Giovanni Battista Viotti (1755 bis 1824) gehörte zu den führenden Violinvirtuosen seiner Zeit. Er komponierte auch überwiegend für dieses Instrument. Seine Werke waren aber so beliebt und so ein- zigartig, dass sich auch Musiker dafür interessierten, die nicht Violine spielten, sondern beispiels- weise Klavier - oder Flöte.
Diese CD bringt gleich zwei Beispie- le dafür, wie führende Flötisten Viottis Konzerte für ihr Instrument erschlossen. Francois Devienne (1759 bis 1803) wirkte unter anderem als Erster Flötist an der Pariser Oper. Er bearbeitete Viottis G-Dur Konzert Nr. 23 für die Flöte. Caspar Fürstenau (1772 bis 1819), der unter anderem Viottis Konzert in e-Moll Nr. 16 für die Flöte arrangierte, spielte unter anderem in der Hofkapelle zu Oldenburg. Er war der Vater und Lehrer des berühmten Flötisten Anton Bernhard Fürstenau, der in der Dresdner Hofkapelle seine Lebensstellung fand. Doch zuvor war er gemeinsam mit Caspar Fürstenau, der offenbar auch sehr versiert Fagott spielte, konzertie- rend quer durch Europa gereist und war in nahezu allen Musikmetro- polen der damaligen Zeit aufgetreten.
Die Viotti-Bearbeitungen beider Flötenvirtuosen passen die Violin- konzerte den Möglichkeiten und Stärken der Flöte hervorragend an. Wer hört, wie Mario Carbotta diese Werke spielt, wird sogar kaum auf die Idee kommen, dass es sich um Arrangements handelt - so idioma- tisch perfekt sind sie gelungen.
Während Devienne in erster Linie durch Eleganz glänzt, setzt Fürste- nau zusätzlich auf technische Herausforderungen. Sie erstaunen um so mehr, wen man an die Instrumente denkt, die den Flötisten damals zur Verfügung standen. Und Mario Carbotta zeigt mit seinen Kaden- zen, was sich mit der modernen Böhm-Flöte daraus machen lässt. Besten Dank an den Flötisten und das Orchestra I Pomeriggi Musicali unter Pietro Mianiti für diese Weltersteinspielung, die nicht nur musikhistorisch sehr spannend erscheint.
Dienstag, 30. Oktober 2012
Sonntag, 28. Oktober 2012
1612 - Italian Vespers (Decca)
Als die Schiffe der Heiligen Liga am 7. Oktober 1571 in der Seeschlacht bei Lepanto die osmanische Flotte besiegten, nahm dies Papst Pius V. zum Anlass, einen Festtag in den Kirchenkalender einzufügen, den er Unserer Lieben Frau vom Sieg widmete.
Die Venezianer zelebrierten an diesem Tage noch Jahrhunderte später mit großem Aufwand das Gedenken an den Sieg. So schil- derte Goethe, der 1786 Venedig besuchte, wie an diesem Tage noch immer die eroberten türkischen Fahnen vorgeführt wurden.
Die Musik allerdings, die Robert Hollingworth mit dem Ensemble
I Fagiolini für diese CD rekonstruiert hat, dürfte der Dichter so nicht mehr gehört haben. Denn mit dieser aufwendigen Aufnahme wollen die Musiker an den Tod Giovanni Gabrielis im Jahre 1612 erinnern - und an die Veröffentlichung einer Sammlung von Vesperkomposi- tionen des Franziskaners Lodovico Grossi.
Sie haben eine zweite Vesper am Fest Unserer Lieben Frau vom Ro- senkranz inszeniert, wie sie 1612 in Venedig erklungen sein könnte. Dazu haben sie Musik verschiedener Komponisten - Lodovico Grossi, Giovanni und Andrea Gabrieli, Bartolomeo Barbarino, Giovanni Pierluigi da Palestrina, Claudio Monteverdi und Francesco Sorina - der damals üblichen Liturgie folgend zusammengestellt. So wird jeder der fünf Vesperpsalmen ebenso wie das Magnificat als Höhepunkt der Versper von einer Antiphon sowie einer Motette oder einem Instru- mentalstück umgeben; gregorianischer Gesang steht neben pracht- vollem mehrchörigen Musizieren, wie es damals in Venedig in hoher Blüte stand. Die Wirkung dieser grandiosen Musik ist unbeschreib- lich.
Die Venezianer zelebrierten an diesem Tage noch Jahrhunderte später mit großem Aufwand das Gedenken an den Sieg. So schil- derte Goethe, der 1786 Venedig besuchte, wie an diesem Tage noch immer die eroberten türkischen Fahnen vorgeführt wurden.
Die Musik allerdings, die Robert Hollingworth mit dem Ensemble
I Fagiolini für diese CD rekonstruiert hat, dürfte der Dichter so nicht mehr gehört haben. Denn mit dieser aufwendigen Aufnahme wollen die Musiker an den Tod Giovanni Gabrielis im Jahre 1612 erinnern - und an die Veröffentlichung einer Sammlung von Vesperkomposi- tionen des Franziskaners Lodovico Grossi.
Sie haben eine zweite Vesper am Fest Unserer Lieben Frau vom Ro- senkranz inszeniert, wie sie 1612 in Venedig erklungen sein könnte. Dazu haben sie Musik verschiedener Komponisten - Lodovico Grossi, Giovanni und Andrea Gabrieli, Bartolomeo Barbarino, Giovanni Pierluigi da Palestrina, Claudio Monteverdi und Francesco Sorina - der damals üblichen Liturgie folgend zusammengestellt. So wird jeder der fünf Vesperpsalmen ebenso wie das Magnificat als Höhepunkt der Versper von einer Antiphon sowie einer Motette oder einem Instru- mentalstück umgeben; gregorianischer Gesang steht neben pracht- vollem mehrchörigen Musizieren, wie es damals in Venedig in hoher Blüte stand. Die Wirkung dieser grandiosen Musik ist unbeschreib- lich.
Mittwoch, 24. Oktober 2012
American Classics (Genuin)
Die sächsische Bläserphilhar- monie, ein Orchester mit mehr als 60jähriger Tradition, spielt Ame- rican Classics. Darunter versteht das Ensemble, das unter seinem künstlerischen Leiter Thomas Clamor musiziert, die bekannten Werke von Leonard Bernstein, George Gershwin und Henry Man- cini - natürlich, Moon River - aber es erklingt auch ein Traditional sowie ein Stück des 1928 gebore- nen Jef Peters, das nicht umsonst Glenn Meets Wolfgang heißt. Bei einigen Stücken ist Sängerin Ines Agnes Krautwurst zu hören.
Das Programm ist nicht unbedingt sehr originell, aber es passt zu den Musikern, die auf solide sächsische Art und Weise swingen. Und die Konzertouvertüre Slava, die Bernstein einst für seinen Freund Mstislaw Rostropowitsch schrieb, spielen sie wirklich hinreißend. Slava war der Spitzname des berühmten Cellisten, und es ist zugleich das russische Wort für Ruhm. Bernstein zündet, dem Freund zu Ehren, ein wahres Orchesterfeuerwerk im vertrackten 7/8-Takt - und lässt obendrein die Musiker "Slava!" rufen. Köstlich!
Das Programm ist nicht unbedingt sehr originell, aber es passt zu den Musikern, die auf solide sächsische Art und Weise swingen. Und die Konzertouvertüre Slava, die Bernstein einst für seinen Freund Mstislaw Rostropowitsch schrieb, spielen sie wirklich hinreißend. Slava war der Spitzname des berühmten Cellisten, und es ist zugleich das russische Wort für Ruhm. Bernstein zündet, dem Freund zu Ehren, ein wahres Orchesterfeuerwerk im vertrackten 7/8-Takt - und lässt obendrein die Musiker "Slava!" rufen. Köstlich!
Montag, 22. Oktober 2012
Harry Our King - Music for King Henry VIII Tudor (Carpe Diem)
Henry Tudor, Earl of Richmond, Oberhaupt des Hauses Lancaster, besiegte 1485 in der Schlacht von Bosworth König Richard III. Er war der letzte König von England, der den Thron im Kampf errang. Henry VII. heiratete Elisabeth of York, und beendete damit den sogenannten Rosenkrieg zwischen den Häusern York und Lancaster.
Er schmiedete eine Vielzahl von politischen Allianzen mit dem Ziel, Ruhe und Stabilität zu stiften, und lebte ansonsten ziemlich unspektakulär. Das lässt sich von seinem Sohn Henry, der 1509 im Alter von 18 Jahren den Thron bestieg, nicht unbedingt sagen. Sein erster Lehrer war der Hofpoet John Skel- ton, und auch sonst erhielt er Unterricht im Geiste der Renaissance. So lernte er nicht nur reiten, kämpfen und beten, sondern er wurde auch in diversen Sprachen, Geschichte, Musik und Poesie unter- wiesen.
Somit bekam England einen König, der fließend Latein und Franzö- sisch sprach, der mit Gelehrten korrespondierte, wie mit Erasmus von Rotterdam, und der dichtete und komponierte. Er soll aber auch im Ringkampf geübt gewesen sein, ein exzellenter Bogenschütze und ein leidenschaftlicher Turnierkämpfer, der als Sieger aus vielen Tjosten hervorging. Als er dann älter wurde, wechselte die Frauen ziemlich häufig - und weil der Papst seine erste Ehe nicht scheiden wollte, führte er kurzerhand die Anglikanische Kirche ein, zu deren Oberhaupt er sich selbst ernannte. Damit ging er in die Geschichte ein.
Diese CD zeigt, wie ihn Musik durch sein Leben begleitete. Katharina Bäuml hat sich mit dem Ensemble Capella de la Torre auf die Spuren- suche begeben, gemeinsam mit dem Tenor Charles Daniels. Die Quellenlage freilich ist nicht gerade üppig. Zwar beschäftigte Henry an seinem Hof eine große Anzahl Sänger und Instrumentalisten. Doch sind aus seiner Herrschaftszeit nur wenige Handschriften überliefert, die Auskunft über das Repertoire geben, das zu seiner Zeit erklang. Eines davon ist das Henry VIII's Manuscript, aus dem die meisten Werke stammen, die die Musiker vorstellen. Und das machen sie sehr versiert - hier sind Spezialisten am Werke, denen man gern lauscht. Meine Empfehlung!
Er schmiedete eine Vielzahl von politischen Allianzen mit dem Ziel, Ruhe und Stabilität zu stiften, und lebte ansonsten ziemlich unspektakulär. Das lässt sich von seinem Sohn Henry, der 1509 im Alter von 18 Jahren den Thron bestieg, nicht unbedingt sagen. Sein erster Lehrer war der Hofpoet John Skel- ton, und auch sonst erhielt er Unterricht im Geiste der Renaissance. So lernte er nicht nur reiten, kämpfen und beten, sondern er wurde auch in diversen Sprachen, Geschichte, Musik und Poesie unter- wiesen.
Somit bekam England einen König, der fließend Latein und Franzö- sisch sprach, der mit Gelehrten korrespondierte, wie mit Erasmus von Rotterdam, und der dichtete und komponierte. Er soll aber auch im Ringkampf geübt gewesen sein, ein exzellenter Bogenschütze und ein leidenschaftlicher Turnierkämpfer, der als Sieger aus vielen Tjosten hervorging. Als er dann älter wurde, wechselte die Frauen ziemlich häufig - und weil der Papst seine erste Ehe nicht scheiden wollte, führte er kurzerhand die Anglikanische Kirche ein, zu deren Oberhaupt er sich selbst ernannte. Damit ging er in die Geschichte ein.
Diese CD zeigt, wie ihn Musik durch sein Leben begleitete. Katharina Bäuml hat sich mit dem Ensemble Capella de la Torre auf die Spuren- suche begeben, gemeinsam mit dem Tenor Charles Daniels. Die Quellenlage freilich ist nicht gerade üppig. Zwar beschäftigte Henry an seinem Hof eine große Anzahl Sänger und Instrumentalisten. Doch sind aus seiner Herrschaftszeit nur wenige Handschriften überliefert, die Auskunft über das Repertoire geben, das zu seiner Zeit erklang. Eines davon ist das Henry VIII's Manuscript, aus dem die meisten Werke stammen, die die Musiker vorstellen. Und das machen sie sehr versiert - hier sind Spezialisten am Werke, denen man gern lauscht. Meine Empfehlung!
Sonntag, 21. Oktober 2012
Pyotr Ilyich Tchaikovsky - The Ballets (Melodija)
Kaum zu glauben - aber Ballettmusik galt einmal als "minderwertig", als bloße Begleitung zu Unterhaltung und Vergnügen. Wer die Ballette anhört, die Pjotr Iljitsch Tschaikowski (1840 bis 1893) komponiert hat, der ahnt, dass diese Werke damals einen Kulturschock ausgelöst haben müssen.
Denn statt einer Abfolge von un- verbindlichen, ziemlich beliebig tanzbaren Stücken findet sich hier eine dramaturgisch durchdachte, dramatische, ausgesprochen bild- hafte Musik. Wenn man in diesen Werken streicht, umstellt oder ergänzt (was zu Tschaikowskis Lebzeiten absolut üblich war), dann beschädigt man sie. Dennoch wurden auch die Ballette von Tschai- kowski oftmals mit solchen Änderungen aufgeführt.
