Nach den Cellokonzerten von Andrea Zani (1696 bis 1757) hat Martin Rummel nun, gemeinsam mit der Geigerin Lena Neudauer, Diverti- menti des Komponisten aus dem Archivschlaf erweckt. Es wird vermutet, dass auch diese Stücke für Rudolf Franz Erwein, Graf von Schönborn (1677 bis 1754), entstan- den sind.
Der cellospielende Diplomat hat auf Schloss Wiesentheid bei Würzburg eine Musikaliensammlung zusammengetragen, in der in den letzten Jahren schon so manches beeindruckende Musikstück entdeckt worden ist.
Über Zanis Lebensgeschichte ist fast nichts bekannt; die wenigen gesicherten Fakten wurden hier im Blog bereits bei der Vorstellung der Cellokonzerte aufgezählt. Hört man seine Divertimenti, geschaffen für eine Minimalbesetzung aus Violine und Violoncello, dann staunt man allerdings über die Melodik, die so gar nichts Barockes hat. Dabei sind diese Duos 1734 entstanden – im gleichen Jahr, in dem beispielsweise Johann Sebastian Bach sein Weihnachtsoratorium in Leipzig erstmals aufgeführt hat. Zanis Musik steht der Klassik wesentlich näher.
Allerdings sind die Divertimenti längst nicht so spektakulär wie die Konzerte, die der Geiger geschrieben hat. Sie stellen die Virtuosität nicht so in den Vordergrund, und lassen viel Raum für Dialoge der Instrumente. Das ist allerbeste Hausmusik, auf einem sehr hohem Niveau – und die beiden Musiker erkunden diese Klangräume mit Genuss. Lena Neudauer und Martin Rummel harmonieren wunderbar bei der Entdeckung dieser lang verschütteten Schätze.
Samstag, 30. April 2016
Freitag, 29. April 2016
Ouvertüren (Tudor)
Antike Sagengestalten stehen im Mittelpunkt dieser CD der Bamberger Symphoniker. Die Auswahl der Musik für ein solches Programm fällt sicherlich nicht leicht, denn schon für die allerersten Opern wählten die Komponisten Stoffe aus der griechi- schen oder römischen Mythologie. Dirigent Karl-Heinz Steffens prä- sentiert mit den Bamberger Sym- phonikern Werke aus dem 18. und
19. Jahrhundert. Die CD beginnt mit der Ouvertüre zu Iphigenie in Aulis von Christoph Willibald Gluck (1714 bis 1787) – in einer Bearbeitung von Richard Wagner. Aus Mozarts Oper Ideomeneo erklingt ebenfalls die Ouvertüre, sowie die abschließende Ballettmusik, die die Krönung Idaman- tes in Form einer Pantomime in Szene setzen soll.
Luigi Cherubini (1760 bis 1842) stammte aus Florenz. 1787 ging er nach Paris, und dort überlebte er die Revolution und die Schreckensherrschaft der Jakobiner. Im März 1797 stellte er dann seine Oper Médée vor. Dass die grausige Geschichte um die Zauberin Medea bis zum heutigen Tage ihren Platz auf der Opernbühne behauptet, ist auch das Verdienst von Maria Callas, die diese Partie einst phänomenal gesungen hat. Die Bamberger Symphoniker spielen die Ouvertüre, die bereits den Furor der Heldin ankündigt.
Deutlich ruhiger gestaltet hat Ludwig van Beethoven die Eröffungsmusik zu Die Ruinen von Athen, einem Huldigungs-Opus zur Eröffnung des Theaters im ungarischen Pest. Mit knapp fünf Minuten ist dies die kürzeste Ouvertüre des Komponisten überhaupt; sie ist knapp, aber reizvoll, und lässt das dazugehörige Stück aus der Feder von Kotzebue nicht vermissen, in dem Göttervater Zeus höchstpersönlich eine Büste des österreichischen Kaisers Franz I. aufstellt.
Shakespeares Sommernachtstraum stand Pate bei der romantischen Oper Oberon, die Carl Maria von Weber (1786 bis 1826) schwerkrank in seinen letzten Lebensmonaten geschaffen hat. Die Handlung soll ein wenig verwirren – aber wenn die Musik insgesamt so ist wie das, was die Bamberger Symphoniker auf dieser CD vorstellen, dann könnte man vielleicht sogar über Schwächen des Textbuches hinwegsehen und dem Opus eine zumindest konzertante Wiederauferstehung wünschen.
Und da wir einmal bei Puck, Oberon und Titania sind – die CD endet mit dem Sommernachtstraum von Felix Mendelssohn Bartholdy. Die Bamberger Symphoniker beweisen einmal mehr, dass sie zu den besten Orchestern Deutschlands gehören; musiziert wird mit Präzision und Esprit. Steffens erweist sich als Klangmagier, er vergisst aber auch nicht, hier und da mit einer Prise Dramatik zu würzen. Diese Einspielung ist ein kleines Juwel, hier passt einfach alles.
19. Jahrhundert. Die CD beginnt mit der Ouvertüre zu Iphigenie in Aulis von Christoph Willibald Gluck (1714 bis 1787) – in einer Bearbeitung von Richard Wagner. Aus Mozarts Oper Ideomeneo erklingt ebenfalls die Ouvertüre, sowie die abschließende Ballettmusik, die die Krönung Idaman- tes in Form einer Pantomime in Szene setzen soll.
Luigi Cherubini (1760 bis 1842) stammte aus Florenz. 1787 ging er nach Paris, und dort überlebte er die Revolution und die Schreckensherrschaft der Jakobiner. Im März 1797 stellte er dann seine Oper Médée vor. Dass die grausige Geschichte um die Zauberin Medea bis zum heutigen Tage ihren Platz auf der Opernbühne behauptet, ist auch das Verdienst von Maria Callas, die diese Partie einst phänomenal gesungen hat. Die Bamberger Symphoniker spielen die Ouvertüre, die bereits den Furor der Heldin ankündigt.
Deutlich ruhiger gestaltet hat Ludwig van Beethoven die Eröffungsmusik zu Die Ruinen von Athen, einem Huldigungs-Opus zur Eröffnung des Theaters im ungarischen Pest. Mit knapp fünf Minuten ist dies die kürzeste Ouvertüre des Komponisten überhaupt; sie ist knapp, aber reizvoll, und lässt das dazugehörige Stück aus der Feder von Kotzebue nicht vermissen, in dem Göttervater Zeus höchstpersönlich eine Büste des österreichischen Kaisers Franz I. aufstellt.
Shakespeares Sommernachtstraum stand Pate bei der romantischen Oper Oberon, die Carl Maria von Weber (1786 bis 1826) schwerkrank in seinen letzten Lebensmonaten geschaffen hat. Die Handlung soll ein wenig verwirren – aber wenn die Musik insgesamt so ist wie das, was die Bamberger Symphoniker auf dieser CD vorstellen, dann könnte man vielleicht sogar über Schwächen des Textbuches hinwegsehen und dem Opus eine zumindest konzertante Wiederauferstehung wünschen.
Und da wir einmal bei Puck, Oberon und Titania sind – die CD endet mit dem Sommernachtstraum von Felix Mendelssohn Bartholdy. Die Bamberger Symphoniker beweisen einmal mehr, dass sie zu den besten Orchestern Deutschlands gehören; musiziert wird mit Präzision und Esprit. Steffens erweist sich als Klangmagier, er vergisst aber auch nicht, hier und da mit einer Prise Dramatik zu würzen. Diese Einspielung ist ein kleines Juwel, hier passt einfach alles.
Mittwoch, 27. April 2016
Vivaldi: La Stravaganza (MDG)
Das Barockensemble Armonioso aus dem italienischen Asti veröffentlicht sein Debütalbum bei Dabringhaus und Grimm – und was für eines! Die Musiker um Francesco Cerrato haben dafür die zwölf Violinkonzerte op. 4 von Antonio Vivaldi ausgewählt, bekannt unter dem Titel La Strava- ganza.
Auch wenn der Einsatz eines Kontra- basses bei diesem Opus nicht un- umstritten ist, so zelebrieren die Musiker die Extravaganzen des Venezianers mit hinreißender Spiel- freude, und perfekt aufeinander abgestimmt. Man glaubt es kaum, aber Armonioso wurde erst 2012 gegründet. Und in La Stravaganza fordert Vivaldi nicht nur vom Solo-Geiger vollen Einsatz. Harmonische Kühnheiten sind ebenso zu meistern wie technische Herausforderungen; gern fügt Vivaldi zur Solo-Violine weitere Soloinstrumente hinzu, oder gibt einzelnen Stimmgruppen unge- wöhnliche Aufgaben.
Diese Konzerte sind daher unglaublich abwechslungsreich, aber sie haben Vivaldis Zeitgenossen auch sehr verwirrt und sind bis heute weniger populär als beispielsweise ihr Vorgänger L'Estro armonico. Bei Armonioso sind die kapriziösen Werke in besten Händen. Und die Aufnahme selbst klingt so prägnant, als säße der Zuhörer vor dem kleinen Orchester.
Auch wenn der Einsatz eines Kontra- basses bei diesem Opus nicht un- umstritten ist, so zelebrieren die Musiker die Extravaganzen des Venezianers mit hinreißender Spiel- freude, und perfekt aufeinander abgestimmt. Man glaubt es kaum, aber Armonioso wurde erst 2012 gegründet. Und in La Stravaganza fordert Vivaldi nicht nur vom Solo-Geiger vollen Einsatz. Harmonische Kühnheiten sind ebenso zu meistern wie technische Herausforderungen; gern fügt Vivaldi zur Solo-Violine weitere Soloinstrumente hinzu, oder gibt einzelnen Stimmgruppen unge- wöhnliche Aufgaben.
