Manchmal haben Musiker Lust darauf, Werke zu spielen, die eigentlich nicht zum Repertoire gehören. Das Brodsky Quartett hat sich nun anlässlich seines vierzig- jährigen (!) Jubiläums eine CD gegönnt, die ausschließlich jenen kurzen Stücken vorbehalten ist, die heute im Konzert üblicherweise als Zugaben erklingen.
Petits-fours nennen Daniel Row- land, Ian Belton, Paul Cassidy und Jacqueline Thomas diese musika- lischen Leckereien. Angerichtet hat sie das Brodsky Quartett mit Unterstützung durch Robert Smissen, Viola, und Philip Edward Fisher, Klavier. Die Arrangements sind zumeist aus dem Konzertprogramm des Quartetts heraus entstanden, berichten die Musiker im Beiheft. Einige der Bearbeitungen - sie stammen überwiegend von Paul Cassidy - galten auch Werken, "an denen wir uns in unserer Kindheit erfreut oder die uns besonders inspiriert haben", verraten die Musiker. Man habe sich "schamlos bei einigen der weltweit wunderbarsten Juwele der Klavier-, Gesangs-, Orchester- und Instrumentalliteratur bedient."
Und noch ein Aspekt darf dabei nicht übersehen werden: "Als Streichquartett bemühen wir uns um eine gewisse Demokratie, was den Anteil des Einzelnen am Rampenlicht angeht, und deshalb dürfen sich am Spaß dieser Arrangements alle beteiligen", unter- streicht das Ensemble. Dem Hörer seien an dieser Stelle von Kreisler bis Schostakowitsch etliche Überraschungen versprochen - auch nach 40 Berufsjahren überzeugen die "Brodskys" noch durch Musi- zierlust und Esprit.
Mittwoch, 29. August 2012
Dienstag, 28. August 2012
Du angenehme Nachtigall (Carus)
Blockflöten vom Sopranino bis zum Subkontrabass sind, wenn man das schreiben darf, die eigentlichen Helden dieser CD. In der Musik der Barockzeit wurden sie verwendet, um bukolische Szenerien zu zeichnen, und sanfte Affekte auszudrücken - Liebe, Sehnsucht, milde Trauer. Das Collegium "Flauto e voce" führt hier vor, dass die Komponisten Flöten auch gerne benutzten, um Vogelgesang zu imitieren.
Dabei trat zunehmend auch die Traversflöte auf den Plan, die schließlich die Blockflöten verdrängte. Dass dies ein Verlust war, wird jeder bestätigen, der diese CD angehört hat. Denn das Gezwitscher des Sopraninos und der sanfte, warme Klang seiner größeren Geschwister unterscheiden sich doch recht deutlich vom silbrigen, klaren, mitunter sogar metallisch scharfen Sound der Böhm-Flöte, die dann ihrerseits die Traversflöte abgelöst hat und heute dominiert.
Glücklicherweise hat die Beschäftigung mit historischer Aufführungs- praxis die Blockflöte vom Nimbus des Kinderinstrumentes befreit. Es gibt wieder Blockflötenvirtuosen. Mitunter spielen sie, wie hier Peter Thalheimer und Eva Praetorius, auch die Traversflöte. Gemeinsam mit den Blockflötistinnen Claudia Lange, Daniela Holweg und Moni- que Michel demonstrieren sie hier, wie reizvoll ein gut aufeinander abgestimmtes Flöten-Ensemble klingen kann. Komplettiert wird diese Besetzung gelegentlich noch durch den Generalbass; dieser Part wird übernommen von Verena Kronseder, Viola da gamba, Bernward Lohr, Cembalo, und Johannes Vogt, Theorbe.
Die Komponisten des Barock liebten das Spiel mit Affekten und Klang- farben. So überrascht auch diese CD mit ungemein abwechslungs- reichen Stücken - Susan Eitrich, Sopran, und Ute Kreidler, Mezzo- sopran, werden durch die unterschiedlichsten Instrumente begleitet. Vom "klassischen" Altblockflötenpaar über Quartett und Quintett bis hin zu regelrechten Solopartien im Dialog mit der Singstimme sind etliche Varianten vertreten. Reinhard Keiser beispielsweise kombi- nierte in Kleine Vöglein, eure Scherze aus seiner Oper Arsinoe Sopran und vier Altblockflöten. Jean-Baptiste Lully ließ das Air Tout ce que j'attaque se rend in seinem Ballet de cour Le Triomphe de l'Amour für Sopran durch die gerade erst entwickelte Traversflöte sowie drei tiefe Blockflöten begleiten. Und Michel Pignolet de Monteclair setzte in seinem Opéra-Ballet Les Festes de l'été einen Mezzosopran gemein- sam mit Sopranino- und Sopranblockflöte ein - und mit einer Travers- flöte, die er für die Bassstimme nutzte. Mit solchen Klangeffekten geht es munter weiter. So wird beim Hörer garantiert keine Langeweile aufkommen - und die gelungene Interpretation lässt die Laune weiter steigen. Gratulation an alle Beteiligten - dies ist mit Sicherheit das spannendste Konzeptalbum des Jahres!
Dabei trat zunehmend auch die Traversflöte auf den Plan, die schließlich die Blockflöten verdrängte. Dass dies ein Verlust war, wird jeder bestätigen, der diese CD angehört hat. Denn das Gezwitscher des Sopraninos und der sanfte, warme Klang seiner größeren Geschwister unterscheiden sich doch recht deutlich vom silbrigen, klaren, mitunter sogar metallisch scharfen Sound der Böhm-Flöte, die dann ihrerseits die Traversflöte abgelöst hat und heute dominiert.
Glücklicherweise hat die Beschäftigung mit historischer Aufführungs- praxis die Blockflöte vom Nimbus des Kinderinstrumentes befreit. Es gibt wieder Blockflötenvirtuosen. Mitunter spielen sie, wie hier Peter Thalheimer und Eva Praetorius, auch die Traversflöte. Gemeinsam mit den Blockflötistinnen Claudia Lange, Daniela Holweg und Moni- que Michel demonstrieren sie hier, wie reizvoll ein gut aufeinander abgestimmtes Flöten-Ensemble klingen kann. Komplettiert wird diese Besetzung gelegentlich noch durch den Generalbass; dieser Part wird übernommen von Verena Kronseder, Viola da gamba, Bernward Lohr, Cembalo, und Johannes Vogt, Theorbe.
Die Komponisten des Barock liebten das Spiel mit Affekten und Klang- farben. So überrascht auch diese CD mit ungemein abwechslungs- reichen Stücken - Susan Eitrich, Sopran, und Ute Kreidler, Mezzo- sopran, werden durch die unterschiedlichsten Instrumente begleitet. Vom "klassischen" Altblockflötenpaar über Quartett und Quintett bis hin zu regelrechten Solopartien im Dialog mit der Singstimme sind etliche Varianten vertreten. Reinhard Keiser beispielsweise kombi- nierte in Kleine Vöglein, eure Scherze aus seiner Oper Arsinoe Sopran und vier Altblockflöten. Jean-Baptiste Lully ließ das Air Tout ce que j'attaque se rend in seinem Ballet de cour Le Triomphe de l'Amour für Sopran durch die gerade erst entwickelte Traversflöte sowie drei tiefe Blockflöten begleiten. Und Michel Pignolet de Monteclair setzte in seinem Opéra-Ballet Les Festes de l'été einen Mezzosopran gemein- sam mit Sopranino- und Sopranblockflöte ein - und mit einer Travers- flöte, die er für die Bassstimme nutzte. Mit solchen Klangeffekten geht es munter weiter. So wird beim Hörer garantiert keine Langeweile aufkommen - und die gelungene Interpretation lässt die Laune weiter steigen. Gratulation an alle Beteiligten - dies ist mit Sicherheit das spannendste Konzeptalbum des Jahres!
Montag, 27. August 2012
Händel: Concerti Grossi op. 3 (cpo)
Concerto Copenhagen hat sich, seit seinen ersten Konzerten 1991, durch sein Engagement für die historische Aufführungspraxis weit über die Grenzen seiner Heimat Dänemark hinaus einen Namen gemacht. Seit 1999 wird das Ensemble von Lars Ulrik Mortensen geleitet. Er ist auf dieser CD zudem am Cembalo sowie an der Orgel zu hören.