In dieser Box mit insgesamt acht CD finden sich Schwanensee, Dorn- röschen und Der Nussknacker in ihrer ursprünglichen Form. Die Aufnahmen stammen aus den 80er Jahren. Zu hören ist das Staatliche akademische Sinfonieorchester der UdSSR unter Jewgeni Fjodoro- witsch Swetlanow, seinem langjährigen Chefdirigenten. Musiziert wird mitreißend, ausdrucksstark und tänzerisch; die dicke Schicht aus akustischem Puderzucker, die man bei älteren Aufnahmen aus der Sowjetunion oftmals findet, wird man hier freilich vergebens suchen.
Denn statt einer Abfolge von un- verbindlichen, ziemlich beliebig tanzbaren Stücken findet sich hier eine dramaturgisch durchdachte, dramatische, ausgesprochen bild- hafte Musik. Wenn man in diesen Werken streicht, umstellt oder ergänzt (was zu Tschaikowskis Lebzeiten absolut üblich war), dann beschädigt man sie. Dennoch wurden auch die Ballette von Tschai- kowski oftmals mit solchen Änderungen aufgeführt.
In dieser Box mit insgesamt acht CD finden sich Schwanensee, Dorn- röschen und Der Nussknacker in ihrer ursprünglichen Form. Die Aufnahmen stammen aus den 80er Jahren. Zu hören ist das Staatliche akademische Sinfonieorchester der UdSSR unter Jewgeni Fjodoro- witsch Swetlanow, seinem langjährigen Chefdirigenten. Musiziert wird mitreißend, ausdrucksstark und tänzerisch; die dicke Schicht aus akustischem Puderzucker, die man bei älteren Aufnahmen aus der Sowjetunion oftmals findet, wird man hier freilich vergebens suchen.
Liszt Lieder - Diana Damrau (Virgin Classics)
"Als weltbereisender Virtouse und Superstar seiner Zeit kannte Franz List die großen Bühnen der Welt und das Publikum. Seine Kompo- sitionen beeinflussten die Ent- wicklung der Musik enorm", stellt Diana Damrau im Beiheft zu dieser CD fest, "und auch als Lied-Kom- ponist stellt er die höchsten An- forderungen an seine Interpreten am Klavier und mit der Stimme. Die vielen Einflüsse und Eindrücke seines Lebens zeigen sich in seiner musikalischen Sprache und zeich- nen sein Liedwerk durch eine äußerst große Bandbreite aus. So klingen und sind in der Stilistik seine Petrarca-Sonette echt italie- nisch, seine deutschen Stücke (...) vollkommen deutsch und stehen den großen Meistern in nichts nach. Seine ungarischen Melodien sind echt den Zigeunern nachempfunden und in seinen französischen Mélodies kann man seine Erfahrungen der Pariser ,Salons' regelrecht einatmen."
Die Sängerin lässt sich von dieser Vielfalt inspirieren und mitreißen. Ohne Zweifel hat Diana Damrau ein Faible für Theatralik, und hier kann sie dieser Leidenschaft frönen, ähnlich wie auf der Opernbühne. Doch das Lied als Kunstform stellt andere Anforderungen; nicht zuletzt aufgrund seiner Intimität verlangt es vom Sänger wie auch vom Pianisten sehr viel gestalterische Detailarbeit. Diese Sorgfalt ist erkennbar Grundlage für die vorliegende CD.
In Helmut Deutsch steht Damrau ein überaus renommierter und erfahrener Liedbegleiter zur Seite. Das zahlt sich aus. Sängerin und Pianist haben gemeinsam eine Interpretation vorgestellt, die ein würdiger Beitrag zum Liszt-Jubiläum ist - und eine hochwillkommene Ergänzung des Repertoires obendrein. Denn Liszts Lieder sind teil- weise so anspruchsvoll, dass selbst der Profi überlegen muss, ob und in welcher Fassung er diese Preziosen angehen will. Damrau und Deutsch haben sich der Herausforderung gestellt - und sie bravourös gemeistert.
Die Sängerin lässt sich von dieser Vielfalt inspirieren und mitreißen. Ohne Zweifel hat Diana Damrau ein Faible für Theatralik, und hier kann sie dieser Leidenschaft frönen, ähnlich wie auf der Opernbühne. Doch das Lied als Kunstform stellt andere Anforderungen; nicht zuletzt aufgrund seiner Intimität verlangt es vom Sänger wie auch vom Pianisten sehr viel gestalterische Detailarbeit. Diese Sorgfalt ist erkennbar Grundlage für die vorliegende CD.
In Helmut Deutsch steht Damrau ein überaus renommierter und erfahrener Liedbegleiter zur Seite. Das zahlt sich aus. Sängerin und Pianist haben gemeinsam eine Interpretation vorgestellt, die ein würdiger Beitrag zum Liszt-Jubiläum ist - und eine hochwillkommene Ergänzung des Repertoires obendrein. Denn Liszts Lieder sind teil- weise so anspruchsvoll, dass selbst der Profi überlegen muss, ob und in welcher Fassung er diese Preziosen angehen will. Damrau und Deutsch haben sich der Herausforderung gestellt - und sie bravourös gemeistert.
Freitag, 19. Oktober 2012
Serenade for Dieter Klöcker (MDG)
Eigentlich wollte Dieter Klöcker Archäologe werden. Doch dann zeigte ihm sein Klarinettenlehrer Karl Kroll, dass man auch als Musiker Entdeckungen machen kann. Denn Kroll war vor dem Ersten Weltkrieg Soloklarinettist des St. Petersburger Hoforchesters gewesen - und steckte mit seiner Begeisterung für die Pretiosen, die er dort in der Bibliothek vorge- funden hatte, auch seinen Schüler an.
Bereits bei seinem Musikstudium in Detmold bei Jost Michaels begann Klöcker, sich für die Kammermusik zu engagieren. Doch der Detmolder Bläserkreis, mit dem Klöcker seine ersten Konzertreisen und Rundfunkaufnahmen absolvierte, zerstreute sich nach dem Examen seiner Mitglieder. Aus den Augen verloren haben sich die Bläser aber nicht; gemeinsamen Auftritten als "Rheinisches Bläsersextett" folgte 1965 die Gründung des Ensembles Consortium Classicum. Das klang nicht nur eleganter - es ließ auch Raum für gemischte Besetzungen, beispielsweise mit Streichern und Klavier.
1968 beschloss Klöcker, die Anstellung im Orchester aufzugeben, um sich ganz der Kammermusik und seiner Solistenkarriere zu widmen. Er ging in Archiven und Musikbibliotheken auf die Suche - und fand dort Musik, die das Publikum entzückte. Wenn Namen wie Cannabich, Lachner oder Hummel heute dem Musikfreund wieder präsent sind, so ist das nicht zuletzt sein Verdienst. Schallplatteneditionen zu Themenkomplexen wie Bayerns Schlösser und Residenzen, Haydn - seine Freunde und Schüler oder Mozart - Original und Fälschung geben Zeugnis von seiner Entdeckerfreude. So ist Klöcker, obwohl er doch Musiker geworden ist, dennoch so manche Ausgrabung gelungen.
Seit 1986 erschienen die Aufnahmen von Dieter Klöcker und dem Consortium Classicum bei Dabringhaus und Grimm. Am 21. Mai 2011, kurz nach seinem 75. Geburtstag, ist der Musiker gestorben. MDG ehrt das Andenken dieses virtuosen Klarinettisten, hochgeschätzten Lehrers und akribischen Forschers nun mit einer Auswahl aus dem umfangreichen Fundus seiner Aufnahmen.
Die Edition beginnt mit den Bläserquartetten von Gioacchino Rossini, aberwitzig virtuosen Stücken, die wirken, als wären sie für das Con- sortium Classicum geschrieben. Noch immer hört man, wieviel Ver- gnügen Wolfgang Dünschede, Flöte, Dieter Klöcker an der Klarinette, Klaus Wallendorf, Horn und Karl-Otto Hartmann am Fagott mit diesen brillanten Werken hatten. Dieses Feuerwerk an Musizierlust und Esprit war die erste Gesamteinspielung dieser Werke überhaupt – und das Debüt des Ensembles bei MDG.
Klöcker verdanken wir die Wiederentdeckung von großartiger Musik lange vergessener Komponisten, aber auch den Zugang zu berühmten Meisterwerken in zeitgenössischen Arrangements. Ohne seine beharrliche Suche nach solchen Raritäten würden die zauberhaften Serenaden von Johann Nepomuk Hummel und Ignaz Pleyel sowie die Kammermusik von Carl Czerny wohl noch immer im Archivstaub vor sich hin schlummern. Die interessanten Bearbeitungen für Klarinette und Streichtrio von Vincent Gambaro nach Streichquartetten von Joseph Haydn wären ebenso unbekannt geblieben wie ihr Autor. Und natürlich stellte Klöcker auch neben Mozarts berühmte Sinfonia concertante KV 297b zwei Überraschungen.
Ergänzt wird die Sieben-CD-Box durch die Portrait-CD des Consor- tium Classicum aus dem Jahre 1993, die ebenfalls das außerordent- lich breite Repertoire dieses Ensembles präsentiert. Musiziert wird stets auf allerhöchstem Niveau. Jede dieser Aufnahmen ist gelungen, und die Angabe "Vol. 1" auf der Box lässt darauf hoffen, dass weitere folgen werden.
Bereits bei seinem Musikstudium in Detmold bei Jost Michaels begann Klöcker, sich für die Kammermusik zu engagieren. Doch der Detmolder Bläserkreis, mit dem Klöcker seine ersten Konzertreisen und Rundfunkaufnahmen absolvierte, zerstreute sich nach dem Examen seiner Mitglieder. Aus den Augen verloren haben sich die Bläser aber nicht; gemeinsamen Auftritten als "Rheinisches Bläsersextett" folgte 1965 die Gründung des Ensembles Consortium Classicum. Das klang nicht nur eleganter - es ließ auch Raum für gemischte Besetzungen, beispielsweise mit Streichern und Klavier.
1968 beschloss Klöcker, die Anstellung im Orchester aufzugeben, um sich ganz der Kammermusik und seiner Solistenkarriere zu widmen. Er ging in Archiven und Musikbibliotheken auf die Suche - und fand dort Musik, die das Publikum entzückte. Wenn Namen wie Cannabich, Lachner oder Hummel heute dem Musikfreund wieder präsent sind, so ist das nicht zuletzt sein Verdienst. Schallplatteneditionen zu Themenkomplexen wie Bayerns Schlösser und Residenzen, Haydn - seine Freunde und Schüler oder Mozart - Original und Fälschung geben Zeugnis von seiner Entdeckerfreude. So ist Klöcker, obwohl er doch Musiker geworden ist, dennoch so manche Ausgrabung gelungen.
Seit 1986 erschienen die Aufnahmen von Dieter Klöcker und dem Consortium Classicum bei Dabringhaus und Grimm. Am 21. Mai 2011, kurz nach seinem 75. Geburtstag, ist der Musiker gestorben. MDG ehrt das Andenken dieses virtuosen Klarinettisten, hochgeschätzten Lehrers und akribischen Forschers nun mit einer Auswahl aus dem umfangreichen Fundus seiner Aufnahmen.
Die Edition beginnt mit den Bläserquartetten von Gioacchino Rossini, aberwitzig virtuosen Stücken, die wirken, als wären sie für das Con- sortium Classicum geschrieben. Noch immer hört man, wieviel Ver- gnügen Wolfgang Dünschede, Flöte, Dieter Klöcker an der Klarinette, Klaus Wallendorf, Horn und Karl-Otto Hartmann am Fagott mit diesen brillanten Werken hatten. Dieses Feuerwerk an Musizierlust und Esprit war die erste Gesamteinspielung dieser Werke überhaupt – und das Debüt des Ensembles bei MDG.
Klöcker verdanken wir die Wiederentdeckung von großartiger Musik lange vergessener Komponisten, aber auch den Zugang zu berühmten Meisterwerken in zeitgenössischen Arrangements. Ohne seine beharrliche Suche nach solchen Raritäten würden die zauberhaften Serenaden von Johann Nepomuk Hummel und Ignaz Pleyel sowie die Kammermusik von Carl Czerny wohl noch immer im Archivstaub vor sich hin schlummern. Die interessanten Bearbeitungen für Klarinette und Streichtrio von Vincent Gambaro nach Streichquartetten von Joseph Haydn wären ebenso unbekannt geblieben wie ihr Autor. Und natürlich stellte Klöcker auch neben Mozarts berühmte Sinfonia concertante KV 297b zwei Überraschungen.
Ergänzt wird die Sieben-CD-Box durch die Portrait-CD des Consor- tium Classicum aus dem Jahre 1993, die ebenfalls das außerordent- lich breite Repertoire dieses Ensembles präsentiert. Musiziert wird stets auf allerhöchstem Niveau. Jede dieser Aufnahmen ist gelungen, und die Angabe "Vol. 1" auf der Box lässt darauf hoffen, dass weitere folgen werden.
Donnerstag, 18. Oktober 2012
de Victoria: La fiesta de Pascua en Piazza Navona (Lauda)
Tomás Luis de Victoria (1548 bis 1611) stammte aus Avila. Der Knabe, der im Domchor sang, zeigte schon bald musikalisches Talent und Neigung zur Religion. Seine Lehrer schickten ihn daher 1565 zum Studium nach Rom an das Collegium Germanicum, ein Priesterseminar der Jesuiten.
