mit derart überragender pianistischer Technik, dass man nur staunen kann. Ein großartiges Debüt – den Namen Marie Rosa Günter sollte man sich merken.
Es ist also ein Wagnis, wenn sich eine junge Musikerin für ihre allererste CD gerade dieses Werk aussucht. Es kann ein Abenteuer sein, eine gezielte Provokation oder aber ein Statement. Letzteres dürfte bei Marie Rosa Günter, Jahrgang 1991, zu vermuten sein. Ein kurzer Text im Beiheft beweist, dass sie in der Lage ist, Musik blitzgescheit zu reflektieren. Dabei beschreibt sie musikalische Strukturen mit poetischen Bildern. Hörbar machen kann sie diese aber auch. Die in Hannover ansässige Pianistin spielt die Goldberg-Variatio- nen so wohlüberlegt und mit derart überragender pianistischer Technik, dass man nur staunen kann. Ein großartiges Debüt – den Namen Marie Rosa Günter sollte man sich merken.
Mozart with Friends (Sony)
Ausnahmebratschist Nils Mönke- meyer hat einige seiner Musiker- freunde eingeladen, mit ihm in wechselnder Besetzung ausgewählte Mozart-Werke einzuspielen. Es ist bekannt, dass Mozart gar nicht wenige seiner Musikstücke kompo- niert hat, um sie gemeinsam mit Freunden und Musikerkollegen in geselliger Runde aufzuführen. Das Klarinettentrio KV 498 beispiels- weise wird auch Kegelstatt-Trio genannt, weil es, wie eine Anekdote berichtet, 1783 auf der Kegelbahn entstanden sein soll. „Mozart hat diese Stücke geschrieben, um sie selber zu spielen – es waren also keine Auftragswerke“, erläutert Mönkemeyer. „Man merkt diesen musikanti- schen Aspekt beim Spielen der Stücke sehr: Wir treffen Mozart hier nicht nur als Komponisten, sondern auch als spontanen Musiker und Freigeist. Und in der Bratsche findet er dabei eine tolle Vielschichtigkeit.“
Im Beiheft zu dieser CD berichtet der Musiker, dass er kürzlich in Salzburg Mozarts Bratsche spielen durfte – „das war sehr berührend. Vor allen Dingen deshalb, weil diese Bratsche sehr dunkel und melancholisch klang.“ Dieses Instrument habe Mozart einst selbst ausgewählt. „Im Hinblick auf die Bratsche hat Mozart also vielleicht gar nicht das Strahlende gesucht, sondern eher das Verschattete“, meint Mönkemeyer.
Gemeinsam mit den Klassikstars Sabine Meyer, Klarinette, Julia Fischer, Violine, und dem Pianisten William Youn hat Mönkemeyer ein Programm zusammengestellt, das beide Aspekte berücksichtigt – Spielfreude und Melancholie. Die ausgewählten Werke spannen zudem einen Bogen vom kindlichen bis zum reifen Mozart. So erklingen extra für diese Aufnahme von William Youn arrangierte Auszüge aus dem Londoner Skizzenbuch
KV 15 – Musik, die Mozart im Alter von neun Jahren geschrieben hat – oder das Duo in G-Dur KV 423 für Violine und Viola. Mönkemeyer spürt gemeinsam mit seinen Kollegen Klangfarben und Nuancen nach; doch auch die Musizierlust kommt nicht zu kurz. Ein phantastisches Album!
Im Beiheft zu dieser CD berichtet der Musiker, dass er kürzlich in Salzburg Mozarts Bratsche spielen durfte – „das war sehr berührend. Vor allen Dingen deshalb, weil diese Bratsche sehr dunkel und melancholisch klang.“ Dieses Instrument habe Mozart einst selbst ausgewählt. „Im Hinblick auf die Bratsche hat Mozart also vielleicht gar nicht das Strahlende gesucht, sondern eher das Verschattete“, meint Mönkemeyer.
Gemeinsam mit den Klassikstars Sabine Meyer, Klarinette, Julia Fischer, Violine, und dem Pianisten William Youn hat Mönkemeyer ein Programm zusammengestellt, das beide Aspekte berücksichtigt – Spielfreude und Melancholie. Die ausgewählten Werke spannen zudem einen Bogen vom kindlichen bis zum reifen Mozart. So erklingen extra für diese Aufnahme von William Youn arrangierte Auszüge aus dem Londoner Skizzenbuch
KV 15 – Musik, die Mozart im Alter von neun Jahren geschrieben hat – oder das Duo in G-Dur KV 423 für Violine und Viola. Mönkemeyer spürt gemeinsam mit seinen Kollegen Klangfarben und Nuancen nach; doch auch die Musizierlust kommt nicht zu kurz. Ein phantastisches Album!
