Schon seit geraumer Zeit liegt eine Aufnahme der vier Sinfonien von Robert Schumann auf meinem Schreibtisch. Und ich muss gestehen: Sie gehört zu meinen Favoriten, wenn es um Schumann geht. So federleicht, so charmant und so farbenreich musiziert sind die Werke des Romantikers selten zu erleben.
Zu hören ist die Robert-Schumann-Philharmonie aus dem sächsischen Chemnitz unter ihrem Chefdiri- genten Frank Beermann. Das Orchester ist überregional erstaunlich wenig bekannt; dennoch gehört es zu den herausragenden Klangkörpern im Freistaat Sachsen. Für mich rangiert es gleich hinter der Staatskapelle Dresden und dem Leipziger Gewandhaus an dritter Stelle, geht es um die künstlerische Qualität.
Leider hat die Stadt Chemnitz offenbar bislang nicht begriffen, welches Juwel sie da in ihren Mauern hat. Denn die Musiker sollen in Zukunft nicht nur weiterhin für ein reduziertes Salär aufspielen, sie sollen zudem Teilzeit arbeiten, damit das Orchester die Stadt noch weniger kostet. Und wenn Musiker ausscheiden, dann sollen ihre Stellen nicht neu besetzt werden. So will der neue Generalintendant einsparen, was die Kommune fordert. Wenn es gelingt, dieses Konzept durchzusetzen, dann wird auch in Chemnitz bald auf dem Niveau der Elbland-Philharmonie musiziert werden. Das mag für Städtchen wie Riesa oder Pirna passen – für die Großstadt Chemnitz freilich wäre es ein Armutszeugnis.
Dienstag, 31. Dezember 2013
Zelenka: Melodrama de Sancto Wenceslao (Supraphon)
Im Jahre 1723 wurde mit großer Pracht die Prager Krönung Karls VI. und seiner Gemahlin Elisabeth Christine gefeiert. Costanza e Fortezza, Beständigkeit und Stärke, rühmte eine Oper des kaiserlichen Kapellmeisters Johann Joseph Fux. Und nicht weniger Aufmerk- samkeit galt dem von den Jesuiten aufgeführten Huldigungsmelodram Sub olea pacis et palma virtutis conspicua orbi regia Bohemiae corona. Die Musik dazu hatte Fux' Schüler Jan Dismas Zelenka (1679 bis 1745) komponiert. Das Werk ist auch unter dem Titel Melodrama de Sancto Wenceslao bekannt, unter dem die Partitur seinerzeit in den Dresdner Inventaren verzeichnet wurde.
Es steckt voll Anspielungen und Allegorien, und hatte zum Ziel, den neuen Herrscher als regulären Erben des Heiligen Wenzels zu inszenieren – jenes sagenumwobenen ersten Königs, der einst auf dem Reichstag zu Worms durch Kaiser Otto I. gekrönt worden war. An der Aufführung wirkten mehr als 150 Teilnehmer mit, so auch der junge Franz Benda, der damals an einem der drei Prager Jesuiten- kollegien studierte und in seinen Erinnerungen erwähnt, er habe drei Soli gesungen.
Das Melodram muss großen Eindruck gemacht haben, nicht nur auf die Hoheiten, sondern auch dem sonstigen Publikum, so dass es drei Tage später sogar noch einmal wiederholt wurde. Verwundern wird das nicht. Denn schon allein der große Eingangschor macht deutlich, was den Zuhörer erwartet: Ausgefeilte Sätze, das eine oder andere musikalische Wagnis sowie eine überaus farbige Instrumentierung. Natürlich dürfen bei einer Krönung Pauken und Trompeten nicht fehlen. Doch auch andere Soloinstrumente wie Chalumeau, Flöten oder Violoncello setzt Zelenka wirkungsvoll ein.
Der Aufwand ist allerdings beträchtlich, und deshalb ist das Opus ausgesprochen selten zu hören. Das letzte Mal erklang es im Jahr 2000 im Wladislaw-Saal der Prager Burg; die vorliegende Doppel-CD enthält den Mitschnitt.
Es steckt voll Anspielungen und Allegorien, und hatte zum Ziel, den neuen Herrscher als regulären Erben des Heiligen Wenzels zu inszenieren – jenes sagenumwobenen ersten Königs, der einst auf dem Reichstag zu Worms durch Kaiser Otto I. gekrönt worden war. An der Aufführung wirkten mehr als 150 Teilnehmer mit, so auch der junge Franz Benda, der damals an einem der drei Prager Jesuiten- kollegien studierte und in seinen Erinnerungen erwähnt, er habe drei Soli gesungen.
Das Melodram muss großen Eindruck gemacht haben, nicht nur auf die Hoheiten, sondern auch dem sonstigen Publikum, so dass es drei Tage später sogar noch einmal wiederholt wurde. Verwundern wird das nicht. Denn schon allein der große Eingangschor macht deutlich, was den Zuhörer erwartet: Ausgefeilte Sätze, das eine oder andere musikalische Wagnis sowie eine überaus farbige Instrumentierung. Natürlich dürfen bei einer Krönung Pauken und Trompeten nicht fehlen. Doch auch andere Soloinstrumente wie Chalumeau, Flöten oder Violoncello setzt Zelenka wirkungsvoll ein.
Der Aufwand ist allerdings beträchtlich, und deshalb ist das Opus ausgesprochen selten zu hören. Das letzte Mal erklang es im Jahr 2000 im Wladislaw-Saal der Prager Burg; die vorliegende Doppel-CD enthält den Mitschnitt.
Partimenti (Avi-Music)
Musik für Generalbass solo? Da staunt der Musikfreund. Denn der Generalbass ist der getreue Begleiter des Solisten in der Barockmusik. Zwar gibt es Stücke ohne basso continuo – doch schon das ist so ungewöhnlich, dass beispielsweise Bach es bei seinen Sonaten und Partiten für Violine solo ausdrücklich vermerkt. Wie also kommt Christian Rieger zu Werken für Generalbass solo?
Im Beiheft zu dieser CD erläutert der Cembalist, wie so etwas möglich ist. „Seit eh und je ist die Arbeit eines Generalbassspielers ein wenig anders als die der übrigen klassischen Musiker“, erläutert Rieger. „Während diese sich bemühen, eine vorgegebene Stimme möglichst fehlerfrei, originell und mit einer individuellen Duftnote wiederzugeben, muss jener seine Musik erst einmal erfinden. Vor sich hat er nämlich nur eine einstimmige Basslinie, die mit mehr oder wenig vielen Zahlen versehen ist – auf eine Art vergleichbar den Akkordsymbolen im Jazz. Diese Zahlen unterrichten ihn über die Art des geforderten Akkords, nicht aber über dessen absolute Stellung im Tonraum, nicht über die Anzahl der Stimmen und schon gar nicht über Feinheiten wie Stimmführung, Motivik oder gar Verzierungen.“
Wie man aus diesem Dilemma herauskommt? Üben, üben, üben, sagt Rieger: „Trotzdem gelingt es Continuospielern an Cembalo und Orgel immer mal wieder, harmonisch und kontrapunktisch einwandfreie Generalbässe zu spielen und diesen überdiens noch ein Quentchen Individualität zu verpassen. Das verdanken sie ihren Reflexen und deren Training. Und hiermit sind wir mitten in der Thematik dieser Aufnahme.“
Denn die Probleme hatten Musiker auch schon im Generalbass-Zeitalter, verschärft allerdings durch eine Vielzahl unterschiedlicher Schlüssel – wer noch nie einen Originaldruck aus jener Zeit in Händen gehalten hat, der wird von solchen Tücken gar keinen Begriff haben. Damit Schüler das Continuospiel üben konnten, haben ihnen erfahre- ne Lehrer Übungsstücke geschrieben – die Partimenti, regelrechte Trainingsstücke, die sie obendrein mit allen Schwierigkeiten ver- sahen, die man sich vorstellen mag.
„Es ist deutlich spürbar, dass die Lehrer und Partimentokomponisten die Klippen des Continuospiels genau kannten und sie vorsätzlich in ihre Stücke einbauten“, so Rieger. „Die Gründe, die beim General- bassspieler für einen roten Kopf sorgen, sind durch Generationen dieselben geblieben, und sie haben sich bis heute nicht geändert. Man kennt die Katastrophen, die bei einem unvermuteten Schlüsselwechsel eintreten; und das Blattspiel eines Stücks in einer schrägen Tonart mit vielen Vorzeichenwechseln kann schon einmal peinliche Momente mit sich bringen.“
Rieger hat auf dieser CD einige dieser Werke zusammengestellt, an denen der Cembalist einst im stillen Kämmerlein trainiert hat, um dann beim gemeinsamem Musizieren eben nicht erröten zu müssen. Er hat dabei in erster Linie versucht, herauszufinden, wieviel Musik möglich ist in einem solchen Unterrichtsstück. „Bei allem kritischen Stilbewusstsein ist freilich nicht auszuschließen“, räumt er im Beiheft ein, „dass der Interpret des 21. Jahrhunderts in dieser Spielfreude auf Lösungen verfällt, die den Komponisten des Basses vielleicht ver- stimmt, erstaunt, amüsiert hätten.“ Den Hörer jedenfalls erfreut Riegers Idee – eine tolle CD, die gerade aufgrund dieser Musizierlust begeistert. Genial!
Im Beiheft zu dieser CD erläutert der Cembalist, wie so etwas möglich ist. „Seit eh und je ist die Arbeit eines Generalbassspielers ein wenig anders als die der übrigen klassischen Musiker“, erläutert Rieger. „Während diese sich bemühen, eine vorgegebene Stimme möglichst fehlerfrei, originell und mit einer individuellen Duftnote wiederzugeben, muss jener seine Musik erst einmal erfinden. Vor sich hat er nämlich nur eine einstimmige Basslinie, die mit mehr oder wenig vielen Zahlen versehen ist – auf eine Art vergleichbar den Akkordsymbolen im Jazz. Diese Zahlen unterrichten ihn über die Art des geforderten Akkords, nicht aber über dessen absolute Stellung im Tonraum, nicht über die Anzahl der Stimmen und schon gar nicht über Feinheiten wie Stimmführung, Motivik oder gar Verzierungen.“
Wie man aus diesem Dilemma herauskommt? Üben, üben, üben, sagt Rieger: „Trotzdem gelingt es Continuospielern an Cembalo und Orgel immer mal wieder, harmonisch und kontrapunktisch einwandfreie Generalbässe zu spielen und diesen überdiens noch ein Quentchen Individualität zu verpassen. Das verdanken sie ihren Reflexen und deren Training. Und hiermit sind wir mitten in der Thematik dieser Aufnahme.“
Denn die Probleme hatten Musiker auch schon im Generalbass-Zeitalter, verschärft allerdings durch eine Vielzahl unterschiedlicher Schlüssel – wer noch nie einen Originaldruck aus jener Zeit in Händen gehalten hat, der wird von solchen Tücken gar keinen Begriff haben. Damit Schüler das Continuospiel üben konnten, haben ihnen erfahre- ne Lehrer Übungsstücke geschrieben – die Partimenti, regelrechte Trainingsstücke, die sie obendrein mit allen Schwierigkeiten ver- sahen, die man sich vorstellen mag.
„Es ist deutlich spürbar, dass die Lehrer und Partimentokomponisten die Klippen des Continuospiels genau kannten und sie vorsätzlich in ihre Stücke einbauten“, so Rieger. „Die Gründe, die beim General- bassspieler für einen roten Kopf sorgen, sind durch Generationen dieselben geblieben, und sie haben sich bis heute nicht geändert. Man kennt die Katastrophen, die bei einem unvermuteten Schlüsselwechsel eintreten; und das Blattspiel eines Stücks in einer schrägen Tonart mit vielen Vorzeichenwechseln kann schon einmal peinliche Momente mit sich bringen.“
Rieger hat auf dieser CD einige dieser Werke zusammengestellt, an denen der Cembalist einst im stillen Kämmerlein trainiert hat, um dann beim gemeinsamem Musizieren eben nicht erröten zu müssen. Er hat dabei in erster Linie versucht, herauszufinden, wieviel Musik möglich ist in einem solchen Unterrichtsstück. „Bei allem kritischen Stilbewusstsein ist freilich nicht auszuschließen“, räumt er im Beiheft ein, „dass der Interpret des 21. Jahrhunderts in dieser Spielfreude auf Lösungen verfällt, die den Komponisten des Basses vielleicht ver- stimmt, erstaunt, amüsiert hätten.“ Den Hörer jedenfalls erfreut Riegers Idee – eine tolle CD, die gerade aufgrund dieser Musizierlust begeistert. Genial!
Sonntag, 29. Dezember 2013
Johannes Pramsohler (Audax)
Der Geiger Johannes Pramsohler hat Mut: „Eigenes Label – eigene Gedanken“, überschreibt er den Kommentar zu seiner ersten ganz eigenen CD. „Audax startet mit einem großen Violin-Recital verschiedener Komponisten, ein Mischprogramm, für das im CD-Handel eigentlich kein Schubfach existiert“, meint der Musiker. „Und niemand ist als Drehachse für ein barockes Violinprogramm besser geeignet als Arcangelo Corelli, dessen 300. Todestag wir dieses Jahr begehen. Selbstbewusst wählte der römische Stargeiger den ersten Tag des 18. Jahrhunderts für sein Opus V – und damit begann mit dem neuen Säkulum auch eine neue Ära für die Violinmusik.“
Corellis Werke verbreiteten sich rasch in ganz Europa. Und sie inspirierten eine ganze Generation von Musikern und Musikfreunden. Pramsohler zeigt an vier Beispielen, wie sie sich die Sonaten von Corelli aneigneten. Georg Philipp Telemann beispielsweise studierte „seinen“ Corelli gründlich – aber er hütete sich, ihn nachzuäffen. Jean-Marie Leclair war ein Schüler von Giovanni Battista Somis, der wiederum bei Corelli gelernt hatte. Er integrierte italienische Manier in die französische Violintradition.
Georg Friedrich Händel war mit Corelli persönlich bekannt; in England hielt sich die „Corelli-Manie“ übrigens besonders lange. Giovanni Henrico Albicastro – Johann Heinrich van Weissenburg – hatte zumindest zeitweise denselben Musikverleger wie Corelli; über seinen Lebensweg ist nicht viel bekannt, aber er scheint im besten Mannesalter den Geigenbogen gegen den Säbel eingetauscht zu haben.
Pramsohler musiziert gemeinsam mit dem Cembalisten Philippe Grisvard schwungvoll, ungestüm, mitunter beinahe ruppig. Er spielt eine Geige von Pietro Giacomo Rogeri aus dem Jahre 1713, die er vor einigen Jahren von Reinhard Goebel übernommen hat. Goebel hat zu dieser CD auch einen launigen Text im Beiheft beigesteuert, in dem er sich zur Geschichte der Violinsonate im Allgemeinen und zum Violin-Recital im Speziellen äußert.
Corellis Werke verbreiteten sich rasch in ganz Europa. Und sie inspirierten eine ganze Generation von Musikern und Musikfreunden. Pramsohler zeigt an vier Beispielen, wie sie sich die Sonaten von Corelli aneigneten. Georg Philipp Telemann beispielsweise studierte „seinen“ Corelli gründlich – aber er hütete sich, ihn nachzuäffen. Jean-Marie Leclair war ein Schüler von Giovanni Battista Somis, der wiederum bei Corelli gelernt hatte. Er integrierte italienische Manier in die französische Violintradition.
Georg Friedrich Händel war mit Corelli persönlich bekannt; in England hielt sich die „Corelli-Manie“ übrigens besonders lange. Giovanni Henrico Albicastro – Johann Heinrich van Weissenburg – hatte zumindest zeitweise denselben Musikverleger wie Corelli; über seinen Lebensweg ist nicht viel bekannt, aber er scheint im besten Mannesalter den Geigenbogen gegen den Säbel eingetauscht zu haben.