Diese Konzerte sind daher unglaublich abwechslungsreich, aber sie haben Vivaldis Zeitgenossen auch sehr verwirrt und sind bis heute weniger populär als beispielsweise ihr Vorgänger L'Estro armonico. Bei Armonioso sind die kapriziösen Werke in besten Händen. Und die Aufnahme selbst klingt so prägnant, als säße der Zuhörer vor dem kleinen Orchester.
Dienstag, 26. April 2016
Schütz: Symphoniae Sacrae III (Carus)
Die Symphoniae sacrae III hat Heinrich Schütz (1585 bis 1672) im Jahre 1650 veröffentlicht; kurz darauf wies er seinen Dienstherrn, den sächsischen Kurfürsten Johann Georg II., in einem Memorial darauf hin, dass ihm die Kräfte schwinden, und bat, dieser möge ihn in „einen etwas geruhigeren Zustandt“ ver- setzen. Schütz war damals 65 Jahre alt, und ging daran, die Bilanz seines Lebens zu ziehen.
In den Symphoniae sacrae. Tertia pars. bot er noch einmal auf, was Italien an Klangpracht aufzubieten hatte, ergänzt durch seine eigene unnachahmliche Kunst der Textaus- legung. Nach dem Dreißigjährigen Krieg, in dem auch die Hofkapelle einen bedrückenden Niedergang erlebt hatte, so dass Schütz sich mit kleinsten Besetzungen begnügen musste, konnte er nun wieder für eine umfangreiche Schar Favoritsänger nebst konzertierenden Instrumenten, Kapellchor und Basso continuo komponieren. Mit musikalischen Mitteln stellt Schütz auch die bewährte Ordnung wieder her – das Werk beginnt mit Der Herr ist mein Hirte, und endet mit Nun danket alle Gott.
Diesem herausragenden Werk hat sich Hans-Christoph Rademann mit seinem Dresdner Kammerchor und dem Dresdner Barockorchester nun im Rahmen der Schütz-Gesamteinspielung bei Carus zugewandt. Als Favoritsänger wirken mit Dorothee Mields, Ulrike Hofbauer und Isabel Jantschek, Sopran, Maria Stosiek, Mezzosopran, David Erler und Stefan Kunath, Altus, Georg Poplutz und Tobias Mäthger, Tenor, sowie Martin Schicketanz, Bariton, und Felix Schwandtke, Bassbariton. Die Inter- pretation ist ausgesprochen farbenreich und nah am Text, das Ensemble musiziert gekonnt und ausgewogen.
In den Symphoniae sacrae. Tertia pars. bot er noch einmal auf, was Italien an Klangpracht aufzubieten hatte, ergänzt durch seine eigene unnachahmliche Kunst der Textaus- legung. Nach dem Dreißigjährigen Krieg, in dem auch die Hofkapelle einen bedrückenden Niedergang erlebt hatte, so dass Schütz sich mit kleinsten Besetzungen begnügen musste, konnte er nun wieder für eine umfangreiche Schar Favoritsänger nebst konzertierenden Instrumenten, Kapellchor und Basso continuo komponieren. Mit musikalischen Mitteln stellt Schütz auch die bewährte Ordnung wieder her – das Werk beginnt mit Der Herr ist mein Hirte, und endet mit Nun danket alle Gott.
Diesem herausragenden Werk hat sich Hans-Christoph Rademann mit seinem Dresdner Kammerchor und dem Dresdner Barockorchester nun im Rahmen der Schütz-Gesamteinspielung bei Carus zugewandt. Als Favoritsänger wirken mit Dorothee Mields, Ulrike Hofbauer und Isabel Jantschek, Sopran, Maria Stosiek, Mezzosopran, David Erler und Stefan Kunath, Altus, Georg Poplutz und Tobias Mäthger, Tenor, sowie Martin Schicketanz, Bariton, und Felix Schwandtke, Bassbariton. Die Inter- pretation ist ausgesprochen farbenreich und nah am Text, das Ensemble musiziert gekonnt und ausgewogen.
Montag, 25. April 2016
Godowsky: Six Pieces for the Left Hand (Marco Polo)
Konstantin Scherbakov spielt derzeit für das Label Marco Polo die Klavier- musik von Leopold Godowsky (1870 bis 1938) ein. Über den Lebensweg des Pianisten wurde in diesem Blog bereits ausführlich berichtet. Er ge- hört ohne Zweifel zu den bedeutend- sten Klaviervirtuosen aller Zeiten. Außerdem hat Godowsky auch phantastische Musik komponiert, überwiegend für Klavier, die aller- dings Interpreten einiges abverlangt – wahrscheinlich wird sie deshalb so selten gespielt.
Godowsky gilt als „Genie der linken Hand“. Er vertrat die Auffassung, die linke Hand habe „der rechten gegenüber vieles voraus, und es ist unrichtig zu glauben, daß die linke Hand weniger zur vollendeten Ausbildung befähigt sei als die rechte“, so schrieb er in seinem Geleitwort zu den 22 Studien für die linke Hand allein: „Die linke Hand bietet den Vorteil, den stärkeren Teil der Hand für den mehr hervorzuhebenden Teil der Melodie zur Verfügung zu haben, ebenso wie die stärkeren Finger die Oberstimme bei Doppelnoten und Akkorden führen. Dazu kommt, daß die linke Hand, die den unteren Teil der Klaviatur beherrscht, mit weniger Anstrengung und mehr Elastizität einen volleren, weicheren Ton – qualitativ und quantitativ der rechten Hand überlegen – hervorbringt.“
Um diese Stärken zur Geltung zu bringen, schrieb schrieb Godowsky nicht nur „normale“ Klaviermusik, sondern auch eine ungewöhnlich große Zahl Stücke ausschließlich für die linke Hand. Scherbakov lässt sich davon nicht schrecken; so enthält CD 11 neben den Six Pieces for both hands auch eine Suite sowie Prelude and Fugue for the left hand alone, dazu zwei Stücke namens Märchen und Moto Perpetuo sowie die brillanten Sympho- nic Metamorphoses on themes from the Gypsy Baron, ebenfalls für linke Hand allein. Auf CD 13 finden sich die Six Pieces in der ursprünglichen Version für linke Hand allein, sowie eine Vielzahl von Adaptionen und Bearbeitungen. Darunter befindet sich auch die sensible Übertragung von Der Schwan aus Karneval der Tiere von Godowskys verehrtem Lehrer Camille Saint-Saëns. Wie viel dieses Stück Godowsky bedeutet haben muss, bemerkt man daran, dass er sich dieses Arrangement auf seinem Sterbebett von einem Freund vorspielen lassen haben soll.
Die CD endet erneut mit Melodien von Johann Strauss, diesmal sind es Themen aus Die Fledermaus. Ein großartiges Programm, exzellent gespielt von Konstantin Scherbakov. Auf die Fortsetzung dieser Edition darf man daher sehr gespannt sein.
Godowsky gilt als „Genie der linken Hand“. Er vertrat die Auffassung, die linke Hand habe „der rechten gegenüber vieles voraus, und es ist unrichtig zu glauben, daß die linke Hand weniger zur vollendeten Ausbildung befähigt sei als die rechte“, so schrieb er in seinem Geleitwort zu den 22 Studien für die linke Hand allein: „Die linke Hand bietet den Vorteil, den stärkeren Teil der Hand für den mehr hervorzuhebenden Teil der Melodie zur Verfügung zu haben, ebenso wie die stärkeren Finger die Oberstimme bei Doppelnoten und Akkorden führen. Dazu kommt, daß die linke Hand, die den unteren Teil der Klaviatur beherrscht, mit weniger Anstrengung und mehr Elastizität einen volleren, weicheren Ton – qualitativ und quantitativ der rechten Hand überlegen – hervorbringt.“
Um diese Stärken zur Geltung zu bringen, schrieb schrieb Godowsky nicht nur „normale“ Klaviermusik, sondern auch eine ungewöhnlich große Zahl Stücke ausschließlich für die linke Hand. Scherbakov lässt sich davon nicht schrecken; so enthält CD 11 neben den Six Pieces for both hands auch eine Suite sowie Prelude and Fugue for the left hand alone, dazu zwei Stücke namens Märchen und Moto Perpetuo sowie die brillanten Sympho- nic Metamorphoses on themes from the Gypsy Baron, ebenfalls für linke Hand allein. Auf CD 13 finden sich die Six Pieces in der ursprünglichen Version für linke Hand allein, sowie eine Vielzahl von Adaptionen und Bearbeitungen. Darunter befindet sich auch die sensible Übertragung von Der Schwan aus Karneval der Tiere von Godowskys verehrtem Lehrer Camille Saint-Saëns. Wie viel dieses Stück Godowsky bedeutet haben muss, bemerkt man daran, dass er sich dieses Arrangement auf seinem Sterbebett von einem Freund vorspielen lassen haben soll.
Die CD endet erneut mit Melodien von Johann Strauss, diesmal sind es Themen aus Die Fledermaus. Ein großartiges Programm, exzellent gespielt von Konstantin Scherbakov. Auf die Fortsetzung dieser Edition darf man daher sehr gespannt sein.