Sonntag, 26. Juni 2016
Bruhns: Complete Cantatas (Brilliant Classics)
Genau zwölf geistliche Konzerte und Kantaten sind von Nicolaus Bruhns (1665 bis 1697) überliefert. Sie stehen Schütz näher als Bach und zeigen, ebenso wie die wenigen noch verfügbaren Orgelwerke, die große Meisterschaft des Komponisten, der übrigens nicht nur ein hervorragen- der Organist war, sondern auch die Geige exzellent gespielt haben muss.
Es ist kaum zu glauben, dass es bis- lang überhaupt keine Gesamteinspie- lung und generell nur sehr wenige Aufnahmen von Bruhns' Vokalwer- ken gegeben hat – zumal die Noten bereits seit Jahrzehnten ediert und zugänglich sind. Diese empfindliche Lücke hat nun das Bozener Streichensemble Harmonices Mundi unter der Leitung von Claudio Astronio mit den Gesangssolisten Marina Bartoli Compostella und Karin Selva, Sopran, Elena Biscuola, Alt, Richard Resch und Johannes Weiss, Tenor, sowie Christian Hilz, Bass, geschlossen. Man darf darauf hoffen, dass damit die längst überfällige Wiederent- deckung des Vokalwerks Bruhns' auch im Konzertbetrieb beginnt – obwohl einige dieser Partien nicht ganz ohne sind. Jauchzet dem Herren, alle Welt beispielsweise stellt ohne Zweifel jeden Tenor vor eine Herausforde- rung. Und die Violine hat mitunter auf einem Niveau zu musizieren, wie man dies eher von Biber und Konsorten gewohnt ist. Unbedingt anhören!
Es ist kaum zu glauben, dass es bis- lang überhaupt keine Gesamteinspie- lung und generell nur sehr wenige Aufnahmen von Bruhns' Vokalwer- ken gegeben hat – zumal die Noten bereits seit Jahrzehnten ediert und zugänglich sind. Diese empfindliche Lücke hat nun das Bozener Streichensemble Harmonices Mundi unter der Leitung von Claudio Astronio mit den Gesangssolisten Marina Bartoli Compostella und Karin Selva, Sopran, Elena Biscuola, Alt, Richard Resch und Johannes Weiss, Tenor, sowie Christian Hilz, Bass, geschlossen. Man darf darauf hoffen, dass damit die längst überfällige Wiederent- deckung des Vokalwerks Bruhns' auch im Konzertbetrieb beginnt – obwohl einige dieser Partien nicht ganz ohne sind. Jauchzet dem Herren, alle Welt beispielsweise stellt ohne Zweifel jeden Tenor vor eine Herausforde- rung. Und die Violine hat mitunter auf einem Niveau zu musizieren, wie man dies eher von Biber und Konsorten gewohnt ist. Unbedingt anhören!
Donnerstag, 23. Juni 2016
Saint-Saens - Lalo - Martin (Oehms Classics)
Zwei renommierte Musiker präsentieren ein rein französisches Programm. Den Cellisten Wen-Sinn Yang und den Dirigenten Michael Hofstetter eint offenbar die Lust an Entdeckungen ebenso wie die Vorliebe für schnörkelloses Auf-den-Punkt-Musizieren. Der Solist hat mit dem Philharmonischen Orchester Gießen, das Hofstetter derzeit als Generalmusikdirektor leitet, roman- tisches Repertoire erkundet – und dabei Interessantes aufgespürt.
Auf das berühmte Cellokonzert Nr. 1 a-Moll op. 33 von Camille Saint-Saëns (1835 bis 1921) folgt die Ballade für Cello und Orchester von Frank Martin (1890 bis 1974). Der Pfarrerssohn stammt aus Genf, er ist einer der bekanntesten Schweizer Komponisten. Seine ausdrucksstarke Ballade wird vom Violoncello dominiert; das Stück erscheint im Mittelteil geradezu dramatisch, doch dann endet es rundum harmonisch. Édouard Lalo (1823 bis 1892) ist in Lille geboren. Seine Familie kommt aus Spanien. Und als sein „wahres musikalisches Heimatland“ betrachtete Lalo Deutschland; er engagierte sich sehr dafür, das Publikum für die Werke der deutschen Romantik zu begeistern. In seinem Cellokonzert d-Moll hat all dies Spuren hinterlassen. Man hört Gitarrenklänge und spanische Leidenschaft, Melodien, die auch von Schumann stammen könnten – und im letzten Satz wird dann getanzt.
Wen-Sinn Yang erweist sich einmal mehr als ein großartiger Cellist; technisch ist er jeder Herausforderung gewachsen. Und er gestaltet mit noblem Ton und mit Temperament, aber ohne Zuckerguss und ohne überzogenes Pathos. Damit liegt er hörbar auf einer Linie mit Hofstetter. Bravi!