Aufnahmen der Concerti grossi
op. 3 von Georg Friedrich Händel gibt es bereits, und die Auswahl ist nicht eben gering. Was aber diese CD von all ihren Vorgängern unterscheidet, das ist die Eleganz, mit der hier musiziert wird. Das Concerto Copenhagen interpretiert Händels Werke frisch und geschmeidig. Diese Aufnahme wirkt sehr lebendig, und klingt wirklich bezaubernd. Unbedingt anhören!
Aufnahmen der Concerti grossi
op. 3 von Georg Friedrich Händel gibt es bereits, und die Auswahl ist nicht eben gering. Was aber diese CD von all ihren Vorgängern unterscheidet, das ist die Eleganz, mit der hier musiziert wird. Das Concerto Copenhagen interpretiert Händels Werke frisch und geschmeidig. Diese Aufnahme wirkt sehr lebendig, und klingt wirklich bezaubernd. Unbedingt anhören!
Samstag, 25. August 2012
Vivaldi: La Cetra II – Vol. 2 (Dynamic)
La Cetra, „die Zither“, nannte Antonio Vivaldi (1678 bis 1741) eine Reihe von Violinkonzerten, die er Kaiser Karl VI. widmete; der Name, den der Komponist für die Sammlung wählte, steht symbo- lisch für die Musikliebe des Hauses Habsburg. Doch wer nach Aufnah- men dieser Konzerte sucht, der wird feststellen, dass dies nicht un- problematisch ist. Das liegt nicht zuletzt an der Quellenlage.
Denn eine Version dieser Werke Vivaldis wurde 1727 in Amster- dam als op. 9 gedruckt. Eine weitere Sammlung, die noch einmal zwölf Konzerte umfasst, befindet sich als Handschrift in Wien; sie trägt ebenfalls den Titel La Cetra, und wurde durch den Schreiber auf das Jahr 1728 datiert – das Jahr, in dem der Kaiser möglicherweise dem Komponisten begegnet ist. Das ist kurios; denn nur ein Konzert, ver- öffentlicht als Nummer 12, ist in beiden Sammlungen identisch.
Weil das Wiener Manuskript einige der schönsten Konzerte des Vene- zianers enthält, legt Giovanni Guglielmo mit den Musikern seines Ensembles L’Arte dell’Arco auf dieser CD nun auch die verbleibenden sechs Violinkonzerte vor. Dabei wurden allerdings zwei Konzerte, die nicht vollständig überliefert sind, durch andere Werke des Komponi- sten ersetzt, so dass eigentlich nur vier wirklich der Handschrift ent- stammen.
Sämtliche Stimmen sind solistisch besetzt. So wirkt diese Interpreta- tion ausgesprochen kammermusikalisch; und wer Vivaldis Musik eher klassisch hören möchte, ohne Elemente einer historisierenden Auf- führungspraxis, der wird von dieser Aufnahme sehr angetan sein.
Weil das Wiener Manuskript einige der schönsten Konzerte des Vene- zianers enthält, legt Giovanni Guglielmo mit den Musikern seines Ensembles L’Arte dell’Arco auf dieser CD nun auch die verbleibenden sechs Violinkonzerte vor. Dabei wurden allerdings zwei Konzerte, die nicht vollständig überliefert sind, durch andere Werke des Komponi- sten ersetzt, so dass eigentlich nur vier wirklich der Handschrift ent- stammen.
Sämtliche Stimmen sind solistisch besetzt. So wirkt diese Interpreta- tion ausgesprochen kammermusikalisch; und wer Vivaldis Musik eher klassisch hören möchte, ohne Elemente einer historisierenden Auf- führungspraxis, der wird von dieser Aufnahme sehr angetan sein.
Rimsky-Korsakov: Sadko (Melodija)
Gleich zwei Werke hat Nikolai Andrejewitsch Rimski-Korsakow (1844 bis 1908) Sadko, der Titel- figur einer russischen Sage gewidmet. In dieser Drei-CD-Box befindet sich seine gleichnamige Oper, die in sieben Bildern die Geschichte des Helden erzählt. Das gab dem Komponisten Gelegenheit zu kraftvollen Chören ebenso wie zu farbenprächtiger Musik, mit der er ganz besonders das Zauberreich des Meereskönigs ausstattete.
Das Märchen, das sich dahinter verbirgt, und das seinerzeit diverse russische Künstler inspirierte, ist im Westen wenig bekannt. Die Oper beginnt mit einem Fest in Nowgorod. Dort preisen Gusli-Spieler die Gäste; ein junger Sänger namens Sadko hingegen erzählt in seinem Lied, was er alles unternehmen würde, wenn er nur Geld hätte: Er würde allerlei Waren einkaufen, Schiffe ausrüsten und damit in die Welt hinaussegeln, um den Ruhm Nowgorods weithin zu verbreiten. Doch den Gästen gefällt sein Gesang nicht, Sadko muss das Fest ver- lassen.
Frustriert rastet er am Ufer, wo er ein trauriges Lied singt. Weiße Schwäne kommen heran; sie verwandeln sich in schöne Mädchen, und Sadko singt für sie. Es sind die Töchter Meereskönigs; sie ermöglichen es Sadko, seinen Traum zu verwirklichen. Nach zwölf Jahren allerdings soll Sadko das Versprechen einlösen, dass er Wolchowa, der schönsten der Töchter einst gegeben hat: Er soll sie heiraten. Und so geschieht es dann auch, denn der Zar der Meere hat Sadko in die Finger bekommen. Allerdings ist der Held bereits ver- ehelicht. Deshalb erscheint der Heilige Nikolaus, verdonnert den Helden zur Heimkehr – und Wolchowa dazu, ihn zu begleiten. Sie wird dazu in einen Fluss verwandelt. Sadko erwacht am Gestade zu Nowgo- rod. Seine Schiffe treffen ein, und er hört das Klagelied seiner Ehefrau, die ihren Mann vermisst. So wird zum Schluss doch noch alles gut. Zu hören ist eine historische Aufnahme aus dem Bolschoi Teatr, aufge- zeichnet im Jahre 1952.
Das Märchen, das sich dahinter verbirgt, und das seinerzeit diverse russische Künstler inspirierte, ist im Westen wenig bekannt. Die Oper beginnt mit einem Fest in Nowgorod. Dort preisen Gusli-Spieler die Gäste; ein junger Sänger namens Sadko hingegen erzählt in seinem Lied, was er alles unternehmen würde, wenn er nur Geld hätte: Er würde allerlei Waren einkaufen, Schiffe ausrüsten und damit in die Welt hinaussegeln, um den Ruhm Nowgorods weithin zu verbreiten. Doch den Gästen gefällt sein Gesang nicht, Sadko muss das Fest ver- lassen.
Frustriert rastet er am Ufer, wo er ein trauriges Lied singt. Weiße Schwäne kommen heran; sie verwandeln sich in schöne Mädchen, und Sadko singt für sie. Es sind die Töchter Meereskönigs; sie ermöglichen es Sadko, seinen Traum zu verwirklichen. Nach zwölf Jahren allerdings soll Sadko das Versprechen einlösen, dass er Wolchowa, der schönsten der Töchter einst gegeben hat: Er soll sie heiraten. Und so geschieht es dann auch, denn der Zar der Meere hat Sadko in die Finger bekommen. Allerdings ist der Held bereits ver- ehelicht. Deshalb erscheint der Heilige Nikolaus, verdonnert den Helden zur Heimkehr – und Wolchowa dazu, ihn zu begleiten. Sie wird dazu in einen Fluss verwandelt. Sadko erwacht am Gestade zu Nowgo- rod. Seine Schiffe treffen ein, und er hört das Klagelied seiner Ehefrau, die ihren Mann vermisst. So wird zum Schluss doch noch alles gut. Zu hören ist eine historische Aufnahme aus dem Bolschoi Teatr, aufge- zeichnet im Jahre 1952.
Experten sind der Meinung, es habe sich dabei um eine der besten Inszenierungen des Regisseurs Boris Alexandrowitsch Pokrowski (1912 bis 2009) gehandelt. Dirigiert hat das exzellente Sänger- ensemble sowie Chor und Orchester des Bolschoi Teatrs der ebenso legendäre Nikolai Semjonowitsch Golowanow.
Gragnani: Sonatas Op. 8 for violin and guitar (Newton)
Die Gitarre war ein Lieblings- instrument des frühen 19. Jahr- hunderts. Einige der damals ver- ehrten Virtuosen sind uns noch heute ein Begriff – aufgrund von Werken, die stets gern von Gitar- risten gespielt wurden, oder aber auch durch ihre Schüler und Un- terrichtswerke. Andere sind in Vergessenheit geraten.
