Montag, 8. November 2021

Triptychon - Iveta Apkalna (Berlin Classics)


Einmal mehr hat Iveta Apkalna ein faszinierendes Album veröffentlicht. Nach ihrer Ersteinspielung der Orgel der Elbphilharmonie Hamburg und einer Aufnahme mit Orgelsinfonien von Charles-Marie Widor und Louis Victor Vierne, aufgezeichnet an der Doppelorgel des National Kaohsiung Center for the Arts in Taiwan – im größten Kulturzentrum Asiens befindet sich auch die größte Orgel des Kontinents, erbaut von der Orgelbauwerkstatt Klais – kombiniert die Organistin nun auf Tryptichon Musik von Pēteris Vasks, Johann Sebastian Bach und Franz Liszt. 

Damit spannt sie einen Bogen über drei Jahrhunderte und drei Konfessionen. Im Tryptichon führt sie zugleich drei musikalische Welten zusammen, die sich erheblich unterscheiden. Im Zentrum steht dabei Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750), protestantisch, Barockmensch, brillanter Organist und langjähriger Thomaskantor; seine Werke signierte er soli deo gloria. Ausgewählt hat Apkalna für diese Einspielung Toccata, Adagio und Fuge in C-Dur BWV 564, die Triosonate BWV 527 und die Schübler-Choräle BWV 645-650. 

Bach zur Seite stellt sie den lettischen Komponisten Pēteris Vasks, Jahrgang 1946, Sohn eines Baptistenpfarrers, im Glauben und in seiner Heimat zutiefst verwurzelt. „Lettland ist Pēteris Vasks und Pēteris Vasks ist Lettland“, kommentiert Iveta Apkalna. „In seiner Musik höre ich die Landschaft Lettlands, den weiten Horizont unseres flachen Landes, die Wiesen und Wälder, Vogelstimmen und das Meer.“ Pēteris Vasks ist derzeit neben Arvo Pärt der meistgespielte Komponist des Baltikums. 

Die dritte CD widmet die Organistin Franz Liszt (1811 bis 1886), Wunderkind und reisender Klaviervirtuose, in ganz Europa gefeiert, verehrt und umschwärmt. Er war katholisch, und nach vielen erfolgreichen Jahren als Kapellmeister in Weimar wandte sich Liszt im Alter verstärkt dem Glauben zu. 1865 erhielt er die niederen Weihen. Er schrieb stets auch geistliche Musik, und elf Werke für Orgel. Aus seinem Schaffen wählte Iveta Apkalna die Choralbearbeitung Nun danket alle Gott, von Liszt einst komponiert für die Einweihung der Walcker-Orgel im Dom zu Riga, Fantasie und Fuge über den Choral Ad nos, ad salutarem undam sowie Präludium und Fuge über B-A-C-H

Das Instrument, an dem Iveta Apkalna all diese doch so unterschiedlichen Komponisten spielt, befindet sich in Neubrandenburg. Dort wurde die einstige Marienkirche, im April 1945 vom Feuer zerstört, als Konzertkirche rekonstruiert und schließlich 2001 wieder eröffnet. Der Unternehmer Günther Weber stiftete dann zwei Millionen Euro und ermöglichte so den Bau einer Orgel. 

Dieses Projekt wurde durch Iveta Apkalna begleitet, und die Organistin spielte schließlich im Juli 2017 auch das erste Konzert auf dem neuen Instrument, das von Johannes Klais Orgelbau Bonn und der Karl Schuke Berliner Orgelbauwerkstatt gemeinsam errichtet worden ist. Die Orgel umfasst insgesamt 2852 Pfeifen, in vier Manualen und Pedal. Die Konzertkirche bietet dazu eine phantastische Akustik - der perfekte Ort also für Orgelvirtuosen. 

„Die Orgel klingt unglaublich warm, samtig und rund“, berichtet Iveta Apkalna. „Und sie gibt dem Organisten durch ihre klar definierten 70 Register alle Möglichkeiten, ob solo oder mit Orchester, vom Frühbarock über romantische Literatur bis hin zur Moderne. Durch den umfassenden Prozess und die intensive, freundschaftliche Zusammenarbeit mit den beiden Orgelbauern Philipp Klais und Martin Schwarz sowie dem Stifter Günther Weber ist diese Orgel wirklich zu einer persönlichen Liebesgeschichte geworden.“ Auf dieser CD ist das Instrument nun in Ersteinspielung zu hören; die geschickte Zusammenstellung des Programmes gestattet es der Organistin, die vielen Klangmöglichkeiten der Orgel durch die sehr unterschiedlichen Register mit ihren verschiedenen Farben eindrucksvoll zu demonstrieren. 

 

Donnerstag, 4. November 2021

Cello Unlimited (Deutsche Grammophon)


 Was würdest du machen, wenn du kein Musiker wärst? Für Kian Soltani, berichtet das Beiheft zu diesem Album, ist die Antwort klar: „Irgendwas mit Film und Kino!“ Denn das fasziniert den Cellisten ebenso sehr wie sein Instrument. Schon während des Studiums entdeckte er die Filmmusik für sich, und erarbeitete erste Arrangements, mit seinem Cello und dem Smartphone. 

