Die Musik und nur die Musik steht im Mittelpunkt des konzertanten Wagner-Zyklus, den das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und Ma- rek Janowski im November 2010 mit der Oper Der fliegende Hollän- der begonnen haben. Der Dirigent ist ganz Herr des Geschehens; er muss sich nicht mit „fachfremden“ Ideen herumplagen, wie denen eines Regisseurs. Aber es lastet damit auch die Verantwortung für das Gelingen der Einspielung sehr weitgehend auf seinen Schultern.
Das kann gutgehen – muss es aber nicht, wie der Mitschnitt der konzertanten Aufführung von Wagners Oper Tristan und Isolde vom 27. März 2012 zeigt. Es ist bislang die schwächste Aufnahme des Berliner Wagner-Zyklus.
Zwar steht Janowski für dieses Projekt die internationale Wagner-Sängerelite zur Verfügung. Doch Stephen Gould als Tristan, das ist für meine Ohren ein Totalausfall. Einen solchen Umgang mit einer Partie habe ich selbst in der tiefsten sächsischen Provinz jahrzehntelang nicht mehr erlebt.
Außerordentlich spannend besetzt sind hingegen die Isolde und die Brangäne. Nina Stemme ist eine grandiose Isolde – kein unbedarftes Königstöchterlein, sondern ziemlich handfest, und voll Leidenschaft. Ihr Sopran klingt dunkler, erfahrener, emotionaler als die Stimme ihrer Vertrauten Brangäne, die hier mit einem schlanken, hellen Timbre überrascht. Die südafrikanische Mezzosopranistin Michelle Breedts zeigt in dieser Rolle zudem, dass Wagners Wurzeln im Belcanto zu finden sind – und wie! Die beiden Damen singen zu hören, das ist ein Erlebnis. Auch Kwangchul Youn als Marke und Johan Reuter als Kurwenal sind große Klasse.
Rundfunkchor und Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin agieren mit gewohnter Präzision. Allerdings hat Janowski mit Wagners Musik diesmal so seine Probleme. Wer Klangrausch sucht und knisternde Erotik, der wird sich verwundert die Augen reiben. Denn hier wird im Detail wunderschön, aber oft auch verblüffend zügig und seltsam steif musiziert. Janowski setzt auf Struktur statt auf Glut. Spannung kann sich so nicht aufbauen.
Sonntag, 30. Juni 2013
Mahler: Symphonies 2, 4, 7 & 9 / Das Lied von der Erde; Klemperer (EMI Classics)
„Gustav Mahler empfiehlt Herrn Klemperer als einen hervorragend guten und trotz seiner Jugend schon sehr routinierten Musiker, der zur Dirigentenlaufbahn prä- destiniert ist. - Er verbürgt sich für den guten Ausfall eines Versuches mit ihm als Kapellmeister und ist gern bereit, persönlich nähere Auskunft über ihn zu erteilen.“ Die Karte mit dieser Empfehlung trug Otto Klemperer (1885 bis 1973) ein Leben lang bei sich.
Sein großes Talent fiel schon früh auf. Aus heutiger Sicht kann man sich so etwas für eine studentische Aushilfe kaum vorstellen – aber Klemperer dirigierte breits mit 21 Jahren mehr als fünfzig Mal Offenbachs Orpheus in der Unterwelt in der berühmten Inszenierung durch Max Reinhardt. 1907 spielte er dann Gustav Mahler aus einem selbst angefertigten Klavierauszug der Auferstehungssinfonie vor. Der Komponist zeigte sich begeistert – und Klemperer standen plötzlich alle Türen offen.
1933 floh er in die USA. Als er 1946 aus dem Exil zurückkehrte, konnte der Dirigent an seine frühen Erfolge nicht anknüpfen: Der maestro galt als schwierig, als unberechenbar und exzentrisch. Walter Legge gewann den 67jährigen schließlich für das Label EMI. Damit begann eine künstlerische Partnerschaft, der wir einige groß- artige Aufnahmen verdanken. Denn das Philharmonia Orchestra kam mit dem Dirigenten gut zurecht. „Seine Absicht war, die Wahrheit zu finden“, erinnert sich der Produzent. „Musikalität, Rhythmus, solider Klang, feste Tempi, genaue Notenwerte und texturelle Klarheit waren alles, was er verlangte.“
Das prägte auch Klemperers Mahler-Einspielungen. Man wisse, ur- teilte 1967 der Kritiker Ronald Crichton, was man erwarten könne: „big outlines, rock-like rhythms, structure before detail, no lingering by the wayside, no attempt to soften or blend the crystal-clear and often searing orchestration“.
Klemperers Mahler-Verehrung war jedoch höchst selektiv, wie seine Werkauswahl zeigt. An erster Stelle steht nicht nur in dieser CD-Box die Sinfonie Nr. 2, auch als Auferstehungssinfonie bekannt – hier zu hören mit Elisabeth Schwarzkopf und Hilde Rössl-Majdan. Elisabeth Schwarzkopf ist auch die Solistin in der Sinfonie Nr. 4. Die zweite CD enthält zudem eine Auswahl an Orchesterliedern in einer Aufnahme mit Christa Ludwig aus dem Jahre 1964.
Eingespielt hat Klemperer zudem 1968 Mahlers siebente und 1967 die neunte Sinfonie. Den Abschluss der Sechs-CD-Box macht Das Lied von der Erde mit Christa Ludwig und mit dem legendären Tenor Fritz Wunderlich. Allein diese Besetzung würde ausreichen, um die Auf- nahme zu einer Kostbarkeit zu machen.
Sein großes Talent fiel schon früh auf. Aus heutiger Sicht kann man sich so etwas für eine studentische Aushilfe kaum vorstellen – aber Klemperer dirigierte breits mit 21 Jahren mehr als fünfzig Mal Offenbachs Orpheus in der Unterwelt in der berühmten Inszenierung durch Max Reinhardt. 1907 spielte er dann Gustav Mahler aus einem selbst angefertigten Klavierauszug der Auferstehungssinfonie vor. Der Komponist zeigte sich begeistert – und Klemperer standen plötzlich alle Türen offen.
1933 floh er in die USA. Als er 1946 aus dem Exil zurückkehrte, konnte der Dirigent an seine frühen Erfolge nicht anknüpfen: Der maestro galt als schwierig, als unberechenbar und exzentrisch. Walter Legge gewann den 67jährigen schließlich für das Label EMI. Damit begann eine künstlerische Partnerschaft, der wir einige groß- artige Aufnahmen verdanken. Denn das Philharmonia Orchestra kam mit dem Dirigenten gut zurecht. „Seine Absicht war, die Wahrheit zu finden“, erinnert sich der Produzent. „Musikalität, Rhythmus, solider Klang, feste Tempi, genaue Notenwerte und texturelle Klarheit waren alles, was er verlangte.“
Das prägte auch Klemperers Mahler-Einspielungen. Man wisse, ur- teilte 1967 der Kritiker Ronald Crichton, was man erwarten könne: „big outlines, rock-like rhythms, structure before detail, no lingering by the wayside, no attempt to soften or blend the crystal-clear and often searing orchestration“.
Klemperers Mahler-Verehrung war jedoch höchst selektiv, wie seine Werkauswahl zeigt. An erster Stelle steht nicht nur in dieser CD-Box die Sinfonie Nr. 2, auch als Auferstehungssinfonie bekannt – hier zu hören mit Elisabeth Schwarzkopf und Hilde Rössl-Majdan. Elisabeth Schwarzkopf ist auch die Solistin in der Sinfonie Nr. 4. Die zweite CD enthält zudem eine Auswahl an Orchesterliedern in einer Aufnahme mit Christa Ludwig aus dem Jahre 1964.
Eingespielt hat Klemperer zudem 1968 Mahlers siebente und 1967 die neunte Sinfonie. Den Abschluss der Sechs-CD-Box macht Das Lied von der Erde mit Christa Ludwig und mit dem legendären Tenor Fritz Wunderlich. Allein diese Besetzung würde ausreichen, um die Auf- nahme zu einer Kostbarkeit zu machen.
Samstag, 29. Juni 2013
Vivaldi: Suonata á Solo facto per Monsieur Pisendel del Vivaldi (ERP)
Als der Geiger Johann Georg Pisendel (1687 bis 1755) von seinem Venedig-Aufenthalt nach Dresden zurückkehrte, hatte er auch zahlreiche Noten in seinem Gepäck. Darunter befanden sich mehrere Sonaten und Konzerte, die Antonio Vivaldi (1678 bis 1741) eigens für Pisendel kompo- niert hat.
Nach dem Ende der neunmona- tigen „Lehrzeit“, die Pisendel 1716/17 in Venedig absolvierte, blieben die beiden Musiker offenbar freundschaftlich verbunden. Falls Vivaldi den deutschen Geiger tatsächlich unterrichtet hat, dürfte es ohnehin mehr um Finessen des Musizierens im modernen italienischen Stil als um Geigenunterricht im eigentlichen Sinne gegangen sein; Pisendel war bereits ein berühmter Virtuose, als er nach Italien reiste.