Pramsohler musiziert gemeinsam mit dem Cembalisten Philippe Grisvard schwungvoll, ungestüm, mitunter beinahe ruppig. Er spielt eine Geige von Pietro Giacomo Rogeri aus dem Jahre 1713, die er vor einigen Jahren von Reinhard Goebel übernommen hat. Goebel hat zu dieser CD auch einen launigen Text im Beiheft beigesteuert, in dem er sich zur Geschichte der Violinsonate im Allgemeinen und zum Violin-Recital im Speziellen äußert.
Early Birds (Klanglogo)
Vom Gesang der Vögel ließen sich zahlreiche Komponisten inspirie- ren. Das Trillern und Zwitschern faszinierte die Musiker, die ihrer- seits versuchten, diese Klänge nachzuahmen – mitunter berückend naturalistisch, wie Theodor Schwartzkopff (1659 bis 1732) in seiner Sonata all'imita- tione del Rossignuole el del Cucco, ein ander Mal eher stilisiert, wie Christoph Graupner (1683 bis 1760) in dem Satz Uccellino chiuso aus der Orchestersuite in G-Dur GWV 466, in der man das eingesperrte Vögelchen erst jammern und flehen und letztlich tot von der Stange fallen hört.
Etliche solcher Pretiosen aus der Zeit des Barock hat Simon Borutzki gemeinsam mit der Hofkapelle Schloss Seehaus sowie mit der Sopra- nistin Julia von Landsberg auf dieser CD zusammengetragen. Es sind zahlreiche Weltersteinspielungen darunter, Werke von bekannten ebenso wie von unbekannten Komponisten. Und man staunt, wie virtuos man auf Blockflöten musizieren kann. Borutzki setzt hier gleich eine ganze Schar davon ein, vom winzigen Sopranino bis zur gewichtigen Bass-Blockflöte. Gemeinsam mit Heidi Gröger an Violon- cello und Viola da gamba, Thor-Harald Johnsen an Theorbe, Renais- sance- und Barockgitarre und Torsten Übelhör an Cembalo und Orgel gestaltet er ein auch klanglich höchst ansprechendes, abwechslungs- reiches Programm. Unbedingte Empfehlung!
Etliche solcher Pretiosen aus der Zeit des Barock hat Simon Borutzki gemeinsam mit der Hofkapelle Schloss Seehaus sowie mit der Sopra- nistin Julia von Landsberg auf dieser CD zusammengetragen. Es sind zahlreiche Weltersteinspielungen darunter, Werke von bekannten ebenso wie von unbekannten Komponisten. Und man staunt, wie virtuos man auf Blockflöten musizieren kann. Borutzki setzt hier gleich eine ganze Schar davon ein, vom winzigen Sopranino bis zur gewichtigen Bass-Blockflöte. Gemeinsam mit Heidi Gröger an Violon- cello und Viola da gamba, Thor-Harald Johnsen an Theorbe, Renais- sance- und Barockgitarre und Torsten Übelhör an Cembalo und Orgel gestaltet er ein auch klanglich höchst ansprechendes, abwechslungs- reiches Programm. Unbedingte Empfehlung!
Samstag, 28. Dezember 2013
Vienna 1789 (Berlin Classics)
Wien 1789? Etwas irritiert überlegt man beim Blick auf diese CD: Französische Revolution? Wien?? Ein Päckchen mit Noten war es, das Sebastian Knauer zu dieser CD inspirierte – das berichtet er jedenfalls im Beiheft „Haydn, der nicht nur für Orchesterkonzerte und Kammermusik zuständig war, sondern auch für den Opern-Spielplan des Hoftheaters, hatte sich zur Vorbereitung einer neuen Produktion das Aufführungs- material zu Mozarts ,Figaro' bestellt, jener Oper, die wegen ihres sozialkritischen Inhalts von der kaiserlichen Zensur nur mit großen Bedenken zugelassen worden war und die bis heute als Vorbote der französischen Revolution gilt. Am 14. Juli 1789 hat diese Revolution dann tatsächlich begonnen, und ausgerechnet an diesem Tag, an dem die Bürger von Paris auf die Straße gingen, die Bastille stürmten und das verhasste alte Regime zu Fall brachten, kam das Paket aus Wien mit dem ,Figaro'-Material bei Haydn an.“
Dieser Zufall brachte Knauer auf die Idee, die Klavierwerke von Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven – „die drei großen Repräsentanten der Wiener Klassik“ – als Zeit- zeugen darauf zu befragen, ob sich darin Spuren der Revolution erkennen lassen. Mozart komponierte damals sein letztes Klavier- konzert KV 595, Beethoven, nach einem kurzen Aufenthalt in Wien zurück in Bonn, sein der Abfolge nach erstes Klavierkonzert op. 19. Zwischen den beiden Konzerten platzierte Knauer Haydns Klavier- sonate Es-Dur, Hob. XVI:49. Sie ist ebenfalls im Revolutionsjahr entstanden, und zeigt deutlich, dass der alte Haydn dem jungen Beethoven musikalisch oftmals erstaunlich nahe war.
Ein Echo der Revolution wird man in diesen drei Werken vergebens suchen; in Wien hielt man es mehr mit der Monarchie, und selbst der junge Beethoven reagierte ernüchtert, als bekannt wurde, dass die Republikaner erst die alten Eliten und dann die Revolutionäre unter die Guillotine verfrachteten. Spannend ist es dennoch, den musikalischen Generationswechsel nachzuvollziehen, der in den ausgewählten Werken anklingt. Bei seiner Aufnahme konnte Sebastian Knauer auf vertraute Partner bauen: Das Zürcher Kammerorchester unter Sir Roger Norrington ist sehr versiert in Sachen historisch informierte Interpretation auf modernen Instrumenten.
Der Pianist und das kleine Orchester musizieren perfekt abgestimmt und mit Esprit. „Darüber, was die drei Komponisten zum Klang des auf dieser CD verwendeten modernen Flügels gesagt hätten, kann man naturgemäß nur spekulieren“, meint Knauer. „Doch mich sollte nicht wundern, wenn sie mit größtem Interesse zugehört und die Möglichkeiten, die ein Steinway im Vergleich zu den Hammerflügeln ihrer Zeit zu bieten hat, genauestens studiert hätten. Und wer weiß? Am Ende hätten sie womöglich sogar bedauert, dass sie selbst solche Instrumente noch nicht zur Verfügung hatten.“
Dieser Zufall brachte Knauer auf die Idee, die Klavierwerke von Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven – „die drei großen Repräsentanten der Wiener Klassik“ – als Zeit- zeugen darauf zu befragen, ob sich darin Spuren der Revolution erkennen lassen. Mozart komponierte damals sein letztes Klavier- konzert KV 595, Beethoven, nach einem kurzen Aufenthalt in Wien zurück in Bonn, sein der Abfolge nach erstes Klavierkonzert op. 19. Zwischen den beiden Konzerten platzierte Knauer Haydns Klavier- sonate Es-Dur, Hob. XVI:49. Sie ist ebenfalls im Revolutionsjahr entstanden, und zeigt deutlich, dass der alte Haydn dem jungen Beethoven musikalisch oftmals erstaunlich nahe war.
Ein Echo der Revolution wird man in diesen drei Werken vergebens suchen; in Wien hielt man es mehr mit der Monarchie, und selbst der junge Beethoven reagierte ernüchtert, als bekannt wurde, dass die Republikaner erst die alten Eliten und dann die Revolutionäre unter die Guillotine verfrachteten. Spannend ist es dennoch, den musikalischen Generationswechsel nachzuvollziehen, der in den ausgewählten Werken anklingt. Bei seiner Aufnahme konnte Sebastian Knauer auf vertraute Partner bauen: Das Zürcher Kammerorchester unter Sir Roger Norrington ist sehr versiert in Sachen historisch informierte Interpretation auf modernen Instrumenten.
Der Pianist und das kleine Orchester musizieren perfekt abgestimmt und mit Esprit. „Darüber, was die drei Komponisten zum Klang des auf dieser CD verwendeten modernen Flügels gesagt hätten, kann man naturgemäß nur spekulieren“, meint Knauer. „Doch mich sollte nicht wundern, wenn sie mit größtem Interesse zugehört und die Möglichkeiten, die ein Steinway im Vergleich zu den Hammerflügeln ihrer Zeit zu bieten hat, genauestens studiert hätten. Und wer weiß? Am Ende hätten sie womöglich sogar bedauert, dass sie selbst solche Instrumente noch nicht zur Verfügung hatten.“
Freitag, 27. Dezember 2013
Le Parler et le Silence (Ramée)
Die Ursprünge der modernen Flötenmusik erkunden Kate Clark und das Attaignant Consort bei dem Label Ramée. Mit dieser CD beenden die Musiker einen Zyklus mit Werken für Traversflöte aus dem langen Zeitraum vom 16. bis zum frühen 18. Jahrhundert. Er umfasst insgesamt drei CD, und präsentiert Werke für Renaissan- ceflöte, wobei dieses Musikinstru- ment entweder solistisch oder aber im Consort eingesetzt wird.
Die Flöte, zunächst mit zylindrischer Bohrung und ohne die uns heute geläufige Mechanik, begann ihre Laufbahn sozusagen in Familie. Denn es gab sie in verschiedenen Ausführungen mit unterschiedlichen Längen und Tonhöhen. Sie wurden oftmals im Consort gespielt, oder gemeinsam mit anderen instruments bas, den leisen Instrumenten, die in häuslicher Umgebung erklangen.
Am Ausgang des Mittelalters übernahm die Flöte schlicht eine Gesangsstimme. Bis zur barocken Flötensonate war es da noch ein langer Weg, den das Attaignant Consort anhand von sorgsam ausgewählten und sehr hörenswert vorgetragenen Musikbeispielen nachzeichnet. Dabei werden die Flötisten durch den Lautenisten Nigel North unterstützt, was in der Programmgestaltung reizvolle Kon- traste ermöglicht. Wer Flötenmusik schätzt, der wird von diesen gelungenen Einspielungen begeistert sein – auch wenn er sich vielleicht gar nicht für Musikgeschichte interessiert.
Die Flöte, zunächst mit zylindrischer Bohrung und ohne die uns heute geläufige Mechanik, begann ihre Laufbahn sozusagen in Familie. Denn es gab sie in verschiedenen Ausführungen mit unterschiedlichen Längen und Tonhöhen. Sie wurden oftmals im Consort gespielt, oder gemeinsam mit anderen instruments bas, den leisen Instrumenten, die in häuslicher Umgebung erklangen.
Am Ausgang des Mittelalters übernahm die Flöte schlicht eine Gesangsstimme. Bis zur barocken Flötensonate war es da noch ein langer Weg, den das Attaignant Consort anhand von sorgsam ausgewählten und sehr hörenswert vorgetragenen Musikbeispielen nachzeichnet. Dabei werden die Flötisten durch den Lautenisten Nigel North unterstützt, was in der Programmgestaltung reizvolle Kon- traste ermöglicht. Wer Flötenmusik schätzt, der wird von diesen gelungenen Einspielungen begeistert sein – auch wenn er sich vielleicht gar nicht für Musikgeschichte interessiert.
Hassler: In dulci jubilo (Carus)
Vier gefragte Spezialisten für „Alte“ Musik haben sich 1996 zum Penalosa-Ensemble zusammen- getan. In den A-cappella-Quartett singen Sopranistin Susanne Eitrich, Sebastian Mory, Altus, Jörg Deutschewitz, Tenor, und Bassist Pierre Funck. Bei Carus ist nun eine CD erschienen, die eine solche Gesangsformation gleich mehrfach interessant erscheinen lässt. Zum einen freut es den Zuhörer, wenn Chorsätze sauber und präzise vorgetragen werden – und dafür erscheint eine solistische Besetzung mit Profis natürlich ideal. Zum anderen aber präsentiert das Ensemble Werke eines Komponisten, der üblicherweise eher mit dem protestantischen Gemeindegesang in Verbindung gebracht wird. Dies freilich ist ein Irrtum, wie man beim Anhören dieser Werke von Hans Leo Hassler (1564 bis 1612) bald feststellen wird.
„Musicus inter Germanos suae aetate summus“, so würdigten ihn seine Zeitgenossen. Hassler stammte aus Nürnberg und erhielt seine musikalische Ausbildung bei renommierten Musikern wie Leonhard Lechner und Andrea Gabrieli. Nach seiner Rückkehr aus Venedig 1585 trat Hassler in die Dienste der Fugger. Auch Kaiser Rudolf II. schätzte den Musiker. Der sächsische Kurfürst Christian II. ernannte ihn 1608 zum Kammerorganisten. Der Komponist starb 1612 am Rande des Reichstags in Frankfurt/Main, wohin er im Gefolge des Kurfürsten Johann Georg von Sachsen gereist war.
Hassler konnte zahlreiche Werke publizieren. In seinem Schaffen verknüpfte er Musik nach niederländischem Vorbild mit italienischer Mehrchörigkeit und Expressivität, wie er sie während seiner Lehrzeit in Venedig kennengelernt hatte. Dass ein vierstimmiger Satz keines- wegs simpel sein muss, das belegt die vorliegende CD eindrücklich - man höre als Beispiel die Missa super Dixit Maria.
„Musicus inter Germanos suae aetate summus“, so würdigten ihn seine Zeitgenossen. Hassler stammte aus Nürnberg und erhielt seine musikalische Ausbildung bei renommierten Musikern wie Leonhard Lechner und Andrea Gabrieli. Nach seiner Rückkehr aus Venedig 1585 trat Hassler in die Dienste der Fugger. Auch Kaiser Rudolf II. schätzte den Musiker. Der sächsische Kurfürst Christian II. ernannte ihn 1608 zum Kammerorganisten. Der Komponist starb 1612 am Rande des Reichstags in Frankfurt/Main, wohin er im Gefolge des Kurfürsten Johann Georg von Sachsen gereist war.
Hassler konnte zahlreiche Werke publizieren. In seinem Schaffen verknüpfte er Musik nach niederländischem Vorbild mit italienischer Mehrchörigkeit und Expressivität, wie er sie während seiner Lehrzeit in Venedig kennengelernt hatte. Dass ein vierstimmiger Satz keines- wegs simpel sein muss, das belegt die vorliegende CD eindrücklich - man höre als Beispiel die Missa super Dixit Maria.
In dulci jubilo - Christmas Organ Music (Tyxart)
Dass es auch kleine Orgeln gibt mit einem großartigen Klang, beweist eine neue CD aus dem Hause Tyxart. Denn die neue Orgel der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt im Oberpfälzer Rieden, errichtet jüngst von der Firma Mathis Orgelbau, hat nur 18 Register, verteilt auf zwei Manuale und Pedal, sowie knapp tausend Pfeifen, zumeist aus einer Zinn-Blei-Legierung. „Die Klanggestal- tung orientiert sich an den bekannten Mensurverhältnissen von Johann Konrad Funtsch, ohne dass die Rekonstruktion einer Funtsch-Orgel angestrebt wurde“, berichtet Orgelbauer Hermann Mathis.
Die Familie Funtsch, eine bedeutende Oberpfälzer Orgelbauer- dynastie, schuf einst die Orgel für die Riedener Pfarrkirche, wobei der Sohn Johann Konrad Funtsch (1710 bis 1792) letztendlich das Instrument des Vaters Johann Baptist Funtsch durch ein eigenes ersetzte. Es hatte Bestand, bis am Ende des 19. Jahrhunderts die zu klein gewordene Kirche verlängert wurde. Im Zuge dieses Umbaus erwarb die Gemeinde 1898 eine pneumatische Kegelladenorgel. Von der Funtsch-Orgel blieb damals nur ein Teil des Gehäuses übrig.