Kontrabasskonzerte - Ödön Rácz (Deutsche Grammophon)
Ödön Rácz, Solobassist der Wiener Philharmoniker, präsentiert auf seinem zweiten Album Konzerte für Kontrabass und Orchester von Johann Baptist Vanhal, Carl Ditters von Dittersdorf und Giovanni Bottesini. Rácz musiziert dabei gemeinsam mit dem Franz Liszt Chamber Orchestra, das er auch selbst dirigiert.
Der Solist entstammt einer Kontra- bassistendynastie; schon sein Ur- großvater spielte dieses Instrument. Mit Musik der Wiener Kontrabass-Schule hat sich Rácz bereits während seines Studiums an der Franz Liszt Akademie in seiner Heimatstadt Budapest beschäftigt. Intensiv studiert hat er dieses Repertoire dann in Wien bei seinem Lehrer Alois Posch.
Das D-Dur-Konzert von Vanhal – obgleich weit weniger virtuos als die aberwitzig rasanten Opernparaphrasen, die Rácz seinerzeit auf seiner ersten CD bei Gramola vorgestellt hat – sei „vor allem stilistisch sehr schwierig“, erläutert der Musiker im Beiheft zu dieser CD. Das Dittersdorf-Konzert beschreibt Rácz als „gute Unterhaltung mit besonderen Ansprü- chen an den Solisten“. Beide Werke spielt er mit den beeindruckenden Kadenzen, die Ludwig Streicher, ebenfalls ein früherer Wiener Philhar- moniker, gemeinsam mit dem Komponisten HK Gruber geschaffen hat.
Bottesini, der „Paganini des Kontrabasses“, schrieb insgesamt vier Konzer- te für sein Instrument. Rácz hat davon das zweite, das h-Moll-Konzert, für diese Aufnahme ausgewählt. Es ist ein Virtuosenkonzert, das vom Solo-Instrument dominiert wird – sehr anspruchsvoll und ausdrucksstark; Rácz sieht es als ein „romantisches Konzert im italienischen Stil“, das gestaltet werden müsse wie Tschaikowskis Violinkonzert. Und so stellt der Solist auch hier eher die große Linie heraus als die vielen kleinen virtuosen Scharmützel.
Dass die drei Konzerte technisch höchst herausfordernd sind, wird der Zuhörer kaum bemerken. Rácz musiziert souverän, und entlockt seinem Kontrabass aus der Werkstatt des Wiener Instrumentenbauers Michael Ignatius Stadlmann aus dem Jahre 1781 wunderbare Klänge, samtweich und sanglich. Bravo! Und mehr davon, bitte.
Der Solist entstammt einer Kontra- bassistendynastie; schon sein Ur- großvater spielte dieses Instrument. Mit Musik der Wiener Kontrabass-Schule hat sich Rácz bereits während seines Studiums an der Franz Liszt Akademie in seiner Heimatstadt Budapest beschäftigt. Intensiv studiert hat er dieses Repertoire dann in Wien bei seinem Lehrer Alois Posch.
Das D-Dur-Konzert von Vanhal – obgleich weit weniger virtuos als die aberwitzig rasanten Opernparaphrasen, die Rácz seinerzeit auf seiner ersten CD bei Gramola vorgestellt hat – sei „vor allem stilistisch sehr schwierig“, erläutert der Musiker im Beiheft zu dieser CD. Das Dittersdorf-Konzert beschreibt Rácz als „gute Unterhaltung mit besonderen Ansprü- chen an den Solisten“. Beide Werke spielt er mit den beeindruckenden Kadenzen, die Ludwig Streicher, ebenfalls ein früherer Wiener Philhar- moniker, gemeinsam mit dem Komponisten HK Gruber geschaffen hat.
Bottesini, der „Paganini des Kontrabasses“, schrieb insgesamt vier Konzer- te für sein Instrument. Rácz hat davon das zweite, das h-Moll-Konzert, für diese Aufnahme ausgewählt. Es ist ein Virtuosenkonzert, das vom Solo-Instrument dominiert wird – sehr anspruchsvoll und ausdrucksstark; Rácz sieht es als ein „romantisches Konzert im italienischen Stil“, das gestaltet werden müsse wie Tschaikowskis Violinkonzert. Und so stellt der Solist auch hier eher die große Linie heraus als die vielen kleinen virtuosen Scharmützel.
Dass die drei Konzerte technisch höchst herausfordernd sind, wird der Zuhörer kaum bemerken. Rácz musiziert souverän, und entlockt seinem Kontrabass aus der Werkstatt des Wiener Instrumentenbauers Michael Ignatius Stadlmann aus dem Jahre 1781 wunderbare Klänge, samtweich und sanglich. Bravo! Und mehr davon, bitte.
Sonntag, 24. April 2016
Fangt euer Tagwerk fröhlich an - Volkslieder (Berlin Classics)
Dass der Dresdner Kreuzchor heute noch immer zu den besten Knaben- chören Deutschlands gehört, ist maßgeblich das Verdienst von Rudolf Mauersberger (1889 bis 1972). Er wurde 1930 Kreuzkantor, führte den Chor durch zwei Diktaturen, und dabei gelang ihm das Kunststück, seine Säkularisierung erfolgreich zu verhindern.
In den 30er Jahren sorgte er dafür, dass der Kreuzchor eng in die Liturgie der Kreuzkirche eingebunden wurde.
Mit großem persönlichen Engagement trat er für die Wiederbelebung des Chores nach der Zerstörung Dresdens ein, bei der auch elf Kruzianer ums Leben gekommen waren. Die Pflege des Erbes, insbesondere der Werke von Heinrich Schütz und Johann Sebastian Bach, hatte für den Kreuzkantor ebenso großes Gewicht wie die zeitgenössische Musik. Mit einer Vielzahl von Aufnahmen und Tourneen erarbeitete sich der Kreuzchor unter Rudolf Mauersberger internationales Renommee.
Wer hören möchte, wie der Kreuzchor unter Mauersberger gesungen hat, dem sei diese CD mit Volksliedern empfohlen. Aufgezeichnet wurde sie im Juni 1964 in der Dresdner Lukaskirche. Die Chorsätze sind ausgesprochen abwechslungsreich; sie stammen teils von Mauersberger selbst, teils von anderen Komponisten, von Michael Praetorius über Felix Mendelssohn Bartholdy bis hin zu Ernst Pepping.
In den 30er Jahren sorgte er dafür, dass der Kreuzchor eng in die Liturgie der Kreuzkirche eingebunden wurde.
Mit großem persönlichen Engagement trat er für die Wiederbelebung des Chores nach der Zerstörung Dresdens ein, bei der auch elf Kruzianer ums Leben gekommen waren. Die Pflege des Erbes, insbesondere der Werke von Heinrich Schütz und Johann Sebastian Bach, hatte für den Kreuzkantor ebenso großes Gewicht wie die zeitgenössische Musik. Mit einer Vielzahl von Aufnahmen und Tourneen erarbeitete sich der Kreuzchor unter Rudolf Mauersberger internationales Renommee.
Wer hören möchte, wie der Kreuzchor unter Mauersberger gesungen hat, dem sei diese CD mit Volksliedern empfohlen. Aufgezeichnet wurde sie im Juni 1964 in der Dresdner Lukaskirche. Die Chorsätze sind ausgesprochen abwechslungsreich; sie stammen teils von Mauersberger selbst, teils von anderen Komponisten, von Michael Praetorius über Felix Mendelssohn Bartholdy bis hin zu Ernst Pepping.
800 Jahre Dresdner Kreuzchor - Lieder aus 8 Jahrhunderten (Berlin Classics)
Mit diesem Album begibt sich der Dresdner Kreuzchor auf eine musikalische Zeitreise durch die acht Jahrhunderte seines Bestehens. Werke von der Gregorianik bis in die Gegenwart umfasst das Repertoire der berühmten Sängerknaben, und vom Choral bis zum Volkslied. Eine Auswahl erklingt auf dieser CD. Sie beginnt bei Johannes Aulen und Johann Walter, dem „Urkantor“ der evangelischen Kirche, und reicht über Heinrich Schütz, Josef Rheinberger und Rudolf Mauersberger bis hin zu Mikis Theodorakis. Diese Rückschau würdigt zudem die Traditionen des Chores, indem sie Aufnahmen von 1964 bis in die Gegenwart zusammenfasst. Eingespielt wurden sie unter dem legendären Kreuzkantor Rudolf Mauersberger, der den Chor von 1930 bis 1971 klug geleitet hat, seinem Nachfolger Martin Flämig, der ihn im Anschluss bis 1991 führte, dem Chordirigenten Peter Kopp und dem jetzigen, 28. Kreuzkantor Roderich Kreile. Damit dokumentiert diese Zeitreise auch, wie sich der Chorklang im Verlauf dieser Jahre verändert hat.
von Camerloher: Kammermusik, Sinfonien, Arien (Thorofon)
Placidus Cajetanus Laurentius von Camerloher (1718 bis 1782) war der Sohn eines Gerichtsschreibers. Seine Ausbildung begann er an der Ritterakademie Ettal; Camerloher studierte dann bei den Jesuiten am Münchner Wilhelmsgymnasium Theologie und wurde 1744 in Freising zum Priester geweiht. Sein Talent aber lag auf musikalischem Gebiet. 1745 wurde Camerloher zum Kapell- meister bei Johann Theodor von Baiern, Kardinal und Fürstbischof von Freising, berufen.