Die sogenannten „Pisendel-Sonaten“ tragen diesem Umstand Rech- nung. Sie sind zudem nicht nur „Virtuosenfutter“, sondern auch spannende formale Experimente, in denen sich Vivaldi um die Grenzen zwischen sonata da chiesa und sonata da camera wenig schert. Diese Einspielung durch Baltic Baroque macht deutlich, dass diese Werke noch heute durchaus eine Herausforderung für profes- sionelle Geiger sind. Die vier Geiger des Ensembles haben sich in die fünf Sonaten hinein geteilt – so kommt der Zuhörer obendrein in den Genuss erstaunlich unterschiedlicher Klangfarben, bedingt durch die verschiedenen Instrumente.
Nach dem Ende der neunmona- tigen „Lehrzeit“, die Pisendel 1716/17 in Venedig absolvierte, blieben die beiden Musiker offenbar freundschaftlich verbunden. Falls Vivaldi den deutschen Geiger tatsächlich unterrichtet hat, dürfte es ohnehin mehr um Finessen des Musizierens im modernen italienischen Stil als um Geigenunterricht im eigentlichen Sinne gegangen sein; Pisendel war bereits ein berühmter Virtuose, als er nach Italien reiste.
Die sogenannten „Pisendel-Sonaten“ tragen diesem Umstand Rech- nung. Sie sind zudem nicht nur „Virtuosenfutter“, sondern auch spannende formale Experimente, in denen sich Vivaldi um die Grenzen zwischen sonata da chiesa und sonata da camera wenig schert. Diese Einspielung durch Baltic Baroque macht deutlich, dass diese Werke noch heute durchaus eine Herausforderung für profes- sionelle Geiger sind. Die vier Geiger des Ensembles haben sich in die fünf Sonaten hinein geteilt – so kommt der Zuhörer obendrein in den Genuss erstaunlich unterschiedlicher Klangfarben, bedingt durch die verschiedenen Instrumente.
Freitag, 28. Juni 2013
Bellini: Norma (Decca)
„Mir scheint, dass wir heutzutage bei der Beurteilung von Musik gerade aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer noch einem fatalen Irrtum unterliegen: Unsere Vorstellung von Interpre- tation und Klang ist geprägt von den technischen Errungenschaften und der Ästhetik des 20. Jahrhun- derts“, sagt Cecilia Bartoli. Die Sängerin hat sich intensiv mit dem Repertoire von Maria Malibran (1808 bis 1836) beschäftigt – und dabei festgestellt, dass die berühmte Mezzosopranistin viele Partien gesungen hat, die man heutzutage gänzlich anders besetzen würde.
„Im Zuge des 20. Jahrhunderts hat sich das Publikum zudem an größere Veranstaltungsorte, wachsende Orchester und an infolge- dessen immer mehr auf Lautstärke und Brillanz getrimmte Instru- mente gewöhnt. Dementsprechend wird der Klang höher, metalli- scher und schärfer“, beklagt Bartoli. Das hat erhebliche Nachteile. Denn die menschliche Stimme ist dieser Entwicklung nur sehr bedingt gewachsen. Und: „Der Sucht nach höherem Pegel und strahlendem Klang werden also die Farben und Nuancen in den unteren Berei- chen geopfert, genau diejenige Differenziertheit also, welche Musik überhaupt zum Sprechen bringt. Die Durchsichtigkeit und Schattie- rungen des Klangs, die Balance zwischen den Registern eines Klaviers aus der Chopinzeit unterscheiden sich ja deutlich von denen eines modernen Flügels“, stellt die Sängerin fest. „Genauso verändert sich die Atmosphäre, wenn das Vorspiel zu Normas ,Casta Diva' von einer frühromantischen Holztraversflöte gespielt und die Arie wie vorgeschrieben als Gebet und im geforderten Pianissimo gesungen wird.“
Wer also herausfinden will, wie ein Werk ursprünglich geklungen hat, der muss sich von gewissen Konventionen lösen. Das lohnt sich, wie diese Einspielung zeigt. Sie beruht auf einer kritischen Neuedition der Oper Norma von Vincenzo Bellini (1801 bis 1835). Dass der Musik- wissenschaftler Maurizio Biondi und der Musiker Riccardo Minasi sechs (!) Jahre lang daran gearbeitet haben, das macht deutlich, wie anspruchsvoll dieses Projekt war. Denn nach der Premiere hat Bellini das Werk noch mehrfach verändert. Biondi und Minasi haben daher durch den Vergleich mit Abschriften die verschiedenen Arbeitsstän- de, die in der Partitur dokumentiert sind, erfasst und zeitlich zuge- ordnet.
Der Hörer profitiert davon. So fand sich am Ende des ersten Aktes ein Terzetto mit einer langen Strophe für Adalgisa, Tempi wurden korri- giert, und auch der Kriegsruf der Druiden klingt hier etwas anders als gewohnt. Zu erleben ist die Oper, wie Bellini sie einst zu Papier gebracht hat – in der ursprünglichen Orchestrierung und in den Originaltonarten.
Bellini schuf die Partie der Priesterin Norma für die Mezzosopranistin Giuditta Pasta. Die Adalgisa sang in der Uraufführung die kaum weniger bekannte Giulia Grisi, die über eine hellere Sopranstimme verfügte. Diese Konstellation wurde wiederhergestellt. Und das ist ganz klar ein enormer Gewinn, zumal damit zugleich auch etliche Striche und Notlösungen entfallen, die sich daraus ergeben haben, dass die Theaterpraxis üblicherweise der Starsopranistin die Haupt- rolle zuwies – und ein Mezzo oder gar eine Altistin sang dann die Partie der Novizin.
Die Bartoli hat in der vorliegenden Studio-Aufnahme die Titelrolle übernommen, und Sumi Jo ist als Adalgisa zu hören. Der damals üblichen Praxis entsprechend, werden Wiederholungen verziert; Cecilia Bartoli ließ sich dabei erklärtermaßen von Variationen inspirieren, die von Schülerinnen Giuditta Pastas überliefert worden sind.
Die Partie des Pollione ist weit weniger heldisch besetzt, als man dies traditionell erwartet. Der Tenor von John Osborn klingt hell und relativ leicht, die Stimme ist Rossini deutlich näher als Wagner. Zu hören sind zudem Liliana Nikiteanu als Clotilde, Michele Pertusi als Orovese und Reinaldo Macias als Flavio. Das Orchestra La Scintilla musiziert auf historischen Instrumenten, und Dirigent Giovanni Antonini macht deutlich, dass Bellinis ursprüngliche Klangfarben wirklich eine Entdeckung wert sind.
Das Beiheft ist eher ein Buch, das ist selten und daher erwähnenswert. Und die beiden CD gehören in die Sammlung eines jeden Opernlieb- habers - dies ist eine überaus spannende Aufnahme, die für die Zu- kunft Maßstäbe setzt.
„Im Zuge des 20. Jahrhunderts hat sich das Publikum zudem an größere Veranstaltungsorte, wachsende Orchester und an infolge- dessen immer mehr auf Lautstärke und Brillanz getrimmte Instru- mente gewöhnt. Dementsprechend wird der Klang höher, metalli- scher und schärfer“, beklagt Bartoli. Das hat erhebliche Nachteile. Denn die menschliche Stimme ist dieser Entwicklung nur sehr bedingt gewachsen. Und: „Der Sucht nach höherem Pegel und strahlendem Klang werden also die Farben und Nuancen in den unteren Berei- chen geopfert, genau diejenige Differenziertheit also, welche Musik überhaupt zum Sprechen bringt. Die Durchsichtigkeit und Schattie- rungen des Klangs, die Balance zwischen den Registern eines Klaviers aus der Chopinzeit unterscheiden sich ja deutlich von denen eines modernen Flügels“, stellt die Sängerin fest. „Genauso verändert sich die Atmosphäre, wenn das Vorspiel zu Normas ,Casta Diva' von einer frühromantischen Holztraversflöte gespielt und die Arie wie vorgeschrieben als Gebet und im geforderten Pianissimo gesungen wird.“
Wer also herausfinden will, wie ein Werk ursprünglich geklungen hat, der muss sich von gewissen Konventionen lösen. Das lohnt sich, wie diese Einspielung zeigt. Sie beruht auf einer kritischen Neuedition der Oper Norma von Vincenzo Bellini (1801 bis 1835). Dass der Musik- wissenschaftler Maurizio Biondi und der Musiker Riccardo Minasi sechs (!) Jahre lang daran gearbeitet haben, das macht deutlich, wie anspruchsvoll dieses Projekt war. Denn nach der Premiere hat Bellini das Werk noch mehrfach verändert. Biondi und Minasi haben daher durch den Vergleich mit Abschriften die verschiedenen Arbeitsstän- de, die in der Partitur dokumentiert sind, erfasst und zeitlich zuge- ordnet.
Der Hörer profitiert davon. So fand sich am Ende des ersten Aktes ein Terzetto mit einer langen Strophe für Adalgisa, Tempi wurden korri- giert, und auch der Kriegsruf der Druiden klingt hier etwas anders als gewohnt. Zu erleben ist die Oper, wie Bellini sie einst zu Papier gebracht hat – in der ursprünglichen Orchestrierung und in den Originaltonarten.