Es wurde nun sorgsam restauriert, und nach dem Vorbild erhaltener Instrumente ergänzt. Die Mathis Orgelbau AG aus Näfels in der Schweiz hat in die alte Hülle eine komplett neue Orgel hineingebaut. Wie das Instrument klingt, das demonstriert nun Professor Norbert Düchtel. Er hat dafür weihnachtliche Orgelmusik des Barock und der Romantik herausgesucht und mit großem Geschick zu einem Programm zusammengestellt, wie man es selten zu hören bekommt.
Düchtel zeigt, dass man an der Mathis-Orgel zwar auch Bach hervorragend spielen kann. Doch ihr Klang zeigt sich am schönsten, wenn der Organist nicht die ganz großen Werke, sondern sogenannte Pastorellen erklingen lässt – Hirtenmusiken, treue Begleiter der Weihnacht, die uns teilhaben lassen an der Freude der Hirten beim Anblick des Kindes in der Krippe. Der Organist musiziert hingebungs- voll und mit beispielhafter struktureller Klarheit und Präzision. Ich muss sagen, dass ich lange keine so rundum gelungene CD mit Orgelmusik mehr gehört habe.
Die ausgewählten Stücke, so der international renommierte Organist, „sollten das ganze Klangspektrum der neuen Orgel widerspiegeln“. So entschied sich Düchtel, neben Werken der Funtsch-Zeitgenossen Marianus Königsperger und P. Theodor Grünberger auch Musik von Komponisten aus dem 19. Jahrhundert mit aufzunehmen. Werke von Gustav Adolf Merkel, Joseph Gabriel Rheinberger, Carl Sattler oder Paul Geist – sein Weihnachts-Vorspiel über den Choral Vom Himmel hoch erklingt hier in Weltersteinspielung – waren, so Düchtel, „damals bei bei den Lehrer-Organisten auf dem Lande sehr beliebt und wurden vielleicht auch in der Pfarrkirche in Rieden gespielt“.
Die Familie Funtsch, eine bedeutende Oberpfälzer Orgelbauer- dynastie, schuf einst die Orgel für die Riedener Pfarrkirche, wobei der Sohn Johann Konrad Funtsch (1710 bis 1792) letztendlich das Instrument des Vaters Johann Baptist Funtsch durch ein eigenes ersetzte. Es hatte Bestand, bis am Ende des 19. Jahrhunderts die zu klein gewordene Kirche verlängert wurde. Im Zuge dieses Umbaus erwarb die Gemeinde 1898 eine pneumatische Kegelladenorgel. Von der Funtsch-Orgel blieb damals nur ein Teil des Gehäuses übrig.
Es wurde nun sorgsam restauriert, und nach dem Vorbild erhaltener Instrumente ergänzt. Die Mathis Orgelbau AG aus Näfels in der Schweiz hat in die alte Hülle eine komplett neue Orgel hineingebaut. Wie das Instrument klingt, das demonstriert nun Professor Norbert Düchtel. Er hat dafür weihnachtliche Orgelmusik des Barock und der Romantik herausgesucht und mit großem Geschick zu einem Programm zusammengestellt, wie man es selten zu hören bekommt.
Düchtel zeigt, dass man an der Mathis-Orgel zwar auch Bach hervorragend spielen kann. Doch ihr Klang zeigt sich am schönsten, wenn der Organist nicht die ganz großen Werke, sondern sogenannte Pastorellen erklingen lässt – Hirtenmusiken, treue Begleiter der Weihnacht, die uns teilhaben lassen an der Freude der Hirten beim Anblick des Kindes in der Krippe. Der Organist musiziert hingebungs- voll und mit beispielhafter struktureller Klarheit und Präzision. Ich muss sagen, dass ich lange keine so rundum gelungene CD mit Orgelmusik mehr gehört habe.
Die ausgewählten Stücke, so der international renommierte Organist, „sollten das ganze Klangspektrum der neuen Orgel widerspiegeln“. So entschied sich Düchtel, neben Werken der Funtsch-Zeitgenossen Marianus Königsperger und P. Theodor Grünberger auch Musik von Komponisten aus dem 19. Jahrhundert mit aufzunehmen. Werke von Gustav Adolf Merkel, Joseph Gabriel Rheinberger, Carl Sattler oder Paul Geist – sein Weihnachts-Vorspiel über den Choral Vom Himmel hoch erklingt hier in Weltersteinspielung – waren, so Düchtel, „damals bei bei den Lehrer-Organisten auf dem Lande sehr beliebt und wurden vielleicht auch in der Pfarrkirche in Rieden gespielt“.
Donnerstag, 26. Dezember 2013
Hertel: Die Geburt Christi (cpo)
Johann Wilhelm Hertel (1727 bis 1789) entstammte einer Eise- nacher Musikerfamilie. Mit seinem Vater Johann Christian Hertel ging er 1742 an den Hof von Mecklen- burg-Strelitz, wo er wohl zeitweise als Geiger und Cembalist beschäf- tigt war. Seine Ausbildung setzte er in Zerbst bei Johann Friedrich Fasch und in Berlin bei Carl Heinrich Graun, Carl Philipp Emanuel Bach und Franz Benda fort. 1754 wurde er Hof- und Capell-Compositeur des Herzogs Christian Ludwig II. Er komponierte auch für dessen Nachfolger Friedrich, genannt „Der Fromme“, der den Hof von Schwerin nach Ludwigslust verlegte, weil er ein Leben in Ruhe und Abgeschiedenheit vorzog.
Das hinderte Friedrich allerdings nicht daran, zweimal in der Woche in der Kirche von Ludwigslust ein (geistliches) Konzert zu veran- stalten. Die exzellente mecklenburgische Hofkapelle ließ dort Psalmvertonungen, Choräle und Kantaten erklingen. Und jedermann durfte zuhören – so er „rechtlich gekleidet“ war.
Hertel schrieb für den Herzog neun große Kantaten, sämtlich nach Texten des mecklenburgischen Pfarrers Heinrich Julius Tode (1733 bis 1797). Der Prediger war, wie sein Dienstherr, dem Pietistismus sehr zugewandt. Das prägt auch den Text seiner Weihnachtskantate Die Geburt Jesu. Für den heutigen Hörer ist diese Spielart der Frömmigkeit, nun ja, gewöhnungsbedürftig.
Das gilt auch für die Musik Hertels, der hier Andacht mit den Mitteln der Oper erzeugt. Zwar sind unter den 24 Sätzen der Kantate auch ein paar betont schlicht gesetzte Choräle. Doch schon der überwälti- gende, harmonisch kühne Eingangschor macht deutlich, dass man seinerzeit in der Provinz musikalisch durchaus nicht hinter dem Mond lebte. Hertel zieht alle Register seiner Kunst, vom Kontrapunkt bis hin zur flötenbegleiteten Hirtenidylle und vom barocken Affekt bis hin zu sinfonischer Dramatik.
Den Hofsängern schrieb Hertel offenbar maßgeschneiderte Arien – das Bravourstück Freuet seiner euch mit Beben, Höhepunkt der Kantate, war ganz sicher für die Primadonna bestimmt, die zum Fest mit umfangreichen Koloraturen glänzte. Die „Wetter seines Zorns“, die der Text Abtrünnigen androht, geraten über dieser Jubelarie eher in den Hintergrund, wie überhaupt Hertels Musik die strengen Mahnungen des Textdichters relativiert und die Freude über das Weihnachtsgeschehen herausstellt.
Die Kölner Akademie unter Michael Alexander Willens hat das historische Stück sorgsam eingespielt. Die vier Gesangssolisten Berit Solset, Alexandra Rawohl, Marcus Ullmann und Wolf-Matthias Friedrich gestalten dabei nicht nur die Rezitative und Arien, sie singen auch die Chöre, mit Unterstützung durch jeweils einen Ripienisten. Das bewirkt einen fein abgestimmten und auch in den großen Chören stets durchhörbaren Klang. Sehr hörenswert – wer einen Sinn für Nostalgie hat und den Text nicht gar zu sehr auf die Goldwaage legt, wird diese Aufnahme schätzen.
Das hinderte Friedrich allerdings nicht daran, zweimal in der Woche in der Kirche von Ludwigslust ein (geistliches) Konzert zu veran- stalten. Die exzellente mecklenburgische Hofkapelle ließ dort Psalmvertonungen, Choräle und Kantaten erklingen. Und jedermann durfte zuhören – so er „rechtlich gekleidet“ war.
Hertel schrieb für den Herzog neun große Kantaten, sämtlich nach Texten des mecklenburgischen Pfarrers Heinrich Julius Tode (1733 bis 1797). Der Prediger war, wie sein Dienstherr, dem Pietistismus sehr zugewandt. Das prägt auch den Text seiner Weihnachtskantate Die Geburt Jesu. Für den heutigen Hörer ist diese Spielart der Frömmigkeit, nun ja, gewöhnungsbedürftig.
Das gilt auch für die Musik Hertels, der hier Andacht mit den Mitteln der Oper erzeugt. Zwar sind unter den 24 Sätzen der Kantate auch ein paar betont schlicht gesetzte Choräle. Doch schon der überwälti- gende, harmonisch kühne Eingangschor macht deutlich, dass man seinerzeit in der Provinz musikalisch durchaus nicht hinter dem Mond lebte. Hertel zieht alle Register seiner Kunst, vom Kontrapunkt bis hin zur flötenbegleiteten Hirtenidylle und vom barocken Affekt bis hin zu sinfonischer Dramatik.
Den Hofsängern schrieb Hertel offenbar maßgeschneiderte Arien – das Bravourstück Freuet seiner euch mit Beben, Höhepunkt der Kantate, war ganz sicher für die Primadonna bestimmt, die zum Fest mit umfangreichen Koloraturen glänzte. Die „Wetter seines Zorns“, die der Text Abtrünnigen androht, geraten über dieser Jubelarie eher in den Hintergrund, wie überhaupt Hertels Musik die strengen Mahnungen des Textdichters relativiert und die Freude über das Weihnachtsgeschehen herausstellt.
Die Kölner Akademie unter Michael Alexander Willens hat das historische Stück sorgsam eingespielt. Die vier Gesangssolisten Berit Solset, Alexandra Rawohl, Marcus Ullmann und Wolf-Matthias Friedrich gestalten dabei nicht nur die Rezitative und Arien, sie singen auch die Chöre, mit Unterstützung durch jeweils einen Ripienisten. Das bewirkt einen fein abgestimmten und auch in den großen Chören stets durchhörbaren Klang. Sehr hörenswert – wer einen Sinn für Nostalgie hat und den Text nicht gar zu sehr auf die Goldwaage legt, wird diese Aufnahme schätzen.
Mittwoch, 25. Dezember 2013
Freue dich, du Tochter Zion (Carus)
Es muss nicht immer Bach sein, meint Holger Speck – und präsen- tiert mit dem Vocalensemble Rastatt sowie dem Barockorche- ster Les Favorites eine beachtliche Auswahl frühbarocker Advents- und Weihnachtsmusiken. Es sind zumeist wenig bekannte Werke von Komponisten wie Johann Hermann Schein, Andreas Hammerschmidt, Johannes Eccard oder Michael Praetorius.
Und mit Also hat Gott die Welt geliebt von Johann Rosenmüller sowie O anima mea von Christoph Bernhard sind sogar zwei Welt- ersteinspielungen darunter. Der Chor singt die alten Stücke hinreißend. Und auch die Solisten Maria Bernius und Felicitas Erb, Sopran, sowie Tenor Jan Kobow sowie die Instrumentalisten sorgen für eine große Portion Klangpracht und Feststimmung. Bravi!
Und mit Also hat Gott die Welt geliebt von Johann Rosenmüller sowie O anima mea von Christoph Bernhard sind sogar zwei Welt- ersteinspielungen darunter. Der Chor singt die alten Stücke hinreißend. Und auch die Solisten Maria Bernius und Felicitas Erb, Sopran, sowie Tenor Jan Kobow sowie die Instrumentalisten sorgen für eine große Portion Klangpracht und Feststimmung. Bravi!
Vivaldi: The Four Seasons; Bosgraaf (Brilliant Classics)
Erik Bosgraaf spielt Die vier Jahreszeiten von Antonio Vivaldi – auf der Blockflöte! Lauscht man dem Virtuosen, dann scheint das ein Kinderspiel zu sein. Man kann nur staunen, wie locker der Flötist auch die typisch geigerischen Figurationen auf seinem Instru- ment ausführt – geht es allerdings an die Kadenzen, dann zeigt Bos- graaf, dass er keineswegs darauf aus ist, die Violine nachzuäffen. „Het is gewoon herrlijk De Vier Jaargetijden op blokfluit te spelen“, meint der Niederländer. „Niet alleen omdat het zulke fantastische muziek is, maar ook omdat de vioolpartij zonder veel veranderingen verrassend goed op de blokfluit speelbar is. In sommige opzichten haast nog beter dan de concerten die Vivaldi speciaal voor blokfluit heeft geschreven!“ Das Ensemble Cordevento steht dem Flötisten dabei zuverlässig zur Seite. Was für ein Hör- vergnügen! Eine temperamentvolle Aufnahme, die rundum Freude macht.
Mittwoch, 18. Dezember 2013
I Viaggi di Faustina (Glossa)
Faustina Bordoni (1697 bis 1781) gehörte zu den großen Stars ihres Jahrhunderts. Die Sopranistin wurde in ganz Europa gefeiert. Neapel war die erste Station ihrer Karriere, die sie bis nach London sowie – an der Seite ihres Gatten, des mindestens ebenso berühmten Komponisten Johann Adolph Hasse – nach Dresden führte.
Mit dieser CD, die Arien aus den frühen Jahren der Diva enthält, startet Glossa eine Reihe, die den großen Stimmen Italiens im 17. und 18. Jahrhundert gewidmet ist. Das Beiheft ist liebevoll gestaltet und mit zeitgenössischen Doku- menten illustriert.
Erstaunt wird der Hörer feststellen, dass die große Faustina eigentlich ein Mezzosopran war. Da die Komponisten jener Zeit eigens für die Sängerin Arien maßgeschneidert haben, dürfen wir zudem davon ausgehen, dass sie offenbar nicht über einen besonders großen Stimmumfang verfügte und das Publikum eher mit Rasanz und Geläufigkeit als mit schönem Ton und Ausdrucksstärke begeistert hat. Wenn durch das Label damit geworben wird, Roberta Invernizzi könne als Reinkarnation der großen Sängerin gelten, dann ist das also leider ein zweischneidiges Kompliment. Begleitet wird die Sängerin temperamentvoll durch das Ensemble I Turchini unter Leitung von Antonio Florio.
Mit dieser CD, die Arien aus den frühen Jahren der Diva enthält, startet Glossa eine Reihe, die den großen Stimmen Italiens im 17. und 18. Jahrhundert gewidmet ist. Das Beiheft ist liebevoll gestaltet und mit zeitgenössischen Doku- menten illustriert.
Erstaunt wird der Hörer feststellen, dass die große Faustina eigentlich ein Mezzosopran war. Da die Komponisten jener Zeit eigens für die Sängerin Arien maßgeschneidert haben, dürfen wir zudem davon ausgehen, dass sie offenbar nicht über einen besonders großen Stimmumfang verfügte und das Publikum eher mit Rasanz und Geläufigkeit als mit schönem Ton und Ausdrucksstärke begeistert hat. Wenn durch das Label damit geworben wird, Roberta Invernizzi könne als Reinkarnation der großen Sängerin gelten, dann ist das also leider ein zweischneidiges Kompliment. Begleitet wird die Sängerin temperamentvoll durch das Ensemble I Turchini unter Leitung von Antonio Florio.