Der Fürstbischof sorgte dafür, dass sein Musikdirektor, Rat und Hofkaplan zunächst Canonicus im Freisinger Stift St. Veit und später dann am Stift St. Andreas wurde, was mit einer Pfründe verbunden war. Außerdem ließ er den Kapellmeister in den Adels- stand erheben.
Dass die Freisinger Hofkapelle der Herrschaft sehr wichtig war, zeigt ein Gemälde von Joseph Paul Delcloche. Darauf ist zu sehen, wie der Neffe des Fürstbischofs, immerhin regierender Kurfürst von Bayern, ein Solo auf der Viola da gamba spielt. Am Violoncello begleitet ihn der Fürstbischof höchstpersönlich; am Cembalo sitzt eine seiner Töchter aus der Zeit vor seiner Priesterweihe. Der Hofkapellmeister steht neben ihr und dirigiert mit einer Notenrolle. Und alle Musiker, von Konzertmeister bis hin zu den beiden Hornisten, sind ebenso liebevoll porträtiert.
Die Neue Freisinger Hofmusik, um Cellistin Sabina Lehrmann, hat sich die Wiederentdeckung des Repertoires jener Zeit zum Ziel gesetzt. Das Ensem- ble hat nun bei Thorofon einen reizvollen Querschnitt aus dem Schaffen von Camerlohers vorgestellt. Es erklingen drei Sinfonien, zwei Kammer- musiken, zwei Arien für Bass, gesungen von Matthias Winckhler, sowie zwei Stücke für Gallichone, eine süddeutsche Variante der Laute. Fast alle dieser Werke sind bislang unveröffentlicht. Camerlohers Musik ist ohne Zweifel originell; stilistisch steht sie der Mannheimer Schule nahe.
Der Fürstbischof sorgte dafür, dass sein Musikdirektor, Rat und Hofkaplan zunächst Canonicus im Freisinger Stift St. Veit und später dann am Stift St. Andreas wurde, was mit einer Pfründe verbunden war. Außerdem ließ er den Kapellmeister in den Adels- stand erheben.
Dass die Freisinger Hofkapelle der Herrschaft sehr wichtig war, zeigt ein Gemälde von Joseph Paul Delcloche. Darauf ist zu sehen, wie der Neffe des Fürstbischofs, immerhin regierender Kurfürst von Bayern, ein Solo auf der Viola da gamba spielt. Am Violoncello begleitet ihn der Fürstbischof höchstpersönlich; am Cembalo sitzt eine seiner Töchter aus der Zeit vor seiner Priesterweihe. Der Hofkapellmeister steht neben ihr und dirigiert mit einer Notenrolle. Und alle Musiker, von Konzertmeister bis hin zu den beiden Hornisten, sind ebenso liebevoll porträtiert.
Die Neue Freisinger Hofmusik, um Cellistin Sabina Lehrmann, hat sich die Wiederentdeckung des Repertoires jener Zeit zum Ziel gesetzt. Das Ensem- ble hat nun bei Thorofon einen reizvollen Querschnitt aus dem Schaffen von Camerlohers vorgestellt. Es erklingen drei Sinfonien, zwei Kammer- musiken, zwei Arien für Bass, gesungen von Matthias Winckhler, sowie zwei Stücke für Gallichone, eine süddeutsche Variante der Laute. Fast alle dieser Werke sind bislang unveröffentlicht. Camerlohers Musik ist ohne Zweifel originell; stilistisch steht sie der Mannheimer Schule nahe.
Freitag, 22. April 2016
Bertali: La Maddalena (Ricercar)
Maria Magdalena hat, ganz beson- ders in der Zeit des Barock, wie kaum eine andere Figur des Neuen Testa- mentes Künstler aller Genres inspiriert. Auch wenn nicht ganz klar wird, was sie zuvor getan hat – nach Reue und Umkehr jedenfalls gehörte sie zu der Schar, die Jesus begleitete, und zu den Zeugen von Passion und Auferstehung.
Für die Inszenierung des Leidens- weges Jesu mit den Mitteln profaner Dramatik ist diese Figur aufgrund ihrer Vielschichtigkeit attraktiv: Natürlich ist Maria aus Magdala eine reuige Sünderin, aber sie wird auch gezeigt als eine schöne, sanfte und sinnliche Frau, die Christus möglicherweise ganz besonders nahe stand. Ihr Schmerz angesichts des Leidens Christi findet seinen Ausdruck in einer Vielzahl von Klageliedern. Ein besonders apartes Beispiel dafür, Lagrime Amare von Domenico Mazzocchi (1592 bis 1665), erklingt am Ende dieser CD.
Mit seinem Ensemble Scherzi Musicali hat Nicolas Achten bei Ricercar aber noch zwei deutlich umfangreichere Werke eingespielt, die Maria Magdalena in den Mittelpunkt stellen. La Maddalena, Sacra Rappresen- tazione wurde 1617 in Mantua aufgeführt – wahrscheinlich zur Hochzeit Ferdinando Gonzagas mit Caterina de'Medici. Dabei handelt es sich um ein Theaterstück, das durch Musik begleitet wurde, die von verschiedenen Komponisten aus dem Umkreis des Hofes geschaffen worden ist. Es erklingen Werke von Claudio Monteverdi, Muzio Effrem, Alessandro Guivizzani und Salomone Rossi.
Antonio Bertali (1605 bis 1669), ab 1649 Hofkapellmeister in Wien, stellte La Maddalena 1663 in den Mittelpunkt eines bewegenden Sepolcro. Diese Passionsoratorien erklangen in der Karwoche vor einem Nachbau des Heiligen Grabes. Es waren szenische Aufführungen; die Sänger traten im Kostüm auf und agierten entsprechend ihrer Rollen. Diese Tradition, die Bertalis Vorgänger Giovanni Valentini ins Leben gerufen haben soll, wurde bis weit ins 18. Jahrhundert gepflegt.
Nach der Einspielung der Motetten von Giovanni Felice Sances begann Achten, sich intensiv mit diesen Sepolcri zu beschäftigen, berichtet er im Beiheft zu dieser CD. „Bertalis La Maddalena unterscheidet sich von an- deren Wiener Oratorien in mehr als einer Hinsicht“, schreibt der Sänger. „Suchen wir hier keine spektakuläre Theatralik, voll von allegorischen Figuren, verschiedenen Aposteln und Heiligen, sondern eher einen starken rhetorischen Ausdruck des Schmerzes im Angesicht des Todes, eine gedankliche Auseinandersetzung mit dem Sinn und der Nichtigkeit des Lebens.“ Vorgetragen wird all dies vorbildlich; eine rundum gelungene Aufnahme, stilsicher und mit beeindruckender Sorgfalt wird hier musiziert. Bravi!
Für die Inszenierung des Leidens- weges Jesu mit den Mitteln profaner Dramatik ist diese Figur aufgrund ihrer Vielschichtigkeit attraktiv: Natürlich ist Maria aus Magdala eine reuige Sünderin, aber sie wird auch gezeigt als eine schöne, sanfte und sinnliche Frau, die Christus möglicherweise ganz besonders nahe stand. Ihr Schmerz angesichts des Leidens Christi findet seinen Ausdruck in einer Vielzahl von Klageliedern. Ein besonders apartes Beispiel dafür, Lagrime Amare von Domenico Mazzocchi (1592 bis 1665), erklingt am Ende dieser CD.
Mit seinem Ensemble Scherzi Musicali hat Nicolas Achten bei Ricercar aber noch zwei deutlich umfangreichere Werke eingespielt, die Maria Magdalena in den Mittelpunkt stellen. La Maddalena, Sacra Rappresen- tazione wurde 1617 in Mantua aufgeführt – wahrscheinlich zur Hochzeit Ferdinando Gonzagas mit Caterina de'Medici. Dabei handelt es sich um ein Theaterstück, das durch Musik begleitet wurde, die von verschiedenen Komponisten aus dem Umkreis des Hofes geschaffen worden ist. Es erklingen Werke von Claudio Monteverdi, Muzio Effrem, Alessandro Guivizzani und Salomone Rossi.
Antonio Bertali (1605 bis 1669), ab 1649 Hofkapellmeister in Wien, stellte La Maddalena 1663 in den Mittelpunkt eines bewegenden Sepolcro. Diese Passionsoratorien erklangen in der Karwoche vor einem Nachbau des Heiligen Grabes. Es waren szenische Aufführungen; die Sänger traten im Kostüm auf und agierten entsprechend ihrer Rollen. Diese Tradition, die Bertalis Vorgänger Giovanni Valentini ins Leben gerufen haben soll, wurde bis weit ins 18. Jahrhundert gepflegt.
Nach der Einspielung der Motetten von Giovanni Felice Sances begann Achten, sich intensiv mit diesen Sepolcri zu beschäftigen, berichtet er im Beiheft zu dieser CD. „Bertalis La Maddalena unterscheidet sich von an- deren Wiener Oratorien in mehr als einer Hinsicht“, schreibt der Sänger. „Suchen wir hier keine spektakuläre Theatralik, voll von allegorischen Figuren, verschiedenen Aposteln und Heiligen, sondern eher einen starken rhetorischen Ausdruck des Schmerzes im Angesicht des Todes, eine gedankliche Auseinandersetzung mit dem Sinn und der Nichtigkeit des Lebens.“ Vorgetragen wird all dies vorbildlich; eine rundum gelungene Aufnahme, stilsicher und mit beeindruckender Sorgfalt wird hier musiziert. Bravi!