Auf das berühmte Cellokonzert Nr. 1 a-Moll op. 33 von Camille Saint-Saëns (1835 bis 1921) folgt die Ballade für Cello und Orchester von Frank Martin (1890 bis 1974). Der Pfarrerssohn stammt aus Genf, er ist einer der bekanntesten Schweizer Komponisten. Seine ausdrucksstarke Ballade wird vom Violoncello dominiert; das Stück erscheint im Mittelteil geradezu dramatisch, doch dann endet es rundum harmonisch. Édouard Lalo (1823 bis 1892) ist in Lille geboren. Seine Familie kommt aus Spanien. Und als sein „wahres musikalisches Heimatland“ betrachtete Lalo Deutschland; er engagierte sich sehr dafür, das Publikum für die Werke der deutschen Romantik zu begeistern. In seinem Cellokonzert d-Moll hat all dies Spuren hinterlassen. Man hört Gitarrenklänge und spanische Leidenschaft, Melodien, die auch von Schumann stammen könnten – und im letzten Satz wird dann getanzt.
Wen-Sinn Yang erweist sich einmal mehr als ein großartiger Cellist; technisch ist er jeder Herausforderung gewachsen. Und er gestaltet mit noblem Ton und mit Temperament, aber ohne Zuckerguss und ohne überzogenes Pathos. Damit liegt er hörbar auf einer Linie mit Hofstetter. Bravi!
Incantations (Genuin)
Eine hinreißende CD hat jüngst das Ensemble Quintessenz veröffentlicht. Das Leipziger Flötenquintett besteht nunmehr seit 20 Jahren – und aus diesem Anlass beschenkt es sein Publikum mit einem magischen Al- bum: Incantations, Beschwörungen, haben die Musiker auf das Cover geschrieben.
Dieser Titel ist treffend gewählt. Denn der Hörer darf sich auf allerlei Zauberhaftes gefasst machen – so sind beispielsweise die Tänze, von Gioachino Rossinis Tarantella La Danza über Claude Debussys La danse de Puck bis hin zu Camille Saint-Saens' Danse macabre, nicht ohne Hintersinn ausgesucht. Ungarisches Temperament zeigt das Quintett bei Franz Dopplers stimmungsvoller Fantaisie Pastorale Hongroise. Die CD enthält zudem zwei Ersteinspielungen von Werken, die speziell für Quintessenz entstanden sind – Medusa von Anže Rozman und Spells von Ian Clarke.
Arrangiert hat die Stücke ansonsten Gudrun Hinze. Wie es ihr gelingt, den Klang eines ganzen Orchesters mit nur fünf Flöten zu imitieren, das grenzt mitunter an Magie. Insbesondere ihre Bearbeitung von Felix Mendelssohn Bartholdys Ein Sommernachtstraum ist absolut bezaubernd; die Flöten-Variante begeistert mit Klangfarben und Fluidum. Mit gefällt sie beinahe besser als das Original. Und in den 19 Variationen aus Marin Marais' Les Folies d'Espagne gelingt es Gudrun Hintze sogar, Gambe, Harfe und spanische Rhythmusinstrumente mit dem Flötenensemble anklingen zu lassen. Grandios!
Dieser Titel ist treffend gewählt. Denn der Hörer darf sich auf allerlei Zauberhaftes gefasst machen – so sind beispielsweise die Tänze, von Gioachino Rossinis Tarantella La Danza über Claude Debussys La danse de Puck bis hin zu Camille Saint-Saens' Danse macabre, nicht ohne Hintersinn ausgesucht. Ungarisches Temperament zeigt das Quintett bei Franz Dopplers stimmungsvoller Fantaisie Pastorale Hongroise. Die CD enthält zudem zwei Ersteinspielungen von Werken, die speziell für Quintessenz entstanden sind – Medusa von Anže Rozman und Spells von Ian Clarke.
Arrangiert hat die Stücke ansonsten Gudrun Hinze. Wie es ihr gelingt, den Klang eines ganzen Orchesters mit nur fünf Flöten zu imitieren, das grenzt mitunter an Magie. Insbesondere ihre Bearbeitung von Felix Mendelssohn Bartholdys Ein Sommernachtstraum ist absolut bezaubernd; die Flöten-Variante begeistert mit Klangfarben und Fluidum. Mit gefällt sie beinahe besser als das Original. Und in den 19 Variationen aus Marin Marais' Les Folies d'Espagne gelingt es Gudrun Hintze sogar, Gambe, Harfe und spanische Rhythmusinstrumente mit dem Flötenensemble anklingen zu lassen. Grandios!
Montag, 20. Juni 2016
Mercadante: Flute Concertos Nos. 1, 2 and 4 (Naxos)
Obwohl Saverio Mercadante (1795 bis 1870) in erster Linie Opern kompo- niert hat, lohnt sich doch auch der Blick auf sein Instrumentalwerk, wie diese CD beweist. Der Musiker, der in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs, erhielt seine Ausbildung am Conser- vatorio di San Sebastiano in Neapel. Dort lernte er, Geige und Flöte zu spielen, und erhielt zudem Gesangs- unterricht sowie ab 1813 auch Unterricht im Fach Komposition.