Andrea Falconieri - Il Spiritillo Brando (Glossa)
Zur Zeit der Renaissance stand der Hof zu Neapel in hoher Blüte. Die Herrscher, Vizekönige des spani- schen Königreiches, förderten die Künste, insbesondere auch die Musik. Einen Eindruck von den Klängen, die sie einst begleitet haben, vermittelt die vorliegende CD. Das Ensemble La Ritirata, geleitet von Josetxu Obregón, hat dafür zeitgenössische Quellen ausgewertet, wie das Primo libro di Canzone, Sinfonie, Fantasie, Capricci, Brandi, Correnti, Gagliarde, Alemane, Volte per Violini, Viole overo alto Strumento á uno, due, et tré con il Basso Continuo, zusammengetragen von Andrea Falconieri, zunächst Lautenist und nach 1647 auch Kapellmeister der Hofkapelle zu Neapel. Ergänzt wurde das abwechslungsreiche Programm dieser CD durch Werke bedeutender Musiker jener Zeit aus Spanien und Italien – darunter auch frühe Musik für das Violoncello als Solo-Instrument von Giovanni Battista Vitali, Domenico Gabrielli und Giuseppe Maria Jacchini. Die Musiker von La Ritirata agieren temperamentvoll und zugleich präzise; diese CD vermittelt somit nicht nur europäische Musikgeschichte, sondern auch eine große Portion gute Laune. Bravi!
Dienstag, 17. Dezember 2013
Bach: Advent and Christmas Cantatas; Karl Richter (Deutsche Grammophon)
Endlich sind sie wieder erhältlich – die Bach-Kantaten, mit denen Karl Richter einst großes Aufsehen erregt hat, legt die Deutsche Grammophon nun in Form einer Box mit 26 CD dem Musikfreund unter den Tannenbaum. Die limitierte Edition umfasst den gesamten Kantatenzyklus, den Richter mit dem von ihm gegründeten Münchener Bach-Chor und -Orchester zwischen 1968 und 1976 für die Archiv-Produktion aufgenommen hat.
Eine weitere Box mit vier CD umfasst 14 Kantaten, die Bach für die Zeit vom ersten Adventssonntag bis zum Fest Mariä Reinigung geschaffen hat – und man staunt, wie glutvoll und vital diese Aufnahmen aus den 60er und 70er Jahren noch immer wirken. Exzellente Solisten, handverlesene Instrumentalisten und ein inspiriert singender Chor machen jede einzelne Kantate zu einem Hörvergnügen.
Richter war bei drei großen Kantoren in die Lehre gegangen – bei Karl Straube und Günther Ramin in Leipzig sowie bei Rudolf Mauersberger in Dresden. Das prägte seine Musizierauffassung: Richter ging es nicht um Inszenierung, sondern ausschließlich um Inhalte. Das Ensemble überzeugt daher durch eine Intensität des Ausdrucks, wie sie später kaum noch erreicht worden ist. Diese Bach-Einspielungen sind noch immer ein Erlebnis; sie werden wohl für alle Zeiten zu den Referenz- aufnahmen zählen. Grandios!
Eine weitere Box mit vier CD umfasst 14 Kantaten, die Bach für die Zeit vom ersten Adventssonntag bis zum Fest Mariä Reinigung geschaffen hat – und man staunt, wie glutvoll und vital diese Aufnahmen aus den 60er und 70er Jahren noch immer wirken. Exzellente Solisten, handverlesene Instrumentalisten und ein inspiriert singender Chor machen jede einzelne Kantate zu einem Hörvergnügen.
Richter war bei drei großen Kantoren in die Lehre gegangen – bei Karl Straube und Günther Ramin in Leipzig sowie bei Rudolf Mauersberger in Dresden. Das prägte seine Musizierauffassung: Richter ging es nicht um Inszenierung, sondern ausschließlich um Inhalte. Das Ensemble überzeugt daher durch eine Intensität des Ausdrucks, wie sie später kaum noch erreicht worden ist. Diese Bach-Einspielungen sind noch immer ein Erlebnis; sie werden wohl für alle Zeiten zu den Referenz- aufnahmen zählen. Grandios!
Frieden auf Erden - Der Montanara Chor (Animato)
Wer zu Weihnachten gern einen Männerchor singen hören möchte, der sollte sich diese CD mit dem Montanara-Chor besorgen. Das traditionsreiche Ensemble, 1958 gegründet, widmet sich volks- nahen bis volkstümlichen Klängen. Das prägt sowohl die Liedauswahl als auch die Arrangements – die Musik ist durchweg eingängig und harmonisch. Die Herren singen auch solistisch durchaus hörenswert, wobei allerdings stets der runde Gesamteindruck gewahrt wird. Der Chorklang setzt auf Idyll statt auf Individualität. Zu diesem Repertoire passt das allerdings sehr gut.
Weihnachtslieder von Engelbert Humperdinck (Villa Artis)
Die Märchenoper Hänsel und Gretel machte ihn berühmt – und Komponist Engelbert Humper- dinck war sich dennoch nicht zu schade, Werke für das häusliche Musizieren zu liefern. Etliche dieser Stücke gelten dem Weihnachtsfest. Entstanden sind sie oftmals auf Anfrage von Zeitschriften. So wird es nicht verwundern, dass Humperdinck sie betont schlicht gestaltet hat.
Auf der vorliegenden CD präsen- tiert Barbara Spieß gemeinsam mit dem Pianisten Heinz Walter Florin diese Weihnachtslieder. Es ist allerdings eine Herausforderung für einen dramatischen Sopran, geschult an Partien wie Wagners Senta oder Verdis Violetta, diese scheinbar simplen, geradlinigen Stücke vorzutragen. Denn ein Pathos, wie es Oper oftmals fordert, passt zu Humperdincks volksnahen Kompositionen nicht. Man sollte sich jedoch nicht täuschen – „einfach“ sind diese Werke nicht.
Spieß setzt bei der Liedgestaltung auf Schlichtheit und Innigkeit. Dabei ist Florin ihr ein aufmerksamer Partner, der sich ebenfalls sehr zurücknimmt. Denn nur an sehr wenigen Stellen lässt Humperdinck im Klavierpart aufscheinen, wie virtuos er sein Handwerk beherrscht hat. Wer die CD anhört, der wird aber auch verstehen, warum sich diese Lieder im Repertoire nicht gehalten haben.
Spieß setzt bei der Liedgestaltung auf Schlichtheit und Innigkeit. Dabei ist Florin ihr ein aufmerksamer Partner, der sich ebenfalls sehr zurücknimmt. Denn nur an sehr wenigen Stellen lässt Humperdinck im Klavierpart aufscheinen, wie virtuos er sein Handwerk beherrscht hat. Wer die CD anhört, der wird aber auch verstehen, warum sich diese Lieder im Repertoire nicht gehalten haben.
Let It Snow! (Deutsche Grammophon)
„Seitdem ich denken kann, hatte ich den einen riesigen Wunsch: Einmal die King’s Singers zu treffen, von denen ich schon als Kind jede Aufnahme hatte und pausenlos hörte“, berichtet Albrecht Mayer im Beiheft zu dieser CD. Nun hat der Ausnahme-Oboist seine Lieblingsvokalisten nicht nur getroffen – er hat auch gemeinsam mit ihm musiziert. Das Ergebnis liegt nun auf dem Gaben- tisch des Musikfreunds.
„Dass ich dieses Album aufnehmen durfte, mit diesem weltweit einzigartigen und absolut unvergess- lichen Gesangsensemble, ist ein wunderbares Geschenk für mich“, schwärmt Mayer. Der Zuhörer dürfte ähnlich begeistert sein. Denn „Let It Snow!“ kombiniert bekannte weihnachtliche Melodien mit ebenso präsenten klassischen Hits, wie Winter aus den Vier Jahreszeiten von Antonio Vivaldi, der Sinfonia aus Bachs Weihnachtsoratorium oder der Sérénade d’hiver von Camille Saint-Saens.
Die King’ Singers klingen beschwingt und inspiriert; sie singen noch immer mit der gleichen faszinierenden Präzision und Harmonie, die Albrecht Mayer schon begeistert hat, als er selbst noch im Knabenchor sang. Jeder der sechs Sänger ist ein exzellenter Solist – doch ebenso selbstverständlich steht der Ensembleklang an erster Stelle; das kann durchaus einmal beinahe instrumental wirken.
„Das Ende des Jahres ist eine Zeit, in der man sich eher drinnen aufhält“, erläutert Bariton Christopher Gabbitas, „und die Ereignisse der letzten zwölf Monate noch einmal Revue passieren lässt. Diese Stimmung wollten wir mit der Musik einfangen.“ Der Klang von Oboe, Oboe d’amore und Englischhorn integriert sich dabei wunder- bar in den Gesang. Mayer lässt seine Instrumente juchzen und zwitschern, er saust rasant mit dem Rentiergespann einher, aber er tritt auch zurück in die Linien der Sänger, reiht sich ein in die Stimmen und lässt die Töne schweben. Das hat eine ganz eigene Magie. Bravi! Und bitte mehr davon!
„Dass ich dieses Album aufnehmen durfte, mit diesem weltweit einzigartigen und absolut unvergess- lichen Gesangsensemble, ist ein wunderbares Geschenk für mich“, schwärmt Mayer. Der Zuhörer dürfte ähnlich begeistert sein. Denn „Let It Snow!“ kombiniert bekannte weihnachtliche Melodien mit ebenso präsenten klassischen Hits, wie Winter aus den Vier Jahreszeiten von Antonio Vivaldi, der Sinfonia aus Bachs Weihnachtsoratorium oder der Sérénade d’hiver von Camille Saint-Saens.
Die King’ Singers klingen beschwingt und inspiriert; sie singen noch immer mit der gleichen faszinierenden Präzision und Harmonie, die Albrecht Mayer schon begeistert hat, als er selbst noch im Knabenchor sang. Jeder der sechs Sänger ist ein exzellenter Solist – doch ebenso selbstverständlich steht der Ensembleklang an erster Stelle; das kann durchaus einmal beinahe instrumental wirken.
„Das Ende des Jahres ist eine Zeit, in der man sich eher drinnen aufhält“, erläutert Bariton Christopher Gabbitas, „und die Ereignisse der letzten zwölf Monate noch einmal Revue passieren lässt. Diese Stimmung wollten wir mit der Musik einfangen.“ Der Klang von Oboe, Oboe d’amore und Englischhorn integriert sich dabei wunder- bar in den Gesang. Mayer lässt seine Instrumente juchzen und zwitschern, er saust rasant mit dem Rentiergespann einher, aber er tritt auch zurück in die Linien der Sänger, reiht sich ein in die Stimmen und lässt die Töne schweben. Das hat eine ganz eigene Magie. Bravi! Und bitte mehr davon!
Wir schenken uns nix - Viva Voce (Chaos)
Witzige Texte, knackige Arrange- ments und blitzsauberer Satz- gesang – das zeichnet Viva Voce aus, die A-Cappella-Band aus Franken. Dort sind die meisten Mitglieder der Band zur Welt gekommen und aufgewachsen; ihre musikalischen Wurzeln haben sie im Windsbacher Knabenchor. Heute ist Ansbach die Heimat des Ensembles.
„Wir schenken uns nix“, nannten David Lugert, Bastian Hupfer, Mateusz Phouthavong, Heiko Benjes und Jörg Schwartzmanns die Weihnachts-CD, die sie ihren Fans in diesem Jahr auf den Gabentisch legen. Wer sie anhört, der wird freilich gleich mehrfach beschenkt. Denn die Silberscheibe zaubert dem Zuhörer ein Dauerlächeln ins Gesicht. Die Sänger erzählen unglaubliche Geschichten – vom Weihnachtsmann beispielsweise, der keinen Bock mehr auf seinen Job hat, vom tanzenden Schneemann Frosty oder – rabenschwarzer Humor – von der Gans, die sich auf Weihnachten freut. Und zwischendurch erklingen traditionelle Weihnachtslieder, in modernem Gewand. Unglaublich übrigens, was für Geräusche Jörg Schwartzmann erzeugt; die Band schreibt über ihn, er sei als Kind in einen Schlagzeugtopf gefallen. Das muss wohl ein Verwandter jenes Kessels gewesen sein, in dem Miraculix seinen Zaubertrank braut. Auch Bass Heiko Benjes beeindruckt mit seinem Solo. Wer eine CD für das Fest sucht, weitab von Kitsch und Kaufhausgedudel – diese hier kann ich sehr empfehlen.
„Wir schenken uns nix“, nannten David Lugert, Bastian Hupfer, Mateusz Phouthavong, Heiko Benjes und Jörg Schwartzmanns die Weihnachts-CD, die sie ihren Fans in diesem Jahr auf den Gabentisch legen. Wer sie anhört, der wird freilich gleich mehrfach beschenkt. Denn die Silberscheibe zaubert dem Zuhörer ein Dauerlächeln ins Gesicht. Die Sänger erzählen unglaubliche Geschichten – vom Weihnachtsmann beispielsweise, der keinen Bock mehr auf seinen Job hat, vom tanzenden Schneemann Frosty oder – rabenschwarzer Humor – von der Gans, die sich auf Weihnachten freut. Und zwischendurch erklingen traditionelle Weihnachtslieder, in modernem Gewand. Unglaublich übrigens, was für Geräusche Jörg Schwartzmann erzeugt; die Band schreibt über ihn, er sei als Kind in einen Schlagzeugtopf gefallen. Das muss wohl ein Verwandter jenes Kessels gewesen sein, in dem Miraculix seinen Zaubertrank braut. Auch Bass Heiko Benjes beeindruckt mit seinem Solo. Wer eine CD für das Fest sucht, weitab von Kitsch und Kaufhausgedudel – diese hier kann ich sehr empfehlen.
Beethoven: Piano Sonatas Vol. 10; Korstick (Oehms Classics)
Zum Abschluss seiner Gesamtein- spielung der Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven hat Michael Korstick sich an die Hammer- klaviersonate gewagt – einen Solitär der Klavierliteratur, noch immer eine Herausforderung für Pianisten. Das liegt zum einen daran, dass ein moderner Konzert- flügel eben kein Hammerklavier ist, und es nicht ganz einfach ist, das Klangbild, das Beethoven im Sinn hatte, auf einen Steinway zu übertragen.
Zum anderen weisen die Tempo-Angaben des Komponisten darauf hin, dass die Große Sonate für das Hammerklavier op. 106 möglicherweise eher für den Kopf als für die Finger eines Musikers geschrieben worden ist. Korstick aber will das Werk zum Klingen bringen; also nimmt er die Quellen ernst – und gelangt in den schnellen Sätzen zu einer aberwitzig rasanten Ausführung; für das Adagio sostenuto hingegen benötigt er fast 29 Minuten, doppelt so lange wie die meisten seiner Kollegen. Dabei lässt er allerdings einen Spannungsbogen entstehen, den man kaum für möglich hält. Der Zuhörer fühlt sich gebannt, ja, und beglückt auch – bis dann die Schlussfuge herbeieilt, hier tatsächlich als Allegro risoluto, dramatisch, erregt und dennoch präzise gespielt bis in die letzte Nuance.
Einmal mehr erweist sich Korstick als ein großartiger Pianist, der „seinen“ Beethoven hervorragend kennt, der alle Details wohlüberlegt gestaltet, sich aber dennoch nicht darin verliert. Das machen auch die kleineren Werke deutlich, die es freilich neben der Hammerklaviersonate schwerhaben. Grandios! Das ist eine jener seltenen Aufnahmen, an denen sich alle anderen Interpretationen messen lassen müssen.
Zum anderen weisen die Tempo-Angaben des Komponisten darauf hin, dass die Große Sonate für das Hammerklavier op. 106 möglicherweise eher für den Kopf als für die Finger eines Musikers geschrieben worden ist. Korstick aber will das Werk zum Klingen bringen; also nimmt er die Quellen ernst – und gelangt in den schnellen Sätzen zu einer aberwitzig rasanten Ausführung; für das Adagio sostenuto hingegen benötigt er fast 29 Minuten, doppelt so lange wie die meisten seiner Kollegen. Dabei lässt er allerdings einen Spannungsbogen entstehen, den man kaum für möglich hält. Der Zuhörer fühlt sich gebannt, ja, und beglückt auch – bis dann die Schlussfuge herbeieilt, hier tatsächlich als Allegro risoluto, dramatisch, erregt und dennoch präzise gespielt bis in die letzte Nuance.