Dazu gehört beispielsweise Filippo Gragnani (1767 bis 1820). Er stammt aus Livorno, und studierte Komposition und Kontrapunkt bei Giulio Maria Lucchesi, einem Schüler von Piero Nardini. 1801 kam Ferdinando Carulli nach Livorno. Er blieb ein Jahr, und Gragnani ließ sich von der Leidenschaft des Kollegen für das Gitarrenspiel anstek- ken. Er muss von Carulli in dieser Zeit unglaublich viel gelernt haben.
Obwohl einige seiner Werke bei angesehenen Mailänder Verlegern erschienen, wird Gragnani bald festgestellt haben, dass Italien für einen Gitarristen kein übermäßig interessanter Wohnsitz war. Er ging daher über Deutschland nach Paris, wo er 1810 eintraf, und sich – nicht zuletzt dank der Unterstützung durch Carulli – schnell etab- lieren konnte. Die Musiker scheint eine tiefe Freundschaft verbunden haben; beide komponierten Duette, die sie einander widmeten.
Dennoch kehrte Gragnani 1813 nach Livorno zurück, wo er seine letzten Lebensjahre verbrachte. Das Werk des Musikers ist wohl nicht besonders umfangreich; es ist derzeit aber auch noch nicht vollstän- dig erforscht und erschlossen. Die drei Sonaten op. 8 für Violine und Gitarre sind in einem deutschen Verlag erschienen. Sie werden auf dieser CD von Franco Mezzena, Violine, und Massimo Scattolin, Gitarre, vorgestellt. Es sind Werke, die die italienische Liebe zur Melodie mit Elementen des galanten Stils und auch der Wiener Klassik verbinden. Sie sind aber mehr durch Energie und Melos als durch Einfallsreichtum und unerwartete Wendungen gekennzeichnet. Insofern bereitet Gragnanis Musik möglicherweise den Musikern mehr Freude als dem Publikum.
Obwohl einige seiner Werke bei angesehenen Mailänder Verlegern erschienen, wird Gragnani bald festgestellt haben, dass Italien für einen Gitarristen kein übermäßig interessanter Wohnsitz war. Er ging daher über Deutschland nach Paris, wo er 1810 eintraf, und sich – nicht zuletzt dank der Unterstützung durch Carulli – schnell etab- lieren konnte. Die Musiker scheint eine tiefe Freundschaft verbunden haben; beide komponierten Duette, die sie einander widmeten.
Dennoch kehrte Gragnani 1813 nach Livorno zurück, wo er seine letzten Lebensjahre verbrachte. Das Werk des Musikers ist wohl nicht besonders umfangreich; es ist derzeit aber auch noch nicht vollstän- dig erforscht und erschlossen. Die drei Sonaten op. 8 für Violine und Gitarre sind in einem deutschen Verlag erschienen. Sie werden auf dieser CD von Franco Mezzena, Violine, und Massimo Scattolin, Gitarre, vorgestellt. Es sind Werke, die die italienische Liebe zur Melodie mit Elementen des galanten Stils und auch der Wiener Klassik verbinden. Sie sind aber mehr durch Energie und Melos als durch Einfallsreichtum und unerwartete Wendungen gekennzeichnet. Insofern bereitet Gragnanis Musik möglicherweise den Musikern mehr Freude als dem Publikum.
Caroline Adomeit – Bach to Jazz (Oehms Classics)
Von Bachs berühmter E-Dur-Parti- ta BWV 1006 bis hin zu dem nicht weniger bekannten Take Five von Paul Desmond reicht die Auswahl der Werke, die die junge Geigerin Caroline Adomeit für ihre Debüt-CD getroffen hat. „Dieses Album ist eine Liebeserklärung an die Violi- ne, mit der man praktisch alles ausdrücken und spielen kann: von Bachs Partita mit barocken Tän- zen über ungarische Tänze, Ma- zurka, Tarantella, Tango und Folksongs bis zum Jazz-Arrange- ment“, begründet die Musikerin diese etwas ungewöhnliche Kollek- tion. Gemeinsam mit Julian Riem, Klavier, und bei einigen Stücken auch mit Thomas Hastreiter, Percussion, wagt Adomeit von Brahms bis Duke Ellington so manchen Grenzgang. Dabei überzeugt sie mit Fingerfertigkeit, Gestaltungsvermögen – ein bisschen mehr Klang- farbe könnten die Werke allerdings gelegentlich vertragen – und mit einer gehörigen Portion Temperament. Mit musikalischen Reinheits- geboten kann die junge Musikerin, die bei Hermann Krebbers, Kolja Blacher und Ingolf Turban studiert hat, offenbar wenig anfangen. Ihr Kommentar dazu im Beiheft: „Gute Musik kennt keine Grenzen!“
Italian Virtuosi of the Chitarrone - Jakob Lindberg (BIS)
Der Chitarrone gehört zur Familie der Lauten – auch wenn er mit seinem „Giraffenhals“ etwas exo- tisch wirkt. Entstanden ist dieses Instrument aus der Bestrebung, die menschliche Stimme optimal zu begleiten. Denn zum Ende des 16. Jahrhunderts galt dem Text besondere Aufmerksamkeit, nicht zuletzt durch die Auseinander- setzung mit den Dramen der Antike. Die Melodie diente dazu, den Text mit den Mitteln der Musik auszudeuten. Diese Bestrebung sollte nun auch die Instrumentalbegleitung unterstützen – und der Chitarrone war das ideale Instrument dafür.
„Von der Verwendung beim Gesang abgesehen, spielte niemand Chitarrone“, berichtete der Lautenist Alessandro Piccinini in seiner Intavolatura di liuto et di chitarrone, libro primo, gedruckt 1623 in Bologna. „Doch nachdem ich den Hals für die tiefen Saiten ange- bracht hatte, entwickelten viele Virtuosen eine Vorliebe für die Klangfülle und komfortable Besaitung und begannen, den Chitarrone als Solo-Instrument zu verwenden (...); nach einigem Üben wurden einige von ihnen exzellente Spieler, und so begann der Ruhm des Chitarrone.“
Auf dieser CD stellt der schwedische Lautenist Jakob Lindberg, Pro- fessor für Laute am Royal College of Music in London, neben Werken von Piccinini auch einige Stücke von Giovanni Girolamo Kapsberger (um 1580 bis 1651) und Bellerofonte Castaldi (1581 bis 1649) vor. Die Werke, die Lindberg ausgewählt hat, zeigen, welche verblüffenden Effekte auf dem Chitarrone möglich waren – hinreichende Finger- fertigkeit vorausgesetzt. So erweist sich die Aufnahme als spannendes Porträt eines so gut wie ausgestorbenen Instrumentes, vorgestellt von einem herausragenden Instrumentalisten.
„Von der Verwendung beim Gesang abgesehen, spielte niemand Chitarrone“, berichtete der Lautenist Alessandro Piccinini in seiner Intavolatura di liuto et di chitarrone, libro primo, gedruckt 1623 in Bologna. „Doch nachdem ich den Hals für die tiefen Saiten ange- bracht hatte, entwickelten viele Virtuosen eine Vorliebe für die Klangfülle und komfortable Besaitung und begannen, den Chitarrone als Solo-Instrument zu verwenden (...); nach einigem Üben wurden einige von ihnen exzellente Spieler, und so begann der Ruhm des Chitarrone.“
Auf dieser CD stellt der schwedische Lautenist Jakob Lindberg, Pro- fessor für Laute am Royal College of Music in London, neben Werken von Piccinini auch einige Stücke von Giovanni Girolamo Kapsberger (um 1580 bis 1651) und Bellerofonte Castaldi (1581 bis 1649) vor. Die Werke, die Lindberg ausgewählt hat, zeigen, welche verblüffenden Effekte auf dem Chitarrone möglich waren – hinreichende Finger- fertigkeit vorausgesetzt. So erweist sich die Aufnahme als spannendes Porträt eines so gut wie ausgestorbenen Instrumentes, vorgestellt von einem herausragenden Instrumentalisten.