Bellini schuf die Partie der Priesterin Norma für die Mezzosopranistin Giuditta Pasta. Die Adalgisa sang in der Uraufführung die kaum weniger bekannte Giulia Grisi, die über eine hellere Sopranstimme verfügte. Diese Konstellation wurde wiederhergestellt. Und das ist ganz klar ein enormer Gewinn, zumal damit zugleich auch etliche Striche und Notlösungen entfallen, die sich daraus ergeben haben, dass die Theaterpraxis üblicherweise der Starsopranistin die Haupt- rolle zuwies – und ein Mezzo oder gar eine Altistin sang dann die Partie der Novizin.
Die Bartoli hat in der vorliegenden Studio-Aufnahme die Titelrolle übernommen, und Sumi Jo ist als Adalgisa zu hören. Der damals üblichen Praxis entsprechend, werden Wiederholungen verziert; Cecilia Bartoli ließ sich dabei erklärtermaßen von Variationen inspirieren, die von Schülerinnen Giuditta Pastas überliefert worden sind.
Die Partie des Pollione ist weit weniger heldisch besetzt, als man dies traditionell erwartet. Der Tenor von John Osborn klingt hell und relativ leicht, die Stimme ist Rossini deutlich näher als Wagner. Zu hören sind zudem Liliana Nikiteanu als Clotilde, Michele Pertusi als Orovese und Reinaldo Macias als Flavio. Das Orchestra La Scintilla musiziert auf historischen Instrumenten, und Dirigent Giovanni Antonini macht deutlich, dass Bellinis ursprüngliche Klangfarben wirklich eine Entdeckung wert sind.
Das Beiheft ist eher ein Buch, das ist selten und daher erwähnenswert. Und die beiden CD gehören in die Sammlung eines jeden Opernlieb- habers - dies ist eine überaus spannende Aufnahme, die für die Zu- kunft Maßstäbe setzt.
Donnerstag, 27. Juni 2013
Vivaldi Violin Sonatas (ERP)
Das Werk von Antonio Vivaldi (1678 bis 1741) ist sehr umfang- reich. Noch immer finden sich in Archiven Abschriften mit neuen Stücken oder zumindest bislang unbekannten Versionen. Und die Violinsonaten des Komponisten wurden, anders als seine Konzerte, bislang offenbar wenig beachtet.
So ist es zu erklären, dass das Ensemble Baltic Baroque nun gleich eine ganze CD mit Vivaldi-Weltersteinspielungen vorlegen konnte. Etliches davon kommt einem freilich bekannt vor; es klingt vertraut, und ob „Il Prete Rosso“ tatsächlich der Urheber all dieser Werke war, darum sollen sich Musikwissenschaftler streiten. Der Hörer darf sich auf anspruchsvolle Barockmusik freuen, von Baltic Baroque unter Leitung von Grigori Maltizov stilgerecht vorgetragen – und mit einer gehörigen Portion Spielfreude und Temperament.
So ist es zu erklären, dass das Ensemble Baltic Baroque nun gleich eine ganze CD mit Vivaldi-Weltersteinspielungen vorlegen konnte. Etliches davon kommt einem freilich bekannt vor; es klingt vertraut, und ob „Il Prete Rosso“ tatsächlich der Urheber all dieser Werke war, darum sollen sich Musikwissenschaftler streiten. Der Hörer darf sich auf anspruchsvolle Barockmusik freuen, von Baltic Baroque unter Leitung von Grigori Maltizov stilgerecht vorgetragen – und mit einer gehörigen Portion Spielfreude und Temperament.
La Carte de Tendre (Musicaphon)
„Wenn man sich an dem Ort, an dem man weilt, gut unterhält, braucht man das Vergnügen nicht anderswo zu suchen“, schrieb Madeleine de Scudéry (1607 bis 1701) in ihrem galanten Roman Clélie. Sie notierte dies natürlich auf Französisch, und sie hatte zudem die geniale Idee, ihre Heldin eine Carte de Tendre zeichnen zu lassen – eine Karte der Zärtlichkeit. Das machte ihr Buch zum Best- seller, wie man heute wohl sagen würde.
Diese Karte zeigt den Weg in ein Reich der kultivierten Liebe, frei von niedrigen Trieben und vor allem frei von Leidenschaft, die durch einen Gleichklang der Seelen abgelöst wird. „La carte de Tendre als Abbild der Bedeutung, die der detaillierten Beschäftigung mit den Gefühlen und der Liebe im besonderen zugemessen wurde, findet ihr Pendant in den unzähligen und höchst differenzierten Satzbezeich- nungen der Musik am Hofe von Versailles“, berichtet Ulrike Volk- hardt im Beiheft zu dieser CD. Die Blockflötistin hat gemeinsam mit Ann Morgan, Cembalo, Musik aus der Zeit Ludwigs XIV. eingespielt. Dafür stellte Professor Andreas Beurmann ein ausgesprochen klangschönes, originales Ruckers-Cembalo aus seiner Sammlung zur Verfügung. Wer gern Blockflötenmusik hört, der wird sich durch dieses anspruchsvolle bis virtuose Programm gut unterhalten fühlen.
Diese Karte zeigt den Weg in ein Reich der kultivierten Liebe, frei von niedrigen Trieben und vor allem frei von Leidenschaft, die durch einen Gleichklang der Seelen abgelöst wird. „La carte de Tendre als Abbild der Bedeutung, die der detaillierten Beschäftigung mit den Gefühlen und der Liebe im besonderen zugemessen wurde, findet ihr Pendant in den unzähligen und höchst differenzierten Satzbezeich- nungen der Musik am Hofe von Versailles“, berichtet Ulrike Volk- hardt im Beiheft zu dieser CD. Die Blockflötistin hat gemeinsam mit Ann Morgan, Cembalo, Musik aus der Zeit Ludwigs XIV. eingespielt. Dafür stellte Professor Andreas Beurmann ein ausgesprochen klangschönes, originales Ruckers-Cembalo aus seiner Sammlung zur Verfügung. Wer gern Blockflötenmusik hört, der wird sich durch dieses anspruchsvolle bis virtuose Programm gut unterhalten fühlen.
Dienstag, 25. Juni 2013
Vivaldi: Le Quattro Stagioni - La Follia (Coviello Classics)
Mit über hundert Einspielungen im Katalog gehören Vivaldis Vier Jahreszeiten zu den beliebtesten Werken der „klassischen“ Musik überhaupt. Warum also noch eine weitere Aufnahme auf den Markt bringen?
„Der Schwerpunkt unseres Ansat- zes liegt also auf dem Erzählenden, auf Basis unseres Wissens um historische Aufführungspraxis, ergänzt um ein freies, intuitives Klangempfinden und Gesanglich- keit“, begründet Daniel Sepec im Beiheft, warum er gemeinsam mit der Deutschen Kammerphilhar- monie Bremen dennoch eine eigene Version vorstellt. Der Geiger, der für seine Interpretation von Bibers Rosenkranzsonaten bereits den Jahrespreis der deutschen Schallplattenkritik erhalten hat, setzt auf Klangbilder. So sollen Harfe, Cembalo und Laute im langsamen Satz des Konzertes L'Autunno einen „vernebelten Klang“ erzeugen, denn die Dorfbewohner liegen alkoholisiert herum. Der Betrunkene im ersten Satz wird durch unrhythmisches Spiel vorgeführt. Wer freilich die Geschichte kennt, die Vivaldi in seiner Musik erzählt, der kann leicht zu der Meinung gelangen, dass hier mitunter überzeichnet wird.
Die Einspielung hat allerdings durchaus auch interessante Aspekte. Denn Sepec verwendet nicht die übliche, 1725 in Amsterdam im Druck erschienene Version als Quelle, sondern eine Fassung, die sich im sogenannten Manchester-Manuskript findet. Spannend ist diese Variante, weil sie offenbar älter ist als der Druck – und weil sie in etlichen Details abweicht. Insgesamt wirkt diese Version farbiger, runder, fertiger; das macht diese Aufnahme sehr reizvoll.
Auch die Zugabe wird dem Hörer Freude bereiten: Sepec spielt ge- meinsam mit Florian Donderer La Follia, eine nicht ganz brave Sonate für zwei Violinen und Basso continuo. Um den Charakter dieses Werkes – Follia bedeutet soviel wie Verrücktheit oder Wahn- sinn – hervorzuheben, haben die Musiker das Continuo verstärkt, und Schlagwerk hinzugefügt. Das passt sehr schön, aber es reicht letzten Endes doch nicht ganz bis zur Ekstase.
„Der Schwerpunkt unseres Ansat- zes liegt also auf dem Erzählenden, auf Basis unseres Wissens um historische Aufführungspraxis, ergänzt um ein freies, intuitives Klangempfinden und Gesanglich- keit“, begründet Daniel Sepec im Beiheft, warum er gemeinsam mit der Deutschen Kammerphilhar- monie Bremen dennoch eine eigene Version vorstellt. Der Geiger, der für seine Interpretation von Bibers Rosenkranzsonaten bereits den Jahrespreis der deutschen Schallplattenkritik erhalten hat, setzt auf Klangbilder. So sollen Harfe, Cembalo und Laute im langsamen Satz des Konzertes L'Autunno einen „vernebelten Klang“ erzeugen, denn die Dorfbewohner liegen alkoholisiert herum. Der Betrunkene im ersten Satz wird durch unrhythmisches Spiel vorgeführt. Wer freilich die Geschichte kennt, die Vivaldi in seiner Musik erzählt, der kann leicht zu der Meinung gelangen, dass hier mitunter überzeichnet wird.