Mittwoch, 20. April 2016
Duets for Flute and Cello (Genuin)
Zwei junge Instrumentalisten spielen zusammen Kammermusik. Ob es geschickt ist, ein Duo, das Mozart für Violine und Bratsche geschrieben hat, auf Querflöte und Violoncello zu spielen, darüber lässt sich sicherlich streiten. Cellist Georgiy Lomakov fabriziert auch in der Höhe seiden- weiche Töne, aber besonders gut zur Geltung kommt das Instrument dabei natürlich nicht. Und die Flötenso- nate BWV 1034 hat man schon oft gehört, oft genug leider auch besser. Wirklich überzeugend sind die beiden Musiker, wo sie allein musizieren; die Werke für Flöte solo von Fuminori Tanada und Rika Suzuki sind Atsuko Koga gewidmet und erklingen auf dieser CD in Weltersteinspielungen. Hier kann die japanische Flötistin einerseits technische Brillanz beweisen. Andererseits sind die beiden Kompositionen auch musikalisch wirklich spannend. Lomakov wiederum spielt die Cellosonate op. 25 Nr. 3 von Paul Hindemith (1859 bis 1963). Zum Schluss ist eine besondere Rarität zu hören: Die Sonatine von Eugène Bozza (1905 bis 1991), entstanden 1938, enthält Zitate aus dem Flötenkonzert von Jacques Ibert, der Bozzas Lehrer am Pariser Konservatorium war.
Bach: Ein feste Burg ist unser Gott (Deutsche Harmonia Mundi)
Die Spuren einer ganz erstaunlichen Manipulation präsentiert Christoph Spering mit seinen Ensembles Das Neue Orchester und Chorus Musicus Köln auf dieser CD. Ein feste Burg ist unser Gott von Johann Sebastian Bach beruht auf dem berühmten Choral von Martin Luther, und gehört zu den bekanntesten Kantaten des einstigen Leipziger Thomaskantors.
Auf dieser CD erklingen zum ersten Mal alle bekannten Versionen der Kantate.
Ihre Geschichte beginnt in Weimar, wo Bach vermutlich im Jahre 1715 eine Kantate über Ein feste Burg ist unser Gott komponierte – Alles, was von Gott geboren BWV 80a; ihre Musik ist nicht überliefert. In Leipzig arbeitete Bach dann dieses Werk um zu einer Choralkantate BWV 80b, von der ein vierstimmiger Eingangschoral komplett sowie ein weiterer Satz als Fragment erhalten geblieben sind. In späteren Jahren entstand daraus die Kantate Ein feste Burg ist unser Gott BWV 80.
Wilhelm Friedemann Bach, der älteste Bach-Sohn, hat dann zwei mar- kante Sätze zu lateinischen Hymnen umgestaltet – Manebit verbum Domini und Gaudete, omnes populi. Dazu hat er der Musik seines Vaters den neuen Text unterlegt, und einen dreistimmigen Trompetenchor mit Pauken hinzugefügt.
In der Notenedition Sämtliche Werke Johann Sebastian Bachs, 1850 zum hundertsten Todestag des Komponisten gestartet, ist die Kantate im Jahre 1870 erschienen. Die Herausgeber machten daraus, ganz im Zeitgeist, ein festlich-heroisches Opus – indem sie die Version des Bach-Sohnes ver- wendeten, die sie wiederum mit dem Text der originalen Bach-Kantate versahen. Seitdem wird Ein feste Burg ist unser Gott mit Pauken und Trompeten aufgeführt, zur Erhebung des Kirchenvolkes und zum patheti- schen Preis des deutschen Protestantismus.
Spering gestaltet mit dieser Einspielung zugleich eine kritische Bestands- aufnahme der gegenwärtigen Aufführungspraxis. „Interpretiert wird, was gefällt, um es pauschal zu sagen: weit, schnell. Laut und gefühlig“, fasst es der Dirigent im Beiheft zusammen. „Man könnte es weiter zuspitzen: Die Wucht der Massenchöre ist schon längst durch schnelle oder individuelle Tempi ersetzt worden.“
Spering wiederum lässt die Version aus dem 19. Jahrhundert bewusst subjektiv musizieren, in erster Linie auf Effekte zielend. Bachs Original hingegen erklingt puristisch, so der Dirigent, „mehr auf Affekte und das Wort beziehungsweise auf den Satzsinn hin angelegt.“ Dazu setzt sich Spering sogar über die Neue Bach-Ausgabe hinweg; er verzichtet bei der Choralstrophe Und wenn die Welt voll Teufel wär auf die Oboen und auf den Chor, und lässt sie nur durch die die Solisten singen. Um die Unter- schiede deutlich herauszuarbeiten, setzt er zudem in den beiden Versionen jeweils andere Solisten ein. Ein musikalisches Erkundungsprojekt mit durchaus überraschenden Resultaten – man traue keiner Notenedition! Für diese Erkenntnis muss man dem Label Deutsche Harmonia Mundi sowie dem Deutschlandfunk, der diese Koproduktion mit ermöglicht hat, sehr dankbar sein.
Auf dieser CD erklingen zum ersten Mal alle bekannten Versionen der Kantate.
Ihre Geschichte beginnt in Weimar, wo Bach vermutlich im Jahre 1715 eine Kantate über Ein feste Burg ist unser Gott komponierte – Alles, was von Gott geboren BWV 80a; ihre Musik ist nicht überliefert. In Leipzig arbeitete Bach dann dieses Werk um zu einer Choralkantate BWV 80b, von der ein vierstimmiger Eingangschoral komplett sowie ein weiterer Satz als Fragment erhalten geblieben sind. In späteren Jahren entstand daraus die Kantate Ein feste Burg ist unser Gott BWV 80.
Wilhelm Friedemann Bach, der älteste Bach-Sohn, hat dann zwei mar- kante Sätze zu lateinischen Hymnen umgestaltet – Manebit verbum Domini und Gaudete, omnes populi. Dazu hat er der Musik seines Vaters den neuen Text unterlegt, und einen dreistimmigen Trompetenchor mit Pauken hinzugefügt.
In der Notenedition Sämtliche Werke Johann Sebastian Bachs, 1850 zum hundertsten Todestag des Komponisten gestartet, ist die Kantate im Jahre 1870 erschienen. Die Herausgeber machten daraus, ganz im Zeitgeist, ein festlich-heroisches Opus – indem sie die Version des Bach-Sohnes ver- wendeten, die sie wiederum mit dem Text der originalen Bach-Kantate versahen. Seitdem wird Ein feste Burg ist unser Gott mit Pauken und Trompeten aufgeführt, zur Erhebung des Kirchenvolkes und zum patheti- schen Preis des deutschen Protestantismus.
Spering gestaltet mit dieser Einspielung zugleich eine kritische Bestands- aufnahme der gegenwärtigen Aufführungspraxis. „Interpretiert wird, was gefällt, um es pauschal zu sagen: weit, schnell. Laut und gefühlig“, fasst es der Dirigent im Beiheft zusammen. „Man könnte es weiter zuspitzen: Die Wucht der Massenchöre ist schon längst durch schnelle oder individuelle Tempi ersetzt worden.“
Spering wiederum lässt die Version aus dem 19. Jahrhundert bewusst subjektiv musizieren, in erster Linie auf Effekte zielend. Bachs Original hingegen erklingt puristisch, so der Dirigent, „mehr auf Affekte und das Wort beziehungsweise auf den Satzsinn hin angelegt.“ Dazu setzt sich Spering sogar über die Neue Bach-Ausgabe hinweg; er verzichtet bei der Choralstrophe Und wenn die Welt voll Teufel wär auf die Oboen und auf den Chor, und lässt sie nur durch die die Solisten singen. Um die Unter- schiede deutlich herauszuarbeiten, setzt er zudem in den beiden Versionen jeweils andere Solisten ein. Ein musikalisches Erkundungsprojekt mit durchaus überraschenden Resultaten – man traue keiner Notenedition! Für diese Erkenntnis muss man dem Label Deutsche Harmonia Mundi sowie dem Deutschlandfunk, der diese Koproduktion mit ermöglicht hat, sehr dankbar sein.
Montag, 18. April 2016
Rossini - Haydn: Cello Duets (MDG)
Vor einem knappen Vierteljahr- hundert haben David Geringas und Emil Klein Celloduette von Gioacchino Rossini und Joseph Haydn eingespielt. Die beiden Ausnahmecellisten – Geringas ist ein Rostropowitsch-Schüler, Klein wiederum war Geringas' Schüler – zelebrieren sowohl die virtuosen Eskapaden Rossinis als auch die eleganten Duette Haydns mit Sinn für Theatralik, mit Finesse und mit enormer Spielfreude. Besten Dank an das Label Dabringhaus und Grimm, das diese erstklassige Aufnahme nunmehr wieder zugänglich gemacht hat. Grandios!
Samstag, 16. April 2016
Bach: Johannes-Passion (BR Klassik)
Die Johannes-Passion schrieb Johann Sebastian Bach in Leipzig für die Karwoche 1724, unmittelbar nach seiner Anstellung als Thomaskantor. Er hat das Werk, uraufgeführt seinerzeit in der Nikolaikirche, immer wieder überarbeitet und abgeändert. Hier ist die sogenannte Fassung letzter Hand zu hören, die Bach 1739 begonnen, aber letztendlich wohl niemals selbst in dieser Form aufgeführt hat. Die Einspielung wird ergänzt durch eine ebenso ergiebige wie aufwendig produzierte Werkeinführung von Markus Vanhoefer.