Bach: Alto Cantatas (Quintone)
Maarten Engeltjes kann auf die langjährige Beschäftigung mit Bachs Werk verweisen. Denn er begann seine musikalische Aus- bildung im Alter von vier Jahren als Knabensopran. „I first became acquainted with the music of Johann Sebastian Bach at the age of seven“, berichtet der Sänger im Beiheft dieser CD. Sein Debüt als Countertenor gab er als 16jähriger mit den Alt-Arien in Bachs Matthäuspassion. Hier ist er nun mit den Solokantaten Vergnügte Ruh, beliebte Seelenlust BWV 170, Widerstehe doch der Sünde BWV 54 sowie Geist und Seele wird verwirret BWV 35 zu hören, gemeinsam mit dem Concerto d’Amsterdam und Vincent van Laar, Orgel, unter Leitung von Klaas Stok. Engeltjes Stimme erscheint nicht übermäßig groß, aber sie ist fokussiert, sehr weich im Klang und zudem recht beweglich. Die Interpretation ist solide, aber nicht besser als bei- spielsweise die Aufnahmen mit Andreas Scholl.
Berückend klingt allerdings die Orgel, die insbesondere in der Kantate BWV 35 aufgrund der obligaten Partie bestens zur Geltung kommt. Man mag es kaum glauben, aber bei der sogenannten Bach-Orgel der Grote Kerk in Dordrecht handelt es sich um einen Neubau, der erst 2007 festlich eingeweiht worden ist. Die Firma Verschueren Orgel- bouw aus Heythuysen hat dieses Instrument nach mitteldeutschen Vorbildern, insbesondere den Orgeln von Gottfried Silbermann und Zacharias Hildebrandt, neu angefertigt. Eine Orgel diesen Typs war in den Niederlanden bislang nicht verfügbar; und weil das Instrument ideal dafür geeignet ist, Bachs Musik zu spielen, erhielt sie auch den Namen des Komponisten.
Berückend klingt allerdings die Orgel, die insbesondere in der Kantate BWV 35 aufgrund der obligaten Partie bestens zur Geltung kommt. Man mag es kaum glauben, aber bei der sogenannten Bach-Orgel der Grote Kerk in Dordrecht handelt es sich um einen Neubau, der erst 2007 festlich eingeweiht worden ist. Die Firma Verschueren Orgel- bouw aus Heythuysen hat dieses Instrument nach mitteldeutschen Vorbildern, insbesondere den Orgeln von Gottfried Silbermann und Zacharias Hildebrandt, neu angefertigt. Eine Orgel diesen Typs war in den Niederlanden bislang nicht verfügbar; und weil das Instrument ideal dafür geeignet ist, Bachs Musik zu spielen, erhielt sie auch den Namen des Komponisten.
Albinoni: Six Sonatas for Flute and Continuo Op. 6 (Dynamic)
Eigentlich waren die zwölf Sonaten von Tomaso Albinoni (1671 bis 1751), die zwischen 1610 und 1612 in Amsterdam unter dem Titel Trattenimenti Armonici erschie- nen sind, für Violine und Basso continuo bestimmt. Doch diese Werke, die sich schnell großer Beliebtheit erfreuten, wurden schon bald auch in Bearbeitungen für Traversflöte populär, zumal für dieses neue Instrument anfangs nur wenig Originalkompositionen verfügbar waren. Die Flötisten aber wussten sich zu helfen – und wer diese CD hört, der wird kaum noch vermuten, dass die sechs Sonaten, die Mitglieder des Ensembles Barocco Padovano Sans Souci hier auf Instrumenten aus jener Zeit vortragen, nicht für die Flöte geschrieben worden sind.
Mario Folena spielt die Traversflöte mit dem typischen dunklen Ton ebenso klangschön wie virtuos. Das Continuo ist mit Terell Stone, Theorbe und Barockgitarre, Aldo Fiorentin, Cembalo und Barock- gitarre, sowie Carlo Zanardi, Barock-Violoncello, üppig besetzt – was ebenfalls zu einem abwechslungsreichen Klangbild beiträgt. Und Albinonis Werke zeigen ihn als einen Meister sowohl der melodischen Erfindung als auch des sorgfältigen kontrapunktischen Satzes. Wun- dervoll!
Mario Folena spielt die Traversflöte mit dem typischen dunklen Ton ebenso klangschön wie virtuos. Das Continuo ist mit Terell Stone, Theorbe und Barockgitarre, Aldo Fiorentin, Cembalo und Barock- gitarre, sowie Carlo Zanardi, Barock-Violoncello, üppig besetzt – was ebenfalls zu einem abwechslungsreichen Klangbild beiträgt. Und Albinonis Werke zeigen ihn als einen Meister sowohl der melodischen Erfindung als auch des sorgfältigen kontrapunktischen Satzes. Wun- dervoll!
von Weber: Clarinet Concertos No. 1 & 2 (MDG)
Als Carl
Maria von Weber (1786 bis 1826) es hörte, war das berühmte
Mannheimer Orchester bereits nach München umgezogen. Dennoch hatte
es offenbar seine Qualitäten bewahrt; der Komponist jedenfalls
zeigte sich beeindruckt, und schuf für den Soloklarinetti- sten
Heinrich Joseph Baermann ein Concertino.
Das hübsche
Werk, das sich durch eine Vielzahl reizvoller Melodien und klug
eingesetzte Klangfarben auszeichnet, wurde im April 1811
uraufgeführt. Es gefiel sowohl dem Publikum als auch den Musikern,
und Weber berichtete in einem Brief: „Seit ich für Bärmann das
Concertino componirt habe, ist das ganze Orchester des Teufels und
will Concerte von mir haben. Sie überlaufen den König und die
Intendance, und wirklich ist dermalen für ziemlichen Preiß bei mir
bestellt, 2 Clarinett Concerte /: wovon eines aus F moll schon beynah
ganz fertig ist :/ 2 große Arien. 1 Violoncell Concert für Legrand.
1 Fagott Concert. du siehst daß ich da nicht übel zu thun habe.“
Mit Baermann
war Weber bald eng befreundet. Die beiden Musiker gingen gemeinsam
auf Konzertreisen, und blieben zeitlebens in brieflichem Kontakt. Die
beiden Klarinettenkonzerte in f-Moll und Es-Dur sowie das Concertino
gehören bis heute zum Repertoire. Allerdings hatte sie Baermanns
Sohn Carl, der ebenfalls Klarinette spielte, in einer etwas
eigenwilligen Form ediert, die erst durch die Weber-Gesamtausgabe
korrigiert wurde.
Hier erklingt
die Version, die der Komponist seinerzeit tatsächlich zu Papier
gebracht hat – mit zahlreichen verblüffenden Details,
bei- spielsweise der Ausführung eines Hornsatzes mit Dämpfern, und in
den ursprünglich vorgegebenen Tempi. Das sorgt für Kontraste und
auch für Hörvergnügen, denn das Orchester M18 spürt solchen
Feinheiten mit Leidenschaft nach. Das kommt nicht nur den drei
Klarinetten-Werken zugute, die die jungen Musiker gemeinsam mit
Martin Spangenberg, ehemals erster Soloklarinettist der Münchner
Philharmoniker und seit 2004 Professor in Weimar, erkunden. Die CD
enthält darüber hinaus Webers Ouvertüren zu Beherrscher der
Gei- ster und zu seiner Oper Oberon, dem letzten Werk des Komponisten
vor seinem frühen Tod 1826 in London. Hier zeigt das Orchester M18
Sinn für romantische Klangwelten – und Spaß am Übersinnlichen,
denn ins Reich der Geister führen beide.
Tellefsen: The complete works for piano solo (Simax)
Thomas Dyke
Akland Tellefsen (1823 bis 1874) war der Sohn des Organisten Johan
Christian Tellefsen aus Trondheim. Wie schon sein Vater, wurde er
durch Ole Andreas Lindeman unter- richtet, der ein Schüler von Israel
Gottlob Wernicke war, den wiede- rum Johann Philipp Kirnberger
unterwiesen hatte – und so führte die Tradition, in der seine
Aus- bildung stand, auf direktem Wege zu Johann Sebastian Bach.
Bekannt ist,
dass Lindemann seine Schüler nicht nur die Werke des Thomaskantors
spielen ließ, sondern auch die seines Sohnes Carl Philipp Emanuel
Bach sowie Werke von Kirnberger, Daniel Gottlob Türk und Johann
Mattheson. Der junge Musiker übte nicht nur auf Cembalo und
(Hammer-)Klavier, auch mit der Orgel war er bestens vertraut.