Die Einspielung hat allerdings durchaus auch interessante Aspekte. Denn Sepec verwendet nicht die übliche, 1725 in Amsterdam im Druck erschienene Version als Quelle, sondern eine Fassung, die sich im sogenannten Manchester-Manuskript findet. Spannend ist diese Variante, weil sie offenbar älter ist als der Druck – und weil sie in etlichen Details abweicht. Insgesamt wirkt diese Version farbiger, runder, fertiger; das macht diese Aufnahme sehr reizvoll.
Auch die Zugabe wird dem Hörer Freude bereiten: Sepec spielt ge- meinsam mit Florian Donderer La Follia, eine nicht ganz brave Sonate für zwei Violinen und Basso continuo. Um den Charakter dieses Werkes – Follia bedeutet soviel wie Verrücktheit oder Wahn- sinn – hervorzuheben, haben die Musiker das Continuo verstärkt, und Schlagwerk hinzugefügt. Das passt sehr schön, aber es reicht letzten Endes doch nicht ganz bis zur Ekstase.
Glenn Gould plays Bach (Idis)
Der kanadische Pianist Glenn Gould (1932 bis 1982) wurde durch seine Einspielung der Goldberg-Varia- tionen für Columbia Records im Jahre 1955 berühmt. Er ging nur einige Jahre auf Konzertreisen; dann zog sich der Musiker, der als exzentrisch galt, ins Studio zurück. Das Label Idis hat nun Konzertmit- schnitte aus den 50er und 60er Jahren auf zwei CD vorgelegt, bei denen Gould mit Werken Bachs zu hören ist.
Der Pianist spielt auch hier Bachs Musik geradezu mathematisch exakt, ausgesprochen rhythmusbetont und strikt kontrapunktisch – wobei ihm das Kunststück gelingt, mit- unter jeder Stimme eine andere Klangfarbe zu geben. Gern überrascht der Pianist zudem durch das gewählte Tempo.
Das ist, wenn man so will, die auf die Spitze und in die Konsequenz ge- triebene spätromantische Version des Musizierens, die dem Musiker, zumal dem Solisten, sehr weitreichende Spielräume für eine individu- elle Interpretation zugesteht. Gould jedenfalls scheut Extreme nicht, was gelegentlich zu verblüffenden Klangeffekten führt. So wirkt sein Spiel mitunter, als imitierte Gould ein Cembalo. Manchmal hört man den Pianisten mitsingen, was nicht besonders bereichert. Aber wer einen Künstler diesen Formats erleben will, der muss auch seine Marotten hinnehmen.
Der Pianist spielt auch hier Bachs Musik geradezu mathematisch exakt, ausgesprochen rhythmusbetont und strikt kontrapunktisch – wobei ihm das Kunststück gelingt, mit- unter jeder Stimme eine andere Klangfarbe zu geben. Gern überrascht der Pianist zudem durch das gewählte Tempo.
Das ist, wenn man so will, die auf die Spitze und in die Konsequenz ge- triebene spätromantische Version des Musizierens, die dem Musiker, zumal dem Solisten, sehr weitreichende Spielräume für eine individu- elle Interpretation zugesteht. Gould jedenfalls scheut Extreme nicht, was gelegentlich zu verblüffenden Klangeffekten führt. So wirkt sein Spiel mitunter, als imitierte Gould ein Cembalo. Manchmal hört man den Pianisten mitsingen, was nicht besonders bereichert. Aber wer einen Künstler diesen Formats erleben will, der muss auch seine Marotten hinnehmen.
Písne a tance barokní (Supraphon)
Berühmte Musiker stammen aus Böhmen – die Namensliste ist lang, und sie reicht zudem über mehrere Jahrhunderte. Diese CD nun ver- weist auf die Quellen, aus denen sich dieser kreative Strom gespeist hat. Das Ensemble Musica Bohe- mica brilliert mit Volksmusik aus Böhmen.
Die beiden CD enthalten Musik aus bedeutenden Sammlungen – eine davon ließ die Regierung des „Vielvölkerstaates“ Österreich-Ungarn 1818 zusammentragen. Sie wurde auch eine Quelle für die Edition tschechischer Volkslieder, die Jan Ritter von Rittersberg 1825 veröffentlichte. Der Geiger Ondrej Hulka (1752 bis 1806) notierte traditionelle Melodien aus der Umge- bung von Ceské Budejovice, wie er sie selbst ein Leben lang gespielt hat. Die Stücke, die Musica Bohemica vorstellt, stammen aus diesen und weiteren Editionen.
Die Musiker um Jaroslav Krcek präsentieren die Lieder und Tanzwei- sen in umfangreicher Besetzung, was reichlich Gelegenheit zum Spiel mit Klangfarben und dem Hörer zudem Abwechslung bietet. Zwar setzt Krcek dabei auch „moderne“ Instrumente ein. Dennoch vermei- det er allzu glatte, romantisierende Arrangements und versucht, den Charakter der alten Stücke zu unterstreichen – mit den musikalischen Mitteln von heute, denn wie die Melodien einst tatsächlich geklungen haben, das lässt sich ohnehin nicht mehr sicher rekonstruieren.
Die beiden CD enthalten Musik aus bedeutenden Sammlungen – eine davon ließ die Regierung des „Vielvölkerstaates“ Österreich-Ungarn 1818 zusammentragen. Sie wurde auch eine Quelle für die Edition tschechischer Volkslieder, die Jan Ritter von Rittersberg 1825 veröffentlichte. Der Geiger Ondrej Hulka (1752 bis 1806) notierte traditionelle Melodien aus der Umge- bung von Ceské Budejovice, wie er sie selbst ein Leben lang gespielt hat. Die Stücke, die Musica Bohemica vorstellt, stammen aus diesen und weiteren Editionen.
Die Musiker um Jaroslav Krcek präsentieren die Lieder und Tanzwei- sen in umfangreicher Besetzung, was reichlich Gelegenheit zum Spiel mit Klangfarben und dem Hörer zudem Abwechslung bietet. Zwar setzt Krcek dabei auch „moderne“ Instrumente ein. Dennoch vermei- det er allzu glatte, romantisierende Arrangements und versucht, den Charakter der alten Stücke zu unterstreichen – mit den musikalischen Mitteln von heute, denn wie die Melodien einst tatsächlich geklungen haben, das lässt sich ohnehin nicht mehr sicher rekonstruieren.
Freitag, 21. Juni 2013
de Visée: Livres de Pièces pour la Guittarre (Brilliant Classics)
„Eine CD aufzunehmen mit einem Instrument, das mindestens
200 Jahre lang nicht gespielt worden ist (…), das ist eine Herausforderung“, meint Krishna- sol Jiménez. Der Gitarrist, der in Mexiko geboren wurde und heute unter anderem in Basel lehrt, hat sie gern angenommen - denn das Instrument, das ihm dafür zur Verfügung stand, das war nicht irgendeines: Die sogenannte Sabionari-Gitarre hat Antonio Stradivari im Jahre 1679 ange- fertigt. Das Instrument ist eine Rarität, denn es sind nur fünf Gitarren aus der Werkstatt des berühmten Instrumentenbauers erhalten.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Sabionari-Gitarre von einer fünfchörigen Barockgitarre zu einem sechssaitigen Instrument umgebaut. 2011 entschied sich der Eigentümer, die Sabionari-Gitarre restaurieren und dabei möglichst die ursprüngliche Konfiguration wiederherzustellen zu lassen. Die französischen Spezialisten Sinier de Ridder erhielten zudem den Auftrag, die Sabionari-Gitarre in einen Zustand zu bringen, in dem sie gespielt werden kann. Das macht diese Gitarre doppelt wertvoll, denn keine andere Gitarre Stradivaris ist in einem derart guten Zustand.
Auf dieser CD ist das Instrument nach seiner erfolgreichen Restau- rierung erstmals zu hören. Jiménez spielt darauf vier Suiten aus den Livres de Pièces pour la Guittarre von Robert de Visée (1655 bis 1733). Und der Klang ist in der Tat ein ganz besonderes Erlebnis. Man höre nur die Suite in Fis-Dur „accord nouveau“, bei der die Gitarre in Skordatur einen Halbton tiefer gestimmt wurde. Dies stellt das war- me, dunkle Timbre des Instrumentes noch stärker heraus.
200 Jahre lang nicht gespielt worden ist (…), das ist eine Herausforderung“, meint Krishna- sol Jiménez. Der Gitarrist, der in Mexiko geboren wurde und heute unter anderem in Basel lehrt, hat sie gern angenommen - denn das Instrument, das ihm dafür zur Verfügung stand, das war nicht irgendeines: Die sogenannte Sabionari-Gitarre hat Antonio Stradivari im Jahre 1679 ange- fertigt. Das Instrument ist eine Rarität, denn es sind nur fünf Gitarren aus der Werkstatt des berühmten Instrumentenbauers erhalten.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Sabionari-Gitarre von einer fünfchörigen Barockgitarre zu einem sechssaitigen Instrument umgebaut. 2011 entschied sich der Eigentümer, die Sabionari-Gitarre restaurieren und dabei möglichst die ursprüngliche Konfiguration wiederherzustellen zu lassen. Die französischen Spezialisten Sinier de Ridder erhielten zudem den Auftrag, die Sabionari-Gitarre in einen Zustand zu bringen, in dem sie gespielt werden kann. Das macht diese Gitarre doppelt wertvoll, denn keine andere Gitarre Stradivaris ist in einem derart guten Zustand.