Während seiner Zeit am Konserva- torium schuf er ziemlich viele Instrumentalwerke; nach dem Studium allerdings schrieb er vorwiegend Opern. Von 1827 bis 1830 arbeitete Mercadante in Spanien; nach seiner Rückkehr wurde er 1833 Kapellmeister der Kathedrale zu Novara und 1840 der Nachfolger seines Lehrers Niccolò Antonio Zingarelli als Direktor des Konservatoriums in Neapel, wo er bis an sein Lebensende wirkte.
Mercadante war, neben Bellini und Donizetti, der bedeutendste italienische Opernkomponist seiner Zeit und als solcher sehr erfolgreich. Erstaunli- cherweise sind seine Werke in Vergessenheit geraten. Patrick Gallois hat nun gemeinsam mit der Sinfonia Finlandia Jyväskylä für Naxos eine Gesamteinspielung der Flötenkonzerte von Mercadante begonnen. Sie startet mit dem Flötenkonzert Nr. 2 in e-Moll op. 57 – dem wohl bekanntesten Werk des Komponisten, das dieser bereits 1813 zu Papier gebracht hatte. Zu hören sind auf der ersten CD zudem die Konzerte Nr. 4 in G-Dur und Nr. 1 in E-Dur, op. 49. Sie beginnen stets mit einem umfangreichen Allegro maestoso; dann folgt ein relativ kurzer langsamer Mittelsatz, und zum Schluss erklingt ein virtuoser Kehraus – hier mit polnischen bzw. russischen Motiven.
Mercadante setzt die Flöte wirkungsvoll in Szene; der Solist erhält reichlich Gelegenheit, zu brillieren. Gallois musiziert hörenswert, und dirigiert obendrein noch das Orchester, das erfreulich präzise agiert. Insgesamt sieben Flötenkonzerte, davon sechs für Soloflöte und eines für zwei Flöten, hat Mercadante geschrieben. Auf die Fortsetzung dieser Edition darf man also gespannt bleiben.
Während seiner Zeit am Konserva- torium schuf er ziemlich viele Instrumentalwerke; nach dem Studium allerdings schrieb er vorwiegend Opern. Von 1827 bis 1830 arbeitete Mercadante in Spanien; nach seiner Rückkehr wurde er 1833 Kapellmeister der Kathedrale zu Novara und 1840 der Nachfolger seines Lehrers Niccolò Antonio Zingarelli als Direktor des Konservatoriums in Neapel, wo er bis an sein Lebensende wirkte.
Mercadante war, neben Bellini und Donizetti, der bedeutendste italienische Opernkomponist seiner Zeit und als solcher sehr erfolgreich. Erstaunli- cherweise sind seine Werke in Vergessenheit geraten. Patrick Gallois hat nun gemeinsam mit der Sinfonia Finlandia Jyväskylä für Naxos eine Gesamteinspielung der Flötenkonzerte von Mercadante begonnen. Sie startet mit dem Flötenkonzert Nr. 2 in e-Moll op. 57 – dem wohl bekanntesten Werk des Komponisten, das dieser bereits 1813 zu Papier gebracht hatte. Zu hören sind auf der ersten CD zudem die Konzerte Nr. 4 in G-Dur und Nr. 1 in E-Dur, op. 49. Sie beginnen stets mit einem umfangreichen Allegro maestoso; dann folgt ein relativ kurzer langsamer Mittelsatz, und zum Schluss erklingt ein virtuoser Kehraus – hier mit polnischen bzw. russischen Motiven.
Mercadante setzt die Flöte wirkungsvoll in Szene; der Solist erhält reichlich Gelegenheit, zu brillieren. Gallois musiziert hörenswert, und dirigiert obendrein noch das Orchester, das erfreulich präzise agiert. Insgesamt sieben Flötenkonzerte, davon sechs für Soloflöte und eines für zwei Flöten, hat Mercadante geschrieben. Auf die Fortsetzung dieser Edition darf man also gespannt bleiben.
Love live forever - The Romance of Musical Comedy (Decca/Eloquence)
Auch wenn die Operette heute etwas aus der Mode gekommen ist – diese Doppel-CD erinnert daran, dass einst das Publikum die unterhaltsamen Stücke mit dem stets glücklichen Ende ebenso geliebt hat wie die Sänger.