Um seine
Ausbildung zu vervollständigen, ging Tellefsen 1842 nach Paris. Er
nahm Unterricht bei Charlotte Thygeson, einer Schülerin von
Friedrich Kalkbrenner, und traf unter anderem auf Liszt, Henri Herz
und Giacomo Meyerbeer, der ihn zum Komponieren ermunter- te.
Schließlich begegnete er auch George Sand, die ihn mit Chopin
zusammenbrachte. Wie eng der Freundesbund zwischen den beiden
Musikern schon bald wurde, zeigt sich vielleicht am besten daran,
dass Chopin Tellefsen 1849 sozusagen auf dem Sterbebett bat, seine
Nichte zu unterrichten, und seine Unterrichtswerke fertigzustellen.
Vor der
französischen Revolution und dem anrückenden preußischen Militär
floh Tellefsen nach London. Doch ansonsten wurde die Kunst- metropole
Paris zu seiner Wahlheimat. Doch als er spürte, dass sein Leben zu
Ende ging, sorgte er dafür, dass sein Nachlass, insbesondere seine
Werke, nach Norwegen gebracht wurden. Er ging davon aus, dass sie in
Trondheim und Oslo mehr Beachtung finden würden.
Nun hat Einar
Steen-Nøkleberg bei Simax Classics auf vier CD sämt- liche
Kompositionen des Chopin-Schülers für Klavier solo eingespielt. Für
die nicht publizierten Werke wählte er einen Hammerflügel von Érard
aus dem Jahre 1853, ähnlich den Instrumenten, die der junge
Tellefsen täglich drei Stunden im Studio des Klavierbauers zum Üben
nutzen durfte.
Das Werk des
norwegischen Musikers bezeugt – trotz aller Nähe zu dem verehrten
Meister Chopin – in erster Linie seine große Eigen- ständigkeit.
Selbstverständlich finden sich auch in Tellefsens Werk Mazurken.
Doch anstelle polnischer Melodien finden sich Anklänge an seine
Heimat. „Die Mehrheit von Tellefsens Mazurken hat einen
nor- wegischen Geschmack, der springar, ein norwegischer Tanz, wird darin erkennbar“, meint Steen-Nøkleberg. „Und genauso ist es auch
mit den meisten seiner anderen Klavierstücke. Es ist Aufgabe des
Interpreten, dieses kulturelle Erbe zum Leben zu erwecken.“
Tellefsen
verbindet in seinen Kompositionen französische Eleganz mit
nordischer Bodenständigkeit. Einar Steen-Nøkleberg haben diese
Werke durch 50 Jahre seines Lebens begleitet. Und wenn der Pianist im
Beiheft den Wunsch äußert, dass diese Stücke in Zukunft von vielen
jungen Musikern gespielt werden, dann wird sich der Zuhörer dem gern
anschließen – es ist ein Gewinn, dass dieses Lebenswerk wieder
erschlossen worden ist.
Freitag, 10. August 2012
Dass du ewig denkst an mich (Querstand)
Der Kammerchor Cantamus Dresden singt deutsche Volkslieder in neuen Sätzen. Sie stammen von Max Reger und Hugo Distler, aber auch von Bernd Englbrecht, Matthias Drude, Volker Wangen- heim, Sylke Zimpel und von Stefan Vanselow selbst, der den Chor bis 2011 leitete, und einen beachtli- chen Anteil der musikalischen Substanz dieser CD beisteuerte. Im Mittelpunkt dieser CD steht aber ein Werk des Berliner Komponisten Hans Schanderl, das keinen Volkslied-Bezug hat. Schlief ein goldnes Wölkchen lautet der Titel eines Romans des russischen Schriftstellers Anatoli Ignatjewitsch Pristawkin, in dem dieser über seine Kindheits- erlebnisse berichtet - er lebte während des Zweiten Weltkrieges in einem tschetschenischen Waisenhaus. Diese Zeile entstammt dem Gedicht Der Felsen von Michail Jurjewitsch Lermontow - Schanderl hat es musikalisch umgesetzt, und ein phantastisches Klangbild ge- schaffen, das an die Werke von Arvo Pärt erinnert. Schlief ein goldnes Wölkchen entstand im Frühjahr 2010 als Auftragswerk für das Ensemble.
Der Kammerchor Cantamus Dresden hat sich ganz der A-cappella-Musik verschrieben. Dieser gemischte Chor singt absolut professio- nell; das Wort "schwierig" scheint es für diese jungen Sänger nicht zu geben. Es ist immer wieder erstaunlich, dass die mitteldeutsche Chortradition auch im iPod-Zeitalter noch Chöre wie diesen hervorbringt - mit Leidenschaft für den Chorgesang, exzellenter musikalischer Ausbildung und der Bereitschaft, sehr viel Zeit in Proben und Konzertreisen zu investieren. Bravi!
Der Kammerchor Cantamus Dresden hat sich ganz der A-cappella-Musik verschrieben. Dieser gemischte Chor singt absolut professio- nell; das Wort "schwierig" scheint es für diese jungen Sänger nicht zu geben. Es ist immer wieder erstaunlich, dass die mitteldeutsche Chortradition auch im iPod-Zeitalter noch Chöre wie diesen hervorbringt - mit Leidenschaft für den Chorgesang, exzellenter musikalischer Ausbildung und der Bereitschaft, sehr viel Zeit in Proben und Konzertreisen zu investieren. Bravi!
Donnerstag, 9. August 2012
Monteverdi: Vespro della Beata Vergine (Pan Classics)
Die Marienvesper von Claudio Monteverdi (1567 bis 1643) scheint seit einiger Zeit zu den Lieblingswerken jener Musiker zu gehören, die sich mit "Alter" Musik befassen. Diese CD enthält den Mitschnitt einer Aufführung dieser grandiosen Zusammenstellung geistlicher Musik, wie Monteverdi selbst sie wohl niemals erlebt hat.
Das Konzert fand am 22. Oktober 2010 in der Trinitatiskirche an- lässlich des Kölner Festes für Alte Musik statt. Die Besetzung war opulent. Musiziert wurde vierchörig, wobei zwei der Chöre von Streichern und Bläsern des Ensembles Musica Fiata gebildet wurden. Die Sänger von La Capella Ducale übernahmen die beiden anderen Chöre. In Coro I sangen Monika Mauch, Dorothee Mields, Rolf Ehlers, Markus Brutscher, Hans Jörg Mammel und Markus Flaig; in Coro II ließen sich Constanze Backes, Veronika Winter, Alexander Schneider, Hermann Oswald, Georg Poplutz und Stephan Schreckenberger hören. Die Leitung hatte Roland Wilson. Doch trotz dieser prominenten Besetzung kann diese Einspielung mit den Referenzaufnahmen nicht mithalten. Sie sind inniger, intensiver, haben mehr Ausstrahlung. Schade.
Das Konzert fand am 22. Oktober 2010 in der Trinitatiskirche an- lässlich des Kölner Festes für Alte Musik statt. Die Besetzung war opulent. Musiziert wurde vierchörig, wobei zwei der Chöre von Streichern und Bläsern des Ensembles Musica Fiata gebildet wurden. Die Sänger von La Capella Ducale übernahmen die beiden anderen Chöre. In Coro I sangen Monika Mauch, Dorothee Mields, Rolf Ehlers, Markus Brutscher, Hans Jörg Mammel und Markus Flaig; in Coro II ließen sich Constanze Backes, Veronika Winter, Alexander Schneider, Hermann Oswald, Georg Poplutz und Stephan Schreckenberger hören. Die Leitung hatte Roland Wilson. Doch trotz dieser prominenten Besetzung kann diese Einspielung mit den Referenzaufnahmen nicht mithalten. Sie sind inniger, intensiver, haben mehr Ausstrahlung. Schade.
Schreker: Der Schmied von Gent (cpo)
Diese Oper spielt in Gent; die Niederlande sind von den Spaniern besetzt, und der Schmied Smee hat gut zu tun, ihre Waffen, Harnische und Pferde in Schuss zu halten. Weil er aber eigentlich auf Seiten der Niederländer steht, nimmt er von dieser Kundschaft Wucher- preise - und singt gemeinsam mit seinen Gesellen Spottlieder auf sie. Das spricht sich herum. Und als der Schmied Slimbroek das Pferd eines Kunden manipuliert, und den Konkurrenten bei der Obrigkeit verpfeift, geht bei Smee das Schmiedefeuer aus.