Als der 17jährige in der Heiligen Stadt eintraf, dürfte er dort ganze Scharen seiner Landsleute vorge- funden haben. Sie trafen sich vorzugsweise in der Kirche S. Giacomo degli Spagnoli, mitten in Rom an der Piazza Navona. 1569 wurde de Victoria Organist an der Kirche S. Maria di Monserrato. Bekannt ist zudem, dass de Victoria Mitglied der Confraternitate della SS. Resurrezione war, die am Ostermorgen eine prachtvolle Prozession auf der Piazza Navona zur Feier der Auf- erstehung Christi organisierte. Zeitgenössische Berichte schwärmen von den aufwendigen Dekorationen, mit denen die Häuser rings um den Platz festlich geschmückt wurden, von der Illumination und dem Feuerwerk. An der Ausgestaltung der Prozession wirkten zudem zahlreiche Musiker mit.
Wie man sich die Klangkulisse vorstellen muss, die sie zu diesem prächtigen Festakt gestaltet haben, das vollzieht nun La Grande Chapelle unter Leitung von Albert Recasens in einer aufwendigen Produktion auf zwei CD nach. Eigens dafür wurden etliche Werke aus dem Archivschlaf erweckt; es handelt sich durchweg um Welterst- einspielungen.
Die Rekonstruktion beginnt mit der Matutin in S. Giacomo degli Spagnoli. Dann kündigen Bläserklänge den Beginn der Prozession an - die von Motetten, Lobgesängen und Hymnen begleitet wird. Noch heute beeindruckt, was um 1580 die Zuhörer überwältigt haben dürfte - auch wenn die Kirchenmusik in Rom generell sicherlich auf einem sehr hohen Niveau stand. Dann kündigt die Fanfarra die Ankunft des Prozessionszuges vor der Kirche an. Die zweite CD enthält Musik, wie sie Messa, Versper und Complet umrahmt haben könnte. 40 Stunden dauerte damals die Osterfeier. Wir hören nur eine kleine Auswahl aus dem umfangreichen Repertoire, wie es beispiels- weise ein Inventar der in S. Giacomo aufbewahrten Notendrucke aufzählt.
Darunter sind etliche Werke von Tomás Luis de Victoria, der damals schon ein angesehener Komponist war, Giovanni Pierluigi da Palestrina, Jacobus de Kerle, Fernando de las Infantas, Giovanni Luca Conforti und vielen anderen bedeutenden Musikern der damaligen Zeit. Es ist belegt, dass auch Giovanni Battista Jacomelli, Francisco Soto de Langa oder aber Ruggiero Giovanelli Sänger und Instrumen- talisten für die Feierlichkeiten am Ostermorgen auf der Piazza Navona organisierten.
Als der 17jährige in der Heiligen Stadt eintraf, dürfte er dort ganze Scharen seiner Landsleute vorge- funden haben. Sie trafen sich vorzugsweise in der Kirche S. Giacomo degli Spagnoli, mitten in Rom an der Piazza Navona. 1569 wurde de Victoria Organist an der Kirche S. Maria di Monserrato. Bekannt ist zudem, dass de Victoria Mitglied der Confraternitate della SS. Resurrezione war, die am Ostermorgen eine prachtvolle Prozession auf der Piazza Navona zur Feier der Auf- erstehung Christi organisierte. Zeitgenössische Berichte schwärmen von den aufwendigen Dekorationen, mit denen die Häuser rings um den Platz festlich geschmückt wurden, von der Illumination und dem Feuerwerk. An der Ausgestaltung der Prozession wirkten zudem zahlreiche Musiker mit.
Wie man sich die Klangkulisse vorstellen muss, die sie zu diesem prächtigen Festakt gestaltet haben, das vollzieht nun La Grande Chapelle unter Leitung von Albert Recasens in einer aufwendigen Produktion auf zwei CD nach. Eigens dafür wurden etliche Werke aus dem Archivschlaf erweckt; es handelt sich durchweg um Welterst- einspielungen.
Die Rekonstruktion beginnt mit der Matutin in S. Giacomo degli Spagnoli. Dann kündigen Bläserklänge den Beginn der Prozession an - die von Motetten, Lobgesängen und Hymnen begleitet wird. Noch heute beeindruckt, was um 1580 die Zuhörer überwältigt haben dürfte - auch wenn die Kirchenmusik in Rom generell sicherlich auf einem sehr hohen Niveau stand. Dann kündigt die Fanfarra die Ankunft des Prozessionszuges vor der Kirche an. Die zweite CD enthält Musik, wie sie Messa, Versper und Complet umrahmt haben könnte. 40 Stunden dauerte damals die Osterfeier. Wir hören nur eine kleine Auswahl aus dem umfangreichen Repertoire, wie es beispiels- weise ein Inventar der in S. Giacomo aufbewahrten Notendrucke aufzählt.
Darunter sind etliche Werke von Tomás Luis de Victoria, der damals schon ein angesehener Komponist war, Giovanni Pierluigi da Palestrina, Jacobus de Kerle, Fernando de las Infantas, Giovanni Luca Conforti und vielen anderen bedeutenden Musikern der damaligen Zeit. Es ist belegt, dass auch Giovanni Battista Jacomelli, Francisco Soto de Langa oder aber Ruggiero Giovanelli Sänger und Instrumen- talisten für die Feierlichkeiten am Ostermorgen auf der Piazza Navona organisierten.
de Victoria: Officium Defunctorum (Phi)
Als Maria von Österreich, die Witwe des Kaisers Maximilian II., 1603 im Monasterio de las Descalzas Reales in Madrid starb, wo sie seit Jahren lebte, wurde sie im Kreuzgang des Klosters mit den üblichen Zeremonien beigesetzt. Zusätzlich fand eine öffentliche Trauerfeier statt, deren Umfang und Ausgestaltung dem hohen Rang der Verstorbenen ange- messen waren.
Überliefert ist uns das Officium Defunctorum von Tomás Luis de Victoria (1548 bis 1611), dem persönlichen Kaplan von Maria, der Tochter Karl V. und Schwester Philipps II. Wenn der Komponist in seiner Widmung schreibt, dieses Requiem sei für ihn Cygneam cantionem, dann darf man das durchaus wörtlich nehmen. Denn es war das letzte Werk de Victorias, das er publizierte. Nach dem Tode Marias blieb er als Organist im Kloster.
Philippe Herreweghe hat diese innige Trauermusik gemeinsam mit dem Collegium Vocale Gent auf CD vorgelegt. Die Aufnahme zeigt deutlich, dass die Musik de Victorias auskomponierte Andacht ist - und nur als liturgische Musik verständlich. Auch die Motetten O Domine Iesu Christe, Domino, non sum dignus, Salve Regina und Vadam et circuibo civitatem erweisen sich als musikalische Inter- pretationen liturgischer Texte, bei aller Klangpracht strikt am Wort ausgerichtet. Das Collegium Vocale Gent interpretiert diese Kombi- nation aus gregorianischen Gesängen und kunstvoller Polyphonie, dass selbst Atheisten andächtig lauschen. Die strenge Form bändigt letztendlich die Emotion; wahrlich faszinierend - immerhin ist diese Musik 400 Jahr alt.
Überliefert ist uns das Officium Defunctorum von Tomás Luis de Victoria (1548 bis 1611), dem persönlichen Kaplan von Maria, der Tochter Karl V. und Schwester Philipps II. Wenn der Komponist in seiner Widmung schreibt, dieses Requiem sei für ihn Cygneam cantionem, dann darf man das durchaus wörtlich nehmen. Denn es war das letzte Werk de Victorias, das er publizierte. Nach dem Tode Marias blieb er als Organist im Kloster.
Philippe Herreweghe hat diese innige Trauermusik gemeinsam mit dem Collegium Vocale Gent auf CD vorgelegt. Die Aufnahme zeigt deutlich, dass die Musik de Victorias auskomponierte Andacht ist - und nur als liturgische Musik verständlich. Auch die Motetten O Domine Iesu Christe, Domino, non sum dignus, Salve Regina und Vadam et circuibo civitatem erweisen sich als musikalische Inter- pretationen liturgischer Texte, bei aller Klangpracht strikt am Wort ausgerichtet. Das Collegium Vocale Gent interpretiert diese Kombi- nation aus gregorianischen Gesängen und kunstvoller Polyphonie, dass selbst Atheisten andächtig lauschen. Die strenge Form bändigt letztendlich die Emotion; wahrlich faszinierend - immerhin ist diese Musik 400 Jahr alt.
Montag, 15. Oktober 2012
Bach and sons - Clavichord and flute (Evil Penguin Records)
Bis weit ins 18. Jahrhundert hinein war das Clavichord das Instrument der Wahl für das häusliche Musizie- ren. Die Saiten werden mit Tasten angeschlagen. Das Instrument funktioniert jedoch nach einen völlig anderen Prinzip als bei- spielsweise das Cembalo. Denn der Druck auf die Taste bewegt über einen simplen Hebel die sogenann- te Tangente aufwärts, ein Messing- blättchen, das an die Saite anschlägt und sie damit einerseits zum Klingen bringt. Andererseits unterteilt die Tangente die Saite aber auch in einen schwingenden und einen stummem Teil, der durch einen Filzstreifen am Klingen gehin- dert wird. Wird die Taste losgelassen, dann wird die gesamte Saite gedämpft, und der Ton verstummt.
Diese Art des direkten Spiels gibt Könnern reichlich Gelegenheit, den Ton zu formen und zu beeinflussen. So lässt sich durch periodisch wechselnden Druck der Finger auf die Tasten eine Art Vibrato erzeugen, die sogenannte Bebung. Der sanfte, wandlungsfähige Ton machte das Clavichord zum Lieblingsinstrument der Empfindsamkeit. Doch dann wurde es rasch vom Klavier verdrängt, das virtuosere Läufe ermöglicht, einen größeren Tonumfang hat - und wesentlich lauter ist.
Der Klang des Clavichords erscheint unseren Ohren flüsterleise. Das wird man beim Anhören der vorliegenden CD feststellen, auf der Benjamin-Joseph Steens entweder gemeinsam mit dem Flötisten Jacques-Antoine Bresch Werke der Bach-Familie vorstellt, die für Traversflöte und obligates "Clavier" geschrieben wurden - was in diesem Falle das Clavichord meint - oder aber das Tasteninstrument im Solo präsentiert. Diese CD ist zugleich eine Schule des Hörens. Denn wer die Differenzierungsmöglichkeiten des Clavichords wahr- nehmen möchte, der muss in der Tat die Ohren spitzen. Doch das lohnt sich.
Diese Art des direkten Spiels gibt Könnern reichlich Gelegenheit, den Ton zu formen und zu beeinflussen. So lässt sich durch periodisch wechselnden Druck der Finger auf die Tasten eine Art Vibrato erzeugen, die sogenannte Bebung. Der sanfte, wandlungsfähige Ton machte das Clavichord zum Lieblingsinstrument der Empfindsamkeit. Doch dann wurde es rasch vom Klavier verdrängt, das virtuosere Läufe ermöglicht, einen größeren Tonumfang hat - und wesentlich lauter ist.
Der Klang des Clavichords erscheint unseren Ohren flüsterleise. Das wird man beim Anhören der vorliegenden CD feststellen, auf der Benjamin-Joseph Steens entweder gemeinsam mit dem Flötisten Jacques-Antoine Bresch Werke der Bach-Familie vorstellt, die für Traversflöte und obligates "Clavier" geschrieben wurden - was in diesem Falle das Clavichord meint - oder aber das Tasteninstrument im Solo präsentiert. Diese CD ist zugleich eine Schule des Hörens. Denn wer die Differenzierungsmöglichkeiten des Clavichords wahr- nehmen möchte, der muss in der Tat die Ohren spitzen. Doch das lohnt sich.
Knabenchor Hannover (Rondeau)
Sängerknaben suchte 1950 der 23jährige Musikstudent Heinz Hennig per Annonce - für einen Chor, den es noch gar nicht gab. Seine mutige Idee fand Anhänger und Unterstützer, und den von Hennig gegründeten Knabenchor Hannover gibt es noch immer. Seit 2002 leitet Jörg Breiding das En- semble. Diese CD mit Aufnahmen aus den Jahren 2005 bis 2012 zeigt, wie sich der Chor seitdem entwickelt hat.
Auffällig ist, dass der Chor sowohl die sogenannte "Alte" als auch die zeitgenössische Musik pflegt. In seinem Repertoire finden sich Werke von Bach, Schütz oder Monte- verdi gleichberechtigt neben der Musik von Siegfried Strohbach, John Rutter, Harald Weiss oder Alfred Koerppen. Schon Chorgründer Hennig vergab Kompositionsaufträge, und er trug zudem zur Wieder- entdeckung vergessener Kreativer bei. So engagierte sich der Kna- benchor Hannover für das Werk vom Andreas Hammerschmidt - und wurde dafür 2006 mit einem Echo Klassik ausgezeichnet.
Insgesamt ist der Chor auf mehr als 60 Schallplatten und CD zu hören; er musizierte mit einer Vielzahl renommierter Orchester, Dirigenten und Ensembles. Einen kleinen Ausschnitt aus jüngster Vergangenheit hat der Chor nun auf dieser CD zusammengefasst, die man - bei aller Entwicklung durch die raschen Generationswechsel in einem Knaben- chor - durchaus als ein aktuelles Porträt des Ensembles betrachten kann.