Die Operette machte große Stars – man denke beispielsweise an Richard Tauber –, und große Stars sangen mit Hingabe Operette. Hier ist Joan Sutherland zu hören, die mit spür- barem Vergnügen Hits von Franz Lehár, Jacques Offenbach, Carl Millöcker, Leo Fall und vielen anderen Komponisten singt, deren Namen mittlerweile ebenso in Vergessenheit geraten sind wie ihre Operetten, obwohl diese einstmals Kassenschlager waren. Ein paar dieser Melodien hat man vielleicht noch im Ohr; und diese schöne Einspielung mit dem New Philharmonic Orchestra unter Richard Bonynge, erstmals erschienen 1967, lädt dazu ein, die nostalgischen Werke wiederzuent- decken.
Die Operette machte große Stars – man denke beispielsweise an Richard Tauber –, und große Stars sangen mit Hingabe Operette. Hier ist Joan Sutherland zu hören, die mit spür- barem Vergnügen Hits von Franz Lehár, Jacques Offenbach, Carl Millöcker, Leo Fall und vielen anderen Komponisten singt, deren Namen mittlerweile ebenso in Vergessenheit geraten sind wie ihre Operetten, obwohl diese einstmals Kassenschlager waren. Ein paar dieser Melodien hat man vielleicht noch im Ohr; und diese schöne Einspielung mit dem New Philharmonic Orchestra unter Richard Bonynge, erstmals erschienen 1967, lädt dazu ein, die nostalgischen Werke wiederzuent- decken.
Bruhns & Scheidemann - Organ works (Dacapo)
Ein ebenso prachtvolles wie klang- schönes historisches Instrument aus dem Dom zu Roskilde, Dänemark, ist auf dieser CD zu erleben. Es wurde 1554/55 von dem niederländischen Orgelbauer Hermann Raphaelis Rottenstein-Pock erbaut, wobei Teile einer bereits vorhandenen Orgel genutzt wurden. Im Laufe der Jahr- hunderte hat das Instrument einige Umbauten und Erweiterungen erfah- ren; in den 80er Jahren entschied aber die Gemeinde, dass die Orgel, so, wie sich das Instrument entwickelt hatte, für eine Schwalbennestorgel nicht wirklich passend ist. Die Firma Marcussen & Sohn, baute daher für die Kathedrale drei moderne, kleinere Instrumente – und restaurierte sorgsam die historische Orgel, die auf den Stand vor 1700 zurückgesetzt wurde. Verlorene Register wurde dabei rekonstruiert. Die Raphaelis-Orgel hat heute 33 Register auf drei Manualen und Pedal.
Die international renommierte Organistin Bine Bryndorf spielt an diesem Instrument Orgelmusik von Heinrich Scheidemann, dem Begründer der norddeutschen Orgelschule, und das komplette Orgelwerk von Nicolaus Bruhns (1665 bis 1697), einem ihrer letzten Protagonisten. Ihre Auswahl insbesondere der Stücke von Scheidemann ermöglicht es der Professorin, die heute in Kopenhagen unterrichtet, die Orgel quasi nebenher mit vor- zustellen. Sehr gelungen!
Die international renommierte Organistin Bine Bryndorf spielt an diesem Instrument Orgelmusik von Heinrich Scheidemann, dem Begründer der norddeutschen Orgelschule, und das komplette Orgelwerk von Nicolaus Bruhns (1665 bis 1697), einem ihrer letzten Protagonisten. Ihre Auswahl insbesondere der Stücke von Scheidemann ermöglicht es der Professorin, die heute in Kopenhagen unterrichtet, die Orgel quasi nebenher mit vor- zustellen. Sehr gelungen!
Mittwoch, 15. Juni 2016
Bach - Hasse (Accent)
„Opposites attract“, steht als Motto über dieser CD. Es ist jedoch ein Irrtum, wenn man annimmt, dass den Leipziger Thomaskantor und den Dresdner Hofkapellmeister nichts verbindet. Auch wenn Johann Adolph Hasse (1699 bis 1783) seinen Ruhm in erster Linie der italienischen Oper verdankte, so stammte er doch aus einer norddeutschen Organisten- dynastie – und hat ohne Zweifel ebenfalls die dementsprechende Ausbildung erhalten.
Wer sein Werk kennt, der weiß, dass Hasse ein exzellenter Cembalist gewesen ist. Zu Recht ist er berühmt für die Eleganz seiner Musik, die auf vordergründige Virtuosität verzichtet, aber dennoch höchst effektvoll Stimmen in Szene zu setzen versteht, und zudem die Klangfarben der verschiedenen Instrumente gekonnt zur Geltung bringt.
Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750) hatte sich um die Hofkapell- meisterstelle ebenfalls beworben. Den Kurfürsten konnte er aber nicht überzeugen: Er war weder katholisch, noch hätte er seinem Dienstherrn mit italienischen Opern aufwarten können – und Hasse brachte aus dem Süden obendrein noch Ehefrau Faustina Bordoni mit, seinerzeit eine der berühmtesten Sängerinnen Europas. Bach hingegen war niemals in Italien; allerdings kannte er die italienische Musik sehr gut, er hatte wichtige Werke gründlich studiert.