Solcherart um die Existenz gebracht, will sich der Geprellte umbrin- gen - doch da erscheinen drei Abgesandte der Hölle, und bieten ihm einen Handel an: Sieben Jahre in Reichtum und Glück für den Schmied, und dann geht die Seele zum Teufel. Smee unterschreibt. Und Franz Schreker (1878 bis 1934) erzählt in seiner Oper Der Schmied von Gent, warum er letztendlich doch in den Himmel kommt.
Dabei folgt er einer Erzählung von Charles De Coster, die er zum Libretto umgestaltete und mit einer ausgesprochen witzigen, farben- und facettenreichen Musik ergänzte. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn was der Schriftsteller weitschweifig schilderte, das erzählt der Komponist in seinen Orchesterzwischenspielen, zwischen denen mit hohem Tempo die wesentlichen Szenen ablaufen. Schrekers Oper Der Schmied von Gent erlebte ihre Premiere am 29. Oktober 1932 in Berlin; sie wurde wie alle Werke des Komponisten von den Nationalsozialisten heftig angefeindet und verschwand rasch wieder vom Spielplan. Schreker erlag 1934 einem Herzinfarkt. So blieb ihm erspart, mitzuerleben, wie seine Musik als "entartet" gebrandmarkt wurde, und in Vergessenheit geriet.
Die Oper Chemnitz hat das Stück nun erstmals wieder auf die Bühne gebracht - und man muss feststellen: Das hat sich gelohnt. Denn dieses Werk hat alles, was eine Oper heutzutage zu einem Erfolg machen kann - eine Handlung, die sowohl als Märchen als auch als Metapher funktioniert, eine Musik, die den Experten erfreut, aber auch das Volk nicht durch allzu schräge Klänge verschreckt, und statt langer Arien schnell aufeinander folgende Schnitte, wie sie das Publi- kum aus dem Fernsehen gewohnt ist.
Ein exzellentes Solistenensemble um Oliver Zwarg als Smee und Undine Dreißig als seine Frau sowie André Riemer als Schmiedegesell Flipke und Edward Randall als Slimbroek ist hier zu hören, nebst Chor und Kinderchor. Und die Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz unter Frank Beermann beweist einmal mehr, dass sie den großen Namen zu Recht trägt. Kurz und gut: Diese Aufnahme ist wirklich eine Entdeckung.
Solcherart um die Existenz gebracht, will sich der Geprellte umbrin- gen - doch da erscheinen drei Abgesandte der Hölle, und bieten ihm einen Handel an: Sieben Jahre in Reichtum und Glück für den Schmied, und dann geht die Seele zum Teufel. Smee unterschreibt. Und Franz Schreker (1878 bis 1934) erzählt in seiner Oper Der Schmied von Gent, warum er letztendlich doch in den Himmel kommt.
Dabei folgt er einer Erzählung von Charles De Coster, die er zum Libretto umgestaltete und mit einer ausgesprochen witzigen, farben- und facettenreichen Musik ergänzte. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn was der Schriftsteller weitschweifig schilderte, das erzählt der Komponist in seinen Orchesterzwischenspielen, zwischen denen mit hohem Tempo die wesentlichen Szenen ablaufen. Schrekers Oper Der Schmied von Gent erlebte ihre Premiere am 29. Oktober 1932 in Berlin; sie wurde wie alle Werke des Komponisten von den Nationalsozialisten heftig angefeindet und verschwand rasch wieder vom Spielplan. Schreker erlag 1934 einem Herzinfarkt. So blieb ihm erspart, mitzuerleben, wie seine Musik als "entartet" gebrandmarkt wurde, und in Vergessenheit geriet.
Die Oper Chemnitz hat das Stück nun erstmals wieder auf die Bühne gebracht - und man muss feststellen: Das hat sich gelohnt. Denn dieses Werk hat alles, was eine Oper heutzutage zu einem Erfolg machen kann - eine Handlung, die sowohl als Märchen als auch als Metapher funktioniert, eine Musik, die den Experten erfreut, aber auch das Volk nicht durch allzu schräge Klänge verschreckt, und statt langer Arien schnell aufeinander folgende Schnitte, wie sie das Publi- kum aus dem Fernsehen gewohnt ist.
Ein exzellentes Solistenensemble um Oliver Zwarg als Smee und Undine Dreißig als seine Frau sowie André Riemer als Schmiedegesell Flipke und Edward Randall als Slimbroek ist hier zu hören, nebst Chor und Kinderchor. Und die Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz unter Frank Beermann beweist einmal mehr, dass sie den großen Namen zu Recht trägt. Kurz und gut: Diese Aufnahme ist wirklich eine Entdeckung.
Mittwoch, 8. August 2012
Bach: The Cello Suites; Navarra (Calliope/Phaia)
Erst waren sie gar nicht zu bekom- men - und nun sind sie gleich bei zwei Labels erschienen: Calliope und Phaia Music haben die Cello-Suiten von Johann Sebastian Bach in der berühmten Einspielung durch André Navarra (1911 bis 1988) wieder zugänglich gemacht.
Navarra ist eine Cello-Legende; seine Interpretation der Cello-Sui- ten stammt aus dem Jahre 1977, doch sie wirkt kein bisschen ange- staubt. Der Musiker, der gemein- sam mit Pierre Fournier, Paul Tortelier und Maurice Gendrom eine ganze Generation europäischer Cellisten prägte, beeindruckt durch seinen wundervollen Ton ebenso wie durch sein virtuoses Spiel. Von Eitelkeit findet sich nicht die geringste Spur; dieser Solist hat es nicht nötig, sich zu inszenieren. Navarra geht vollkommen auf in dem Werk Bachs, das er mit geradezu meditativer Intensität erkundet. Phantastisch!
Navarra ist eine Cello-Legende; seine Interpretation der Cello-Sui- ten stammt aus dem Jahre 1977, doch sie wirkt kein bisschen ange- staubt. Der Musiker, der gemein- sam mit Pierre Fournier, Paul Tortelier und Maurice Gendrom eine ganze Generation europäischer Cellisten prägte, beeindruckt durch seinen wundervollen Ton ebenso wie durch sein virtuoses Spiel. Von Eitelkeit findet sich nicht die geringste Spur; dieser Solist hat es nicht nötig, sich zu inszenieren. Navarra geht vollkommen auf in dem Werk Bachs, das er mit geradezu meditativer Intensität erkundet. Phantastisch!
Eine Deutsche Messe (Genuin)
Das Ensemble Nobiles, gegründet 2006, gehört zu den Vokalforma- tionen, die aus dem Leipziger Thomanerchor hervorgegangen sind. Christian Pohlers, Paul Heller, Felix Hübner, Lucas Heller und Lukas Lomtscher überzeugen durch die Sensibilität und Homo- genität ihres Gesanges - was für die musikalische Ausbildung bei dem Leipziger Knabenchor spricht, der in diesem Jahr sein 800jähriges Bestehen feiert. Dort werden die Chorknaben offenbar so gut geschult, dass etliche von ihnen auch nach dem Abitur ihren Platz im Konzert- leben finden.
Für ihr Debütalbum haben sich die fünf jungen Sänger auf ein Reper- toire konzentriert, das ihnen aus ihrer Zeit bei den Thomanern heraus bestens vertraut ist: Kirchenmusik. Dabei kombinieren sie die Ge- sänge zur Feier des heiligen Opfers der Messe D 872 von Franz Schubert, in einer Bearbeitung für vier Männerstimmen von seinem Bruder Ferdinand, mit passenden Motetten. Sie entstammen teilweise dem Schaffen von Thomaskantoren; vertreten sind mit ihren Werken insbesondere Moritz Hauptmann (1792 bis 1868), Kurt Thomas (1904 bis 1973), Erhard Mauersberger (1903 bis 1982) und der derzeitige Thomaskantor Georg Christoph Biller. Es erklingen aber auch Werke von Camille Saint-Saens, dessen Pfingstmotette Veni Creator Spiritus zugleich das einzige Stück auf Latein auf dieser CD ist, Michael Praetorius, Hugo Distler, Peter Cornelius, Paul Heller und Manfred Schlenker, der seine Komposition Gott wohnt in einem Lichte dem Ensemble Nobiles widmete.
Und obwohl die Musik Jahrhunderte durchschreitet, überrascht die CD durch eine stimmige, bruchlose Dramaturgie. Hier präsentiert sich ein junges, aber trotzdem sehr professionelles und ehrgeiziges Quin- tett, von dem man in Zukunft noch viel erwarten darf.