Die Passion beginnt und endet mit großen Chören – Herr, unser Herr- scher und Ruht wohl, ihr heiligen Gebeine. In diesen Rahmen gefasst, erklingt die Passionserzählung, immer wieder unterbrochen durch reflektierende Choräle sowie durch Arien, die biblischen Texte eindringlich kommentieren. Neben Julian Prégardien, der die Partie des Evangelisten gekonnt vorträgt, hat der Chor des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Peter Dijkstra daher den umfangreichsten Part. Und der Chor singt hinreißend – beweglich wie ein Kammerchor, blitzsauber und stets durchhörbar, gestalterisch souverän und gänzlich ohne Manierismen. Sehr beeindruckend! Dieser Live-Mitschnitt einer konzertanten Aufführung am 7. März 2015 im Herkulessaal der Münchner Residenz ist ohne Zweifel mit Abstand die beste Einspielung der Johannes-Passion seit langem. Dazu tragen auch das renommierte Originalklang-Ensemble Concerto Köln und eine umfangreiche Riege junger Vokalsolisten mit bei.
Die Passion beginnt und endet mit großen Chören – Herr, unser Herr- scher und Ruht wohl, ihr heiligen Gebeine. In diesen Rahmen gefasst, erklingt die Passionserzählung, immer wieder unterbrochen durch reflektierende Choräle sowie durch Arien, die biblischen Texte eindringlich kommentieren. Neben Julian Prégardien, der die Partie des Evangelisten gekonnt vorträgt, hat der Chor des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Peter Dijkstra daher den umfangreichsten Part. Und der Chor singt hinreißend – beweglich wie ein Kammerchor, blitzsauber und stets durchhörbar, gestalterisch souverän und gänzlich ohne Manierismen. Sehr beeindruckend! Dieser Live-Mitschnitt einer konzertanten Aufführung am 7. März 2015 im Herkulessaal der Münchner Residenz ist ohne Zweifel mit Abstand die beste Einspielung der Johannes-Passion seit langem. Dazu tragen auch das renommierte Originalklang-Ensemble Concerto Köln und eine umfangreiche Riege junger Vokalsolisten mit bei.
Freitag, 15. April 2016
22. Festliche Operngala für die Deutsche Aids-Stiftung (Naxos)
Auch in diesem Jahr wieder erscheint bei Naxos ein Mitschnitt der Operngala für die Deutsche Aids-Stiftung in der Deutschen Oper Berlin. Im November 2015 lockte diese Veranstaltung bereits in ihrer 22. Folge Opernfreunde und Spendenwillige. Geboten wird, in der bewährt launigen Moderation durch Max Raabe, ein Programm, das erstaunlicherweise nie langweilig wird. Das Erfolgsrezept: Neben bewährten Hits erklingen weniger bekannte Melodien aus bekannten Opern, und dazu einige Arien, die zwar ebenfalls das Publikum begeistern könnten, aber leider aus Werken stammen, die nur selten auf dem Spielplan zu finden sind.
Auf der Liste der mitwirkenden Sänger finden sich weniger die großen Namen als vielmehr die vielversprechenden Talente. 2015 haben Dinara Alieva, Javier Camarena, Vincenzo Costanzo, Elsa Dreisig, Carmen Giannattasio, Margarita Gritskova, David Hansen, Nadia Krasteva, Alexey Markov und Roberto Tagliavini gesungen – großartig! Zu hören ist zudem Midori Seiler, Professorin für Barockvioline und -viola am Salzburger Mozarteum. Einen ebenso gewichtigen wie klangvollen Part haben einmal mehr Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin unter der bewährten Leitung von Donald Runnicles. Wer die Doppel-CD erwirbt, der kann sich nicht nur über ein hinreißendes Gala-Programm freuen, er unterstützt damit auch die Arbeit der Deutschen Aids-Stiftung.
Auf der Liste der mitwirkenden Sänger finden sich weniger die großen Namen als vielmehr die vielversprechenden Talente. 2015 haben Dinara Alieva, Javier Camarena, Vincenzo Costanzo, Elsa Dreisig, Carmen Giannattasio, Margarita Gritskova, David Hansen, Nadia Krasteva, Alexey Markov und Roberto Tagliavini gesungen – großartig! Zu hören ist zudem Midori Seiler, Professorin für Barockvioline und -viola am Salzburger Mozarteum. Einen ebenso gewichtigen wie klangvollen Part haben einmal mehr Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin unter der bewährten Leitung von Donald Runnicles. Wer die Doppel-CD erwirbt, der kann sich nicht nur über ein hinreißendes Gala-Programm freuen, er unterstützt damit auch die Arbeit der Deutschen Aids-Stiftung.
Mittwoch, 13. April 2016
Zelenka: Italian Arias (Accent)
Am 18. November 1733 bewarb sich Jan Dismas Zelenka (1679 bis 1745) beim sächsischen Kurfürsten um den Posten des Kapellmeisters. Zwar hatte Friedrich August II. bereits 1730 Johann Adolf Hasse zum Hofkapell- meister ernannt. Doch existierte daneben noch eine zweite Stelle, die seit langem unbesetzt war.
Um zu beweisen, dass er durchaus in der Lage war, nicht nur Kirchenmu- sik, sondern auch Opern zu kompo- nieren, hatte Zelenka seinem Dienstherrn bereits im Oktober acht italienische Arien überreicht. Diese Arbeitsprobe freilich überzeugte den Kurfürsten nicht. Er ernannte den Musiker lediglich zum Hofkomponisten, 1735 dann zum Kirchencompo- siteur.
Wer die Entscheidung des Herrschers nachvollziehen will: Petr Wagner hat nun mit seinem Ensemble Tourbillon bei Accent die Arien ZWV 176 eingespielt. Mit ihrer kleinen Besetzung und ihrem üppigen Umfang scheinen sie eher Arie da camera zu sein; dank der versierten Musiker sowie der exzellenten Sänger Hana Blažiková, Sopran, Markéta Cukrová, Alt, und Tomás Šelc, Bassbariton, ist dies rundum Musik zum Genießen. Bravi!
Um zu beweisen, dass er durchaus in der Lage war, nicht nur Kirchenmu- sik, sondern auch Opern zu kompo- nieren, hatte Zelenka seinem Dienstherrn bereits im Oktober acht italienische Arien überreicht. Diese Arbeitsprobe freilich überzeugte den Kurfürsten nicht. Er ernannte den Musiker lediglich zum Hofkomponisten, 1735 dann zum Kirchencompo- siteur.
Wer die Entscheidung des Herrschers nachvollziehen will: Petr Wagner hat nun mit seinem Ensemble Tourbillon bei Accent die Arien ZWV 176 eingespielt. Mit ihrer kleinen Besetzung und ihrem üppigen Umfang scheinen sie eher Arie da camera zu sein; dank der versierten Musiker sowie der exzellenten Sänger Hana Blažiková, Sopran, Markéta Cukrová, Alt, und Tomás Šelc, Bassbariton, ist dies rundum Musik zum Genießen. Bravi!
Dienstag, 12. April 2016
Scheidemann: Organ Works (Oehms Classics)
Joseph Kelemen studierte an der Franz-Liszt-Akademie in Budapest, der Schola Cantorum Basiliensis und in Bremen, in der Orgelklasse von Harald Vogel. Er ist als Organist an St. Johann Baptist in Neu-Ulm tätig. Dass er seinen ausgezeichneten Ruf als Spezialist für historischen Fingersatz, und speziell für deutsche Orgelmusik des 17. Jahrhunderts zu Recht genießt, beweisen seine Auf- nahmen mit Werken norddeutscher Orgelmeister.
So führt die Einspielung mit Werken von Hieronymus (1560 bis 1629) und Jacob jun. Praetorius (1586 bis 1651) – Vater und Sohn, sie wirkten als Organisten in Hamburg an St Jacobi und St. Petri – in die Übergangszeit von der Renaissance zum Frühbarock. Kelemen spielt an der Scherer-Orgel der St. Stephanskirche der Hansestadt Tangermünde eine Auswahl ihrer Werke. Dieses Instrument war ein Geschenk der Stadt Hamburg; es wurde von Hans Scherer d. J. gemeinsam mit seinem Bruder Fritz in den Jahren 1623/24 erbaut. Es verfügt über 32 Register auf drei Manualen und Pedal. Etwa die Hälfte des Pfeifenwerkes sowie das geschnitzte Gehäuse sind original erhalten.
Die Norddeutsche Orgel der Örgryte nya kyrka in Göteborg ist das Ergebnis eines interdisziplinären Forschungsprojektes, an dem ein Team aus zwölf Nationen unter Leitung von drei Orgelbauern zehn Jahre lang gearbeitet hat. Dabei wurden alte Handwerkstechniken erkundet; so wurden Metall- platten auf Sand gegossen – was die Beteiligten erst wieder erlernen mussten. Als Vorbild für das Pfeifenwerk diente die Arp-Schnitger-Orgel der Hamburger St.-Jacobi-Kirche. Bei Prospekt und Spieltisch wurde aus Platzgründen ein anderes Instrument des berühmten Orgelbauers kopiert, die 1942 zerstörte Orgel im Lübecker Dom.
Die Norddeutsche Orgel, im Jahre 2000 fertiggestellt, verfügt über 54 Re- gister. Sie ist das einzige viermanualige mitteltönig gestimmte Instrument in dieser Größe überhaupt, schreibt Kelemen. Er hat daran Orgelmusik von Heinrich Scheidemann (um 1595 bis 1663) eingespielt. Scheidemann, ein Schüler Sweelincks, war Organist an der Hamburger Katharinen-Kirche. Er gilt als Erfinder der Choralfantasie.