Dabei haben die kleinen Sänger, verglichen mit anderen Knaben- chören, nicht nur stimmlich einiges zu bieten. Sie wohnen bei ihren Eltern in Hannover und Umgebung, besuchen normale Schulen - und treffen sich dann am Nachmittag, wo aber offenbar nicht nur Musik auf dem Programm steht. Die große Sorgfalt und Hingabe, mit der die Kinder im Chorheim an der Meterstraße betreut und ausgebildet werden, macht sich bezahlt. Das kann man wirklich hören. Und dieses Angebot ist für die Jungs auch attraktiv - im Gegensatz zu anderen Chören haben die Hannoveraner kein Nachwuchsproblem.
Auffällig ist, dass der Chor sowohl die sogenannte "Alte" als auch die zeitgenössische Musik pflegt. In seinem Repertoire finden sich Werke von Bach, Schütz oder Monte- verdi gleichberechtigt neben der Musik von Siegfried Strohbach, John Rutter, Harald Weiss oder Alfred Koerppen. Schon Chorgründer Hennig vergab Kompositionsaufträge, und er trug zudem zur Wieder- entdeckung vergessener Kreativer bei. So engagierte sich der Kna- benchor Hannover für das Werk vom Andreas Hammerschmidt - und wurde dafür 2006 mit einem Echo Klassik ausgezeichnet.
Insgesamt ist der Chor auf mehr als 60 Schallplatten und CD zu hören; er musizierte mit einer Vielzahl renommierter Orchester, Dirigenten und Ensembles. Einen kleinen Ausschnitt aus jüngster Vergangenheit hat der Chor nun auf dieser CD zusammengefasst, die man - bei aller Entwicklung durch die raschen Generationswechsel in einem Knaben- chor - durchaus als ein aktuelles Porträt des Ensembles betrachten kann.
Dabei haben die kleinen Sänger, verglichen mit anderen Knaben- chören, nicht nur stimmlich einiges zu bieten. Sie wohnen bei ihren Eltern in Hannover und Umgebung, besuchen normale Schulen - und treffen sich dann am Nachmittag, wo aber offenbar nicht nur Musik auf dem Programm steht. Die große Sorgfalt und Hingabe, mit der die Kinder im Chorheim an der Meterstraße betreut und ausgebildet werden, macht sich bezahlt. Das kann man wirklich hören. Und dieses Angebot ist für die Jungs auch attraktiv - im Gegensatz zu anderen Chören haben die Hannoveraner kein Nachwuchsproblem.
Samstag, 13. Oktober 2012
Two Lutes (Sono Luminus)
Lautenmusik aus Englands Goldenem Zeitalter präsentiert Dorian/Sono Luminus auf dieser CD. Gespielt wird diese phantasti- sche Musik von Ronn McFarlane und William Simms. Eine bessere Besetzung ist für Lautenduette kaum denkbar.
McFarlane startete als Autodidakt auf einer "cranky sixteen-dollar steel-string guitar". Er spielte Blues und Rockmusik, doch zugleich studierte er "klassische" Gitarre - bis er die Laute für sich entdeckte. Simms gehört zu den etablierten Early Music-Spezialisten; er spielt Laute ebenso wie Theorbe und Gitarre, und hat, insbesondere auch im Continuo, an zahlreichen Projekten im Bereich der "Alten" Musik mitgewirkt.
Die Werke, die auf dieser CD erklingen, charakterisiert McFarlane wie folgt: "Elizabethan lute duets yield the most companionable and friendly kind of music-making for the players. In equal duets each lutenist plays nearly the same music, alternating playing the melody and the harmonic accompaniment. It feels like a conversation, with each lutenist posing musical questions and answers throughout. Each player is free to improvise upon the written part, so the con- versation can be very individual and spontaneous! On the other hand, in the treble-ground style of lute duet, one lutenist plays a single line melodic part (usually including some virtuosic passages) while the second lutenist plays a chordal accompaniment. Some- times the chordal accompaniment is very simple and repetitive, and it is likely that a skilled player would vary his part to make a more musically satisfying accompaniment. In this recording, the continuo background and improvising skills of William Simms come to the fore, as two- and three-cord accompaniments become highly ima- ginative counterparts to the single-line melody."
Besser könnte das auch der Kritiker nicht beschreiben. Zu ergänzen bleibt, dass es sich hier nicht nur um faszinierende Musik, sondern darüber hinaus auch um eine wundervolle Einspielung handelt. Die beiden Lautenisten harmonieren exzellent miteinander, und ihre Musizierlust spürt selbst der Zuhörer. Kein Zweifel: Dies ist eine der besten Lauten-CD des Jahres 2012!
McFarlane startete als Autodidakt auf einer "cranky sixteen-dollar steel-string guitar". Er spielte Blues und Rockmusik, doch zugleich studierte er "klassische" Gitarre - bis er die Laute für sich entdeckte. Simms gehört zu den etablierten Early Music-Spezialisten; er spielt Laute ebenso wie Theorbe und Gitarre, und hat, insbesondere auch im Continuo, an zahlreichen Projekten im Bereich der "Alten" Musik mitgewirkt.
Die Werke, die auf dieser CD erklingen, charakterisiert McFarlane wie folgt: "Elizabethan lute duets yield the most companionable and friendly kind of music-making for the players. In equal duets each lutenist plays nearly the same music, alternating playing the melody and the harmonic accompaniment. It feels like a conversation, with each lutenist posing musical questions and answers throughout. Each player is free to improvise upon the written part, so the con- versation can be very individual and spontaneous! On the other hand, in the treble-ground style of lute duet, one lutenist plays a single line melodic part (usually including some virtuosic passages) while the second lutenist plays a chordal accompaniment. Some- times the chordal accompaniment is very simple and repetitive, and it is likely that a skilled player would vary his part to make a more musically satisfying accompaniment. In this recording, the continuo background and improvising skills of William Simms come to the fore, as two- and three-cord accompaniments become highly ima- ginative counterparts to the single-line melody."
Besser könnte das auch der Kritiker nicht beschreiben. Zu ergänzen bleibt, dass es sich hier nicht nur um faszinierende Musik, sondern darüber hinaus auch um eine wundervolle Einspielung handelt. Die beiden Lautenisten harmonieren exzellent miteinander, und ihre Musizierlust spürt selbst der Zuhörer. Kein Zweifel: Dies ist eine der besten Lauten-CD des Jahres 2012!
Rossini: Complete Overtures 1 (Rossini)
Eine langsame, spannungsvolle Einleitung, gefolgt von einem schmissigen Hauptteil, in dem üb- licherweise zwei Themen kontrast- reich und gekonnt gesteigert werden - das sind die typischen Strukturen der Ouvertüren von Gioachino Rossini (1792 bis 1868). Das musikalische Material für diese Werke stammte dabei nicht unbe- dingt aus der betreffenden Oper. Ideen hatte der maestro genug, so dass nahezu jede Ouvertüre einen Knalleffekt als Überraschung für die Zuhörer bereit hält. 39 Opern hat der Komponist geschrieben. Die meisten davon sind aus dem Repertoire verschwunden, was mögli- cherweise an den Libretti und Texten liegen könnte. Die Ouvertüren hingegen werden noch immer gern gespielt, viele von ihnen sind beliebte Konzertstücke.
Auch das Prager Sinfonieorchester mag offenbar die rasanten Werke. Unter seinem künstlerischen Leiter Christian Benda spielt das Ensemble derzeit eine Gesamtaufnahme aller Rossini-Ouvertüren auf insgesamt vier CD für das Label Naxos ein. Die erste davon ist nun erschienen. Sie enthält die Ouvertüren zu La gazza ladra, Semirami- de, Elisabetta, Regina d'Inghilterra - bekannter durch ihre Zweit- verwertung für Il barbiere di Siviglia - Otello, Le siège de Corinthe und Ermione. Letztere enthält einen Klagegesang, den die gefangenen Trojaner anstimmen. Er wird auf dieser CD vom Prager Philharmo- nischen Chor gesungen. Ergänzt wird diese Kollektion durch eine Konzertouvertüre, die Rossini 1808 im Auftrag eines gewissen Agostino Triossi schrieb; sie ist bekannt als Sinfonia al Conventello. Sie folgt der gleichen Grundstruktur wie die Opern-Ouvertüren. Eines ihrer Themen hat Rossini übrigens später in seiner Oper Il Signor Bruschino wiederverwendet.
Die Prague Sinfonia musiziert ordentlich, aber leider nicht wirklich mitreißend. Rossinis Ouvertüren sind eigentlich Champagner - doch hier prickelt nichts, das ist eher die Bier-Version, mit einer soliden Portion Stammwürze und Schaumkrone.
Auch das Prager Sinfonieorchester mag offenbar die rasanten Werke. Unter seinem künstlerischen Leiter Christian Benda spielt das Ensemble derzeit eine Gesamtaufnahme aller Rossini-Ouvertüren auf insgesamt vier CD für das Label Naxos ein. Die erste davon ist nun erschienen. Sie enthält die Ouvertüren zu La gazza ladra, Semirami- de, Elisabetta, Regina d'Inghilterra - bekannter durch ihre Zweit- verwertung für Il barbiere di Siviglia - Otello, Le siège de Corinthe und Ermione. Letztere enthält einen Klagegesang, den die gefangenen Trojaner anstimmen. Er wird auf dieser CD vom Prager Philharmo- nischen Chor gesungen. Ergänzt wird diese Kollektion durch eine Konzertouvertüre, die Rossini 1808 im Auftrag eines gewissen Agostino Triossi schrieb; sie ist bekannt als Sinfonia al Conventello. Sie folgt der gleichen Grundstruktur wie die Opern-Ouvertüren. Eines ihrer Themen hat Rossini übrigens später in seiner Oper Il Signor Bruschino wiederverwendet.
Die Prague Sinfonia musiziert ordentlich, aber leider nicht wirklich mitreißend. Rossinis Ouvertüren sind eigentlich Champagner - doch hier prickelt nichts, das ist eher die Bier-Version, mit einer soliden Portion Stammwürze und Schaumkrone.
Freitag, 12. Oktober 2012
Alois und Christoph Florian Karsten (Preiser)
Alois Mühlbacher ist ohne Zweifel ein Ausnahme-Sänger - doch die St. Florianer Sängerknaben sind offenbar auch sonst selbstbewusste und exzellent ausgebildete kleine Künstler, die in dem Ensemble sehr individuell gefördert werden. Das jedenfalls zeigt die vorliegende CD, auf der Mühlbacher zumeist im Duett mit seinen Mitchoristen zu hören ist.
Bereits seine erste Solo-CD enthielt ein Duett aus der Oper Lakmé, vorgetragen von dem Knaben- sopran gemeinsam mit dem damaligen Knabenalt Karsten Köhne.
Es lag also nahe, weitere Duette aufzunehmen, zumal es ein umfang- reiches Repertoire gibt, das aber üblicherweise nur selten zu hören ist. Franz Farnberger, der Leiter und Mentor der St. Florianer Sängerknaben, hat daraufhin geeignete Stücke herausgesucht. Dabei konzentrierte er sich auf die zweistimmigen Gesänge von Schumann, Mendelssohn und Brahms.
Der größte Teil der Aufnahmen entstand bereits im Sommer 2010. Der Chor entschied dann allerdings wegen des Mahler-Jahres 2011, die später aufgezeichnete CD Alois - Um Mitternacht zuerst zu ver- öffentlichen. Wie schnell der Generationswechsel in einem Knaben- chor erfolgt, wird übrigens auch daran erkennbar, dass die Duett- partner mittlerweile alle im Stimmbruch sind - nur Alois Mühlbacher kann, obwohl auch er mittlerweile seinen 16. Geburtstag gefeiert hat, nach wie vor mit seinem strahlenden Sopran vor das Publikum treten.
Die Gesangstechnik dieses Knaben, viel mehr aber noch seine Fähi- keit, die Werke, die er singt, auch inhaltlich zu erfassen und ange- messen zu gestalten, erscheint phänomenal. Doch nicht weniger hörenswert singen seine Duettpartner. Hier sind drei sehr unter- schiedliche Stimmen zu erleben. In drei Duetten von Brahms ist Florian Eschelmüller zu hören, der ebenfalls durch Ausdrucksstärke auffällt. Bei zwei geistlichen Gesängen von Felix Mendelssohn Bartholdy singt Karsten Köhne gemeinsam mit Alois Mühlbacher. Beide Jungen verfügen über relativ große Stimmen, die sie routiniert einsetzen, um das religiöse Pathos dieser Stücke zu transportieren.
Einige Werke von Robert Schumann und die zweistimmigen Lieder op. 63 und 77 von Mendelssohn interpretiert Mühlbacher zusammen mit Christoph Schlögl. Zu den hübschen romantischen Duetten passt Schlögls helle, klare Knabenstimme ganz ausgezeichnet. Farnberger begleitet seine Zöglinge zuverlässig am Klavier.
Die CD klingt mit vier Solostücken Mühlbachers aus, die wie ein Nachhall zur Mitternacht-CD wirken. Wer diesen Sirenenklängen widerstehen kann, dem ist nicht zu helfen.
Bereits seine erste Solo-CD enthielt ein Duett aus der Oper Lakmé, vorgetragen von dem Knaben- sopran gemeinsam mit dem damaligen Knabenalt Karsten Köhne.
Es lag also nahe, weitere Duette aufzunehmen, zumal es ein umfang- reiches Repertoire gibt, das aber üblicherweise nur selten zu hören ist. Franz Farnberger, der Leiter und Mentor der St. Florianer Sängerknaben, hat daraufhin geeignete Stücke herausgesucht. Dabei konzentrierte er sich auf die zweistimmigen Gesänge von Schumann, Mendelssohn und Brahms.