Hasses Musik schätzte Bach durchaus; er fuhr sogar nach Dresden, um dort in der Hofoper „hübsche Liederchen“ zu hören, wie er Hasses Arien genannt haben soll. Blockflötist Stefan Temmingh und Countertenor Benno Schachtner haben nun auf einer CD die Musik der beiden Zeitge- nossen nebeneinander gestellt. Es erklingen Instrumentalmusik und Kantaten bzw. Arien aus Kantaten von Bach und Hasse. Diese Kombina- tion erweist sich durchaus als reizvoll, denn sie gibt den beteiligten Musikern – unter dem Namen The Gentleman's Band wirken noch Wiebke Weidanz an Cembalo, Lautenclavier und Truhenorgel sowie Domen Marinčíč, Viola da gamba und Violoncello, mit – Gelegenheit, ziemlich unterschiedliche Facetten von Barockmusik aufzuzeigen.
Dabei sind einige Entdeckungen zu verzeichnen; vor allem das bislang einzige bekannte Werk von Hasse für Solo-Blockflöte, eine Cantata per flauto gänzlich ohne Sänger, ist in der Tat spektakulär. Stefan Temmingh berichtet im Beiheft, dass ihn der Musikwissenschaftler Johannes Pausch darauf aufmerksam gemacht und ihm das Manuskript zugeschickt habe. Musiziert wird, wie bei dieser Besetzung nicht anders zu erwarten, brillant.
Wer sein Werk kennt, der weiß, dass Hasse ein exzellenter Cembalist gewesen ist. Zu Recht ist er berühmt für die Eleganz seiner Musik, die auf vordergründige Virtuosität verzichtet, aber dennoch höchst effektvoll Stimmen in Szene zu setzen versteht, und zudem die Klangfarben der verschiedenen Instrumente gekonnt zur Geltung bringt.
Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750) hatte sich um die Hofkapell- meisterstelle ebenfalls beworben. Den Kurfürsten konnte er aber nicht überzeugen: Er war weder katholisch, noch hätte er seinem Dienstherrn mit italienischen Opern aufwarten können – und Hasse brachte aus dem Süden obendrein noch Ehefrau Faustina Bordoni mit, seinerzeit eine der berühmtesten Sängerinnen Europas. Bach hingegen war niemals in Italien; allerdings kannte er die italienische Musik sehr gut, er hatte wichtige Werke gründlich studiert.
Hasses Musik schätzte Bach durchaus; er fuhr sogar nach Dresden, um dort in der Hofoper „hübsche Liederchen“ zu hören, wie er Hasses Arien genannt haben soll. Blockflötist Stefan Temmingh und Countertenor Benno Schachtner haben nun auf einer CD die Musik der beiden Zeitge- nossen nebeneinander gestellt. Es erklingen Instrumentalmusik und Kantaten bzw. Arien aus Kantaten von Bach und Hasse. Diese Kombina- tion erweist sich durchaus als reizvoll, denn sie gibt den beteiligten Musikern – unter dem Namen The Gentleman's Band wirken noch Wiebke Weidanz an Cembalo, Lautenclavier und Truhenorgel sowie Domen Marinčíč, Viola da gamba und Violoncello, mit – Gelegenheit, ziemlich unterschiedliche Facetten von Barockmusik aufzuzeigen.
Dabei sind einige Entdeckungen zu verzeichnen; vor allem das bislang einzige bekannte Werk von Hasse für Solo-Blockflöte, eine Cantata per flauto gänzlich ohne Sänger, ist in der Tat spektakulär. Stefan Temmingh berichtet im Beiheft, dass ihn der Musikwissenschaftler Johannes Pausch darauf aufmerksam gemacht und ihm das Manuskript zugeschickt habe. Musiziert wird, wie bei dieser Besetzung nicht anders zu erwarten, brillant.
Montag, 13. Juni 2016
Dvorák: Sacred Works & Cantatas (Supraphon)
Supraphon hat seine Archive gesichtet – und aus den Beständen eine Edition mit Werken des großen tschechischen Komponisten Antonín Dvořák zusammengestellt. Sie erscheint in einer Reihe von Boxen, geordnet nach Werkgruppen. Leider lassen sich die Boxen nicht besonders gut öffnen. Der Inhalt aber überzeugt. So bietet eine Box mit acht CDs einen umfangreichen, fast neunstündigen Überblick über das geistliche Vokalwerk. Neben bekannten Werken wie Requiem op. 89 oder Stabat mater op. 58 enthält die Box auch eine ganze Reihe von Raritäten. Die Geisterbraut op. 69 schrieb Dvořák 1884 für das Musikfest in Birmingham; die Uraufführung der Kantate mit 400 (!) Chorsängern und 150 Orchestermusikern dirigierte der Komponist selbst. Noch im gleichen Jahr bestellte auch das Musikfestival in Leeds ein Werk. Gewünscht wurde ein biblischer Stoff – Dvořák hingegen entschied sich für ein Oratorium über ein religiöses Sujet aus der tschechische Geschichte: Die Heilige Ludmilla op. 71. Ausgewählt wurden zudem Te Deum op. 103, Messe D-Dur op. 86, die Biblischen Lieder op. 99 in beiden Fassungen, Psalm 149 op. 79, Die Erben des Weißen Berges op. 30, sowie eine Reihe Lieder auf liturgische Texte, die Dvořák für seinen Freund Alois Göbl geschrieben hat.