Einmal mehr erweist sich Korstick als ein großartiger Pianist, der „seinen“ Beethoven hervorragend kennt, der alle Details wohlüberlegt gestaltet, sich aber dennoch nicht darin verliert. Das machen auch die kleineren Werke deutlich, die es freilich neben der Hammerklaviersonate schwerhaben. Grandios! Das ist eine jener seltenen Aufnahmen, an denen sich alle anderen Interpretationen messen lassen müssen.
Harfhorn (Auris Subtilis)
Der Böhmischen Harfe und dem Alphorn hat sich Stefan Weyh verschrieben. Der Musiker legt nun bei dem Chemnitzer Label Auris subtilis seine erste CD vor: Harfhorn. Dabei hat ihn eine ganze Schar von Kollegen unterstützt; allen voran zu nennen ist hier Sebastian Fischer als versierter Duopartner auf Alphorn, Büchel und Zink.
Die etwas archaische Gestaltung der CD-Hülle harmoniert perfekt mit den Klängen der geschichtsträchtigen Instrumente, deren Herkunft in einem kleinen Beiblatt erläutert wird. Das erweist sich als interessant, denn zwar stammen das Alphorn und seine gebogene Sonderform, das Büchel, aus dem Alpenraum. Die Böhmische Harfe aber ist offenbar im 18. Jahrhundert in Preßnitz im Erzgebirge ent- standen, und sie gelangte mit Wandermusikanten in den süddeut- schen Raum – aus der Klangwerkstatt Markt Wald im Allgäu kommt das Exemplar, das Weyh nun spielt.
Zu hören sind auf dieser CD sowohl Klassiker, jedem Musikfreund bekannt, als auch Kompositionen, die speziell für Stefan Weyh entstanden sind. Mir persönlich gefallen letztere besser, denn hier ist der Musiker ganz in seinem Element – sei es im Wirbel des Tau- wetterwindes, den Weyh in seiner ausdrucksstarken Musik kongenial erfasst, oder in der entzückenden Hirtenmusik für Stefan von Herta Lippold.
Die etwas archaische Gestaltung der CD-Hülle harmoniert perfekt mit den Klängen der geschichtsträchtigen Instrumente, deren Herkunft in einem kleinen Beiblatt erläutert wird. Das erweist sich als interessant, denn zwar stammen das Alphorn und seine gebogene Sonderform, das Büchel, aus dem Alpenraum. Die Böhmische Harfe aber ist offenbar im 18. Jahrhundert in Preßnitz im Erzgebirge ent- standen, und sie gelangte mit Wandermusikanten in den süddeut- schen Raum – aus der Klangwerkstatt Markt Wald im Allgäu kommt das Exemplar, das Weyh nun spielt.
Zu hören sind auf dieser CD sowohl Klassiker, jedem Musikfreund bekannt, als auch Kompositionen, die speziell für Stefan Weyh entstanden sind. Mir persönlich gefallen letztere besser, denn hier ist der Musiker ganz in seinem Element – sei es im Wirbel des Tau- wetterwindes, den Weyh in seiner ausdrucksstarken Musik kongenial erfasst, oder in der entzückenden Hirtenmusik für Stefan von Herta Lippold.
Bach: Flute Sonatas (Hyperion)
Bachs Flötensonaten gehören zu jenen Werken, die Musiker offen- bar magisch anziehen, und die daher immer wieder neu einge- spielt werden. So hat Andrea Oliva, Soloflötist des Orchestra dell’ Accademia Nazionale di Santa Cecilia in Rom, jüngst bei Hyperion gemeinsam mit der ebenso renommierten Pianistin Angela Hewitt eine Neuaufnahme vor- gelegt. Die beiden Solisten nutzen moderne Instrumente, und sie demonstrieren, wie modern Bach klingen kann – wenn man die empfindsamen Aspekte dieser Musik herausstreicht, und den Kontrapunkt bescheiden in den Hintergrund treten lässt. Wer Vergnügen an einem solchen Experiment hat, der mag diese Aufnahme schätzen. Mich hat sie nicht wirklich überzeugt.
Samstag, 19. Oktober 2013
Wagner: Opera Arias - Simon Estes (Newton)
Diese CD aus dem Hause Newton erinnert an einen großartigen
Sänger: Simon Estes, Jahrgang 1938, der insbesondere als
Wagner-Bariton internationales Renommee erlangte. Der Afro- amerikaner,
Sohn eines Berg- mannes, studierte ursprünglich Medizin und musizierte
in einer Universitätsband. Dort wurde sein Gesangstalent erkannt,
und er erhielt ein Stipendium für die Juilliard School of Music in
New York.
Er gab sein Debüt 1968 als Oberpriester Ramphis in Verdis Oper Aida an der Deutschen Oper Berlin, und war bald auf allen bedeutenden Opernbühnen der Welt zu erleben. So sang er 1978 in Bayreuth die Titelrolle in Wagners Fliegendem Holländer – in der Harry-Kupfer-Inszenierung, was für manchen Opernbesucher dort sicherlich gleich doppelt einen Schock bedeutete. Mit einem Ausschnitt aus dieser Partie ist Estes auch auf dieser CD zu hören, die eine Aufnahme aus dem Jahre 1983 wieder zugänglich macht.
Schon hier fällt auf, dass der Sänger nicht nur schön, sondern auch ausdrucksstark singt. Wie wundervoll sein Bariton insbesondere auch in der Höhe klingt, und wie italienisch er seine Wagner-Partien gestaltete, das ist aber besonders gut an zwei Ausschnitten aus der Walküre festzustellen. Dort ist zugleich Eva-Maria Bundschuh als Brünnhilde zu hören – wundervoll!
Die Aufnahme endet mit einem Ausschnitt aus Parsifal. Hier ist Estes als Amfortas zu erleben, gemeinsam mit Heinz Reeh als Titurel. Es musiziert die Staatskapelle Berlin unter Heinz Fricke, und man muss wirklich sagen: Nach einer Wagner-Einspielung von solcher Qualität muss man heute, trotz Jubiläumsjahr, lang suchen. Auch wenn Estes die deutschen Vokale nicht vollkommen akzentfrei gelingen – aber man versteht jedes Wort, und die Figuren lässt der Sänger geradezu vor den Ohren des Zuhörers entstehen. Wie majestätisch er als Wotan auftritt, wie liebevoll er sich dann von seiner Tochter Brünnhilde verabschiedet, wie er als Amfortas klagt – das ist Oper, wie wir sie gern immer hätten. Bravo!
Er gab sein Debüt 1968 als Oberpriester Ramphis in Verdis Oper Aida an der Deutschen Oper Berlin, und war bald auf allen bedeutenden Opernbühnen der Welt zu erleben. So sang er 1978 in Bayreuth die Titelrolle in Wagners Fliegendem Holländer – in der Harry-Kupfer-Inszenierung, was für manchen Opernbesucher dort sicherlich gleich doppelt einen Schock bedeutete. Mit einem Ausschnitt aus dieser Partie ist Estes auch auf dieser CD zu hören, die eine Aufnahme aus dem Jahre 1983 wieder zugänglich macht.
Schon hier fällt auf, dass der Sänger nicht nur schön, sondern auch ausdrucksstark singt. Wie wundervoll sein Bariton insbesondere auch in der Höhe klingt, und wie italienisch er seine Wagner-Partien gestaltete, das ist aber besonders gut an zwei Ausschnitten aus der Walküre festzustellen. Dort ist zugleich Eva-Maria Bundschuh als Brünnhilde zu hören – wundervoll!
Die Aufnahme endet mit einem Ausschnitt aus Parsifal. Hier ist Estes als Amfortas zu erleben, gemeinsam mit Heinz Reeh als Titurel. Es musiziert die Staatskapelle Berlin unter Heinz Fricke, und man muss wirklich sagen: Nach einer Wagner-Einspielung von solcher Qualität muss man heute, trotz Jubiläumsjahr, lang suchen. Auch wenn Estes die deutschen Vokale nicht vollkommen akzentfrei gelingen – aber man versteht jedes Wort, und die Figuren lässt der Sänger geradezu vor den Ohren des Zuhörers entstehen. Wie majestätisch er als Wotan auftritt, wie liebevoll er sich dann von seiner Tochter Brünnhilde verabschiedet, wie er als Amfortas klagt – das ist Oper, wie wir sie gern immer hätten. Bravo!
Samstag, 12. Oktober 2013
Hexameron (MDG)
Hexameron heißt ein Variations- werk, das auf Anregung Franz Liszts entstanden ist, und zu dem bedeutende Virtuosen seiner Zeit jeweils eine Variation beigesteuert haben: Eingebettet in musikali- sches Material von Liszt, erklingen Variations de Bravoure sur la Marche des Puritains de Vincenco Bellini von Frederic Chopin, Sigismund Thalberg, Johann Peter Pixis, Henri Herz und Carl Czerny. Der Wettstreit der Tastenlöwen, für den dieses brillante Stück wohl gedacht war, ist dann allerdings nie verwirklicht worden.
Nun haben ein Mentor sowie fünf Pianisten am Beginn ihrer Laufbahn das Werk bei Dabringhaus & Grimm eingespielt. „Ich war eingeladen zu einem denkwürdigen Konzert mit jungen Künstlern aus Deutsch- land, Frankreich, Japan, Österreich und Spanien zur gemeinschaft- lichen Aufführung des Hexameron – und habe unmittelbar darauf alles daran gesetzt, dieses Ereignis für die Platte zu dokumentieren“, berichtet Werner Dabringhaus.
Johann Blanchard, Leon Buche, Carlos Goicoechea, Caroline Sorieux, Kanako Yoshikane und Claudius Tanski, Professor am Salzburger Mozarteum, teilen sich in das Werk – und zeigen dabei, wie sehr unterschiedlich diese Virtuosenmusik gespielt werden kann. Von einem Wett-Konzertieren kann auch hier keine Rede sein; jeder Hörer wird wahrscheinlich andere Favoriten finden. „Es geht hier nicht um Dominanz, sondern um Vielfalt auf hohem Niveau“, schreibt Dabringhaus im Beiheft. „Danach strebt nicht nur die Musik, sondern dies ist gesellschaftliches Überlebenskonzept für die Zukunft!“ Ein kluges Wort, das man nur unterstreichen kann.
Nun haben ein Mentor sowie fünf Pianisten am Beginn ihrer Laufbahn das Werk bei Dabringhaus & Grimm eingespielt. „Ich war eingeladen zu einem denkwürdigen Konzert mit jungen Künstlern aus Deutsch- land, Frankreich, Japan, Österreich und Spanien zur gemeinschaft- lichen Aufführung des Hexameron – und habe unmittelbar darauf alles daran gesetzt, dieses Ereignis für die Platte zu dokumentieren“, berichtet Werner Dabringhaus.
Johann Blanchard, Leon Buche, Carlos Goicoechea, Caroline Sorieux, Kanako Yoshikane und Claudius Tanski, Professor am Salzburger Mozarteum, teilen sich in das Werk – und zeigen dabei, wie sehr unterschiedlich diese Virtuosenmusik gespielt werden kann. Von einem Wett-Konzertieren kann auch hier keine Rede sein; jeder Hörer wird wahrscheinlich andere Favoriten finden. „Es geht hier nicht um Dominanz, sondern um Vielfalt auf hohem Niveau“, schreibt Dabringhaus im Beiheft. „Danach strebt nicht nur die Musik, sondern dies ist gesellschaftliches Überlebenskonzept für die Zukunft!“ Ein kluges Wort, das man nur unterstreichen kann.
Works for String Orchestra (Genuin)
Die Deutsche Streicherphilhar- monie ist ein ganz erstaunliches Orchester – denn was sich auf dieser Aufnahme so professionell anhört, das wird vom musikali- schen Nachwuchs gespielt. Der Name dieses Ensembles hat seit seiner Gründung anlässlich der Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1973 in Berlin mehrfach gewechselt. Doch hervorragend musiziert wird von den Mädchen und Jungen, die dieser Elite-For- mation angehören, noch immer. Sie sind zwischen elf (!) und 19 Jahre alt, und die besten Schüler der Musikschulen in ganz Deutschland.
Diese CD ist zugleich die letzte Einspielung der jungen Musiker, bei der Michael Sanderling am Pult gestanden hat. Er übergibt nun nach zehn Jahren die künstlerische Leitung an seinen Nachfolger Wolfgang Hentrich. Mit einer beeindruckenden Werkauswahl dokumentiert diese CD, wie exzellent ausgebildet der Streichernachwuchs hierzu- lande ist – und mit welcher Begeisterung die jungen Musiker bei der Sache sind.
Diese CD ist zugleich die letzte Einspielung der jungen Musiker, bei der Michael Sanderling am Pult gestanden hat. Er übergibt nun nach zehn Jahren die künstlerische Leitung an seinen Nachfolger Wolfgang Hentrich. Mit einer beeindruckenden Werkauswahl dokumentiert diese CD, wie exzellent ausgebildet der Streichernachwuchs hierzu- lande ist – und mit welcher Begeisterung die jungen Musiker bei der Sache sind.
Donnerstag, 10. Oktober 2013
Paganini: Violin Concerto No. 5 (Naxos)
Noch eine CD mit Werken von Niccolò Paganini (1782 bis 1840), seufzt der Rezensent, und drückt die „Play“-Taste. Doch schon das erste Stück, das erklingt – das Moto perpetuo op. 11 – lässt aufhorchen. Und im Anschluss daran überzeugt dann das fünfte Violinkonzert vollends, diese Aufnahme bis zum Schluss anzu- hören.
Iwan Potschekin musiziert wirklich brillant, und sein Zusammenspiel mit dem Russian Philharmonic Orchestra unter Dmitri Jablonski ist vom ersten bis zum letzten Ton eine Freude. Die Musiker spielen Paganinis Werke nicht als virtuose Solisten-Turnübung mit Orchesterhintergrund, sie nehmen sie vielmehr ernst und gestalten sie mit großer Sorgfalt. Das Ergebnis begeistert – dies ist eine der besten Paganini-Einspielungen, die ich je gehört habe. Und die I palpiti op. 13 setzen einen würdigen Schluss- punkt.
Iwan Potschekin musiziert wirklich brillant, und sein Zusammenspiel mit dem Russian Philharmonic Orchestra unter Dmitri Jablonski ist vom ersten bis zum letzten Ton eine Freude. Die Musiker spielen Paganinis Werke nicht als virtuose Solisten-Turnübung mit Orchesterhintergrund, sie nehmen sie vielmehr ernst und gestalten sie mit großer Sorgfalt. Das Ergebnis begeistert – dies ist eine der besten Paganini-Einspielungen, die ich je gehört habe. Und die I palpiti op. 13 setzen einen würdigen Schluss- punkt.
Montag, 7. Oktober 2013
Gesualdo: Sesto Libro di Madrigali 1611 (Glossa)
Noch vor hundert Jahren erregten die Kompositionen von Carlo Gesualdo (1566 bis 1613) eher Schauder denn Bewunderung. So schrieb Charles Burney, ein be- deutender englischer Musikexper- te des 18. Jahrhunderts, weitge- reist und welterfahren: „And as to his modulation, it is so far from being the sweetest conceivable, that, to me, it seems forced, affected, and disgusting.“ Noch Werner Herzog porträtierte in seinem Film Gesualdo – Tod für fünf Stimmen den Fürsten von Venosa als einsamen Mann am Rande des Wahnsinns.
Seine Zeitgenossen hingegen hielten die Werke Gesualdos mitnichten für exzentrisch. So lobte der Genueser Simone Molinaro (1565 bis 1615), der alle sechs Madrigalbücher des Komponisten in einem beeindruckenden Neudruck vorlegte, die Kompositionen, sie seien „canore perle stillate nella conca dell'eterna bellezza da'raggi del Prencipe di Venosa“.