Der größte Teil der Aufnahmen entstand bereits im Sommer 2010. Der Chor entschied dann allerdings wegen des Mahler-Jahres 2011, die später aufgezeichnete CD Alois - Um Mitternacht zuerst zu ver- öffentlichen. Wie schnell der Generationswechsel in einem Knaben- chor erfolgt, wird übrigens auch daran erkennbar, dass die Duett- partner mittlerweile alle im Stimmbruch sind - nur Alois Mühlbacher kann, obwohl auch er mittlerweile seinen 16. Geburtstag gefeiert hat, nach wie vor mit seinem strahlenden Sopran vor das Publikum treten.
Die Gesangstechnik dieses Knaben, viel mehr aber noch seine Fähi- keit, die Werke, die er singt, auch inhaltlich zu erfassen und ange- messen zu gestalten, erscheint phänomenal. Doch nicht weniger hörenswert singen seine Duettpartner. Hier sind drei sehr unter- schiedliche Stimmen zu erleben. In drei Duetten von Brahms ist Florian Eschelmüller zu hören, der ebenfalls durch Ausdrucksstärke auffällt. Bei zwei geistlichen Gesängen von Felix Mendelssohn Bartholdy singt Karsten Köhne gemeinsam mit Alois Mühlbacher. Beide Jungen verfügen über relativ große Stimmen, die sie routiniert einsetzen, um das religiöse Pathos dieser Stücke zu transportieren.
Einige Werke von Robert Schumann und die zweistimmigen Lieder op. 63 und 77 von Mendelssohn interpretiert Mühlbacher zusammen mit Christoph Schlögl. Zu den hübschen romantischen Duetten passt Schlögls helle, klare Knabenstimme ganz ausgezeichnet. Farnberger begleitet seine Zöglinge zuverlässig am Klavier.
Die CD klingt mit vier Solostücken Mühlbachers aus, die wie ein Nachhall zur Mitternacht-CD wirken. Wer diesen Sirenenklängen widerstehen kann, dem ist nicht zu helfen.
Fagottkonzerte (Genuin)
Christian Kunert, geboren 1983, entstammt einer Musikerfamilie. Zunächst spielte er Klavier; als er neun Jahre alt war, brachte ihn sein Vater zudem zum Fagott- unterricht in die Esslinger Musik- schule. Auch an der Hochschule für Musik in Würzburg widmete er sich sowohl dem Klavier als auch dem Fagott. "Bis zum Hauptstu- dium liefen das Fagott- und das Klavierstudium nebeneinander her", berichtet der Musiker. "Realistisch betrachtet, war es eigentlich recht früh klar, dass ich Fagottist werden würde. Wenn Sie sehen, wie schwer man es als Pianist hat, auf der Karriereleiter hochzustiegen, und wie schön es ist, im Orchester zu spielen, hat sich die Fragestellung schnell erledigt. Dennoch profitiere ich immer noch sehr von meiner Pianistenausbildung und spiele selbst noch Klavier als Kammermusiker und Begleiter."
Kunert hat zahlreiche Wettbewerbe und Preise gewonnen. 2003 wurde er Mitglied im Orchester des Staatstheaters Stuttgart. Seit 2005 musiziert er als Solofagottist im Philharmonischen Staats- orchester Hamburg, seit 2010 unterrichtet er zudem als Professor für Fagott an der Hochschule für Musik und Theater in der Hansestadt. Auf dieser Debüt-CD musiziert er gemeinsam mit der Kammerakade- mie Potsdam - und er stellt mit vier sehr unterschiedlichen Werken unter Beweis, dass der Fagottklang auch solistisch seine Reize hat.
Kunert hat zahlreiche Wettbewerbe und Preise gewonnen. 2003 wurde er Mitglied im Orchester des Staatstheaters Stuttgart. Seit 2005 musiziert er als Solofagottist im Philharmonischen Staats- orchester Hamburg, seit 2010 unterrichtet er zudem als Professor für Fagott an der Hochschule für Musik und Theater in der Hansestadt. Auf dieser Debüt-CD musiziert er gemeinsam mit der Kammerakade- mie Potsdam - und er stellt mit vier sehr unterschiedlichen Werken unter Beweis, dass der Fagottklang auch solistisch seine Reize hat.
Donnerstag, 11. Oktober 2012
velvet touch (Musicaphon)
Catharina Josepha Pratten (1824 bis 1895) war die Tochter des Gitarristen Ferdinand Pelzer. Sie stammte aus Mülheim an der Ruhr und wuchs in England auf. Schon früh erhielt sie Gitarrenunterricht bei ihrem Vater; sie galt als Wun- derkind, und konzertierte unter anderem mit Giulio Regondi.
Noch erfolgreicher war die Virtuo- sin aber als Gitarrenlehrerin. Sie unterrichtete unter anderem die Prinzessinnen Louise und Beatrice - insgesamt soll sie gut 1600 Gitar- renschüler ausgebildet haben. Relativ spät heiratete sie Robert Sidney Pratten, einen berühmten Flötisten. Als er 1868 starb, zog sich die Witwe für drei Jahre aus dem Konzertleben zurück. Doch dann nahm sie ihre frühere Tätigkeit in vollem Umfang wieder auf. Pratten konzertierte bis ins hohe Alter; sie komponierte, und sie verfasste Unterrichtswerke. Ihr Erfolgsgeheimnis als Lehrerin war es mögli- cherweise, dass sie nicht versuchte, ihre gutbetuchten Schülerinnen zu Berufsmusikerinnen zu machen. Wenn diese wenig Zeit zum Üben aufbringen wollten, oder aber wenig Talent hatten, dann griff Pratten zu ihrem Lehrwerk Learning the Guitar Simplified, oder aber zu noch einfacheren Übungen, die den Damen das Spiel auf dem Instrument erleichterten - und ihr in auskömmlicher Art und Weise den Lebens- unterhalt sicherten. Es ist nicht zuletzt ihr Verdienst, dass die Gitarre in England enthusiastisch gespielt wurde, während sie in Wien schon lang wieder aus der Mode war.
Als Catharina Pratten 1895 starb, führte ihre Schwester Giulia die Gitarrenschule weiter. Gemeinsam mit Catharina hatte sie übrigens eine umfangreiche Gitarrensammlung aufgebaut; diese umfasst mehr als 45 Instrumente. Zwei davon erwarb der Gitarrist Ulrich Wede- meier. Fasziniert begann er sich mit dem Leben und Werk der Musi- kerin zu beschäftigen. Im Ergebnis entstand dann die vorliegende CD mit Musik von John Abraham Nüske, Mauro Giuliani, Francesco Tárrega - der eine Fantasia sobre motivos de Lucia por Madame R. Sidney Praten komponiert hat - und der Virtuosin selbst, gespielt auf den beiden Gitarren, die sich einst in ihrem Besitz befunden haben.
Um zu zeigen, dass es sich dabei keinesfalls um Werke handelt, mit denen ein Gitarrenprofi nur seine Zeit verschwendet, vollzieht Wedemeier auch die historische Aufführungspraxis nach, wie sie Pratten in ihren Lehrwerken erläutert hat. Das Ergebnis ist außer- ordentlich hörenswert. Prattens Werke sind, bei allem Gefühl, ziemlich brillant und kraftvoll. Und auch Nüske erweist sich als eine echte Entdeckung.
Noch erfolgreicher war die Virtuo- sin aber als Gitarrenlehrerin. Sie unterrichtete unter anderem die Prinzessinnen Louise und Beatrice - insgesamt soll sie gut 1600 Gitar- renschüler ausgebildet haben. Relativ spät heiratete sie Robert Sidney Pratten, einen berühmten Flötisten. Als er 1868 starb, zog sich die Witwe für drei Jahre aus dem Konzertleben zurück. Doch dann nahm sie ihre frühere Tätigkeit in vollem Umfang wieder auf. Pratten konzertierte bis ins hohe Alter; sie komponierte, und sie verfasste Unterrichtswerke. Ihr Erfolgsgeheimnis als Lehrerin war es mögli- cherweise, dass sie nicht versuchte, ihre gutbetuchten Schülerinnen zu Berufsmusikerinnen zu machen. Wenn diese wenig Zeit zum Üben aufbringen wollten, oder aber wenig Talent hatten, dann griff Pratten zu ihrem Lehrwerk Learning the Guitar Simplified, oder aber zu noch einfacheren Übungen, die den Damen das Spiel auf dem Instrument erleichterten - und ihr in auskömmlicher Art und Weise den Lebens- unterhalt sicherten. Es ist nicht zuletzt ihr Verdienst, dass die Gitarre in England enthusiastisch gespielt wurde, während sie in Wien schon lang wieder aus der Mode war.
Als Catharina Pratten 1895 starb, führte ihre Schwester Giulia die Gitarrenschule weiter. Gemeinsam mit Catharina hatte sie übrigens eine umfangreiche Gitarrensammlung aufgebaut; diese umfasst mehr als 45 Instrumente. Zwei davon erwarb der Gitarrist Ulrich Wede- meier. Fasziniert begann er sich mit dem Leben und Werk der Musi- kerin zu beschäftigen. Im Ergebnis entstand dann die vorliegende CD mit Musik von John Abraham Nüske, Mauro Giuliani, Francesco Tárrega - der eine Fantasia sobre motivos de Lucia por Madame R. Sidney Praten komponiert hat - und der Virtuosin selbst, gespielt auf den beiden Gitarren, die sich einst in ihrem Besitz befunden haben.
Um zu zeigen, dass es sich dabei keinesfalls um Werke handelt, mit denen ein Gitarrenprofi nur seine Zeit verschwendet, vollzieht Wedemeier auch die historische Aufführungspraxis nach, wie sie Pratten in ihren Lehrwerken erläutert hat. Das Ergebnis ist außer- ordentlich hörenswert. Prattens Werke sind, bei allem Gefühl, ziemlich brillant und kraftvoll. Und auch Nüske erweist sich als eine echte Entdeckung.
Vivaldi: Sacred works for soprano and concertos (Channel Classics)
So möchte man die Musik von Antonio Vivaldi (1678 bis 1741) gern öfters hören. Das Ensemble Florilegium, schlank besetzt mit bis zu zehn Musikern, musiziert wundervoll; die drei Konzerte, die Florilegium für diese CD ausge- wählt hat, gehören zudem nicht zu den Vivaldi-Hits, die man schon mitpfeifen kann. Das macht die Aufnahme doppelt reizvoll. Die Konzerte bilden aber nur einen Rahmen für das Laudate Pueri
RV 601 und die Motette Nulla in mundo RV 630, gesungen von Elin Manahan Thomas. Und das macht die Sopranistin großartig. Ihre gut geführte Stimme, die selbst durch rasante Koloraturen nie in Bedrängnis zu bringen ist, fügt sich geradezu orchestral ein in das brillante Ensemble. So intensiv ist die Interaktion zwischen Sängern und Instrumentalisten selten zu erleben. Grandios!
RV 601 und die Motette Nulla in mundo RV 630, gesungen von Elin Manahan Thomas. Und das macht die Sopranistin großartig. Ihre gut geführte Stimme, die selbst durch rasante Koloraturen nie in Bedrängnis zu bringen ist, fügt sich geradezu orchestral ein in das brillante Ensemble. So intensiv ist die Interaktion zwischen Sängern und Instrumentalisten selten zu erleben. Grandios!
Chopin: Nocturnes; Moravec (Supraphon)
Ivan Moravec, geboren 1930 in Prag, gehört zu den ganz großen Pianisten. Und seine Aufnahme der Nocturnes von Frederic Chopin aus den 60er Jahren hat ohne Zweifel Musikgeschichte geschrie- ben. Erfreulicherweise ist sie nun bei Supraphon, mit Sorgfalt re- mastert, wieder zugänglich.
"Diese Platte hatte ein besonders merkwürdiges Schicksal", be- richtet der Musiker im Beiheft der Doppel-CD. "Es handelt sich um eine Aufnahme für Alan Silver, den Präsidenten der renommierten Connoiseur Society, und sie wurde an zwei Orten eingespielt: In New York und in Wien. Ein Klavier zu fin- den, das mich in jeder Hinsicht zufriedenstellt, das einen lebendigen, aber zugleich reichen Klang mit einer gewissen Tiefe besitzt, ist schrecklich schwer. Eines habe ich in New York gefunden. Es war ein etwas älterer Steinway, den man in die Kapelle der Columbia-Uni- versität gebracht hatte. Den Rest der Aufnahme machte ich dann in Wien im Mozart-Saal. (..) Ich spielte auf einem Bösendorfer Imperial Grand (..). Alan Silver regte mich allerdings in Wien zunächst dadurch auf, dass er wohl eine ganze Stunde nach dem Ort suchte, an dem er dieses Klavier aufstellen wollte. Er ging durch den Saal und klatschte - er probierte aus, wo der Klang am besten war und am längsten anhielt. Schließlich stellte er das Klavier in die unmög- lichste Ecke und ließ mich hören, wie es klang. Und ich musste ihm Recht geben. Noch heute wundere ich mich über die Länge des Tons."