Für ihr Debütalbum haben sich die fünf jungen Sänger auf ein Reper- toire konzentriert, das ihnen aus ihrer Zeit bei den Thomanern heraus bestens vertraut ist: Kirchenmusik. Dabei kombinieren sie die Ge- sänge zur Feier des heiligen Opfers der Messe D 872 von Franz Schubert, in einer Bearbeitung für vier Männerstimmen von seinem Bruder Ferdinand, mit passenden Motetten. Sie entstammen teilweise dem Schaffen von Thomaskantoren; vertreten sind mit ihren Werken insbesondere Moritz Hauptmann (1792 bis 1868), Kurt Thomas (1904 bis 1973), Erhard Mauersberger (1903 bis 1982) und der derzeitige Thomaskantor Georg Christoph Biller. Es erklingen aber auch Werke von Camille Saint-Saens, dessen Pfingstmotette Veni Creator Spiritus zugleich das einzige Stück auf Latein auf dieser CD ist, Michael Praetorius, Hugo Distler, Peter Cornelius, Paul Heller und Manfred Schlenker, der seine Komposition Gott wohnt in einem Lichte dem Ensemble Nobiles widmete.
Und obwohl die Musik Jahrhunderte durchschreitet, überrascht die CD durch eine stimmige, bruchlose Dramaturgie. Hier präsentiert sich ein junges, aber trotzdem sehr professionelles und ehrgeiziges Quin- tett, von dem man in Zukunft noch viel erwarten darf.
Dienstag, 7. August 2012
Mozart: Requiem (Coro)
Die Handel and Haydn Society, gegründet 1815, ist die älteste musikalische Institution Amerikas. Händel und Haydn, diese Namen stehen auch nach wie vor für die beiden Schwerpunkte, denen sich Chor und Orchester verschrieben haben: Barockmusik und die Musik der Klassik.
Der Schritt freilich zwischen diesen beiden Epochen ist gewaltig. Und es gibt weltweit sehr wenige En- sembles, die beides gleichermaßen authentisch aufführen können. Auf dieser CD zeigt sich, dass die Handel und Haydn Society in dieser Klasse nicht mithalten kann. Überragend ist das nicht, was Harry Christophers hier mit einem opulent besetzten Orchester und einem für Mozart gigantischen Chor im Mai 2011 live in Boston vorgestellt hat. Dieses Konzert wirkt unausgewogen, lustlos und provinziell. Schade.
Der Schritt freilich zwischen diesen beiden Epochen ist gewaltig. Und es gibt weltweit sehr wenige En- sembles, die beides gleichermaßen authentisch aufführen können. Auf dieser CD zeigt sich, dass die Handel und Haydn Society in dieser Klasse nicht mithalten kann. Überragend ist das nicht, was Harry Christophers hier mit einem opulent besetzten Orchester und einem für Mozart gigantischen Chor im Mai 2011 live in Boston vorgestellt hat. Dieses Konzert wirkt unausgewogen, lustlos und provinziell. Schade.
Sonntag, 5. August 2012
Bach: Goldberg Variations - Leopold String Trio (Hyperion)
Es geht das Gerücht, die Goldberg-Variationen seien, sozusagen als Schlaflied, für einen Grafen kom- poniert worden, der sich, wenn ihn die Schlaflosigkeit plagte, von einem jungen Musiker daraus vorspielen ließ. Diese hübsche Geschichte erzählt zumindest der erste Bach-Biograph Johann Niko- laus Forkel.
Wer diese Bearbeitung der Clavier Übung bestehend in einer Aria mit verschiedenen Veraenderungen vors Clavicimbal mit 2 Manualen. Denen Liebhabern zur Gemüths-Ergetzung verfertiget von Johann Sebastian Bach anhört, der wird garantiert dabei nicht einschlafen, auch wenn die Aria zunächst wie auf Katzenpfoten daherkommt.
Dmitri Sitkowetski hat Bachs Musik für Streichtrio arrangiert - und das außerordentlich spannend. Denn er hat nicht einfach nur Stim- men neu verteilt, sondern das Werk für die neue Besetzung komplett neu gedacht. Das ist auch notwendig, denn zum einen klingen Streich- instrumente nun einmal völlig anders als ein Cembalo. Zum anderen geben sie dem Komponisten auch andere Gestaltungsmöglichkeiten; so lassen sich die kontrapunktischen und imitierenden Linien we- sentlich deutlicher aufzeigen, als dies beim Cembalo möglich wäre. Und wo Bach den Cembalisten die Hände überkreuzen lässt, dort setzt Sitkowetski auf den Registerwechsel. Will der Arrangeur den Cemba- lo-Klang imitieren, verwendet er das Pizzicato. Das bringt erstaunlich viel Farbe in das bekannte Werk.
Das Leopold String Trio spielt diese Bearbeitung als ein zeitgenössi- sches Stück - mit kammermusikalischem, mitunter beinahe orche- stralem Klang, aber nur gelegentlich mit historisierenden Zitaten. Isabelle van Keulen, Lawrence Power und Kate Gould musizieren klug, undogmatisch und mit Gespür für die Gratwanderung. Eine wirklich schöne Aufnahme, die Bach hoch achtet, aber ihn nicht ins Museum stellt.
Wer diese Bearbeitung der Clavier Übung bestehend in einer Aria mit verschiedenen Veraenderungen vors Clavicimbal mit 2 Manualen. Denen Liebhabern zur Gemüths-Ergetzung verfertiget von Johann Sebastian Bach anhört, der wird garantiert dabei nicht einschlafen, auch wenn die Aria zunächst wie auf Katzenpfoten daherkommt.
Dmitri Sitkowetski hat Bachs Musik für Streichtrio arrangiert - und das außerordentlich spannend. Denn er hat nicht einfach nur Stim- men neu verteilt, sondern das Werk für die neue Besetzung komplett neu gedacht. Das ist auch notwendig, denn zum einen klingen Streich- instrumente nun einmal völlig anders als ein Cembalo. Zum anderen geben sie dem Komponisten auch andere Gestaltungsmöglichkeiten; so lassen sich die kontrapunktischen und imitierenden Linien we- sentlich deutlicher aufzeigen, als dies beim Cembalo möglich wäre. Und wo Bach den Cembalisten die Hände überkreuzen lässt, dort setzt Sitkowetski auf den Registerwechsel. Will der Arrangeur den Cemba- lo-Klang imitieren, verwendet er das Pizzicato. Das bringt erstaunlich viel Farbe in das bekannte Werk.
Das Leopold String Trio spielt diese Bearbeitung als ein zeitgenössi- sches Stück - mit kammermusikalischem, mitunter beinahe orche- stralem Klang, aber nur gelegentlich mit historisierenden Zitaten. Isabelle van Keulen, Lawrence Power und Kate Gould musizieren klug, undogmatisch und mit Gespür für die Gratwanderung. Eine wirklich schöne Aufnahme, die Bach hoch achtet, aber ihn nicht ins Museum stellt.
Tango Royal - Carel Kraayenhof (Pentatone Classics)
Tango trivial, in seiner verkitschten Form. So also klingt das, wenn Musik, die einst in argentinischen Bordells gespielt wurde, bei Hofe angekommen ist. Dass dieser Tanz einmal als "sündhaft" galt, wird man nicht glauben, wenn man diese CD hört. Statt knisternder Spannung gibt's Geigengeschluchze und Gesang. Piazzolla würde staunen - denn soviel Weichspüler war nie. Und auch wenn die Musiker durch- weg ihr Handwerk verstehen, finde ich das Ergebnis schwer erträglich.
Samstag, 4. August 2012
Edition Fischer-Dieskau (Audite)
Dem Andenken eines großartigen Sängers gewidmet ist die Edition Fischer-Dieskau bei Audite. Das Label hat dafür aus den Archiven eine Reihe von Raritäten heraus- gesucht, und die Aufzeichnungen auf den historischen Masterbän- dern mit Sorgfalt digital aufgear- beitet.
So gilt die fünfte CD der Edition der Winterreise von Franz Schubert. Diesen Liederzyklus hat Dietrich Fischer-Dieskau um die dreißig Mal eingesungen. Diese Aufnahme aber war seine allererste, aufgezeichnet im Januar 1948 für den Rias; am Klavier begleitete seinerzeit Klaus Billing den jungen Sänger. Die Be- dingungen, unter denen diese Bänder entstanden sind, kann man sich heute gar nicht mehr recht vorstellen. So wirkten sich Schwankungen in der Stromversorgung auf die Bandgeschwindigkeit aus. Und auf- grund technischer Defekte musste die Hälfte der Stücke von den erschöpften Interpreten noch einmal eingespielt werden. Dass diese Aufnahme dennoch zu einer Legende wurde, zeigt, welche Klasse der Liedgesang Fischer-Dieskaus damals bereits hatte.