Auf dieser CD ist das Instrument nach seiner erfolgreichen Restau- rierung erstmals zu hören. Jiménez spielt darauf vier Suiten aus den Livres de Pièces pour la Guittarre von Robert de Visée (1655 bis 1733). Und der Klang ist in der Tat ein ganz besonderes Erlebnis. Man höre nur die Suite in Fis-Dur „accord nouveau“, bei der die Gitarre in Skordatur einen Halbton tiefer gestimmt wurde. Dies stellt das war- me, dunkle Timbre des Instrumentes noch stärker heraus.
Donnerstag, 20. Juni 2013
Telemann: Johannes-Passion
Er habe „allemal die Kirchen-Mu- sic am meisten werth geschätzet“, schrieb Georg Philipp Telemann (1681 bis 1767) in seiner Auto- biographie 1718, und „am meisten in andern Autoribus ihretwegen geforschet“. Das gilt nicht zuletzt für seine Passionsmusiken. Sie waren von dem Komponisten, der seit 1721 das Amt des Cantor Johannei und Director musices in Hamburg innehatte, alljährlich neu zu schreiben, und erklangen dann reihum in den wichtigsten Kirchen der Hansestadt. Es war zudem üblich, dass dafür im Wechsel die Evangelien nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes als Text- grundlage genutzt wurden.
46 oratorische Passionen hat Telemann in seinen Hamburger Jahren komponiert; davon sind 22 überliefert. Der Kammerchor der Biede- ritzer Kantorei eröffnet den Biederitzer Musiksommer traditionell mit einem dieser Werke. Was lag also näher, als diesen Klangkörper, der im Jerichower Land vor den Toren Magdeburgs 1989 von Kantor Michael Scholl gegründet wurde, einzuladen, auch zu den Telemann-Festtagen zu singen.
In einem Konzert 2010 im Kloster Unser Lieben Frauen zu Magde- burg hat das Ensemble Telemanns Johannes-Passion aus dem Jahre 1733 vorgestellt. Sie zeugt vom Einfallsreichtum des Komponisten, der in die Passionserzählung in diesem Falle auch Texte aus dem Alten Testament eingebunden hat.
Der Kammerchor der Biederitzer Kantorei musizierte unter Leitung von Michael Scholl gemeinsam mit der Cammermusik Potsdam sowie Grit Wagner, Cornelia Diebschlag, Ulrike Mayer, Michael Zabanoff, Matthias Vieweg, Thomas Fröb und Florian Götz. Der sehr hörens- werte Mitschnitt dieses Konzertes ist nun bei dem Label Amati erschienen. Man kann es kaum glauben, aber dies ist erneut eine Ersteinspielung – und das Werk Telemanns verheißt, nicht zuletzt aufgrund seines puren Umfangs, sicher auch für die Zukunft so manche Entdeckung.
46 oratorische Passionen hat Telemann in seinen Hamburger Jahren komponiert; davon sind 22 überliefert. Der Kammerchor der Biede- ritzer Kantorei eröffnet den Biederitzer Musiksommer traditionell mit einem dieser Werke. Was lag also näher, als diesen Klangkörper, der im Jerichower Land vor den Toren Magdeburgs 1989 von Kantor Michael Scholl gegründet wurde, einzuladen, auch zu den Telemann-Festtagen zu singen.
In einem Konzert 2010 im Kloster Unser Lieben Frauen zu Magde- burg hat das Ensemble Telemanns Johannes-Passion aus dem Jahre 1733 vorgestellt. Sie zeugt vom Einfallsreichtum des Komponisten, der in die Passionserzählung in diesem Falle auch Texte aus dem Alten Testament eingebunden hat.
Der Kammerchor der Biederitzer Kantorei musizierte unter Leitung von Michael Scholl gemeinsam mit der Cammermusik Potsdam sowie Grit Wagner, Cornelia Diebschlag, Ulrike Mayer, Michael Zabanoff, Matthias Vieweg, Thomas Fröb und Florian Götz. Der sehr hörens- werte Mitschnitt dieses Konzertes ist nun bei dem Label Amati erschienen. Man kann es kaum glauben, aber dies ist erneut eine Ersteinspielung – und das Werk Telemanns verheißt, nicht zuletzt aufgrund seines puren Umfangs, sicher auch für die Zukunft so manche Entdeckung.
Mittwoch, 19. Juni 2013
Rossini: Péchés de vieillesse (Naxos)
Nach seiner Einspielung des Gradus ad Parnassum von Muzio Clementi hat sich der italienische Pianist Alessandro Marangoni jetzt bei Naxos einem weiteren bedeu- tenden Zyklus zugewandt, der ebenso selten im Konzert zu hören ist. Gioachino Rossini (1792 bis 1868) schrieb auch nach seinem Rückzug aus dem Operngeschäft weiter Musikstücke. Zusammen- gefasst wurden sie unter dem Titel Péchés de vieillesse, „Sünden des Alters“. Diese Sammlung seiner späten Werke umfasst immerhin 14 Bände; sie enthält Kammermusik ebenso wie diverse Werke für Gesang, und etliche Klavierstücke.
Auf der vorliegenden CD hat Marangoni den Band zwölf daraus ein- gespielt, vom Komponisten überschrieben Quelques riens pour album. Es sind 24 Stücke, und schon diese Zahl lässt erahnen, dass es sich keinesfalls um Nichtigkeiten handelt. Allerdings hat Rossini, an- ders als Bach und Chopin, die er sehr verehrte, keinen geschlossenen Zyklus aufgebaut.
Das heißt allerdings nicht, dass es sich bei den „riens“ um pianistische Hausmannskost handelt. Rossini tafelt auf, mit einer großen Portion Humor und der gewohnten Raffinesse auch bei Zwischengängen. Dabei stellen etliche seiner Werke auch gehobene technische Anfor- derungen; mitunter hat man gar den Eindruck, dass der maestro die Absicht hatte, das Virtuosentum seiner Zeit zu parodieren.
Marangoni präsentiert diese musikalischen Späße mit Witz und mit Können. Dabei nimmt er Rossini ernst; er überzeichnet nicht und überrascht mitunter mit Klängen, die an Chopin erinnern. Sehr hö- renswert! Auf die Fortsetzung darf man gespannt sein.
Auf der vorliegenden CD hat Marangoni den Band zwölf daraus ein- gespielt, vom Komponisten überschrieben Quelques riens pour album. Es sind 24 Stücke, und schon diese Zahl lässt erahnen, dass es sich keinesfalls um Nichtigkeiten handelt. Allerdings hat Rossini, an- ders als Bach und Chopin, die er sehr verehrte, keinen geschlossenen Zyklus aufgebaut.
Das heißt allerdings nicht, dass es sich bei den „riens“ um pianistische Hausmannskost handelt. Rossini tafelt auf, mit einer großen Portion Humor und der gewohnten Raffinesse auch bei Zwischengängen. Dabei stellen etliche seiner Werke auch gehobene technische Anfor- derungen; mitunter hat man gar den Eindruck, dass der maestro die Absicht hatte, das Virtuosentum seiner Zeit zu parodieren.
Marangoni präsentiert diese musikalischen Späße mit Witz und mit Können. Dabei nimmt er Rossini ernst; er überzeichnet nicht und überrascht mitunter mit Klängen, die an Chopin erinnern. Sehr hö- renswert! Auf die Fortsetzung darf man gespannt sein.
Rameau in Caracas (Paraty)
Für dieses Programm haben sich die Solisten des Simón Bolívar Symphony Orchestra of Venezuela den Cembalisten Bruno Procopio eingeladen. Und obwohl sie auf modernen Instrumenten musizieren, und die Besetzung so manches europäische Sinfonieorchester schlank aussehen lässt, hat „Rameau in Caracas“ eine verblüffende Ausstrah- lung.
„J’ai surtout voulu susciter la curiosité des musiciens de l'Orchestre pour une musique vers laquelle ils ne se seraient pas tournés spon- tanément ; je souhaitais aussi me confronter à un orchestre qui n'avait pas eu l'opportunité d'aborder la musique baroque française, afin de construire une identité musicale à partir de zéro“, erläutert Procopio. „J'ai pu ainsi concrétiser toute la vision que j'ai de cette musique et j'ai trouvé un terrain d'accueil dépourvu d'a priori.“
Der brasilianische Cembalist, der am Conservatoire National Supe- rieur de musique et danse de Paris bei Christophe Rousset und bei Pierre Hantai studiert hat, hat erkannt, dass die venezolanischen Musiker Tänze sozusagen im Blut haben. Und er hat dies zur Grund- lage des Projektes gemacht – eine kluge Entscheidung. So elegant und zugleich rhythmusbetont, leidenschaftlich und zugleich beschwingt habe ich jedenfalls Rameau noch nie gehört.