Doch nicht nur dies, auch die Klangähnlichkeit der beiden Instru- mente erscheint verblüffend. Moravec räumt selbst ein, dass selbst er nicht mehr bei jedem Stück sicher sagen kann, ob er es auf dem Stein- way oder auf dem Bösendorfer gespielt hat. In seiner Interpretation vermeidet er das Ungefähre, Unpräzise - "Zuckersaft", wie er es nennt, lehnt der Pianist entschieden ab. Moravec setzt auf Struktur und Eleganz. Sein Chopin hat stellenweise geradezu klassisches Format, strikt wie Beethoven. Doch überraschenderweise bringt das den Nocturnes beeindruckende Tiefe, und lässt sie nicht süßlich-leidend, sondern eher sehr geheimnisvoll klingen. Bei Moravec findet man jenen Funken, der aus einer handwerklich exzellenten eine grandiose Aufnahme macht. Ich finde, sie ist eine der besten Chopin-Inter- pretationen überhaupt; auch nach 50 Jahren noch hat sie Referenz- status.
"Diese Platte hatte ein besonders merkwürdiges Schicksal", be- richtet der Musiker im Beiheft der Doppel-CD. "Es handelt sich um eine Aufnahme für Alan Silver, den Präsidenten der renommierten Connoiseur Society, und sie wurde an zwei Orten eingespielt: In New York und in Wien. Ein Klavier zu fin- den, das mich in jeder Hinsicht zufriedenstellt, das einen lebendigen, aber zugleich reichen Klang mit einer gewissen Tiefe besitzt, ist schrecklich schwer. Eines habe ich in New York gefunden. Es war ein etwas älterer Steinway, den man in die Kapelle der Columbia-Uni- versität gebracht hatte. Den Rest der Aufnahme machte ich dann in Wien im Mozart-Saal. (..) Ich spielte auf einem Bösendorfer Imperial Grand (..). Alan Silver regte mich allerdings in Wien zunächst dadurch auf, dass er wohl eine ganze Stunde nach dem Ort suchte, an dem er dieses Klavier aufstellen wollte. Er ging durch den Saal und klatschte - er probierte aus, wo der Klang am besten war und am längsten anhielt. Schließlich stellte er das Klavier in die unmög- lichste Ecke und ließ mich hören, wie es klang. Und ich musste ihm Recht geben. Noch heute wundere ich mich über die Länge des Tons."
Doch nicht nur dies, auch die Klangähnlichkeit der beiden Instru- mente erscheint verblüffend. Moravec räumt selbst ein, dass selbst er nicht mehr bei jedem Stück sicher sagen kann, ob er es auf dem Stein- way oder auf dem Bösendorfer gespielt hat. In seiner Interpretation vermeidet er das Ungefähre, Unpräzise - "Zuckersaft", wie er es nennt, lehnt der Pianist entschieden ab. Moravec setzt auf Struktur und Eleganz. Sein Chopin hat stellenweise geradezu klassisches Format, strikt wie Beethoven. Doch überraschenderweise bringt das den Nocturnes beeindruckende Tiefe, und lässt sie nicht süßlich-leidend, sondern eher sehr geheimnisvoll klingen. Bei Moravec findet man jenen Funken, der aus einer handwerklich exzellenten eine grandiose Aufnahme macht. Ich finde, sie ist eine der besten Chopin-Inter- pretationen überhaupt; auch nach 50 Jahren noch hat sie Referenz- status.
Mittwoch, 10. Oktober 2012
Amoretti - Christiane Karg (Berlin Classics)
Christiane Karg hat für diese CD ein Programm zusammengestellt, das Arien von Wolfgang Amadeus Mozart, Christoph Willibald Gluck und André-Ernest-Modeste Grétry klug kombiniert. Einerseits staunt man darüber, wie sehr die italieni- sche Oper, bei allen Reformbestre- bungen, damals in ganz Europa das Geschehen auf den Bühnen prägte.
Andererseits fasziniert die Sängerin, die 2006 in Salzburg ihr Debüt gegeben hat, durch eine Stimme, die sich von den üblichen Susanna- und Musetta-Stimmchen deutlich abhebt. Da ist zum einen die enorme Geläufigkeit, mit der Karg durch Koloraturen turnt, ohne jemals die Kontrolle über den Ton und das Timbre zu verlieren. Und da ist zum anderen diese sagenhafte Wandlungsfähigkeit, mit der sie ihren lieblichen, hellen Sopran nach Belieben eindunkeln kann. Diese seidenweiche Stimme klingt niemals schrill oder grell. Den Zuhörer erfreut zudem Kargs berückendes Piano, und die sängerische Intelligenz, mit der sie ihre Partien gestaltet.
So lauscht man gern dem Streifzug der charismatischen Sängerin durch die Untiefen und Tiefen der Gefühle, bei dem sie vom Ensemble Arcangelo unter Jonathan Cohen hervorragend begleitet wird. Bravi!
Andererseits fasziniert die Sängerin, die 2006 in Salzburg ihr Debüt gegeben hat, durch eine Stimme, die sich von den üblichen Susanna- und Musetta-Stimmchen deutlich abhebt. Da ist zum einen die enorme Geläufigkeit, mit der Karg durch Koloraturen turnt, ohne jemals die Kontrolle über den Ton und das Timbre zu verlieren. Und da ist zum anderen diese sagenhafte Wandlungsfähigkeit, mit der sie ihren lieblichen, hellen Sopran nach Belieben eindunkeln kann. Diese seidenweiche Stimme klingt niemals schrill oder grell. Den Zuhörer erfreut zudem Kargs berückendes Piano, und die sängerische Intelligenz, mit der sie ihre Partien gestaltet.
So lauscht man gern dem Streifzug der charismatischen Sängerin durch die Untiefen und Tiefen der Gefühle, bei dem sie vom Ensemble Arcangelo unter Jonathan Cohen hervorragend begleitet wird. Bravi!
Isaac: Ich muss dich lassen (Ricercar)
Über Kindheit und Jugend von Heinrich Isaac wissen wir nur, dass er sie in Flandern verbracht hat. Selbst sein Geburtsjahr ist uns unbekannt. Die erste Spur, die er hinterlassen hat, stammt aus dem Jahre 1484. Sie belegt eine Zahlung an "Haynrichen ysaac Componist", geleistet in Innsbruck am Hofe Sigismunds von Österreich.
Wenig später scheint der Musiker in Florenz eingetroffen zu sein, wo er als Sänger am Dom wirkte. Als der Chor 1493 auf Betreiben Savonarolas aufgelöst wurde, nahm Piero de'Medici den Komponisten in seine Dienste.
Doch als die Medici 1494 aus Florenz vertrieben wurden, verlor Isaac seinen Mäzen. Er wandte sich nach Pisa, wo der König und spätere Kaiser Maximilian I. auf ihn aufmerksam wurde. 1497 ernannte er Isaac zu seinem Hofkomponisten. Damit war er übrigens der erste Musiker, von dem belegt ist, dass er ausschließlich zum Komponieren engagiert wurde. Maximilian versprach sich davon faszinierende, einzigartige Klänge, um Glanz und Ruhm des Wiener Hofes zu mehren. Offenbar war er mit dem Schaffen Isaacs zufrieden, denn der Kaiser behielt den Komponisten bis ans Ende seiner Tage im Dienst.
Und obendrein kehrten die Medici wieder nach Florenz zurück, wo Isaac noch immer einen Großteil seiner Zeit verbrachte, so er nicht den Kaiser auf Reisen begleiten musste; Giovanni de'Medici wurde 1513 als Leo X. Papst. Ihr früherer Hauskomponist gratulierte mit einer Motette. Die Medici verstanden - und setzten Isaac eine Pension aus.
Im Herbst 1516 erkrankte der Musiker; am 26. März 1517 starb er. Wie groß seine Bedeutung war, das lässt sich daran ermessen, dass trotz der langen Zeitspanne bis zum heutigen Tage eine Vielzahl seiner Werke überliefert ist. Das deutet darauf hin, dass sie sehr oft abgeschrieben wurden. Und auch Isaacs Schüler, allen voran Ludwig Senfl, pflegten sein Werk mit einer Hingabe, die uns verrät, wie sehr sie ihren Lehrer verehrt haben müssen.
Die vorliegende CD gibt uns Einblick in das Schaffen des Komponisten. Dirk Snellings hat seine Werke und auch einige seiner Zeitgenossen den Lebensstationen Flandern - Florenz - Wien, Innsbruck, Augsburg zugeordnet. Unter seiner Leitung musizieren die Capilla Flamenca und das Bläserensemble Oltremontano. Die Sänger und Instrumenta- listen erfreuen mit Sachverstand und brillantem Vortrag. So lassen sie die enorme Klangpracht, mit der sich große und kleine Herrscher seinerzeit umgeben haben, erahnen. Grandios!
Wenig später scheint der Musiker in Florenz eingetroffen zu sein, wo er als Sänger am Dom wirkte. Als der Chor 1493 auf Betreiben Savonarolas aufgelöst wurde, nahm Piero de'Medici den Komponisten in seine Dienste.
Doch als die Medici 1494 aus Florenz vertrieben wurden, verlor Isaac seinen Mäzen. Er wandte sich nach Pisa, wo der König und spätere Kaiser Maximilian I. auf ihn aufmerksam wurde. 1497 ernannte er Isaac zu seinem Hofkomponisten. Damit war er übrigens der erste Musiker, von dem belegt ist, dass er ausschließlich zum Komponieren engagiert wurde. Maximilian versprach sich davon faszinierende, einzigartige Klänge, um Glanz und Ruhm des Wiener Hofes zu mehren. Offenbar war er mit dem Schaffen Isaacs zufrieden, denn der Kaiser behielt den Komponisten bis ans Ende seiner Tage im Dienst.
Und obendrein kehrten die Medici wieder nach Florenz zurück, wo Isaac noch immer einen Großteil seiner Zeit verbrachte, so er nicht den Kaiser auf Reisen begleiten musste; Giovanni de'Medici wurde 1513 als Leo X. Papst. Ihr früherer Hauskomponist gratulierte mit einer Motette. Die Medici verstanden - und setzten Isaac eine Pension aus.
Im Herbst 1516 erkrankte der Musiker; am 26. März 1517 starb er. Wie groß seine Bedeutung war, das lässt sich daran ermessen, dass trotz der langen Zeitspanne bis zum heutigen Tage eine Vielzahl seiner Werke überliefert ist. Das deutet darauf hin, dass sie sehr oft abgeschrieben wurden. Und auch Isaacs Schüler, allen voran Ludwig Senfl, pflegten sein Werk mit einer Hingabe, die uns verrät, wie sehr sie ihren Lehrer verehrt haben müssen.
Die vorliegende CD gibt uns Einblick in das Schaffen des Komponisten. Dirk Snellings hat seine Werke und auch einige seiner Zeitgenossen den Lebensstationen Flandern - Florenz - Wien, Innsbruck, Augsburg zugeordnet. Unter seiner Leitung musizieren die Capilla Flamenca und das Bläserensemble Oltremontano. Die Sänger und Instrumenta- listen erfreuen mit Sachverstand und brillantem Vortrag. So lassen sie die enorme Klangpracht, mit der sich große und kleine Herrscher seinerzeit umgeben haben, erahnen. Grandios!
Dienstag, 9. Oktober 2012
Sousa: Music for Wind Band 10 (Naxos)
John Philip Sousa (1854 bis 1932) sagte einmal, ein Marsch "should make a man with a wooden leg step out" - und daran hielt er sich auch konsequent. Der Musiker, der bereits mit 26 Jahren die U.S. Marine Band leitete, gilt zu Recht als König der Marschmusik. Viele seiner Werke, die freilich eher nach Operette klingen als preußisch-zackig, werden bis heute gespielt. Sie sind - nicht nur in den USA - noch immer bekannt und sehr be- liebt.
Bei Naxos erschien kürzlich die zehnte CD der Sousa-Gesamtedition. Kurioserweise werden die beschwingten Stücke bei dieser Einspielung nicht von einer amerikanischen Band geblasen, sondern von der Königlich Norwegischen Marine-Band unter Leitung von Keith Brion, einem ausgewiesenen Sousa-Experten.
Bei Naxos erschien kürzlich die zehnte CD der Sousa-Gesamtedition. Kurioserweise werden die beschwingten Stücke bei dieser Einspielung nicht von einer amerikanischen Band geblasen, sondern von der Königlich Norwegischen Marine-Band unter Leitung von Keith Brion, einem ausgewiesenen Sousa-Experten.
Zu hören sind auf der CD erneut etliche populäre Märsche des Kom- ponisten, wie zum Beispiel Anchor and Star aus dem Jahre 1918 oder The Salvation Army March, der 1930 zum 50jährigen Gründungs- jubiläum der Heilsarmee von einem riesigen Orchester erstmals gespielt wurde.
Das Konzertmedley Jazz America, entstanden 1925, kombiniert einige damals beliebte Melodien mit einem Stückchen aus Schuberts Unvollendeter. Ähnlich kurios erscheint Myrrha Gavotte, ein Werk, das Sousa 1876 schrieb, nachdem ihm ein Mentor beim wöchent- lichen Quartettspiel empfohlen hatte, in Europa Musik zu studieren - ein Rat, den Sousa letztendlich nicht befolgte.
Die People Who Live in Glass Houses Suite von 1909 zeichnet ein musikalisches Bild von diversen alkoholischen Getränken und den Leuten, die sie konsumieren. Sousas Hang zur Humoreske zeigt auch Look for the Silver Lining aus dem Jahre 1922. Who's Who in Navy Blue schrieb Sousa 1920 für die Absolventen der US Naval Academy. Und weil er die Zuhörer mit seiner Musik derart begeisterte, wurde er ein Jahr später ehrenhalber ebenfalls zum Graduierten dieser Aus- bildungsstätte ernannt.