Nach seinem Einstieg in den Konzertbetrieb hatte Soltani dazu allerdings kaum noch Zeit dafür. Das änderte sich allerdings im Jahr 2020, als das Corona-Virus alles zum Stillstand brachte. Die Zwangspause durch den Wegfall der Konzerttätigkeit nutzte der Musiker, um sich wieder dem geliebten Film zuzuwenden: „Ich wollte Regisseur, Hauptdarsteller, Nebendarsteller, Komparse und teilweise sogar Komponist sein.“ 

Im Ergebnis entstand dieses Album – und Soltani zeigt sich allen Rollen gewachsen; vor allem aber erweist er sich als ein geschickter Arrangeur und als ein Klangvisionär. Denn der Cellist spielte jede einzelne Stimme selbst. Tontechnik macht es möglich. Und selbst da, wo man Percussion hört, ist es letztendlich doch – Cello-Orchester. 

Zu hören sind Melodien aus Fluch der Karibik, Der Herr der Ringe, Agonia, Die Bourne Identität, The Da Vinci Code und Das Parfüm, und dazu zwei Kompositionen von Kian Soltani. „Alles auf diesem Album wurde ausschließlich mit dem Cello gemacht. Sein Potenzial kennt keine Grenzen. Cello Unlimited ist eine Huldigung an dieses Instrument, aber auch an die Filmmusik. Denn ihr gelingt es, Brücken zu schlagen zwischen Menschen jedes Alters, besonders aber den jungen, und der Welt der Klassik“, unterstreicht Soltani. Mit sattem Sound und den abwechslungsreichen Filmmelodien ist dieses Album interessant auch für Hörer, die mit Beethovens Klaviertrios (noch) nichts anzufangen wissen. 


Montag, 1. November 2021

Abrahám: Ball at the Savoy (Naxos)

 

Paul Abrahám (1892 bis 1960) kombinierte in seinen Operetten österreichische Tradition, zeitgenössischen Schlager, und moderne Klänge. Für seine Werke wurde der ungarische Komponist, der 1930 nach Berlin kam, vom Publikum in ganz Europa gefeiert. Doch ihm war nur eine kurze Frist beschieden: Die Uraufführung der Operette Ball im Savoy, die im Dezember 1932 stattfand, war für manche das letzte große kulturelle Ereignis der Weimarer Republik. 

Ein Orchester, das durch eine Jazz-Band ergänzt wurde, eine kesse, mitunter sogar frivole Geschichte, und dazu Helden, wie sie sich die Regenbogenpresse nicht bunter ausdenken könnte – Ball im Savoy wirkt aus heutiger Perspektive wie ein Abgesang auf die Berliner Weltoffenheit in den „goldenen“ 20er Jahren. Dann kam das Jahr 1933. Und der Zauber war vorbei. 

In jüngster Zeit sind etliche Werke aus jener Zeit, die so abrupt zu Ende ging, wieder für die Bühne entdeckt worden. Das gilt auch für Ball im Savoy. Auf dieser Doppel-CD ist eine Aufführung der Folks Operetta unter Anthony Barrese in englischer Sprache aus dem Jahre 2014 dokumentiert. Man hat viel Freude beim Anhören. Und man fragt sich, wie zeitgenössische Musik denn heute klingen würde, wenn sich seinerzeit bürgerliche Kräfte hätten behaupten können. Welch ein Verlust! 


Witches, Queens & Heroines (Perfect Noise)

 

Wenn brave Mädchen in der Barockoper vorkommen, dann sind sie entweder Opfer, oder eine Trophäe – und deshalb haben Margriet Buchberger und das Ensemble Il Giratempo für diese CD nach den „wilden“ Frauen in den Opern von Georg Friedrich Händel Ausschau gehalten. 

Lange mussten sie nicht suchen, denn Händels Opernheldinnen sind meistens Charaktere – von der Königstochter Medea über die Königin Cleopatra bis hin zur Fee Morgana oder Zauberin Alcina, die alle Männer, die auf ihrer Insel eintreffen, in Schweine verwandelt. 

Bevor diese Damen siegreich, oder zumindest geläutert, von der Bühne abtreten, bevor sie endgültig entfliehen oder gar untergehen, singen sie grandiose Arien. Denn Händel standen in seiner Company mit Faustina Bordoni und Francesca Cuzzoni gleich zwei erstklassige Sängerinnen zur Verfügung, die er mit attraktiven Rollen und hochvirtuosen Partien bei Laune halten musste. 

Virtuos singt auch Margriet Buchberger. Die Sopranistin wird vom Ensemble Il Giratempo, unter Leitung von Konzertmeisterin Zsuzanna Czentnár, schwungvoll begleitet. Leider achtet die Sängerin mehr auf das Dekorative als auf das Dramatische in der Musik. So klingen auf diesem Album alle Rollen irgendwie ähnlich. Wer eine Hexe ist, und wer eine Königin, das möchte man aber hören. Eigentlich kann ein Sänger auch deutlich machen, warum gerade an dieser Stelle jetzt genau diese atemberaubende Koloratur erklingt. In diesem Falle bleibt es ein Rätsel. Schade.