Hört man das sechste Madrigalbuch aufmerksam, so wird man feststellen, dass die scheinbare Modernität der Tonsprache Gesualdos in erster Linie ein Missverständnis ist – denn der Komponist setzt grundsätzlich auf die musikalischen Mittel seiner Zeit. Er konnte es sich jedoch leisten, Struktur und Ausdruck zu perfektionieren, und dabei die Regeln bis an die Grenzen auszuloten.
Interpreten seiner Werke heute stellt dies vor Probleme. Denn die Aufführungstraditionen solcher Musik sind abgerissen; das Wissen und die Fertigkeiten sind verloren und müssen mühsam rekonstruiert werden. Das, was wir heute erreichen, ist lediglich eine Annäherung an jene längst entschwundenen Klänge. Und gar nicht selten erscheint uns das, was die alten Noten vorgeben, sehr ungewohnt und tech- nisch extrem anspruchsvoll.
Das gilt nicht zuletzt auch für die Stimmbücher des legendären Libro Sesto Gesualdos. Es gibt nicht viele Sänger, die sich an diese kompli- zierte Materie wagen. Die Spezialisten von La Compagnia del Madri- gale haben sich damit gründlich beschäftigt, und eine Aufnahme für Glossa eingespielt. Man staunt ein wenig über den satten Sound – und freut sich dann über die Routine, mit denen die acht Sängerinnen und Sänger durch Gesualdos kühne Harmonien navigieren. Diese Auf- nahme setzt ohne Zweifel Maßstäbe.
Seine Zeitgenossen hingegen hielten die Werke Gesualdos mitnichten für exzentrisch. So lobte der Genueser Simone Molinaro (1565 bis 1615), der alle sechs Madrigalbücher des Komponisten in einem beeindruckenden Neudruck vorlegte, die Kompositionen, sie seien „canore perle stillate nella conca dell'eterna bellezza da'raggi del Prencipe di Venosa“.
Hört man das sechste Madrigalbuch aufmerksam, so wird man feststellen, dass die scheinbare Modernität der Tonsprache Gesualdos in erster Linie ein Missverständnis ist – denn der Komponist setzt grundsätzlich auf die musikalischen Mittel seiner Zeit. Er konnte es sich jedoch leisten, Struktur und Ausdruck zu perfektionieren, und dabei die Regeln bis an die Grenzen auszuloten.
Interpreten seiner Werke heute stellt dies vor Probleme. Denn die Aufführungstraditionen solcher Musik sind abgerissen; das Wissen und die Fertigkeiten sind verloren und müssen mühsam rekonstruiert werden. Das, was wir heute erreichen, ist lediglich eine Annäherung an jene längst entschwundenen Klänge. Und gar nicht selten erscheint uns das, was die alten Noten vorgeben, sehr ungewohnt und tech- nisch extrem anspruchsvoll.
Das gilt nicht zuletzt auch für die Stimmbücher des legendären Libro Sesto Gesualdos. Es gibt nicht viele Sänger, die sich an diese kompli- zierte Materie wagen. Die Spezialisten von La Compagnia del Madri- gale haben sich damit gründlich beschäftigt, und eine Aufnahme für Glossa eingespielt. Man staunt ein wenig über den satten Sound – und freut sich dann über die Routine, mit denen die acht Sängerinnen und Sänger durch Gesualdos kühne Harmonien navigieren. Diese Auf- nahme setzt ohne Zweifel Maßstäbe.
Sonntag, 6. Oktober 2013
Opera! - Sharon Kam (Berlin Classics)
„Ich liebe die Oper! Ich gehe ebenso gern in die Oper wie ins Konzert, und ich bewundere diese besondere Art des Musizierens quasi aus der Entfernung“, berich- tet Sharon Kam im Beiheft zu dieser CD. „Andererseits ist die Oper mir aber auch sehr nah, denn mein Mann Gregor ist Operndiri- gent, und gemeinsam hören und studieren wir so ziemlich alles, was bei uns beiden jeweils an- liegt.“
Nun hat die Klarinettistin dieser Leidenschaft nachgegeben – und bereichert zugleich das Konzertrepertoire für dieses Instrument um einige attraktive Stücke. Denn für diese CD hat Sharon Kam nicht einfach Arien eingespielt, bei denen die Klarinette den Part der Gesangsstimme übernimmt. Die Arrangeure Andreas N. Tarkmann und Jonathan Seers erstellten für die Musikerin vielmehr Bearbei- tungen, die an die Opernparaphrasen der Romantiker erinnern. „Wichtig war uns dabei immer eine durchdachte Dramaturgie, die neben Bravourstücken auch die großen Gefühle berücksichtigt, die zur Oper gehören“, erläutert Sharon Kam.
So ist sie in der glücklichen Lage, die teilweise gar nicht so bekannten Melodien in Bearbeitungen vorzustellen, die den Möglichkeiten von Klarinette und Kammerorchester raffiniert angepasst wurden. Dabei wirkt die Solistin mit dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn unter der Leitung seines Chefdirigenten Ruben Gazarian zusammen. Das erweist sich als eine gelungene Kombination, die es der Klarinettistin ermöglicht, ihren Operntraum auszuleben. Kam musiziert temperamentvoll und bringt die Facetten der ausgewählten Musikstücke gekonnt zum Funkeln. Diese CD präsentiert Melodien von Gioachino Rossini, Giuseppe Verdi, Giacomo Puccini, Amilcare Ponchielli und Ermanno Wolf-Ferrari als brillante Konzertstücke für Klarinette – diese Metamorphose ist grandios gut gelungen, und hinreißend musiziert wird obendrein. Unbedingt anhören!
Nun hat die Klarinettistin dieser Leidenschaft nachgegeben – und bereichert zugleich das Konzertrepertoire für dieses Instrument um einige attraktive Stücke. Denn für diese CD hat Sharon Kam nicht einfach Arien eingespielt, bei denen die Klarinette den Part der Gesangsstimme übernimmt. Die Arrangeure Andreas N. Tarkmann und Jonathan Seers erstellten für die Musikerin vielmehr Bearbei- tungen, die an die Opernparaphrasen der Romantiker erinnern. „Wichtig war uns dabei immer eine durchdachte Dramaturgie, die neben Bravourstücken auch die großen Gefühle berücksichtigt, die zur Oper gehören“, erläutert Sharon Kam.
So ist sie in der glücklichen Lage, die teilweise gar nicht so bekannten Melodien in Bearbeitungen vorzustellen, die den Möglichkeiten von Klarinette und Kammerorchester raffiniert angepasst wurden. Dabei wirkt die Solistin mit dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn unter der Leitung seines Chefdirigenten Ruben Gazarian zusammen. Das erweist sich als eine gelungene Kombination, die es der Klarinettistin ermöglicht, ihren Operntraum auszuleben. Kam musiziert temperamentvoll und bringt die Facetten der ausgewählten Musikstücke gekonnt zum Funkeln. Diese CD präsentiert Melodien von Gioachino Rossini, Giuseppe Verdi, Giacomo Puccini, Amilcare Ponchielli und Ermanno Wolf-Ferrari als brillante Konzertstücke für Klarinette – diese Metamorphose ist grandios gut gelungen, und hinreißend musiziert wird obendrein. Unbedingt anhören!
Samstag, 5. Oktober 2013
Zani: Complete Cello Concertos (Capriccio)
Dies ist eine weitere Entdeckung, die wir Rudolf Franz Erwein, Graf von Schönborn (1677 bis 1754) verdanken. Denn der spielte nicht nur gern Violoncello, er sammelte auch Musikalien. Und in der Kollektion, die sich noch heute in Wiesentheid bei Würzburg befindet, wurde schon so manches Musikstück aufgespürt, das Cellisten ebenso wie das Publikum jubeln lässt.
Nun hat eine Musikwissenschaft- lerin aus Neuseeland in diesem Bestand zwölf concerti da camera für Violoncello und Streicher von Andrea Zani (1696 bis 1757) aufgefunden. Kurioserweise musste Dr. Jill Ward, die 2010 ihre Dissertation an der University of Canterbury in Christchurch geschrieben hat, dazu nicht einmal ihre Heimat verlassen – die modernen Kommunikationstechnologien machen's möglich. Mittlerweile hat Ward eine Gesamtausgabe aller derzeit bekannten Werke von Zani vorgelegt, sowie eine Biographie des Musikers.
Viel ist freilich über sein Leben nicht herauszufinden. Zani war der Sohn eines Geigers aus Casalmaggiore, einer kleinen Stadt in der Nähe von Cremona. Er begann seine musikalische Ausbildung bei seinem Vater, und setzte sie dann bei zwei Musikerkollegen fort. Irgendwann ging er nach Wien; Ward vermutet, dass ihn Antonio Caldara, Vizekapellmeister am kaiserlichen Hof, zu diesem Schritt ermutigt haben könnte. Und irgendwann ist er dann auch wieder nach Italien zurückgekehrt. Dort hat er ab 1738 einige Spuren hinterlassen. Belegt ist, dass er 1757 auf einer Reise nach Mantua an den Folgen eines Kutschenüberschlags gestorben ist.
Die Violoncello-Konzerte, die Zani für den Grafen von Schönborn komponiert hat, sind abwechslungsreich und geradezu betörend gut gelungen. „Schon das Partiturstudium und das Lernen des Soloparts war nur mit dem beglückenden Gefühl zu vergleichen, das man beim Betreten eines sonnenbeschienenen Neuschneefeldes in den Bergen hat – und das gleich zwölf Mal“, begeistert sich Martin Rummel, der die Werke gemeinsam mit dem Ensemble Die Kölner Akademie unter Leitung von Michael Alexander Willens eingespielt hat. „Da aber, wie schon Gustav Mahler wusste, das Beste der Musik nicht in den Noten steht, war der Beginn der ersten Probe mit dem Orchester, als die ersten Töne eines Cellokonzerts von Andrea Zani wahrscheinlich zum ersten Mal seit fast dreihundert Jahren wieder erklungen, einer der reichsten Momente meines bisherigen musikalischen Lebens. Die daran anschließende Woche bis zur Aufnahme des letzten Takes wird in ihrer Beglückung unvergessen bleiben.“
Etwas von diesem Glücksgefühl überträgt sich auch auf den Hörer. Zanis Konzerte sind eher graziös als betont virtuos. Sie bieten alles, was Cellokonzerte attraktiv macht – schöne Melodien, einen bunten Strauss an musikalischen Ideen, so dass sie nie langweilig werden, und obendrein eine tänzerische Leichtigkeit, die gute Laune verbrei- tet. Bravi!
Nun hat eine Musikwissenschaft- lerin aus Neuseeland in diesem Bestand zwölf concerti da camera für Violoncello und Streicher von Andrea Zani (1696 bis 1757) aufgefunden. Kurioserweise musste Dr. Jill Ward, die 2010 ihre Dissertation an der University of Canterbury in Christchurch geschrieben hat, dazu nicht einmal ihre Heimat verlassen – die modernen Kommunikationstechnologien machen's möglich. Mittlerweile hat Ward eine Gesamtausgabe aller derzeit bekannten Werke von Zani vorgelegt, sowie eine Biographie des Musikers.
Viel ist freilich über sein Leben nicht herauszufinden. Zani war der Sohn eines Geigers aus Casalmaggiore, einer kleinen Stadt in der Nähe von Cremona. Er begann seine musikalische Ausbildung bei seinem Vater, und setzte sie dann bei zwei Musikerkollegen fort. Irgendwann ging er nach Wien; Ward vermutet, dass ihn Antonio Caldara, Vizekapellmeister am kaiserlichen Hof, zu diesem Schritt ermutigt haben könnte. Und irgendwann ist er dann auch wieder nach Italien zurückgekehrt. Dort hat er ab 1738 einige Spuren hinterlassen. Belegt ist, dass er 1757 auf einer Reise nach Mantua an den Folgen eines Kutschenüberschlags gestorben ist.
Die Violoncello-Konzerte, die Zani für den Grafen von Schönborn komponiert hat, sind abwechslungsreich und geradezu betörend gut gelungen. „Schon das Partiturstudium und das Lernen des Soloparts war nur mit dem beglückenden Gefühl zu vergleichen, das man beim Betreten eines sonnenbeschienenen Neuschneefeldes in den Bergen hat – und das gleich zwölf Mal“, begeistert sich Martin Rummel, der die Werke gemeinsam mit dem Ensemble Die Kölner Akademie unter Leitung von Michael Alexander Willens eingespielt hat. „Da aber, wie schon Gustav Mahler wusste, das Beste der Musik nicht in den Noten steht, war der Beginn der ersten Probe mit dem Orchester, als die ersten Töne eines Cellokonzerts von Andrea Zani wahrscheinlich zum ersten Mal seit fast dreihundert Jahren wieder erklungen, einer der reichsten Momente meines bisherigen musikalischen Lebens. Die daran anschließende Woche bis zur Aufnahme des letzten Takes wird in ihrer Beglückung unvergessen bleiben.“
Etwas von diesem Glücksgefühl überträgt sich auch auf den Hörer. Zanis Konzerte sind eher graziös als betont virtuos. Sie bieten alles, was Cellokonzerte attraktiv macht – schöne Melodien, einen bunten Strauss an musikalischen Ideen, so dass sie nie langweilig werden, und obendrein eine tänzerische Leichtigkeit, die gute Laune verbrei- tet. Bravi!
Anna Netrebko - Verdi (Deutsche Grammophon)
Die Deutsche Grammophon legt zum 200. Geburtstag Giuseppe Verdis ein neues Album mit Starsopranistin Anna Netrebko vor. Sie singt, neben berühmten Arien und Szenen beispielsweise aus Macbeth und Il Trovatore, auch weniger bekannte Stücke, darunter eine Szene aus Verdis Frühwerk Giovanna d'Arco. Begleitet wird die Sängerin durch das Orchestra Teatro Regio Torino unter Gianandrea Noseda. Über den „Luxus-Sopran“ - so zitiert das Label die „Opera News“ - mag man geteilter Meinung sein; die Stimme der Netrebko reißt mich jedenfalls immer noch nicht vom Stuhl. Aber sie wagt sich offenbar zunehmend an Partien, die nicht in erster Linie schöne Töne, sondern vor allem Ausdrucksvermögen fordern.
Auf dieser CD gestaltet sie Figuren, die allesamt einen Knacks weg- haben. Das gilt nicht nur für den Wahnsinn einer Lady Macbeth. „Da gibt es diese wundervolle Arie der Elena aus I Vespri Siciliani“, zitiert das Beiheft Netrebko, „die über zweieinhalb Oktaven führt und dabei so eindringlich von Schmerz und Kraft erzählt. Oder jene der Elisabetta aus Don Carlo: Man hört, wie die großen kraftvollen Gefühle in ihr noch einmal aufleben, um gegen Ende im Pianissimo zu verklingen. Wir haben es hier mit einer Frau zu tun, in der jedes Gefühl bereits zu Lebzeiten abgestorben ist.“ Es gehört wenig Phan- tasie dazu, vorherzusagen, dass sich diese Silberscheibe verkaufen wird wie geschnitten Brot. Anna Netrebko sei der Erfolg gegönnt. Denn die Sängerin ist eine großartige Botschafterin der klassischen Musik, die viele Menschen für die Oper begeistert.
Auf dieser CD gestaltet sie Figuren, die allesamt einen Knacks weg- haben. Das gilt nicht nur für den Wahnsinn einer Lady Macbeth. „Da gibt es diese wundervolle Arie der Elena aus I Vespri Siciliani“, zitiert das Beiheft Netrebko, „die über zweieinhalb Oktaven führt und dabei so eindringlich von Schmerz und Kraft erzählt. Oder jene der Elisabetta aus Don Carlo: Man hört, wie die großen kraftvollen Gefühle in ihr noch einmal aufleben, um gegen Ende im Pianissimo zu verklingen. Wir haben es hier mit einer Frau zu tun, in der jedes Gefühl bereits zu Lebzeiten abgestorben ist.“ Es gehört wenig Phan- tasie dazu, vorherzusagen, dass sich diese Silberscheibe verkaufen wird wie geschnitten Brot. Anna Netrebko sei der Erfolg gegönnt. Denn die Sängerin ist eine großartige Botschafterin der klassischen Musik, die viele Menschen für die Oper begeistert.