Diese Klänge verscheuchen in der Tat selbst Regenwolken - oder lassen sie zumindest weniger grau aussehen. Sousa sorgt für gute Laune. Wer im Herbst unter Nieselwetter, Kälte und Düsternis leidet, der sollte mit dieser CD dagegen angehen - brillant musiziert wird obendrein!
Die People Who Live in Glass Houses Suite von 1909 zeichnet ein musikalisches Bild von diversen alkoholischen Getränken und den Leuten, die sie konsumieren. Sousas Hang zur Humoreske zeigt auch Look for the Silver Lining aus dem Jahre 1922. Who's Who in Navy Blue schrieb Sousa 1920 für die Absolventen der US Naval Academy. Und weil er die Zuhörer mit seiner Musik derart begeisterte, wurde er ein Jahr später ehrenhalber ebenfalls zum Graduierten dieser Aus- bildungsstätte ernannt.
Diese Klänge verscheuchen in der Tat selbst Regenwolken - oder lassen sie zumindest weniger grau aussehen. Sousa sorgt für gute Laune. Wer im Herbst unter Nieselwetter, Kälte und Düsternis leidet, der sollte mit dieser CD dagegen angehen - brillant musiziert wird obendrein!
Sacred Music by Jan Dismas Zelenka (Helios)
Zur Wiederentdeckung des Kom- ponisten Jan Dismas Zelenka (1679 bis 1745) hat diese Aufnahme aus dem Jahre 2002 mit Sicherheit beigetragen. Zu verdanken ist die wundervolle Einspielung dem King's Consort unter Robert King, das sich einmal mehr die Mühe gemacht hat, abseits des Best- seller-Repertoires nach Werken zu suchen, deren Aufführung sich lohnt.
Zelenka, der in Dresden als Orche- stermusiker und Kirchencompo- siteur wirkte, hat Musik geschrieben, die durch ihre Eigenwilligkeit verblüfft. Bereits der Leipziger Musikschriftsteller Friedrich Rochlitz, der um 1820 Zugang zu einigen Stücken Zelenkas erhielt, begeisterte sich für die "bewundernswerthe Eigenthümlichkeit" seiner harmo- nischen Sprache und die "kunstreich verflochtenen" Singstimmen.
Dennoch blieben die Werke noch nahezu 200 weitere Jahre im Archiv liegen; erst in jüngster Vergangenheit begannen Musiker und Musik- wissenschaftler, die Handschriften zu erschließen. So enthält diese CD neben der Litaniae de Venerabili Sacramento Z147 und den Maria- nischen Antiphonen Regina caeli laetare Z134 und Salve regina, mater misericordiae Z135 auch Teile aus dem Officium defunctorum Z47, das Zelenka 1733 für die Trauerfeierlichkeiten in Dresden nach dem Tode seinen Dienstherrn August des Starken geschrieben hat. Diese düstere, aber dennoch seltsam kraftvolle Trauermusik würde man gern einmal vollständig hören.
Zelenka, der in Dresden als Orche- stermusiker und Kirchencompo- siteur wirkte, hat Musik geschrieben, die durch ihre Eigenwilligkeit verblüfft. Bereits der Leipziger Musikschriftsteller Friedrich Rochlitz, der um 1820 Zugang zu einigen Stücken Zelenkas erhielt, begeisterte sich für die "bewundernswerthe Eigenthümlichkeit" seiner harmo- nischen Sprache und die "kunstreich verflochtenen" Singstimmen.
Dennoch blieben die Werke noch nahezu 200 weitere Jahre im Archiv liegen; erst in jüngster Vergangenheit begannen Musiker und Musik- wissenschaftler, die Handschriften zu erschließen. So enthält diese CD neben der Litaniae de Venerabili Sacramento Z147 und den Maria- nischen Antiphonen Regina caeli laetare Z134 und Salve regina, mater misericordiae Z135 auch Teile aus dem Officium defunctorum Z47, das Zelenka 1733 für die Trauerfeierlichkeiten in Dresden nach dem Tode seinen Dienstherrn August des Starken geschrieben hat. Diese düstere, aber dennoch seltsam kraftvolle Trauermusik würde man gern einmal vollständig hören.
Sonntag, 7. Oktober 2012
Drama Queens - Joyce DiDonato (Virgin Classics)
Kastraten waren einst die Stars der Opernbühne, und viele dieser Arien waren ihnen auf den Leib komponiert - auch wenn die Heldinnen Berenice, Octavia, Poppea, Cleopatra oder Rossane heißen. "Why do we adore these queens of the drama?", fragt Joyce DiDonato im Beiheft zu dieser CD. "The answer, for me, lies at the heart of why we love opera: we yearn to open hidden doors to the richest, most complex, utterly human and profoundly moving emotions that we may not be able to access when left to our own devices. The crazy plots and extreme circumstances of the operatic universe give us permission to unleash our often too-idle imagina- tions."
Die Heldinnen der barocken Opernbühne zeichneten sich durch Leidenschaft aus - und durch Konsequenz. So offenbarten sie mitunter in einer einzigen Arien einen ganzen Kosmos von Gefühlen, von der Raserei bis hin zur Melancholie. Die amerikanische Mezzosopranistin hat sich an diese emotionalen Achterbahnfahrten gewagt. Sie beeindruckt insbesondere dort mit schönem Ton, wo sie ruhige Passagen und lange Linien gestalten kann. Wo sie forciert, kommt oftmals ein Vibrato zum Vorschein, das mir hier weniger gefällt. Joyce DiDonato wird einmal mehr stilsicher vom Ensemble Il Complesso Barocco unter Alan Curtis begleitet. Die Musiker erweisen sich erneut als ausgesprochen versiert, und sie bringen neben viel Temperament auch so manche Klangfarbe ins Spiel. Ein besonders schönes Beispiel dafür ist die Arie Geloso sospetto der Kaiserin Octavia aus Reinhard Keisers Oper Die römische Unruhe oder Die edelmütige Octavia.
Die Heldinnen der barocken Opernbühne zeichneten sich durch Leidenschaft aus - und durch Konsequenz. So offenbarten sie mitunter in einer einzigen Arien einen ganzen Kosmos von Gefühlen, von der Raserei bis hin zur Melancholie. Die amerikanische Mezzosopranistin hat sich an diese emotionalen Achterbahnfahrten gewagt. Sie beeindruckt insbesondere dort mit schönem Ton, wo sie ruhige Passagen und lange Linien gestalten kann. Wo sie forciert, kommt oftmals ein Vibrato zum Vorschein, das mir hier weniger gefällt. Joyce DiDonato wird einmal mehr stilsicher vom Ensemble Il Complesso Barocco unter Alan Curtis begleitet. Die Musiker erweisen sich erneut als ausgesprochen versiert, und sie bringen neben viel Temperament auch so manche Klangfarbe ins Spiel. Ein besonders schönes Beispiel dafür ist die Arie Geloso sospetto der Kaiserin Octavia aus Reinhard Keisers Oper Die römische Unruhe oder Die edelmütige Octavia.
Erfreulich ist zudem die Tatsache, dass für dieses Album nicht nur bekannte Stücke ausgewählt wurden, wie Piangerò la sorte mia aus Händels Giulio Cesare oder Sposa, son disprezzata - hier korrekt Geminiano Giacomelli zugeschrieben, der die Arie 1734 für seine Oper Merope komponiert hat; überliefert wurde sie uns allerdings als Bestandteil von Vivaldis Pasticcio Bajazet. Für den Opernfreund hält diese CD viele Entdeckungen bereit. Und DiDonato begeistert durch ihre großartige Lust an Theatralik. "The Baroque drama queen apologises for nothing, hides nothing (unless it serves her purpose, of course), lays herself bare without filter, and trough glorious, magisterial vocal music gives us the permision to dare to do the same", meint die Sängerin. "Who needs therapy?"
Donnerstag, 4. Oktober 2012
Evgenia Rubinova - Rachmaninoff (Avi-Music)
"Mir liegt am Herzen, die Mehr- deutigkeit von Rachmaninoffs Musik zu zeigen, ihre Schlichtheit, ihre Melancholie, ihr Frühlings- rauschen, ihre Distanziertheit, ihren Witz, ihre Großzügigkeit: insgesamt die vielschichtigen Charaktereigenschaften Rach- maninoffs", sagt Evgenia Rubi- nova. "Rachmaninoffs Musik ist entgegen manchen Vorurteilen meisterhaft komponiert und höchst eigenständig; die - teil- weise ganz offensichtlichen - motivischen Ähnlichkeiten zwischen Werken Rachmaninoffs und etwa denen von Chopin, Mendelssohn Bartholdy oder Tschaikowski liegen nur an der Oberfläche."
Den Beweis dieser These tritt die erfolgreiche Pianistin auf dieser CD an. Dazu wählte sie drei Werke aus, die für unterschiedliche Stationen auf dem Lebensweg von Sergej Rachmaninoff (1873 bis 1943) stehen können: Die sechs Moments musicaux op. 16 aus dem Jahre 1896, die Klaviersonate Nr. 2 b-Moll op. 36 von 1913/1931 und Bearbeitungen von Fritz Kreislers Liebesleid und Liebesfreud aus den 20er Jahren - der Komponist lebte damals im Exil in Paris.
Rubinova spielt brillant. Ihr Anschlag ist stets kontrolliert, differen- ziert, die Läufe perlen. Doch sie gestaltet keineswegs mit lockerer Hand; ihre Interpretation ist ausgefeilt und wohlüberlegt. Die Pianistin bringt insbesondere in die frühen Werke Rachmaninoffs Klangfarben, die man so noch nie gehört hat. Sie lässt diese Musik licht und durchhörbar erscheinen, klar strukturiert, zugleich sehr lyrisch, mitunter regelrecht romantisch.
Kreislers Ironie freilich wird man vergebens suchen. Rubinova in- terpretiert hier Rachmaninoff in der Tradition des Virtuosenstückes. Das mag sogar korrekt sein, aber es lässt dieses letzte Werk auf der CD nach den beiden Schwergewichten wie ein Encore erscheinen. Für meinen Geschmack ein bisschen viel romantischer Puderzucker - aber der Rest ist sehr hörenswert.
Den Beweis dieser These tritt die erfolgreiche Pianistin auf dieser CD an. Dazu wählte sie drei Werke aus, die für unterschiedliche Stationen auf dem Lebensweg von Sergej Rachmaninoff (1873 bis 1943) stehen können: Die sechs Moments musicaux op. 16 aus dem Jahre 1896, die Klaviersonate Nr. 2 b-Moll op. 36 von 1913/1931 und Bearbeitungen von Fritz Kreislers Liebesleid und Liebesfreud aus den 20er Jahren - der Komponist lebte damals im Exil in Paris.
Rubinova spielt brillant. Ihr Anschlag ist stets kontrolliert, differen- ziert, die Läufe perlen. Doch sie gestaltet keineswegs mit lockerer Hand; ihre Interpretation ist ausgefeilt und wohlüberlegt. Die Pianistin bringt insbesondere in die frühen Werke Rachmaninoffs Klangfarben, die man so noch nie gehört hat. Sie lässt diese Musik licht und durchhörbar erscheinen, klar strukturiert, zugleich sehr lyrisch, mitunter regelrecht romantisch.
Kreislers Ironie freilich wird man vergebens suchen. Rubinova in- terpretiert hier Rachmaninoff in der Tradition des Virtuosenstückes. Das mag sogar korrekt sein, aber es lässt dieses letzte Werk auf der CD nach den beiden Schwergewichten wie ein Encore erscheinen. Für meinen Geschmack ein bisschen viel romantischer Puderzucker - aber der Rest ist sehr hörenswert.
Platti: Sonatas for Violoncello, Violin & Basso continuo (Oehms Classics)
Giovanni Benedetto Platti (1697 bis 1763) stand als oboista im Dienst der Fürstbischöfe von Würzburg. Der Musiker stammte aus Padua, und er verbrachte in seiner Jugend einige Jahre in Ve- nedig. 1722 ging er nach Würz- burg. Denn Fürstbischof Johann Philipp Franz von Schönborn wollte für seine Residenz zumin- dest einen Schimmer vom Glanz der italienischen Musik, die er in Rom kennen und schätzen gelernt hatte. Der Bischof spielte selbst die Violine. Sein Bruder Rudolf Franz Erwein von Schönborn, Herr über die Grafschaft Wiesentheid, hatte das Violoncello für sich entdeckt. Und Platti, durch den Nachfolger des Fürstbischofs wohl nicht sehr beansprucht, fungierte bald schon als der musikalische Berater und Hauskomponist des Grafen.
Er scheint auch mit Streichinstrumenten bestens vertraut gewesen zu sein. Das jedenfalls verraten seine Kompositionen. Mehr als 60 seiner Werke sind in der Musikbibliothek Rudolf Franz Erweins überliefert, zumeist Stücke für Violoncello - Sonaten mit Basso continuo, Concer- ti con Violoncello obligato oder auch Triosonaten, in denen das Violoncello als zweites Melodieinstrument in Erscheinung tritt.
Der Cellist Sebastian Hess hat einige dieser Stücke nun gemeinsam mit dem Barockgeiger Rüdiger Lotter und Florian Birsak, der sich auf historische Tasteninstrumente spezialisiert hat, bei Oehms Classics eingespielt. Damit setzt er die Erkundung dieser musikalischen Rari- täten fort; eine weitere CD mit sechs Sonaten für Violoncello und Basso continuo aus der Feder von Platti ist bereits bei dem Label erschienen.