Auf der letzten CD befindet sich außerdem ein CD-ROM-Track mit allen Gesangstexten und Übersetzungen. Die Aufnahmen sind erstklassig, zum Teil preisgekrönt. Leider ist die Liste der Mitwirkenden zu lang, um hier ins Detail zu gehen. Aber schon der Name des Labels bürgt für hervorragende Einspielungen mit namhaften Sängern, Chören, Orchestern, Dirigenten und, bei der Klavierfassung der Biblischen Lieder, dem großartigen Piani- sten Ivan Moravec. Unbedingt anhören, es lohnt sich in jedem Falle.
Auf der letzten CD befindet sich außerdem ein CD-ROM-Track mit allen Gesangstexten und Übersetzungen. Die Aufnahmen sind erstklassig, zum Teil preisgekrönt. Leider ist die Liste der Mitwirkenden zu lang, um hier ins Detail zu gehen. Aber schon der Name des Labels bürgt für hervorragende Einspielungen mit namhaften Sängern, Chören, Orchestern, Dirigenten und, bei der Klavierfassung der Biblischen Lieder, dem großartigen Piani- sten Ivan Moravec. Unbedingt anhören, es lohnt sich in jedem Falle.
Galilei: Intavolatura di liuto (Ramée)
Ein Astronom, der sehr gut Laute spielte, und ein Lautenist, der die Sterne beobachtete – Galileo Galilei (1564 bis 1642) und sein Bruder Michelagnolo Galilei (1575 bis 1631) waren einander eng verbunden. 1607 wurde Michelagnolo Lautenist am Münchner Hof; diese Stelle hatte er bis zum Ende seines Lebens inne.
Das Leben des Musikers war überschattet von Geldsorgen – das Gehalt, das Kurfürst Maximilian I. seinem Hoflautenisten zahlte, scheint nie ausgereicht zu haben. Michelagnolo jedenfalls sah sich außerstande, seinen berühmten älteren Bruder dabei zu unterstützen, die Aussteuer für seine Schwestern aufzubringen. Aus dem hochinteressanten Beiheft zu dieser CD erfährt man, dass der Musiker zwar ein Fernrohr besaß, aber Frau und Kinder nach Italien zu Galileo Galilei schickte, damit sie versorgt waren.
Um Geld scheint es in den Briefwechseln der beiden Brüder regelmäßig gegangen zu sein. Auch als Michelagnolo 1620 sein Primo libro d’intavolatura di liuto drucken ließ, beschwerte sich Galileo über die seiner Meinung nach zu hohen Kosten. Wir dürfen uns jedoch darüber freuen, dass der Musiker zumindest einige seiner Werke veröffentlicht hat, denn so wurden sie überliefert . Auf dieser CD hat Anthony Bailes erstmals eine Auswahl daraus eingespielt, kombiniert mit Musik von Vincenzo Galilei (um 1520 bis 1591). Der Vater der Brüder wirkte als Lautenist und Musiktheoretiker in Florenz. Auch er hat Musikstücke hinterlassen, die sich durch eine hohe Qualität auszeichnen, und bislang weitgehend unbekannt geblieben sind. Dieses Repertoire passt zu Ramée, dem High-End-Label von Rainer Arndt, ganz ausgezeichnet.
Das Leben des Musikers war überschattet von Geldsorgen – das Gehalt, das Kurfürst Maximilian I. seinem Hoflautenisten zahlte, scheint nie ausgereicht zu haben. Michelagnolo jedenfalls sah sich außerstande, seinen berühmten älteren Bruder dabei zu unterstützen, die Aussteuer für seine Schwestern aufzubringen. Aus dem hochinteressanten Beiheft zu dieser CD erfährt man, dass der Musiker zwar ein Fernrohr besaß, aber Frau und Kinder nach Italien zu Galileo Galilei schickte, damit sie versorgt waren.