Die Beteiligten bedauern allerdings, dass nicht alle Orchestermit- glieder mitspielen konnten: „Una música hermosa e interpretada con pasión y conocimiento de causa es necesariamente bien acogida por parte del público. Sin duda, somos apreciados gracias al importante espacio sinfónico que ocupamos en la escena international, pero llevar a cabo proyectos en formación reducida nos aporta una mayor precisión musical y también nos proporciona una ocasión extraordinaria para enriquecer nuestra paleta artística.“
Dienstag, 18. Juni 2013
Fauré: Requiem (Virgin Classics)
Glaubt man Gabriel Fauré (1845 bis 1924), dann waren es ziemlich weltliche Gründe, die ihn beweg- ten, ein Requiem zu schreiben. „Voilà si longtemps que j'accom- pagne à l'orgue des services d'enterrements! J'en ai pardessus la tete. J'ai voulu faire autre chose“, meinte er im Jahre 1902. Der Komponist, der zunächst das Amt des Chorleiters inne gehabt hatte, wirkte seit 1896 als Organist an der Pfarrkirche Sainte-Marie-Madeleine in Paris.
Erklungen ist Faurés Requiem zum ersten Male 1888 anlässlich der Trauerfeier für einen Architekten. Das Werk bestand zunächst aus fünf Sätzen – Introitus/Kyrie, Sanctus, Pie Jesu, Agnus Dei und In Para- disum. Begleitet wurden die Knaben und jungen Männer der Kantorei seinerzeit durch ein paar Streicher, Harfe, Pauken und Orgel.
In den späteren Jahren hat Fauré das Werk mehrfach ergänzt und überarbeitet. Hier ist es nun in der Version zu hören, die schließlich veröffentlicht wurde – und die 1901 anlässlich der Weltausstellung im Palais du Trocadéro aufgeführt worden ist, mit einem üppigen Orche- ster, Orgel, Chor, sieben Sätzen und zwei Solisten. Den Solopart übernahmen Philippe Jaroussky und Matthias Goerne.
Ergänzt wird das Programm durch den Cantique de Jean Racine, die berühmte Elégie op. 24 für Cello und Orchester – Solist ist Eric Picard – die nicht minder berühmte Pavane sowie Super flumina Babylonis, ein selten gespieltes Frühwerk. Der Choeur de l'Orchestre de Paris und das Orchestre de Paris musizieren unter Paavo Järvi; erfreut stellt man fest, dass sich bei dieser Aufnahme estnischer Tiefgang und fran- zösische Eleganz auf das glücklichste vereint finden. Jaroussky singt wie ein Engel, und auch Goerne lauscht man hier gern.
Erklungen ist Faurés Requiem zum ersten Male 1888 anlässlich der Trauerfeier für einen Architekten. Das Werk bestand zunächst aus fünf Sätzen – Introitus/Kyrie, Sanctus, Pie Jesu, Agnus Dei und In Para- disum. Begleitet wurden die Knaben und jungen Männer der Kantorei seinerzeit durch ein paar Streicher, Harfe, Pauken und Orgel.
In den späteren Jahren hat Fauré das Werk mehrfach ergänzt und überarbeitet. Hier ist es nun in der Version zu hören, die schließlich veröffentlicht wurde – und die 1901 anlässlich der Weltausstellung im Palais du Trocadéro aufgeführt worden ist, mit einem üppigen Orche- ster, Orgel, Chor, sieben Sätzen und zwei Solisten. Den Solopart übernahmen Philippe Jaroussky und Matthias Goerne.
Ergänzt wird das Programm durch den Cantique de Jean Racine, die berühmte Elégie op. 24 für Cello und Orchester – Solist ist Eric Picard – die nicht minder berühmte Pavane sowie Super flumina Babylonis, ein selten gespieltes Frühwerk. Der Choeur de l'Orchestre de Paris und das Orchestre de Paris musizieren unter Paavo Järvi; erfreut stellt man fest, dass sich bei dieser Aufnahme estnischer Tiefgang und fran- zösische Eleganz auf das glücklichste vereint finden. Jaroussky singt wie ein Engel, und auch Goerne lauscht man hier gern.
Sonntag, 16. Juni 2013
Kuhlau: Grandes Sonates (Fra Bernardo)
Das Label Fra Bernardo will einerseits jungen Künstlern und Ensembles die Möglichkeit geben, sich international zu präsentieren. Anderseits will Bernhard Drobig, der Gründer des Labels, aber auch Repertoirelücken schließen – und da gibt es im Bereich der „Alten“ Musik, auf den sich Fra Bernardo konzentriert, in der Tat noch viel zu entdecken.
Ein Beispiel dafür ist das Werk von Friedrich Daniel Rudolph Kuhlau (1786 bis 1832). Der Musiker, geboren in Uelzen, flüchtete 1810 nach Dänemark, um nicht in Napoleons Truppen dienen zu müssen. Im dänischen Musikleben fand Kuhlau schließlich seinen Platz; so gilt er als einer der Väter der dänischen Oper.
Sein eigentliches Instrument aber war die Flöte. So komponierte er insgesamt sieben Sonaten für Flöte und Klavier. Drei davon sind auf dieser CD zu hören. Das Duo Les Fidelles – es besteht aus Charles Zebley, Flöte, und Linda Nicholson am Klavier – beweist, dass die Flötenmusik der Frühromantik durchaus Attraktives zu bieten hat. Klanglich faszinierend ist diese CD aber nicht nur aufgrund der musikalischen Klasse der beiden Interpreten.
Der verwendete Flügel wurde von dem Wiener Klavierbauer Conrad Graf um 1828 angefertigt. Das Instrument weist allerlei Finessen auf; so hat es fünf Pedale mit teilweise kuriosen Funktionen: „Una corda; Fagott – hier wird ein Pergamentstreifen an die Saiten geführt und dadurch eine schnarrende Klangfarbe erzeugt; Fortepedal; Modera- tor – hier schiebt sich ein Filzstreifen zwischen Hämmer und Saiten, um einen gedämpften Klang zu erreichen; Trommel/Glocken – hier setzt das Pedal einen Mechanismus in Bewegung, der bei leichtem Drücken einige Glocken anschlägt“, zählt Nicholson auf: „Bei festem Drücken schlägt zusätzlich noch ein Trommelschlägel auf den Reso- nanzboden.“
Ein Beispiel dafür ist das Werk von Friedrich Daniel Rudolph Kuhlau (1786 bis 1832). Der Musiker, geboren in Uelzen, flüchtete 1810 nach Dänemark, um nicht in Napoleons Truppen dienen zu müssen. Im dänischen Musikleben fand Kuhlau schließlich seinen Platz; so gilt er als einer der Väter der dänischen Oper.
Sein eigentliches Instrument aber war die Flöte. So komponierte er insgesamt sieben Sonaten für Flöte und Klavier. Drei davon sind auf dieser CD zu hören. Das Duo Les Fidelles – es besteht aus Charles Zebley, Flöte, und Linda Nicholson am Klavier – beweist, dass die Flötenmusik der Frühromantik durchaus Attraktives zu bieten hat. Klanglich faszinierend ist diese CD aber nicht nur aufgrund der musikalischen Klasse der beiden Interpreten.
Der verwendete Flügel wurde von dem Wiener Klavierbauer Conrad Graf um 1828 angefertigt. Das Instrument weist allerlei Finessen auf; so hat es fünf Pedale mit teilweise kuriosen Funktionen: „Una corda; Fagott – hier wird ein Pergamentstreifen an die Saiten geführt und dadurch eine schnarrende Klangfarbe erzeugt; Fortepedal; Modera- tor – hier schiebt sich ein Filzstreifen zwischen Hämmer und Saiten, um einen gedämpften Klang zu erreichen; Trommel/Glocken – hier setzt das Pedal einen Mechanismus in Bewegung, der bei leichtem Drücken einige Glocken anschlägt“, zählt Nicholson auf: „Bei festem Drücken schlägt zusätzlich noch ein Trommelschlägel auf den Reso- nanzboden.“
Schütz: Musikalische Exequien; Stuttgarter Hymnus-Chorknaben (MDG)
Unter den vielen Aufnahmen der Musikalischen Exequien von Heinrich Schütz, die auf dem Musikmarkt erhältlich sind, ragt diese gleich aus mehreren Gründen heraus. Zum einen wird das Werk, das Schütz einst komponiert hatte, damit es zur Beisetzung seines Paten Heinrich Reuß Posthumus am 4. Februar 1635 - dem Sime- onstag, wie von dem reußischen Landesherrn geplant - vor und nach der Leichpredigt "in eine stille verdackte Orgel angestellet vnd abgesungen" werde, heutzutage gern mit üppiger Instrumenta- tion versehen.
Zum anderen hatte Schütz seinerzeit das Opus nicht für die ausgebil- deten Gesangssolisten geschrieben, die es heute üblicherweise singen, sondern für Schüler des von Heinrich Posthumus gegründeten Gym- nasiums. Schütz hatte also den Klang der jungen Stimmen im Ohr, und er hat die musikalischen Anforderungen bewusst so gestaltet, dass sie durch die Knaben zu bewältigen waren.