Freitag, 4. Oktober 2013
Godowsky: Twelve Impressions (Naxos)
Leopold Godowsky (1870 bis 1938) war ein hervorragender Pianist. Seine eigenen Klavier- werke gelten als technisch anspruchsvoll, aber klanglich wenig ansprechend. Seine wenigen Stücke für Violine – sein Sohn Leo spielte dieses Instrument – sind sehr charmant; dem Profi sind sie heute wohl zu sehr Salonmusik.
Dabei erklangen solche Stücke einst ganz selbstverständlich in den Konzerten der großen Virtu- osen. Fritz Kreisler beispielsweise hat ebenfalls derartige Werke geschrieben und gespielt. Von ihm sowie von Jascha Heifetz stammen auch Bearbeitungen von Godowskys Klaviermusik, die auf dieser CD erklingen. Ihnen hat aber auch Godowsky selbst Violin-Transkriptionen gewidmet.
An diese Raritäten haben sich nun Nazrin Rashidova, Violine, und Roderick Chadwick, Klavier, gewagt. Bei Naxos präsentieren die Musiker einige der Violin-Arrangements. Sie sind brillant, aber nicht vordergründig Virtuosenfutter, und wirken mit ihren gediegenen Melodien beinahe nostalgisch. Man staunt, wie locker die beiden die Herausforderungen bewältigen. Godowskys Musik lohnt aber die Mühe, bravi!
Dabei erklangen solche Stücke einst ganz selbstverständlich in den Konzerten der großen Virtu- osen. Fritz Kreisler beispielsweise hat ebenfalls derartige Werke geschrieben und gespielt. Von ihm sowie von Jascha Heifetz stammen auch Bearbeitungen von Godowskys Klaviermusik, die auf dieser CD erklingen. Ihnen hat aber auch Godowsky selbst Violin-Transkriptionen gewidmet.
An diese Raritäten haben sich nun Nazrin Rashidova, Violine, und Roderick Chadwick, Klavier, gewagt. Bei Naxos präsentieren die Musiker einige der Violin-Arrangements. Sie sind brillant, aber nicht vordergründig Virtuosenfutter, und wirken mit ihren gediegenen Melodien beinahe nostalgisch. Man staunt, wie locker die beiden die Herausforderungen bewältigen. Godowskys Musik lohnt aber die Mühe, bravi!
Samstag, 28. September 2013
Falckenhagen: Lautensonaten (Christophorus)
Adam Falckenhagen (1697 bis 1754) war der Lautenist von Markgräfin Wilhelmine von Brandenburg-Bayreuth. Er war der Sohn eines Lehrers, stammte aus Großdalzig bei Leipzig und wurde ab seinem zehnten Lebensjahr durch seinen Onkel, einen Pfarrer, „in literis und musicis“ unter- richtet. Seine erste Stelle erhielt Falckenhagen am Merseburger Hof als Cammerlautenist und Juris Praktikus. 1732 dürfte er schließlich in den Dienst der musikbegeisterten Markgräfin getreten sein, der er auch die Sonaten für Laute op. 1 gewidmet hat.
Alberto Crugnola spielt diese Werke auf einer dreizehnchörigen Barocklaute, die der Mailänder Instrumentenbauer Giuseppe Tumiati nach einem Vorbild angefertigt hat, das Martin Hoffmann um 1690 in Leipzig geschaffen hat. Die Beschäftigung mit Falckenhagens Musik erscheint durchaus lohnenswert; sie verbindet formale Strenge mit einem Feuerwerk an melodischen Einfällen und theatralischen Effekten. Und eine gelungene, ausgewogene Einspielung ist nun hiermit auch verfügbar – meine Empfehlung!
Alberto Crugnola spielt diese Werke auf einer dreizehnchörigen Barocklaute, die der Mailänder Instrumentenbauer Giuseppe Tumiati nach einem Vorbild angefertigt hat, das Martin Hoffmann um 1690 in Leipzig geschaffen hat. Die Beschäftigung mit Falckenhagens Musik erscheint durchaus lohnenswert; sie verbindet formale Strenge mit einem Feuerwerk an melodischen Einfällen und theatralischen Effekten. Und eine gelungene, ausgewogene Einspielung ist nun hiermit auch verfügbar – meine Empfehlung!
Montag, 23. September 2013
Enchanted Forest - Anna Prohaska (Deutsche Grammophon)
„It's fascinating to see how we can use the voice to manipulate listeners' emotions, and how deeply this concept is rooted in our consciousness“, zitiert das Beiheft dieser CD die Sängerin Anna Prohaska. Die Sopranistin stellt fest, dass incantare bzw. enchanter – jemanden oder etwas verzaubern – cantare bzw. chanter, also das Wort singen, zur Wurzel hat. Zauberwesen sind, ebenso wie Verzauberte, daher immer wieder dankbare Protagonisten für Opern. Einige Beispiele dafür präsentiert Anna Prohaska hier gemeinsam mit dem auf Barockmusik spezialisierten Ensemble Arcangelo unter Jonathan Cohen.
Die starken Affekte der barocken Oper, zum Ausdruck gebracht in virtuosem Gesang, sind für Sänger, die die heutzutage übliche Aus- bildung absolviert haben, ganz offenkundig eine Herausforderung. Für die Partien jener Elfen, Nymphen und Zauberinnen bedarf es einer blitzsauberen Technik, stupender Geläufigkeit, wie sie nur durch jahrelanges, beharrliches Training zu erreichen ist – und den Mut, diese irrwitzigen Gesangsstücke dann auch noch mit Ausdruck vorzutragen.
Prohaska überzeugt mehr mit gefühlvollen, schlanken Linien als mit wilden Koloraturen; Monteverdis Lamento della ninfa und O let me weep aus Henry Purcells Fairy Queen gelingen ihr deutlich besser als Vivaldis oder Händels rasante Arien. Das Lyrische liegt ihr ohne Zweifel, und da sie obendrein blutjung ist und gut aussieht, wird ihr das Publikum zu Füßen liegen. Das kritische Ohr aber vermag diese CD nicht zu bezaubern - von „Barockrausch“ kann keine Rede sein.
Die starken Affekte der barocken Oper, zum Ausdruck gebracht in virtuosem Gesang, sind für Sänger, die die heutzutage übliche Aus- bildung absolviert haben, ganz offenkundig eine Herausforderung. Für die Partien jener Elfen, Nymphen und Zauberinnen bedarf es einer blitzsauberen Technik, stupender Geläufigkeit, wie sie nur durch jahrelanges, beharrliches Training zu erreichen ist – und den Mut, diese irrwitzigen Gesangsstücke dann auch noch mit Ausdruck vorzutragen.
Prohaska überzeugt mehr mit gefühlvollen, schlanken Linien als mit wilden Koloraturen; Monteverdis Lamento della ninfa und O let me weep aus Henry Purcells Fairy Queen gelingen ihr deutlich besser als Vivaldis oder Händels rasante Arien. Das Lyrische liegt ihr ohne Zweifel, und da sie obendrein blutjung ist und gut aussieht, wird ihr das Publikum zu Füßen liegen. Das kritische Ohr aber vermag diese CD nicht zu bezaubern - von „Barockrausch“ kann keine Rede sein.
Sonntag, 22. September 2013
Beethoven: Bagatelles; Osborne (Hyperion)
Kleine Klavierstücke – „Bagatellen oder Kleinigkeiten“, wie er sie nannte – komponierte Ludwig van Beethoven (1770 bis 1827) sein Leben lang. Er sammelte sie in einer Mappe, und publizierte sie, wie es ihm günstig erschien. So schickte er 1823 einige dieser Stücke an seinen ehemaligen Schüler Ferdinand Ries, der in London lebte, verbunden mit der klaren Weisung: „verschachern sie selbe so gut sie können“.
Bei allem Pragmatismus -in diesen kurzen Stücken steckt dennoch der ganze Beethoven. „Ein flüchtiger Blick zeigt uns elf Musikstücke von geringem Umfang; aber in ihren magischen Kreis ist Unendliches gebannt!“, schwärmte seinerzeit der Rezensent der Berliner Allgemeinen musikalischen Zeitung über die Bagatellen op. 119. „Es sind wenig musikalische Worte, aber es ist viel damit gesagt, und dieß wird jeder Eingeweihte willig glauben; denn ist Beethoven nicht überhaupt ein musikalischer Aeschylus an energischer Kürze? Uns dünken diese elf Bagatellen wahre Lebens- bildchen zu sein.“ Steven Osborne hat diese Werke sehr hörenswert für Hyperion eingespielt. Seine Interpretation ist klar strukturiert; man kann hier vieles hören, was normalerweise als Mittelstimme im Irgendwo verschwimmt. Kurz: Wer Für Elise frei von Kitsch hören möchte, der sollte zu dieser CD greifen.
Bei allem Pragmatismus -in diesen kurzen Stücken steckt dennoch der ganze Beethoven. „Ein flüchtiger Blick zeigt uns elf Musikstücke von geringem Umfang; aber in ihren magischen Kreis ist Unendliches gebannt!“, schwärmte seinerzeit der Rezensent der Berliner Allgemeinen musikalischen Zeitung über die Bagatellen op. 119. „Es sind wenig musikalische Worte, aber es ist viel damit gesagt, und dieß wird jeder Eingeweihte willig glauben; denn ist Beethoven nicht überhaupt ein musikalischer Aeschylus an energischer Kürze? Uns dünken diese elf Bagatellen wahre Lebens- bildchen zu sein.“ Steven Osborne hat diese Werke sehr hörenswert für Hyperion eingespielt. Seine Interpretation ist klar strukturiert; man kann hier vieles hören, was normalerweise als Mittelstimme im Irgendwo verschwimmt. Kurz: Wer Für Elise frei von Kitsch hören möchte, der sollte zu dieser CD greifen.
Why not? (Genuin)
„Wir wissen, was Sie denken: Warum um alles in der Welt muss man Tuba und Harfe in ein Duo packen? Wie soll denn das bitte funktionieren“, schreibt Andreas Martin Hofmeir im Beiheft zu dieser CD, die er gemeinsam mit seinem Duopartner Andreas Mildner eingespielt hat. Nun – es funktioniert so gut, dass der Tubist für seine Debüt-CD Uraufnahmen, erschienen ebenfalls bei dem Leipziger Label Genuin Classics, übernächste Woche als „Instru- mentalist des Jahres“ mit dem ECHO Klassik ausgezeichnet wird.
Auch wenn nicht alle Blütenträume reiften – „Statistisch gesehen ist nämlich die Harfe das Instrument mit dem höchsten Anteil an Spielerinnen, wenn Sie verstehen, was ich meine...“, berichtet Hofmeir über seine Motivation für die Wahl ausgerechnet dieses Duopartners – kann der Tubist eine geradezu atemberaubende Karriere vorweisen. Hofmeir studierte in Berlin, Stockholm und Hannover, und war Stipendiat der Orchesterakademien der Berliner und Münchner Philharmoniker. Er musizierte mit den Wiener Philharmonikern, dem Gewandhausorchester Leipzig, den Bamberger Symphonikern , dem Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks und dem Bayerischen Staatsorchester sowie von 2004 bis 2008 als Solotubist im Bruckner-Orchester Linz. Seit 2006 lehrt er am Mozarteum in Salzburg, wo er 2010 zum Universitätsprofessor berufen wurde.
2005 erhielt Hofmeir den Preis des Deutschen Musikwettbewerbs – als erster Tubist überhaupt. Und als Preisträger nahm er an dem Förderprojekt „Bundesauswahl Konzerte Junger Künstler“ teil. „Diese Auswahl hat zum Ziel, die besten Musiker zu verschiedenen Kammermusikformationen zusammenzuführen und bei ihren Konzerten zu unterstützen“, erläutert Hofmeir. „Erst sollte ich mit einem Posaunisten verkuppelt werden, aber der Blick auf die Liste verriet mir doch, dass dort auch vier nette Harfenistinnen geführt wurden. Und so kramte ich die alten Stücke wieder heraus und stellte den kühnen Antrag für ein Tuba-Harfen-Duo. Natürlich nicht ahnend, dass mir der einzige männliche Harfenist zugelost wurde. Wobei fairerweise gesagt werden muss, dass Herrn Mildners Schreck noch viel größer war“, meint der Tubist. Denn die beiden Musiker kannten sich bereits vom Wettbewerbsfinale, „weil irgendein Mensch mit viel Humor uns da in das gleiche Stimmzimmer gesteckt hatte, wo sich Herr Mildner mittels Konzentrationsübungen auf den Auftritt vorbereitete und ich mich mittels eines Döner Kebabs“ – wofür sich Hofmeir offensichtlich erfolgreich entschuldigt hat.
Die beiden Musiker, die kürzlich bei Genuin ihre zweite CD veröffentlicht haben, harmonieren trotz allen Gefrotzels ziemlich gut miteinander. Das gilt auch für die beiden Instrumente, die bei allen Unterschieden erstaunlich gut miteinander klingen. Man staunt insbesondere, was für sanfte Töne Andreas Martin Hofmeir dem riesigen Blasintrument entlockt, wie wandlungsfähig und nuancen- reich doch der Klang einer Tuba sein kann.
Hofmeir und Mildner stellen Originalwerke der zeitgenössischen Komponisten Jörg Duda und Gisbert Näther vor. Komplettiert wird dieses Programm durch handverlesene ältere Einzelstücke. Sehr erheiternd ist L'Apres-Midi d'une Crocodille, eine Debussy-Parodie von Quinto Maganini (1897 bis 1974). Hofmeir wagt sich an eine Fantasie, die Georg Philipp Telemann seinerzeit für Flöte solo geschrieben hat, Mildner spielt solistisch Deux Divertissements von André Caplet (18878 bis 1925). Außerdem erklingen zwei Melodien von Astor Piazzolla, und als Finale gibt’s die berühmte Méditation aus der Feder von Jules Massenet (1842 bis 1912). Wie ein solcher Geigen-Ohrwurm auf der Tuba klingt? Unbedingt reinhören – es lohnt sich!
Auch wenn nicht alle Blütenträume reiften – „Statistisch gesehen ist nämlich die Harfe das Instrument mit dem höchsten Anteil an Spielerinnen, wenn Sie verstehen, was ich meine...“, berichtet Hofmeir über seine Motivation für die Wahl ausgerechnet dieses Duopartners – kann der Tubist eine geradezu atemberaubende Karriere vorweisen. Hofmeir studierte in Berlin, Stockholm und Hannover, und war Stipendiat der Orchesterakademien der Berliner und Münchner Philharmoniker. Er musizierte mit den Wiener Philharmonikern, dem Gewandhausorchester Leipzig, den Bamberger Symphonikern , dem Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks und dem Bayerischen Staatsorchester sowie von 2004 bis 2008 als Solotubist im Bruckner-Orchester Linz. Seit 2006 lehrt er am Mozarteum in Salzburg, wo er 2010 zum Universitätsprofessor berufen wurde.