Um Geld scheint es in den Briefwechseln der beiden Brüder regelmäßig gegangen zu sein. Auch als Michelagnolo 1620 sein Primo libro d’intavolatura di liuto drucken ließ, beschwerte sich Galileo über die seiner Meinung nach zu hohen Kosten. Wir dürfen uns jedoch darüber freuen, dass der Musiker zumindest einige seiner Werke veröffentlicht hat, denn so wurden sie überliefert . Auf dieser CD hat Anthony Bailes erstmals eine Auswahl daraus eingespielt, kombiniert mit Musik von Vincenzo Galilei (um 1520 bis 1591). Der Vater der Brüder wirkte als Lautenist und Musiktheoretiker in Florenz. Auch er hat Musikstücke hinterlassen, die sich durch eine hohe Qualität auszeichnen, und bislang weitgehend unbekannt geblieben sind. Dieses Repertoire passt zu Ramée, dem High-End-Label von Rainer Arndt, ganz ausgezeichnet.
Donnerstag, 2. Juni 2016
Hora Cero (Sony)
„Aus meiner Sicht passt der Tango am allerbesten zu unserem Ensemble“, sagt David Riniker. „Bei dem Genre braucht man einerseits Biss. Andererseits ist da diese Melancholie, der wir Cellisten uns sehr nahe fühlen.“ Und wenn die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker Tango spielen, dann ist das in der Tat ein Gänsehaut-Erlebnis.
Dennoch benötigte Riniker für dieses Projekt einen langen Atem: 2001 präsentierte der Musiker den Kollegen seine erste Tango-Bearbeitung. Sie wurde prompt abgelehnt – „zu schwer“. Doch Rinikers Enthusiamus und die Klassiker von Astor Piazzolla überzeugten letztendlich. Auf dieser CD erklingen etliche Kompositionen des Schöpfers des Tango nuevo, wie Libertango, Soledad, Tres minutos con la realidad, Caliente oder Buenos Aires hora cero. Dieser Tango gab dem Album auch den Namen.
Ergänzt wird das Programm durch Werke von José Carli (*1931) und Pasquale Stafano (*1972); der Tango alter Schule ist vertreten mit A Don Agustín Bardi von Horacio Salgan (*1916). Die Arrangements stammen zumeist von David Rinicker. „Da ich von der Mehrheit der Stücke keine Noten habe und sie von Aufnahmen durch unzähliges Wiederanhören abgeschrieben habe, dauert es bisweilen Monate, bis eine Bearbeitung fertiggestellt ist“, berichtet der Cellist. „Sie schwirrt in der intensivsten Zeit dann Tag und Nacht durch meinen Kopf. Manchmal träume ich davon. Es ist auch schon vorgekommen, dass ich am Morgen die Lösung einer Stelle ganz klar wusste.“ Nichts ist hier Zufall; jeder Part ist für einen bestimmten Musiker geschrieben. „Wenn ich die Musik dieses Albums durchhöre, erscheint es mir fast wie ein Wunder, dass wir alles ohne Dirigenten aufgenommen haben“, resümiert Riniker, „so komplex und vielfältig ist diese Musik.“ Die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker spielen Tango mit Leidenschaft, mit Drive und mit Ausdruck – faszinierend, unbedingt anhören!
Dennoch benötigte Riniker für dieses Projekt einen langen Atem: 2001 präsentierte der Musiker den Kollegen seine erste Tango-Bearbeitung. Sie wurde prompt abgelehnt – „zu schwer“. Doch Rinikers Enthusiamus und die Klassiker von Astor Piazzolla überzeugten letztendlich. Auf dieser CD erklingen etliche Kompositionen des Schöpfers des Tango nuevo, wie Libertango, Soledad, Tres minutos con la realidad, Caliente oder Buenos Aires hora cero. Dieser Tango gab dem Album auch den Namen.
Ergänzt wird das Programm durch Werke von José Carli (*1931) und Pasquale Stafano (*1972); der Tango alter Schule ist vertreten mit A Don Agustín Bardi von Horacio Salgan (*1916). Die Arrangements stammen zumeist von David Rinicker. „Da ich von der Mehrheit der Stücke keine Noten habe und sie von Aufnahmen durch unzähliges Wiederanhören abgeschrieben habe, dauert es bisweilen Monate, bis eine Bearbeitung fertiggestellt ist“, berichtet der Cellist. „Sie schwirrt in der intensivsten Zeit dann Tag und Nacht durch meinen Kopf. Manchmal träume ich davon. Es ist auch schon vorgekommen, dass ich am Morgen die Lösung einer Stelle ganz klar wusste.“ Nichts ist hier Zufall; jeder Part ist für einen bestimmten Musiker geschrieben. „Wenn ich die Musik dieses Albums durchhöre, erscheint es mir fast wie ein Wunder, dass wir alles ohne Dirigenten aufgenommen haben“, resümiert Riniker, „so komplex und vielfältig ist diese Musik.“ Die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker spielen Tango mit Leidenschaft, mit Drive und mit Ausdruck – faszinierend, unbedingt anhören!
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