Diesem "originalen" Klangbild entspricht diese Einspielung mit den Stuttgarter Hymnus-Chorknaben und ihren jungen Solisten unter Leitung von Rainer Johannes Homburg exzellent, auch wenn sich gelegentlich die Bläser des Ensembles Musica Fiata vernehmen lassen, um die Klangpracht des mehrchörigen Musizierens zu unter- streichen. Schütz hatte sie einst in Venedig kennengelernt, wo er bei Giovanni Gabrieli diese Kunst studiert hatte. Als Hofkapellmeister brachte er dann den Glanz der Serenissima an die Elbe - die überwäl- tigende Wirkung solcher Stücke ist auf dieser CD beim Gesang der drei Männer in feurigen Ofen SWV 448 zu erleben, der hier in Ersteinspie- lung erklingt.
Allerdings war die Freude nicht ungetrübt, denn im Dreißigjährigen Krieg schmolzen auch die Mittel dahin, die der sächsische Kurfürst für seine Hofkapelle auszugeben gewillt war. So übte sich Schütz darin, klein besetzte Werke zu schreiben, die sich durch Altersweisheit, tiefe Frömmigkeit und intensive Textausdeutung auszeichnen. Auch dafür finden sich Beispiele auf der CD. Neben Schütz' Werken sind eine Pa- vane a 8 von Hans Hake sowie eine Suite von Thomaskantor Johann Hermann Schein zu hören. Sie stehen für die Musik der Stadtpfeifer, die bürgerliche Musizierkunst, die sich allmählich neben den höfi- schen und kirchlichen Ensembles etablierte - und durch Musica Fiata unter Roland Wilson hinreißend präsentiert wird.
Zum anderen hatte Schütz seinerzeit das Opus nicht für die ausgebil- deten Gesangssolisten geschrieben, die es heute üblicherweise singen, sondern für Schüler des von Heinrich Posthumus gegründeten Gym- nasiums. Schütz hatte also den Klang der jungen Stimmen im Ohr, und er hat die musikalischen Anforderungen bewusst so gestaltet, dass sie durch die Knaben zu bewältigen waren.
Diesem "originalen" Klangbild entspricht diese Einspielung mit den Stuttgarter Hymnus-Chorknaben und ihren jungen Solisten unter Leitung von Rainer Johannes Homburg exzellent, auch wenn sich gelegentlich die Bläser des Ensembles Musica Fiata vernehmen lassen, um die Klangpracht des mehrchörigen Musizierens zu unter- streichen. Schütz hatte sie einst in Venedig kennengelernt, wo er bei Giovanni Gabrieli diese Kunst studiert hatte. Als Hofkapellmeister brachte er dann den Glanz der Serenissima an die Elbe - die überwäl- tigende Wirkung solcher Stücke ist auf dieser CD beim Gesang der drei Männer in feurigen Ofen SWV 448 zu erleben, der hier in Ersteinspie- lung erklingt.
Allerdings war die Freude nicht ungetrübt, denn im Dreißigjährigen Krieg schmolzen auch die Mittel dahin, die der sächsische Kurfürst für seine Hofkapelle auszugeben gewillt war. So übte sich Schütz darin, klein besetzte Werke zu schreiben, die sich durch Altersweisheit, tiefe Frömmigkeit und intensive Textausdeutung auszeichnen. Auch dafür finden sich Beispiele auf der CD. Neben Schütz' Werken sind eine Pa- vane a 8 von Hans Hake sowie eine Suite von Thomaskantor Johann Hermann Schein zu hören. Sie stehen für die Musik der Stadtpfeifer, die bürgerliche Musizierkunst, die sich allmählich neben den höfi- schen und kirchlichen Ensembles etablierte - und durch Musica Fiata unter Roland Wilson hinreißend präsentiert wird.
Samstag, 15. Juni 2013
Siegfried und Violetta oder List, Last, Lust und Lunge (Genuin)
Vier junge Hornisten hatten eine Idee. Das Ergebnis liegt nun im CD-Player - und es ist eine großartige Hommage an die beiden Jubilare des Jahres 2013, Richard Wagner und Giuseppe Verdi, beide geboren 1813, ja , vielleicht sogar die ori- ginellste Geburtstagsgabe, die in diesem Jahr ein Label vorgelegt hat.
Denn Christoph Eß, Sebastian Schorr, Stephan Schottstädt und Timo Steininger - sämtlich erfolgreich im Hornisten-Beruf sowie gemeinsam als Hornquartett German Hornsound - wollten nicht einfach Musik der beiden Jubilare in schmissigen Arrangements vortragen. Und so haben sie sich auf die Suche nach einem Autor gemacht, der einen Text für dieses Pro- gramm schreibt. In Herbert Rosendorfer fanden sie den idealen Partner, der sich zudem mit Wagner bestens auskannte. Verdi hingegen war eher das Thema seines Freundes Karl Dietrich Gräwe, der sich auch an der Ideensuche beteiligte.
Schließlich (er-)fanden Musiker und Autoren gemeinsam eine span- nende Geschichte - waren nicht Verdi und Wagner des öfteren in Venedig, mitunter sogar zur gleichen Zeit? Wäre es also nicht denk- bar, dass sie sich dort begegnet sind? Teodoro, einstmals Oberkellner in Caffé Florian auf dem Markusplatz, hat da so einiges beobachtet - und Gräwe ließ es sich nicht nehmen, diese Rolle selbst zu sprechen. Zu Wort kommt außerdem Richard Wagner; ihm gibt Martin Seifert Stimme. Herbert Rosendorfer hat leider die Premiere dieses "Opern- fragmentes in drei Akten", wie das Werk von seinen Schöpfern benannt wurde, nicht mehr erlebt. Es ist ein würdiger Schlusspunkt unter ein großes Lebenswerk.
List, Last, Lust und Lunge erweist sich als ein geistreiches, humor- volles Opus, in dem Text und Musik in einen witzigen Dialog treten. Die vier Hörner, sehr hörenswert gespielt, kommentieren das gesprochene Wort. Dafür wurden die passenden Ausschnitte aus Werken der beiden Jubilare geschickt ausgewählt und pfiffig arrangiert. Und nicht nur Opernfreunde werden sich beim Anhören dieser beiden CD ausgezeichnet amüsieren - versprochen!
Denn Christoph Eß, Sebastian Schorr, Stephan Schottstädt und Timo Steininger - sämtlich erfolgreich im Hornisten-Beruf sowie gemeinsam als Hornquartett German Hornsound - wollten nicht einfach Musik der beiden Jubilare in schmissigen Arrangements vortragen. Und so haben sie sich auf die Suche nach einem Autor gemacht, der einen Text für dieses Pro- gramm schreibt. In Herbert Rosendorfer fanden sie den idealen Partner, der sich zudem mit Wagner bestens auskannte. Verdi hingegen war eher das Thema seines Freundes Karl Dietrich Gräwe, der sich auch an der Ideensuche beteiligte.
Schließlich (er-)fanden Musiker und Autoren gemeinsam eine span- nende Geschichte - waren nicht Verdi und Wagner des öfteren in Venedig, mitunter sogar zur gleichen Zeit? Wäre es also nicht denk- bar, dass sie sich dort begegnet sind? Teodoro, einstmals Oberkellner in Caffé Florian auf dem Markusplatz, hat da so einiges beobachtet - und Gräwe ließ es sich nicht nehmen, diese Rolle selbst zu sprechen. Zu Wort kommt außerdem Richard Wagner; ihm gibt Martin Seifert Stimme. Herbert Rosendorfer hat leider die Premiere dieses "Opern- fragmentes in drei Akten", wie das Werk von seinen Schöpfern benannt wurde, nicht mehr erlebt. Es ist ein würdiger Schlusspunkt unter ein großes Lebenswerk.
List, Last, Lust und Lunge erweist sich als ein geistreiches, humor- volles Opus, in dem Text und Musik in einen witzigen Dialog treten. Die vier Hörner, sehr hörenswert gespielt, kommentieren das gesprochene Wort. Dafür wurden die passenden Ausschnitte aus Werken der beiden Jubilare geschickt ausgewählt und pfiffig arrangiert. Und nicht nur Opernfreunde werden sich beim Anhören dieser beiden CD ausgezeichnet amüsieren - versprochen!
Freitag, 14. Juni 2013
Trombett- undt musikalischer Taffeldienst (Fra Bernardo)
„Ein paar Hörproben kaiserlicher Prachtentfaltung und fürstlichen Repräsentationsgeistes“ verheißt diese CD des Labels Fra Bernardo. Sie ist geprägt vom strahlenden Klang der Blechbläser. Pauken und Trompeten gelten nicht umsonst bis heute als Symbole der Macht. Bereits im Mittelalter standen ihre Klänge für weltliche Herrschaft und höfischen Glanz.
In Österreich war, neben dem Hof des Kaisers in Wien und dem der Bischöfe von Salzburg, insbesondere die Kapelle des Fürstbischofs Carl von Liechtenstein-Kastelkorn im mährischen Kremsier berühmt für ihre exzellenten Musiker. Dort wirkte der Violinvirtuose Heinrich Ignaz Franz Biber, der sich allerdings bald nach Salzburg absetzte. Sein Nachfolger in der Position des Hofkapellmeisters wurde der Trompeter Pavel Vejvanovsky.