2005 erhielt Hofmeir den Preis des Deutschen Musikwettbewerbs – als erster Tubist überhaupt. Und als Preisträger nahm er an dem Förderprojekt „Bundesauswahl Konzerte Junger Künstler“ teil. „Diese Auswahl hat zum Ziel, die besten Musiker zu verschiedenen Kammermusikformationen zusammenzuführen und bei ihren Konzerten zu unterstützen“, erläutert Hofmeir. „Erst sollte ich mit einem Posaunisten verkuppelt werden, aber der Blick auf die Liste verriet mir doch, dass dort auch vier nette Harfenistinnen geführt wurden. Und so kramte ich die alten Stücke wieder heraus und stellte den kühnen Antrag für ein Tuba-Harfen-Duo. Natürlich nicht ahnend, dass mir der einzige männliche Harfenist zugelost wurde. Wobei fairerweise gesagt werden muss, dass Herrn Mildners Schreck noch viel größer war“, meint der Tubist. Denn die beiden Musiker kannten sich bereits vom Wettbewerbsfinale, „weil irgendein Mensch mit viel Humor uns da in das gleiche Stimmzimmer gesteckt hatte, wo sich Herr Mildner mittels Konzentrationsübungen auf den Auftritt vorbereitete und ich mich mittels eines Döner Kebabs“ – wofür sich Hofmeir offensichtlich erfolgreich entschuldigt hat.
Die beiden Musiker, die kürzlich bei Genuin ihre zweite CD veröffentlicht haben, harmonieren trotz allen Gefrotzels ziemlich gut miteinander. Das gilt auch für die beiden Instrumente, die bei allen Unterschieden erstaunlich gut miteinander klingen. Man staunt insbesondere, was für sanfte Töne Andreas Martin Hofmeir dem riesigen Blasintrument entlockt, wie wandlungsfähig und nuancen- reich doch der Klang einer Tuba sein kann.
Hofmeir und Mildner stellen Originalwerke der zeitgenössischen Komponisten Jörg Duda und Gisbert Näther vor. Komplettiert wird dieses Programm durch handverlesene ältere Einzelstücke. Sehr erheiternd ist L'Apres-Midi d'une Crocodille, eine Debussy-Parodie von Quinto Maganini (1897 bis 1974). Hofmeir wagt sich an eine Fantasie, die Georg Philipp Telemann seinerzeit für Flöte solo geschrieben hat, Mildner spielt solistisch Deux Divertissements von André Caplet (18878 bis 1925). Außerdem erklingen zwei Melodien von Astor Piazzolla, und als Finale gibt’s die berühmte Méditation aus der Feder von Jules Massenet (1842 bis 1912). Wie ein solcher Geigen-Ohrwurm auf der Tuba klingt? Unbedingt reinhören – es lohnt sich!
Freitag, 20. September 2013
The Virtuoso Recorder II (cpo)
Vor zwei Jahren hat Michael Schneider bei cpo bereits eine Sammlung mit virtuosen Block- flötenkonzerten des deutschen Barock vorgestellt. Nun wendet er sich Konzerten aus Italien zu – genauer gesagt aus Neapel, wo das Instrument in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts offenbar brillant gespielt wurde.
Schneider ist in Archiven und Sammlungen auf die Suche gegangen, und er konnte dort tatsächliche einige Werke aufspüren, die wirkliche Raritäten sind – beispielsweise Konzerte von Nicola Fiorenza (um 1700 bis 1764) und Francesco Mancini (1679 bis 1739), eine sehr hübsche Sonate von Giovanni Antonio Piani (1678 bis 1757), ein Concerto von Leonardo Vinci (um 1690 bis 1730), eine Cantata für Altblockflöte von Johann Adolf Hasse (1699 bis 1783) und ein Concertino des Geigenvirtuosen Giuseppe Tartini (1692 bis 1770). Einige dieser Stücke erklingen auf dieser CD in Welterst- einspielung.
Und natürlich ließ es sich Schneider nicht nehmen, auch das F-Dur-Konzert von Giuseppe Sammartini (1693 bis 1750) vorzutragen – ein richtiges, „großes“ Konzert für die Sopranblockflöte; hier kann man hören, was man mit diesem Instrument wirklich anfangen kann, wenn man es kann. Die CD enthält zudem noch ein schönes Concerto für „Flauto piccolo, 2 Violini e Violoncello“, dessen Manuskript sich in der Rostocker Universitätsbibliothek befindet, und einem „Sig. Hendl“ zugeschrieben wird. Die Händel-Forscher legen da allerdings ihr Veto ein. Wer dieses gelungene Werk tatsächlich geschrieben hat, das wird sich wohl nicht mehr sicher feststellen lassen. Schneider jedenfalls verortet es in Neapel, und musiziert gemeinsam mit der Cappella Academica Frankfurt/Main mit Leidenschaft und mit Esprit. Wenn es noch eines Beweises dafür bedurft hätte, dass Michael Schneider zu den derzeit besten Blockflötenvirtuosen der Welt gehört – hier ist er!
Schneider ist in Archiven und Sammlungen auf die Suche gegangen, und er konnte dort tatsächliche einige Werke aufspüren, die wirkliche Raritäten sind – beispielsweise Konzerte von Nicola Fiorenza (um 1700 bis 1764) und Francesco Mancini (1679 bis 1739), eine sehr hübsche Sonate von Giovanni Antonio Piani (1678 bis 1757), ein Concerto von Leonardo Vinci (um 1690 bis 1730), eine Cantata für Altblockflöte von Johann Adolf Hasse (1699 bis 1783) und ein Concertino des Geigenvirtuosen Giuseppe Tartini (1692 bis 1770). Einige dieser Stücke erklingen auf dieser CD in Welterst- einspielung.
Und natürlich ließ es sich Schneider nicht nehmen, auch das F-Dur-Konzert von Giuseppe Sammartini (1693 bis 1750) vorzutragen – ein richtiges, „großes“ Konzert für die Sopranblockflöte; hier kann man hören, was man mit diesem Instrument wirklich anfangen kann, wenn man es kann. Die CD enthält zudem noch ein schönes Concerto für „Flauto piccolo, 2 Violini e Violoncello“, dessen Manuskript sich in der Rostocker Universitätsbibliothek befindet, und einem „Sig. Hendl“ zugeschrieben wird. Die Händel-Forscher legen da allerdings ihr Veto ein. Wer dieses gelungene Werk tatsächlich geschrieben hat, das wird sich wohl nicht mehr sicher feststellen lassen. Schneider jedenfalls verortet es in Neapel, und musiziert gemeinsam mit der Cappella Academica Frankfurt/Main mit Leidenschaft und mit Esprit. Wenn es noch eines Beweises dafür bedurft hätte, dass Michael Schneider zu den derzeit besten Blockflötenvirtuosen der Welt gehört – hier ist er!
Donnerstag, 19. September 2013
Erlebach: Süße Freundschaft, edles Band (Christophorus)
„Es würde zu verwundern seyn, daß so brafe Männer ausser ihrem Vaterlande so wenig bekannt worden; wenn man nicht bedächte, daß diese ehrlichen Thüringer mit ihrem Vaterlande, und ihrem Stande so zufrieden waren, daß sie sich nicht einmal wagen wollten, weit ausser demselben ihrem Glücke nach- zugehen. Sie zogen den Beyfall der Herren, in deren Gebiete sie gebohren waren, und einer Menge treuherziger Landsleute, die sie gegenwärtig hatten, andern noch ungewissen, mit Mühe und Kosten zu suchenden Lobeserhebungen, weniger, und noch dazu vielleicht neidischer Ausländer, mit Vergnügen vor.“ Was Carl Philipp Emanuel Bach 1754 über seine Vorfahren schrieb, das trifft auch auf Kapelldirektor Philipp Heinrich Erlebach (1657 bis 1714) zu. Zwar stammte er aus Ostfriesland, doch kam er schließlich aufgrund von verwandtschaftlichen Beziehungen seines Herrscherhauses nach Rudolstadt, wo er den Rest seines Lebens verbrachte. Über seinen Lebensweg wurde in diesem Blog bereits berichtet.
Erlebach schrieb für seinen Dienstherrn eine große Anzahl von Werken; die Musikaliensammlung, die er bei seinem Tod hinterließ, umfasste mehr als 2500 eigene und fremde Kompositionen. Leider wurde diese Kollektion 1735 beim Brand des Rudolstädter Schlosses, wie ein Inventar vermeldet, „allesamt von Feuer verzehret“. Dass sich die Suche nach den wenigen überlieferten Stücken aus der Feder des Komponisten lohnt, das beweist jedoch die vorliegende CD.
Sie zeigt anhand von Werken Erlebachs, die im Druck erschienen sind, dass der Musiker von Zeitgenossen zu Recht als derjenige gerühmt wurde, „welcher unter den teutschen Componisten die meiste Satisfaction giebt und sich trefflich hervorthut“. Das Capricornus Consort Basel unter Leitung von Peter Barczi hat gemeinsam mit Miriam Feuersinger, Sopran, und Franz Vitzthum, Countertenor, eine Auswahl eingespielt, die einige Überraschungen bereithält. So hat sich der Komponist, der im Gefolge des Grafen Albert-Anton von Schwarzburg-Rudolstadt nicht weiter gereist sein dürfte als nach Wolfenbüttel oder Mühlhausen, offenbar intensiv mit dem Stil von Jean-Baptiste Lully beschäftigt. Dennoch kopiert er nicht einfach das französische Vorbild; er ergänzt es vielmehr um ganz eigene, thüringische, Elemente.
Der Zuhörer darf sich auf eine Entdeckung freuen, für die man den Musikern nicht genug danken kann. Denn es ist großartige Musik, auch wenn sie seinerzeit an einem kleinen Hof entstanden ist – handwerklich ausgesprochen versiert, sehr ausdrucksstark und zudem von einer Eleganz, die begeistert. Die Sänger und Musiker agieren solide bis brillant, die Aufnahme ist rundum gelungen.
Erlebach schrieb für seinen Dienstherrn eine große Anzahl von Werken; die Musikaliensammlung, die er bei seinem Tod hinterließ, umfasste mehr als 2500 eigene und fremde Kompositionen. Leider wurde diese Kollektion 1735 beim Brand des Rudolstädter Schlosses, wie ein Inventar vermeldet, „allesamt von Feuer verzehret“. Dass sich die Suche nach den wenigen überlieferten Stücken aus der Feder des Komponisten lohnt, das beweist jedoch die vorliegende CD.
Sie zeigt anhand von Werken Erlebachs, die im Druck erschienen sind, dass der Musiker von Zeitgenossen zu Recht als derjenige gerühmt wurde, „welcher unter den teutschen Componisten die meiste Satisfaction giebt und sich trefflich hervorthut“. Das Capricornus Consort Basel unter Leitung von Peter Barczi hat gemeinsam mit Miriam Feuersinger, Sopran, und Franz Vitzthum, Countertenor, eine Auswahl eingespielt, die einige Überraschungen bereithält. So hat sich der Komponist, der im Gefolge des Grafen Albert-Anton von Schwarzburg-Rudolstadt nicht weiter gereist sein dürfte als nach Wolfenbüttel oder Mühlhausen, offenbar intensiv mit dem Stil von Jean-Baptiste Lully beschäftigt. Dennoch kopiert er nicht einfach das französische Vorbild; er ergänzt es vielmehr um ganz eigene, thüringische, Elemente.
Der Zuhörer darf sich auf eine Entdeckung freuen, für die man den Musikern nicht genug danken kann. Denn es ist großartige Musik, auch wenn sie seinerzeit an einem kleinen Hof entstanden ist – handwerklich ausgesprochen versiert, sehr ausdrucksstark und zudem von einer Eleganz, die begeistert. Die Sänger und Musiker agieren solide bis brillant, die Aufnahme ist rundum gelungen.
Mittwoch, 18. September 2013
Richard Wagner - Arrangements for Piano (MDG)
Ist es möglich, die Musik Richard Wagners auf dem Klavier ange- messen vorzutragen? Über eine solche Frage wäre der Komponist seinerzeit wahrscheinlich sehr verwundert gewesen. Denn Klavierbearbeitungen populärer Opernmelodien waren damals üblich und weit verbreitet. Selbst berühmte Virtuosen wie Franz Liszt haben derartige Klavier- transkriptionen und Paraphrasen geschaffen und unter großem Beifall in ihren Konzerten gespielt.
„Mir erschien es jedoch eine interessante Aufgabe, einen Blick auf weitere durch das Klavier zugänglich gemachte Interpretationen von Wagners Opernszenen und -motiven zu werfen, und zwar gerade auch auf diejenigen von Wagnerianern späterer Epochen“, bekennt Severin von Eckardstein. „Es tat sich mir ungeahnt eine randvoll mit weitgehend unbeachtetem Notenmaterial gefüllte Schatzkiste auf, in der zu wühlen großen Spaß machte.“
Das Ergebnis dieser Schatzsuche präsentiert der Pianist nun auf dieser CD. Er fand beispielsweise eine höchst ansprechende Version von fünf Szenen aus dem Ring der Nibelungen, geschaffen von dem belgischen Pianisten Louis Brassin (1840 bis 1884). Von Ferruccio Busoni (1866 bis 1924) stammt eine beeindruckende Klavierbearbeitung des Trauermarsches aus Götterdämmerung. August Stradal (1860 bis 1930) widmete sich mit großem Geschick und viel Sensibilität Ver- wandlungsmusik und Karfreitagszauber aus Parsifal.
Der amerikanische Komponist Sidney Corbett (*1960) schuf eigens für diese CD Grabmal Kundry in memoriam Hans Werner Henze – mit Anklängen an Parsifal, allerdings ist dieses Werk keine Wagner-Transkription. Die Einleitung zu Tristan und Isolde hat Zoltán Kocsis (*1952) für Klavier bearbeitet, und dabei versucht, Wagners Sound möglichst originalgetreu nachzuvollziehen. Für den Pianisten dürfte dies eine enorme Herausforderung bedeuten. Auch die Version, die Moritz Moszkowski (1854 bis 1925) für Isoldens Tod ersonnen hat, ist überaus anspruchsvoll. Severin von Eckardstein überzeugt mit seiner wohlstrukturierten, farbenreichen Interpretation. Diese Aufnahme macht daher auch dem Zuhörer „großen Spaß“ - eine gelungene Gabe zum Wagner-Jubiläum.
„Mir erschien es jedoch eine interessante Aufgabe, einen Blick auf weitere durch das Klavier zugänglich gemachte Interpretationen von Wagners Opernszenen und -motiven zu werfen, und zwar gerade auch auf diejenigen von Wagnerianern späterer Epochen“, bekennt Severin von Eckardstein. „Es tat sich mir ungeahnt eine randvoll mit weitgehend unbeachtetem Notenmaterial gefüllte Schatzkiste auf, in der zu wühlen großen Spaß machte.“
Das Ergebnis dieser Schatzsuche präsentiert der Pianist nun auf dieser CD. Er fand beispielsweise eine höchst ansprechende Version von fünf Szenen aus dem Ring der Nibelungen, geschaffen von dem belgischen Pianisten Louis Brassin (1840 bis 1884). Von Ferruccio Busoni (1866 bis 1924) stammt eine beeindruckende Klavierbearbeitung des Trauermarsches aus Götterdämmerung. August Stradal (1860 bis 1930) widmete sich mit großem Geschick und viel Sensibilität Ver- wandlungsmusik und Karfreitagszauber aus Parsifal.
Der amerikanische Komponist Sidney Corbett (*1960) schuf eigens für diese CD Grabmal Kundry in memoriam Hans Werner Henze – mit Anklängen an Parsifal, allerdings ist dieses Werk keine Wagner-Transkription. Die Einleitung zu Tristan und Isolde hat Zoltán Kocsis (*1952) für Klavier bearbeitet, und dabei versucht, Wagners Sound möglichst originalgetreu nachzuvollziehen. Für den Pianisten dürfte dies eine enorme Herausforderung bedeuten. Auch die Version, die Moritz Moszkowski (1854 bis 1925) für Isoldens Tod ersonnen hat, ist überaus anspruchsvoll. Severin von Eckardstein überzeugt mit seiner wohlstrukturierten, farbenreichen Interpretation. Diese Aufnahme macht daher auch dem Zuhörer „großen Spaß“ - eine gelungene Gabe zum Wagner-Jubiläum.
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