Kelemen macht mit seiner Aufnahme deutlich, dass die Kompositionen, die in den alten Tabulaturen notiert wurden, musikalisch auch heute noch durchaus relevant sind. Wenn er diese Musik spielt, dann ist das keine Einladung zu einem Gang ins Museum. Der Zuhörer wird erfreut festellen, dass die Werke der norddeutschen Orgelmeister, durch diesen Organisten interpretiert, sehr attraktiv sind – und höchst lebendig. Und weil die Aufnahmen so gelungen sind, hat das Label Oehms Classics nun eine Box daraus gemacht: Auf den insgesamt sechs CD finden sich zudem Werke von Vincent Lübeck, Matthias Weckmann, Nicolaus Bruhns und Jan Pieterszoon Sweelinck.
So führt die Einspielung mit Werken von Hieronymus (1560 bis 1629) und Jacob jun. Praetorius (1586 bis 1651) – Vater und Sohn, sie wirkten als Organisten in Hamburg an St Jacobi und St. Petri – in die Übergangszeit von der Renaissance zum Frühbarock. Kelemen spielt an der Scherer-Orgel der St. Stephanskirche der Hansestadt Tangermünde eine Auswahl ihrer Werke. Dieses Instrument war ein Geschenk der Stadt Hamburg; es wurde von Hans Scherer d. J. gemeinsam mit seinem Bruder Fritz in den Jahren 1623/24 erbaut. Es verfügt über 32 Register auf drei Manualen und Pedal. Etwa die Hälfte des Pfeifenwerkes sowie das geschnitzte Gehäuse sind original erhalten.
Die Norddeutsche Orgel der Örgryte nya kyrka in Göteborg ist das Ergebnis eines interdisziplinären Forschungsprojektes, an dem ein Team aus zwölf Nationen unter Leitung von drei Orgelbauern zehn Jahre lang gearbeitet hat. Dabei wurden alte Handwerkstechniken erkundet; so wurden Metall- platten auf Sand gegossen – was die Beteiligten erst wieder erlernen mussten. Als Vorbild für das Pfeifenwerk diente die Arp-Schnitger-Orgel der Hamburger St.-Jacobi-Kirche. Bei Prospekt und Spieltisch wurde aus Platzgründen ein anderes Instrument des berühmten Orgelbauers kopiert, die 1942 zerstörte Orgel im Lübecker Dom.
Die Norddeutsche Orgel, im Jahre 2000 fertiggestellt, verfügt über 54 Re- gister. Sie ist das einzige viermanualige mitteltönig gestimmte Instrument in dieser Größe überhaupt, schreibt Kelemen. Er hat daran Orgelmusik von Heinrich Scheidemann (um 1595 bis 1663) eingespielt. Scheidemann, ein Schüler Sweelincks, war Organist an der Hamburger Katharinen-Kirche. Er gilt als Erfinder der Choralfantasie.
Kelemen macht mit seiner Aufnahme deutlich, dass die Kompositionen, die in den alten Tabulaturen notiert wurden, musikalisch auch heute noch durchaus relevant sind. Wenn er diese Musik spielt, dann ist das keine Einladung zu einem Gang ins Museum. Der Zuhörer wird erfreut festellen, dass die Werke der norddeutschen Orgelmeister, durch diesen Organisten interpretiert, sehr attraktiv sind – und höchst lebendig. Und weil die Aufnahmen so gelungen sind, hat das Label Oehms Classics nun eine Box daraus gemacht: Auf den insgesamt sechs CD finden sich zudem Werke von Vincent Lübeck, Matthias Weckmann, Nicolaus Bruhns und Jan Pieterszoon Sweelinck.
Montag, 11. April 2016
Bach: Solo Cantatas; Wörner (Passacaille)
Drei Kirchenkantaten für Solo-Bass sind im Gesamtwerk Johann Sebastian Bachs überliefert, dazu wird ihm ein weltliches Stück für diese Stimmlage zugeschrieben: Amore traditore BWV 203 ähnelt eher einer Arie, und könnte möglicherweise in Köthen entstanden sein.
Bekannt sind Ich habe genung BWV 82 und Ich will den Kreuzstab gerne tragen BWV 56; Der Friede sei mit dir BWV 158 hingegen erklingt eher selten. Es wird diskutiert, ob es sich dabei um ein Fragment handelt.
Dominik Wörner hat diese Werke bei Passacaille eingespielt. Der Bassba- riton, Gewinner des renommierten Leipziger Bach-Wettbewerbes im Jahre 2002, musiziert gemeinsam mit dem Ensemble Il Gardellino. Es wurde 1988 von dem Oboisten Marcel Ponseele und dem Traversflötisten Jan De Winne gegründet und wird von Konzertmeister Ryo Terakado geleitet. Marcel Ponseele prägt diese Aufnahme mit hinreißend gespielten Oboen- partien – ihn muss man fast noch vor dem Sänger loben, der seinen Part ebenfalls feinsinnig und tiefgründig ausdeutet. Unterstützt wird Wörner durch Franz Vitzthum, Sopran, Beat Duddeck, Altus, und Satoshi Mizu- koshi, Tenor.
Bekannt sind Ich habe genung BWV 82 und Ich will den Kreuzstab gerne tragen BWV 56; Der Friede sei mit dir BWV 158 hingegen erklingt eher selten. Es wird diskutiert, ob es sich dabei um ein Fragment handelt.
Dominik Wörner hat diese Werke bei Passacaille eingespielt. Der Bassba- riton, Gewinner des renommierten Leipziger Bach-Wettbewerbes im Jahre 2002, musiziert gemeinsam mit dem Ensemble Il Gardellino. Es wurde 1988 von dem Oboisten Marcel Ponseele und dem Traversflötisten Jan De Winne gegründet und wird von Konzertmeister Ryo Terakado geleitet. Marcel Ponseele prägt diese Aufnahme mit hinreißend gespielten Oboen- partien – ihn muss man fast noch vor dem Sänger loben, der seinen Part ebenfalls feinsinnig und tiefgründig ausdeutet. Unterstützt wird Wörner durch Franz Vitzthum, Sopran, Beat Duddeck, Altus, und Satoshi Mizu- koshi, Tenor.
Sonntag, 10. April 2016
Bach: Goldberg Variations; Bassoon Consort Frankfurt (MDG)
Das Bassoon Consort Frankfurt spielt die Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach. Zu hören sind acht Fagotte und ein Kontra- fagott – der Sound ist umwerfend, und auch die Bearbeitung lässt staunen. Eingerichtet hat das berühmte Werk für diese ungewöhnliche Besetzung Henrik Rabien, Professor an der Frankfurter Musikhochschule. Er behält dabei die originale Tonart bei, und rückt das musikalische Gesche- hen lediglich oktavierend abwärts, in den Tonumfang der Fagotte.
Sie sind in wechselnden Besetzungen zu hören, vom Duo bis zum Nonett. Besondere Glanzpunkte setzt das Kontrafagott, von Stephan Krings brillant gespielt. Doch auch die anderen Mitwirkenden präsentieren sich in Bestform. Lehrende, Studierende und Ehemalige der Fagottklasse von Professor Rabien musizieren gemeinsam in diesem einmaligen Bläserensemble. Sie machen mit dieser Einspielung deutlich, wie flexibel „ihr“ Instrument ist: Von atemberaubender Virtuosität bis zur großen Kantilene und von orchestraler Opulenz bis zum humoristi- schen Auftritt im Quodlibet – wer die Goldberg-Variationen bislang für das längste Schlaflied der Musikgeschichte hielt, der wird durch diese Einspie- lung eines besseren belehrt. Grandios!! Unbedingt anhören!
Sie sind in wechselnden Besetzungen zu hören, vom Duo bis zum Nonett. Besondere Glanzpunkte setzt das Kontrafagott, von Stephan Krings brillant gespielt. Doch auch die anderen Mitwirkenden präsentieren sich in Bestform. Lehrende, Studierende und Ehemalige der Fagottklasse von Professor Rabien musizieren gemeinsam in diesem einmaligen Bläserensemble. Sie machen mit dieser Einspielung deutlich, wie flexibel „ihr“ Instrument ist: Von atemberaubender Virtuosität bis zur großen Kantilene und von orchestraler Opulenz bis zum humoristi- schen Auftritt im Quodlibet – wer die Goldberg-Variationen bislang für das längste Schlaflied der Musikgeschichte hielt, der wird durch diese Einspie- lung eines besseren belehrt. Grandios!! Unbedingt anhören!
Freitag, 8. April 2016
Reissiger: String Quartets op. 111 No. 1 & 2 (MMB)
Carl Gottlieb Reißiger (1798 bis 1859), geboren in Belzig, war der Sohn eines Kantors. Wie sein jüngerer Bruder Friedrich August Reißiger, der ebenfalls ein erfolg- reicher Musiker wurde und in späteren Jahren als Musikdirektor in Norwegen lebte, begann er seine Ausbildung beim Vater, und lernte dann an der Thomasschule in Leipzig.
An der Pleiße studierte Carl Gottlieb Reißiger anschließend Theologie; musikalisch bildete er sich unter anderem in Wien bei Antonio Salieri, in München bei Peter von Winter sowie auf Reisen nach Frankreich und Italien im Auftrag der preußischen Regierung fort.