Doch nicht nur virtuose barocke Trompetenmusik ist in Kremsier erklungen. Das Archiv des erzbischöflichen Schlosses enthält eine Vielzahl bedeutender Werke; etliche herausragende Komponisten, die nicht im Dienst des Fürstbischofs standen, sind zumindest mit Manu- skripten oder Abschriften ihrer Werke dort vertreten.
Das Ensemble Concerto Stella Matutina hat eine Auswahl dieser musi- kalischen Schätze gekonnt eingespielt. Es sind nicht alles Werke, in denen die Trompete dominiert. So sind von Biber neben einer Sonate für zwei Trompeten, zwei Violinen und Basso continuo auch zwei launige Stücke zu finden, in denen überhaupt keine Bläser zu hören sind. Das eine hat den Beinamen Die Pauern Kirchfahrt genandt -den Grund dafür wird jedermann bald heraushören. Das andere nannte der Violinvirtuose ironisch Trombett- undt musikalischer Taffel- dienst. Der Herr, dem hier aufgespielt wird, kann sich ein richtiges Orchester offenbar nicht leisten, so dass die Geige den Part der Trompete übernehmen muss. Insbesondere die Intrada ist ein wahres Juwel; Biber hat für derartige Spötteleien ein Händchen.
Doch nicht nur virtuose barocke Trompetenmusik ist in Kremsier erklungen. Das Archiv des erzbischöflichen Schlosses enthält eine Vielzahl bedeutender Werke; etliche herausragende Komponisten, die nicht im Dienst des Fürstbischofs standen, sind zumindest mit Manu- skripten oder Abschriften ihrer Werke dort vertreten.
Das Ensemble Concerto Stella Matutina hat eine Auswahl dieser musi- kalischen Schätze gekonnt eingespielt. Es sind nicht alles Werke, in denen die Trompete dominiert. So sind von Biber neben einer Sonate für zwei Trompeten, zwei Violinen und Basso continuo auch zwei launige Stücke zu finden, in denen überhaupt keine Bläser zu hören sind. Das eine hat den Beinamen Die Pauern Kirchfahrt genandt -den Grund dafür wird jedermann bald heraushören. Das andere nannte der Violinvirtuose ironisch Trombett- undt musikalischer Taffel- dienst. Der Herr, dem hier aufgespielt wird, kann sich ein richtiges Orchester offenbar nicht leisten, so dass die Geige den Part der Trompete übernehmen muss. Insbesondere die Intrada ist ein wahres Juwel; Biber hat für derartige Spötteleien ein Händchen.
Dienstag, 11. Juni 2013
German Brass - Celebrating Wagner (Berlin Classics)
Die Musikwelt feiert Richard Wag- ners 200. Geburtstag – und es erklingt in der Tat Wagner, Wag- ner, Wagner, allerorten und in jeder nur denkbaren Form. Auch German Brass lässt es sich nicht nehmen, dem Jubilar eine CD auf den Gabentisch zu legen. Dass Wagner für Blechbläser durchaus anspruchsvolle Aufgaben bereit hält, ist jedem Opernliebhaber bekannt. Und dass es sehr witzig sein kann, Wagners Musik aus- schließlich mit Blechbläsern zu spielen, das hat bereits vor Jahren Canadian Brass eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Einzug der Gäste auf der Wartburg, Pilgerchor, Walkürenritt, Lied der Spinnerinnen, Brautzug zum Münster und noch einiges mehr aus Tannhäuser, Die Walküre, Die Meistersinger von Nürnberg, Der Fliegende Holländer, Parsifal und Lohengrin haben auch die Musiker von German Brass für ihre CD ausgewählt, ergänzt durch Im Treib- haus, Wesendonck-Lied Nr. 3, und eine schmissige Polonaise, die der junge Wagner ursprünglich für Klavier zu vier Händen komponiert hatte.
Einzug der Gäste auf der Wartburg, Pilgerchor, Walkürenritt, Lied der Spinnerinnen, Brautzug zum Münster und noch einiges mehr aus Tannhäuser, Die Walküre, Die Meistersinger von Nürnberg, Der Fliegende Holländer, Parsifal und Lohengrin haben auch die Musiker von German Brass für ihre CD ausgewählt, ergänzt durch Im Treib- haus, Wesendonck-Lied Nr. 3, und eine schmissige Polonaise, die der junge Wagner ursprünglich für Klavier zu vier Händen komponiert hatte.
Matthias Höfs, der künstlerische Leiter des Ensembles, hat Arrange- ments erarbeitet, die nicht nur Wagners offenkundiger Zuneigung zum satten Bläsersound gerecht werden, sondern auch die Neben- stimmen zur Geltung bringen – und Wagners Klangfarben, die jeder Opernfreund kennt und schätzt. Um diesen Effekt zu unterstreichen, hat sich German Brass für dieses Programm Gastmusiker eingeladen. Sie verstärken die Gruppen der Posaunen und Hörner; doch auch Stephan Cürlis an den Pauken und Thomas Höfs als zusätzlicher Schlagzeuger setzen Akzente. Im übrigen erweist sich die Akustik der Stadtkirche zu Schwaigern, in der diese Aufnahmen entstanden sind, als eine Herausforderung. Keine Sorge, die Bläser kommen auch damit zurecht. Und spätestens beim Pilgerchor überwiegt die Faszi- nation – versprochen!
Gilles: Requiem - Lamentations - Te Deum - Messe en ré - Motets (Ligia)
Jean Gilles (1668 bis 1705) begann seine Ausbildung im Chor von Sainte-Marthe in seiner Heimat- stadt. Dort lernte er aber nicht lange, denn schon 1678 sang er im Chor der Kathedrale Saint-Sauveur in Aix-en-Provence, wie folgende Notiz belegt: „il a été aussi proposé par led. Sr. Administrateur que Jean Gilles de la ville de Tarsacon, porte la robe rouge depuis plus d'un année estant instruit de la musique pour chanter so partie assurée (..)“. In Aix-en-Provence war Gilles Schüler von Guillaume Poitevin. Er wurde schließlich sein Nachfolger als Leiter der Chor- schule, aber er hatte dieses Amt nicht lange inne. Auch seine nächste Anstellung in Agde behielt er nur kurze Zeit, denn 1698 wurde er zum Kapellmeister der Kathedrale Saint-Etienne in Toulouse ernannt. Der Chor dort war der bedeutendste in ganz Südfrankreich, und schon Amtsvorgänger André Campra hatte die Gottesdienstbesucher durch seine üppige Kirchenmusik begeistert. Schon kurz nach seiner An- kunft in Toulouse sollte Gilles zeigen, dass er diese Kunst ebenfalls beherrschte, denn der Frieden von Rijswijk sollte gebührend gefeiert werden – und zwar mit einem prachtvollen Te Deum.
Er schrieb nicht nur zu diesem Anlass grandiose Musik, wie hier zu hören ist. Trotz seines frühen Todes schuf der Kapellmeister mehr als ein Dutzend Grand Motets und einige kleinere Werke. Bekannt wurde Gilles allerdings in erster Linie durch sein Requiem. Es erklang zu den Beisetzungsfeierlichkeiten berühmter Persönlichkeiten, wie Jean-Philippe Rameau 1674, Stanislas Leczinski, König von Polen, im Jahre 1766 und Louis XV. im Jahre 1774. Zwischen 1750 und 1770 findet sich das Werk zudem fünfzehnmal auf dem Programm des renommier- ten Pariser Concert Spirituel.
Jean-Marc Andrieu hat in den vergangenen Jahren wichtige Werke von Jean Gilles mit dem Orchestre Baroque de Montauban Les Passions sowie dem Choeur de chambre les éléments bei Ligia Digital eingespielt. Die Aufnahmen begeistern durch ihre Eleganz und ihre enorme Klangpracht. In dieser Drei-CD-Box werden sie nun zusam- mengefasst – meine Empfehlung! Denn diese Einspielungen dürften für längere Zeit die Referenz bleiben.
Montag, 10. Juni 2013
Bach: Cantatas; Suzuki (BIS)
Mit großem Engagement treiben alle Beteiligten die Bach-Kantaten- edition des Bach Collegiums Japan unter Masaaki Suzuki bei BIS Records voran. Mittlerweile liegt Super Audio-CD Nummer 53 vor; dazu kommt CD Nummer drei mit weltlichen Kantaten. Sie enthält auch das fragmentarisch über- lieferte Quodlibet BWV 524, vom dem hier vermutet wird, es sei zu einer Hochzeit entstanden.
Suzuki musiziert stets mit einem ausgesuchten kleinen Ensemble. Den Solisten stehen einige wenige Ripienisten zur Seite. Auch Orche- ster und Continuo sind schlank besetzt. Diese Einspielung ist in ihrer exzellenten Qualität derzeit unübertroffen. Man freut sich über die Brillanz, die Intensität und die Ausdrucksstärke, mit der diese Auf- nahmen immer wieder beeindrucken. Bravi!
Suzuki musiziert stets mit einem ausgesuchten kleinen Ensemble. Den Solisten stehen einige wenige Ripienisten zur Seite. Auch Orche- ster und Continuo sind schlank besetzt. Diese Einspielung ist in ihrer exzellenten Qualität derzeit unübertroffen. Man freut sich über die Brillanz, die Intensität und die Ausdrucksstärke, mit der diese Auf- nahmen immer wieder beeindrucken. Bravi!
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