Der junge Sänger wählte für Schuberts berühmte Lieder ein erstaun- lich langsames Grundtempo. Dieser Wanderer schreitet nicht vom Zorn beschwingt zum Tor hinaus, er schleppt sich vielmehr mühsam aus der Stadt. Fischer-Dieskau lässt jugendlichen Weltschmerz ebenso zu wie beinahe opernhafte Dramatik, doch die Musik ist mitunter klüger als der Interpret, und bricht die allzu romantischen Klänge ironisch. Als Referenzaufnahme würde ich diese nicht wählen, aber ein beeindruckendes musikalisches Dokument ist das schon.
Neben Werken von Hugo Wolf und Johannes Brahms finden sich in der CD-Reihe auch Lieder Ludwig van Beethovens. So enthält die dritte CD der Edition Arrangements schottischer, irischer und walisischer Volkslieder aus seiner Feder. 22 derartige Stücke hat Dietrich Fischer-Dieskau 1952 gemeinsam mit dem Pianisten Michael Raucheisen, Grete Eweler-Froboese, Violine, Irmgard Poppen, Violoncello, und dem Rias Kammerchor unter Herbert Froitzheim eingespielt. Hier überrascht der Sänger mit einem ausgeprägten komischen Talent, das er auf der Bühne seltsamerweise nur selten zeigen konnte. Ob ein deftiges Trinklied oder der Bittgesang eines etwas naiven Verliebten - Fischer-Dieskau gestaltet mit sehr viel Charme geradezu szenische Miniaturen. Vielen Dank an Audite für diese Entdeckungen!
So gilt die fünfte CD der Edition der Winterreise von Franz Schubert. Diesen Liederzyklus hat Dietrich Fischer-Dieskau um die dreißig Mal eingesungen. Diese Aufnahme aber war seine allererste, aufgezeichnet im Januar 1948 für den Rias; am Klavier begleitete seinerzeit Klaus Billing den jungen Sänger. Die Be- dingungen, unter denen diese Bänder entstanden sind, kann man sich heute gar nicht mehr recht vorstellen. So wirkten sich Schwankungen in der Stromversorgung auf die Bandgeschwindigkeit aus. Und auf- grund technischer Defekte musste die Hälfte der Stücke von den erschöpften Interpreten noch einmal eingespielt werden. Dass diese Aufnahme dennoch zu einer Legende wurde, zeigt, welche Klasse der Liedgesang Fischer-Dieskaus damals bereits hatte.
Der junge Sänger wählte für Schuberts berühmte Lieder ein erstaun- lich langsames Grundtempo. Dieser Wanderer schreitet nicht vom Zorn beschwingt zum Tor hinaus, er schleppt sich vielmehr mühsam aus der Stadt. Fischer-Dieskau lässt jugendlichen Weltschmerz ebenso zu wie beinahe opernhafte Dramatik, doch die Musik ist mitunter klüger als der Interpret, und bricht die allzu romantischen Klänge ironisch. Als Referenzaufnahme würde ich diese nicht wählen, aber ein beeindruckendes musikalisches Dokument ist das schon.
Neben Werken von Hugo Wolf und Johannes Brahms finden sich in der CD-Reihe auch Lieder Ludwig van Beethovens. So enthält die dritte CD der Edition Arrangements schottischer, irischer und walisischer Volkslieder aus seiner Feder. 22 derartige Stücke hat Dietrich Fischer-Dieskau 1952 gemeinsam mit dem Pianisten Michael Raucheisen, Grete Eweler-Froboese, Violine, Irmgard Poppen, Violoncello, und dem Rias Kammerchor unter Herbert Froitzheim eingespielt. Hier überrascht der Sänger mit einem ausgeprägten komischen Talent, das er auf der Bühne seltsamerweise nur selten zeigen konnte. Ob ein deftiges Trinklied oder der Bittgesang eines etwas naiven Verliebten - Fischer-Dieskau gestaltet mit sehr viel Charme geradezu szenische Miniaturen. Vielen Dank an Audite für diese Entdeckungen!
Bottesini: Works for double-bass and piano (Concerto)
Giovanni Paolo Bottesini (1821 bis 1889), der wohl größte Virtuose aller Zeiten am Kontrabass, kam durch einen Zufall an dieses Instrument: Als er, noch nicht ein- mal 14 Jahre alt, ein Geigenstu- dium am Mailänder Konservato- rium beginnen wollte, benötigte Bottesini ein Stipendium. Eine solche Finanzhilfe gab es 1835 aber nur in den Fächern Fagott und Kontrabass. Also spielte Bottesini nach einer Vorbereitungszeit von wenigen Wochen auf dem Kontra- bass vor - und erhielt einen Platz in der Klasse von Luigi Rossi.
Die Anekdote, wie der angehende Student sich in der Aufnahmeprü- fung für seine Intonationsmängel entschuldigt haben soll, wird unter Musikern noch heute gern erzählt. Der Junge sprach zur Jury: "Sento o Signori, di stonare, ma quando saprò dove posare le dita, allora non stonerò più!" Doch er lernte sehr schnell. Jahre später urteilte der Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick, der bekanntlich kein Freund italienischer Musik war: "Ein widerspenstigeres Material für die Bravour kann es aber kaum geben, als den Contrabass, und einen vollkommeneren Bändiger desselben auch nicht, als Bottesini. Glaubt jemand, das Staunen über technische Virtuosität verlernt zu haben, bei Bottesinis Production wird er es wieder lernen."
Wer die Werke des Kontrabass-Virtuosen spielen will, der sollte freilich schon ziemlich präzise wissen, wohin er seine Finger setzen muss - und nicht nur schöne Töne, sondern auch einige Geschwindig- keit entwickeln. Denn hier sind wirklich alle Raffinessen gefragt, um das große Instrument zum Singen zu bringen, von sonorer Tiefe bis hin zu fast unwirklichen Flageolettklängen.
Francesco Siragusa, erster Solo-Kontrabassist an der Mailänder Scala, gelingt das exzellent. Seinem Spiel zuzuhören, ist rundum ein Ver- gnügen. Da sitzt jeder einzelne Ton, und jede Phrase ist so perfekt gestaltet, wie man es sich nur wünschen kann. Roberto Paruzzo am Klavier sekundiert dem Solisten dabei; und man spürt, dass hier ein eingespieltes Team am Werke ist, das sich bestens abgestimmt hat. Bravi!
Die Anekdote, wie der angehende Student sich in der Aufnahmeprü- fung für seine Intonationsmängel entschuldigt haben soll, wird unter Musikern noch heute gern erzählt. Der Junge sprach zur Jury: "Sento o Signori, di stonare, ma quando saprò dove posare le dita, allora non stonerò più!" Doch er lernte sehr schnell. Jahre später urteilte der Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick, der bekanntlich kein Freund italienischer Musik war: "Ein widerspenstigeres Material für die Bravour kann es aber kaum geben, als den Contrabass, und einen vollkommeneren Bändiger desselben auch nicht, als Bottesini. Glaubt jemand, das Staunen über technische Virtuosität verlernt zu haben, bei Bottesinis Production wird er es wieder lernen."
Wer die Werke des Kontrabass-Virtuosen spielen will, der sollte freilich schon ziemlich präzise wissen, wohin er seine Finger setzen muss - und nicht nur schöne Töne, sondern auch einige Geschwindig- keit entwickeln. Denn hier sind wirklich alle Raffinessen gefragt, um das große Instrument zum Singen zu bringen, von sonorer Tiefe bis hin zu fast unwirklichen Flageolettklängen.
Francesco Siragusa, erster Solo-Kontrabassist an der Mailänder Scala, gelingt das exzellent. Seinem Spiel zuzuhören, ist rundum ein Ver- gnügen. Da sitzt jeder einzelne Ton, und jede Phrase ist so perfekt gestaltet, wie man es sich nur wünschen kann. Roberto Paruzzo am Klavier sekundiert dem Solisten dabei; und man spürt, dass hier ein eingespieltes Team am Werke ist, das sich bestens abgestimmt hat. Bravi!
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