1826 wurde Reißiger als Nachfolger Carl Maria von Webers Dresdner Hof- kapellmeister. 1842 dirigierte er die Uraufführung von Richard Wagners Rienzi, und sorgte mit dafür, dass Wagner 1843 nach der Uraufführung des Fliegenden Holländers zum zweiten Kapellmeister ernannt wurde. Kurio- serweise war Reißigers Opern wenig Erfolg beschieden; beliebt waren allerdings seine Lieder und seine Kirchenmusik.
Heute ist der Musiker in Vergessenheit geraten; das ist ein wenig schade, die diese CD beweist. Sie zeigt, dass Reißiger auch auf dem Gebiet der Kammermusik durchaus Akzente zu setzen wusste. In seinen Streichquar- tetten op. 111, Nr. 1 und 2, kombinierte er italienische Einflüsse mit klassischen Traditionen. Er bezaubert mit Melodien, und er zaubert auch mit Klangfarben – dem Camesina Quartett sei Dank für diese Entdeckung!
An der Pleiße studierte Carl Gottlieb Reißiger anschließend Theologie; musikalisch bildete er sich unter anderem in Wien bei Antonio Salieri, in München bei Peter von Winter sowie auf Reisen nach Frankreich und Italien im Auftrag der preußischen Regierung fort.
1826 wurde Reißiger als Nachfolger Carl Maria von Webers Dresdner Hof- kapellmeister. 1842 dirigierte er die Uraufführung von Richard Wagners Rienzi, und sorgte mit dafür, dass Wagner 1843 nach der Uraufführung des Fliegenden Holländers zum zweiten Kapellmeister ernannt wurde. Kurio- serweise war Reißigers Opern wenig Erfolg beschieden; beliebt waren allerdings seine Lieder und seine Kirchenmusik.
Heute ist der Musiker in Vergessenheit geraten; das ist ein wenig schade, die diese CD beweist. Sie zeigt, dass Reißiger auch auf dem Gebiet der Kammermusik durchaus Akzente zu setzen wusste. In seinen Streichquar- tetten op. 111, Nr. 1 und 2, kombinierte er italienische Einflüsse mit klassischen Traditionen. Er bezaubert mit Melodien, und er zaubert auch mit Klangfarben – dem Camesina Quartett sei Dank für diese Entdeckung!
Samstag, 2. April 2016
Reger: Chorale Fantasies (MDG)
„Die Protestanten wissen nicht, was sie an ihrem Chorale haben!“ Max Reger (1873 bis 1916), obwohl eigener Aussage nach „katholisch bis in die Fingerspitzen“, hat sich mit dem Choral immer wieder auseinan- dergesetzt. Inspiriert durch Heinrich Reimanns Phantasie über den Choral: „Wie schön leuchtet der Morgenstern“, die Reger „als ein Wunder- und Meisterwerk dieser Art“ sehr schätzte, und motiviert durch seine Freundschaft mit Karl Straube, ging Reger nach 1898 daran, virtuose Orgelmusik zu schaffen. Sie hatte den Anspruch, Traditionen wiederaufleben zu lassen, die mit Bachs Tod abzubrechen scheinen.
Zu den großartigen Werken, die damals entstanden sind, gehören Regers sieben Choralfantasien, die Balázs Szabó nun bei Dabringhaus und Grimm komplett neu eingespielt hat. Der renommierte ungarische Organist, Pia- nist, Cembalist und Harmonium-Spieler darf als ein Reger-Experte gelten; so hat er Regers Orgelschaffen als Thema für seine Promotion im Fach Musikwissenschaft an der Universität Utrecht gewählt.
Szabó hat sich für drei weitestgehend original erhaltene Instrumente entschieden, die die rasante Entwicklung des spätromantischen Orgelbaus zu Regers Zeiten repräsentieren: „Die Choralfantasien dokumentieren den Weg, wie Regers kompositorischer Stil in den Weidener Jahren reifte und sich damit auch seine Idee der ,modernen Orgel' stets verfeinerte“, erläu- tert der Organist im Beiheft (das allerdings eine Menge Schreibfehler enthält, was man von diesem Label sonst nicht kennt.) „Die ersten beiden Fantasien, op. 27 und op. 30, sind stark von der Walcker-Orgel der Wiesbadener Marktkirche beeinflusst. Daher steht die in ihrer Anlage und Disposition sehr ähnliche Walcker-Orgel der Wiener Votivkirche der Klangwelt dieser Kompositionen sehr nah“, so Szabó. „In den beiden Fantasien op. 40 setzt sich reger mit den erweiterten Möglichkeiten einer stufenlosen Übergangsdynamik und Farbenexpressivität der modernen pneumatischen Orgel auseinander, angeregt durch die mit Hochdruck- stimmen versehene Walcker-Orgel im Münchner Kaim-Saal. Der gedankliche Übergang Regers von der mechanischen zur pneumatischen Traktur schlägt sich in der Faktur der folgenden Kompositionen nieder. Die größte erhaltene Orgel der Gebrüder Link in Giengen zählt sicherlich zu den schönsten Orgeln ihrer Art.“ Sie stammt aus dem Jahre 1906 und befindet sich in der Evangelischen Stadtkirche. „In den Drei Fantasien op. 52 klärt sich die Vorstellung Regers über die Möglichkeiten der modernen Orgel. Anstelle einer experimentellen Sprache finden wir ein vollendetes ;Wörterbuch' an technischen Lösungen, dynamischen Angaben und Klangfarben, die zielsicher nach dem musikalischen Inhalt eingesetzt werden“, urteilt der Musiker. „Die Kuhn-Orgel in St. Anton Zürich zeigt den ausgereiften Typus der spätromantischen Orgel, mit sehr subtilen Klangfarben.“ Dieses Instrument wurde 1914 erbaut und 2001/2002 restauriert, ebenfalls durch Orgelbau Kuhn, wobei ein zuvor nicht realisier- tes Fernwerk ergänzt wurde.
Der junge ungarische Organist musiziert mit ähnlicher Akkuratesse, wie er seine Instrumente auswählt. Technisch bereiten ihm die komplexen Werke Regers offenbar keinerlei Probleme; er spielt die Fantasien beeindruckend locker, mal innig, mal ganz Bekenntnis. Von Balázs Szabó wird man in den nächsten Jahren ganz sicher noch viel hören.
Zu den großartigen Werken, die damals entstanden sind, gehören Regers sieben Choralfantasien, die Balázs Szabó nun bei Dabringhaus und Grimm komplett neu eingespielt hat. Der renommierte ungarische Organist, Pia- nist, Cembalist und Harmonium-Spieler darf als ein Reger-Experte gelten; so hat er Regers Orgelschaffen als Thema für seine Promotion im Fach Musikwissenschaft an der Universität Utrecht gewählt.
Szabó hat sich für drei weitestgehend original erhaltene Instrumente entschieden, die die rasante Entwicklung des spätromantischen Orgelbaus zu Regers Zeiten repräsentieren: „Die Choralfantasien dokumentieren den Weg, wie Regers kompositorischer Stil in den Weidener Jahren reifte und sich damit auch seine Idee der ,modernen Orgel' stets verfeinerte“, erläu- tert der Organist im Beiheft (das allerdings eine Menge Schreibfehler enthält, was man von diesem Label sonst nicht kennt.) „Die ersten beiden Fantasien, op. 27 und op. 30, sind stark von der Walcker-Orgel der Wiesbadener Marktkirche beeinflusst. Daher steht die in ihrer Anlage und Disposition sehr ähnliche Walcker-Orgel der Wiener Votivkirche der Klangwelt dieser Kompositionen sehr nah“, so Szabó. „In den beiden Fantasien op. 40 setzt sich reger mit den erweiterten Möglichkeiten einer stufenlosen Übergangsdynamik und Farbenexpressivität der modernen pneumatischen Orgel auseinander, angeregt durch die mit Hochdruck- stimmen versehene Walcker-Orgel im Münchner Kaim-Saal. Der gedankliche Übergang Regers von der mechanischen zur pneumatischen Traktur schlägt sich in der Faktur der folgenden Kompositionen nieder. Die größte erhaltene Orgel der Gebrüder Link in Giengen zählt sicherlich zu den schönsten Orgeln ihrer Art.“ Sie stammt aus dem Jahre 1906 und befindet sich in der Evangelischen Stadtkirche. „In den Drei Fantasien op. 52 klärt sich die Vorstellung Regers über die Möglichkeiten der modernen Orgel. Anstelle einer experimentellen Sprache finden wir ein vollendetes ;Wörterbuch' an technischen Lösungen, dynamischen Angaben und Klangfarben, die zielsicher nach dem musikalischen Inhalt eingesetzt werden“, urteilt der Musiker. „Die Kuhn-Orgel in St. Anton Zürich zeigt den ausgereiften Typus der spätromantischen Orgel, mit sehr subtilen Klangfarben.“ Dieses Instrument wurde 1914 erbaut und 2001/2002 restauriert, ebenfalls durch Orgelbau Kuhn, wobei ein zuvor nicht realisier- tes Fernwerk ergänzt wurde.
Der junge ungarische Organist musiziert mit ähnlicher Akkuratesse, wie er seine Instrumente auswählt. Technisch bereiten ihm die komplexen Werke Regers offenbar keinerlei Probleme; er spielt die Fantasien beeindruckend locker, mal innig, mal ganz Bekenntnis. Von Balázs Szabó wird man in den nächsten Jahren ganz sicher noch viel hören.
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