Die Auseinandersetzung mit den alten Handschriften lohnt sich. Denn der Komponist hatte durchaus sehr eigenständige Ideen, die er für Rudolf Franz Erwein zu Papier brachte. So erscheint dieser Blick in die Kinderstube der Violoncello-Literatur außerordentlich spannend. Ganz abgesehen davon, dass die Dialoge zwischen Geige und Cello, kommentiert vom Hammerflügel, offenbar auch Spielfreude bereiten. Da noch etliche Manuskripte in der Wiesentheider Sammlung schlum- mern, darf man sich auf die Fortsetzung bereits freuen.
Er scheint auch mit Streichinstrumenten bestens vertraut gewesen zu sein. Das jedenfalls verraten seine Kompositionen. Mehr als 60 seiner Werke sind in der Musikbibliothek Rudolf Franz Erweins überliefert, zumeist Stücke für Violoncello - Sonaten mit Basso continuo, Concer- ti con Violoncello obligato oder auch Triosonaten, in denen das Violoncello als zweites Melodieinstrument in Erscheinung tritt.
Der Cellist Sebastian Hess hat einige dieser Stücke nun gemeinsam mit dem Barockgeiger Rüdiger Lotter und Florian Birsak, der sich auf historische Tasteninstrumente spezialisiert hat, bei Oehms Classics eingespielt. Damit setzt er die Erkundung dieser musikalischen Rari- täten fort; eine weitere CD mit sechs Sonaten für Violoncello und Basso continuo aus der Feder von Platti ist bereits bei dem Label erschienen.
Die Auseinandersetzung mit den alten Handschriften lohnt sich. Denn der Komponist hatte durchaus sehr eigenständige Ideen, die er für Rudolf Franz Erwein zu Papier brachte. So erscheint dieser Blick in die Kinderstube der Violoncello-Literatur außerordentlich spannend. Ganz abgesehen davon, dass die Dialoge zwischen Geige und Cello, kommentiert vom Hammerflügel, offenbar auch Spielfreude bereiten. Da noch etliche Manuskripte in der Wiesentheider Sammlung schlum- mern, darf man sich auf die Fortsetzung bereits freuen.
Montag, 1. Oktober 2012
Haydn: Complete Symphonies; Fey (Hänssler)
Von der ersten Sinfonie, mit der sich der junge Joseph Haydn seinem ersten Dienstherrn empfahl, bis hin zur Nr. 92, mit der sich der Komponist 1791 für die Verleihung der Ehrendoktorwürde bedankt haben soll und die deshalb den Beinamen Oxford erhielt, reichen die Werke, die Thomas Fey mit den Heidelberger Sinfonikern für die CD 15, 16 und 17 der Haydn-Gesamtaufnahme eingespielt hat. Zur Erinnerung: 104 Sinfonien umfasst das Werkverzeichnis des Komponisten; die letzte, auch London oder Salomon genannt, entstand 1795 anlässlich seiner zweiten England-Reise.
An diesen drei CD lässt sich die Entwicklung seines persönlichen Stils daher gut nachvollziehen. Wir erleben den 27jährigen Haydn, soeben angestellt als Kapellmeister des Grafen Karl Joseph Franz von Morzin - und dort steht ihm, der sich bisher mit kleinen Besetzungen zu bescheiden hatte, erstmals ein ganzes Orchester zur Verfügung. Wir erleben den erfahrenen Musiker, der erneut mit Formen experimen- tiert, und insbesondere den Kontrapunkt und Fugen in Fux' Manier von Grund auf studiert. Und wir lauschen dem gereiften Komponi- sten, der seinen Werken einen populären Anstrich gibt, aber mittlerweile im Umgang mit der Form so souverän ist, dass er sich Ohrwürmer ebenso entspannt leisten kann wie musikalische Scherze - und beides findet sich in Haydns Oeuvre zur Genüge, man muss nur hinhören.
Diese Lebenserfahrung, diese Reife, die der Komponist sich erarbeitet hat, die möchte man gern auch in der Interpretation wiederfinden. Und man muss leider bedauern: Fey ist so damit beschäftigt, "Papa Haydn" den Zopf abzuschneiden, dass diese Differenzierung zu kurz kommt. Mag der frische, beinahe ruppige Zugriff bei den frühen Sinfonien noch ganz achtbar funktionieren - bei Haydns Spätwerken bügelt Fey damit zuviel Details weg, und das ist schade.
An diesen drei CD lässt sich die Entwicklung seines persönlichen Stils daher gut nachvollziehen. Wir erleben den 27jährigen Haydn, soeben angestellt als Kapellmeister des Grafen Karl Joseph Franz von Morzin - und dort steht ihm, der sich bisher mit kleinen Besetzungen zu bescheiden hatte, erstmals ein ganzes Orchester zur Verfügung. Wir erleben den erfahrenen Musiker, der erneut mit Formen experimen- tiert, und insbesondere den Kontrapunkt und Fugen in Fux' Manier von Grund auf studiert. Und wir lauschen dem gereiften Komponi- sten, der seinen Werken einen populären Anstrich gibt, aber mittlerweile im Umgang mit der Form so souverän ist, dass er sich Ohrwürmer ebenso entspannt leisten kann wie musikalische Scherze - und beides findet sich in Haydns Oeuvre zur Genüge, man muss nur hinhören.
Diese Lebenserfahrung, diese Reife, die der Komponist sich erarbeitet hat, die möchte man gern auch in der Interpretation wiederfinden. Und man muss leider bedauern: Fey ist so damit beschäftigt, "Papa Haydn" den Zopf abzuschneiden, dass diese Differenzierung zu kurz kommt. Mag der frische, beinahe ruppige Zugriff bei den frühen Sinfonien noch ganz achtbar funktionieren - bei Haydns Spätwerken bügelt Fey damit zuviel Details weg, und das ist schade.
Stölzel: Kammermusik (Ambitus)
Man sollte sich von diesem un- glaublich hässlichen Cover nicht abschrecken lassen - die Musiker des Ensembles Neobarock stellen auf dieser CD grandiose Musik vor, die unbedingt anhörenswert ist. Volker Möller, Maren Ries, Ariane Spiegel und Fritz Siebert laden ein zur Wiederentdeckung eines Komponisten, der selbst Insidern kaum noch ein Begriff ist.
Dabei wurde Gottfried Heinrich Stölzel (1690 bis 1749) zu Leb- zeiten weithin sehr geschätzt. Bach führte Kirchenkantaten des Komponisten in Leipzig auf, und auch seine Frau Anna Magdalena notierte in ihrem Notenbüchlein eines seiner Stücke: Bist du bei mir, geh ich mit Freuden stammt aus Stölzels Oper Diomedes oder Die triumphirende Unschuld, 1718 in Bayreuth uraufgeführt.
Gottfried Heinrich Stölzel stammte aus dem Erzgebirge. Der Sohn eines Lehrers und Organisten aus Grünstädtel lernte zunächst am Gymnasium Rutheneum in Gera. Dort konnte er die musikalische Ausbildung, die er im Elternhaus begonnen hatte, fortsetzen und durch eine intensive Beschäftigung mit Literatur ergänzen. 1707 ging Stölzel zum Studium nach Leipzig; doch statt der Theologie trieb ihn wohl auch dort die Musik um. So wirkte er im Collegium musicum mit, das damals von Georg Melchior Hoffmann geleitet wurde. Dieser unterstützte Stölzel auch bei seinen ersten Versuchen, sich als Kom- ponist einen Namen zu machen.
1710 wurde in Breslau Stölzels erste Oper Narcissus aufgeführt. Wei- tere Aufträge folgten; die Höfe in Gera und in Zeitz bemühten sich um den jungen Musiker. Doch der wollte noch keine Hofkapellmeister- stelle. Stölzel zog es nach Italien, nach Venedig, Florenz und Rom. Sein Aufenthalt dort brachte ihm nicht nur einen Zuwachs an musi- kalischen Fertigkeiten, sondern auch jede Menge neue Kontakte - und Renommée: 1717 wurde Stölzel nach Bayreuth eingeladen, wo er die Kirchenmusik für die Feierlichkeiten zum 200. Jubiläum der Refor- mation lieferte. Im Anschluss daran wirkte er ein gutes Jahr lang als Leiter der Hofkapelle und Musiklehrer am Gymnasium in Gera.
1719 ging Stölzel nach Gotha, wo er bis an sein Lebensende Hofkapell- meister blieb. Er hat das Musikleben in der thüringischen Residenz mit Sicherheit stark geprägt. Auch für den Sondershäuser Hof kom- ponierte Stölzel. Und wenn man die Werke hört, die das Ensemble Neobarock auf dieser CD vorstellt, dann wird man einmal mehr dar- über staunen, was für großartige Meister doch diese kleinen mittel- deutschen Höfe damals aufbieten konnten.
Stölzel muss ein gigantisches Werk erschaffen haben. Neben zahlrei- chen Orchester- und Kammermusikwerken schrieb er Passionen, Oratorien, Messen und Motetten. Eine ganze Anzahl seiner Kirchen- kantaten - wahrscheinlich waren es einst zwölf komplette Kantaten- jahrgänge - fand sich vor Jahren in einem Verschlag in der Schloss- kirche zu Sondershausen und wird heute dort im Archiv aufbewahrt. Von knapp 20 Opern kennt man zumindest die Titel. Und auch eine ganze Anzahl weltlicher Kantaten scheint Stölzel komponiert zu haben. Über die Hälfte seiner Werke gilt als verloren.
Das ist in der Tat ein Verlust, wie diese CD belegt. Leider gibt das Beiheft keine Auskunft darüber, welche Quellen die Musiker genutzt haben - doch die Mehrheit dieser Sonaten und Quadros dürfte gut
250 Jahre Archivschlaf hinter sich haben und hier in Ersteinspielung erklingen. Der Musikfreund wird sich wünschen, dass diese Stölzel-Aufnahmen bald ergänzt werden. Denn der Komponist vereint den gelehrten Stil, wie wir ihn von Bach kennen und schätzen, Experi- mentierlust und galante Geläufigkeit. Das muss durchaus kein Widerspruch sein, wie man beim Anhören dieser CD bald erfreut feststellen wird. Mehr davon! und besten Dank an die engagierten jungen Musiker für diese Ausgrabung.
Dabei wurde Gottfried Heinrich Stölzel (1690 bis 1749) zu Leb- zeiten weithin sehr geschätzt. Bach führte Kirchenkantaten des Komponisten in Leipzig auf, und auch seine Frau Anna Magdalena notierte in ihrem Notenbüchlein eines seiner Stücke: Bist du bei mir, geh ich mit Freuden stammt aus Stölzels Oper Diomedes oder Die triumphirende Unschuld, 1718 in Bayreuth uraufgeführt.
Gottfried Heinrich Stölzel stammte aus dem Erzgebirge. Der Sohn eines Lehrers und Organisten aus Grünstädtel lernte zunächst am Gymnasium Rutheneum in Gera. Dort konnte er die musikalische Ausbildung, die er im Elternhaus begonnen hatte, fortsetzen und durch eine intensive Beschäftigung mit Literatur ergänzen. 1707 ging Stölzel zum Studium nach Leipzig; doch statt der Theologie trieb ihn wohl auch dort die Musik um. So wirkte er im Collegium musicum mit, das damals von Georg Melchior Hoffmann geleitet wurde. Dieser unterstützte Stölzel auch bei seinen ersten Versuchen, sich als Kom- ponist einen Namen zu machen.
1710 wurde in Breslau Stölzels erste Oper Narcissus aufgeführt. Wei- tere Aufträge folgten; die Höfe in Gera und in Zeitz bemühten sich um den jungen Musiker. Doch der wollte noch keine Hofkapellmeister- stelle. Stölzel zog es nach Italien, nach Venedig, Florenz und Rom. Sein Aufenthalt dort brachte ihm nicht nur einen Zuwachs an musi- kalischen Fertigkeiten, sondern auch jede Menge neue Kontakte - und Renommée: 1717 wurde Stölzel nach Bayreuth eingeladen, wo er die Kirchenmusik für die Feierlichkeiten zum 200. Jubiläum der Refor- mation lieferte. Im Anschluss daran wirkte er ein gutes Jahr lang als Leiter der Hofkapelle und Musiklehrer am Gymnasium in Gera.
1719 ging Stölzel nach Gotha, wo er bis an sein Lebensende Hofkapell- meister blieb. Er hat das Musikleben in der thüringischen Residenz mit Sicherheit stark geprägt. Auch für den Sondershäuser Hof kom- ponierte Stölzel. Und wenn man die Werke hört, die das Ensemble Neobarock auf dieser CD vorstellt, dann wird man einmal mehr dar- über staunen, was für großartige Meister doch diese kleinen mittel- deutschen Höfe damals aufbieten konnten.
Stölzel muss ein gigantisches Werk erschaffen haben. Neben zahlrei- chen Orchester- und Kammermusikwerken schrieb er Passionen, Oratorien, Messen und Motetten. Eine ganze Anzahl seiner Kirchen- kantaten - wahrscheinlich waren es einst zwölf komplette Kantaten- jahrgänge - fand sich vor Jahren in einem Verschlag in der Schloss- kirche zu Sondershausen und wird heute dort im Archiv aufbewahrt. Von knapp 20 Opern kennt man zumindest die Titel. Und auch eine ganze Anzahl weltlicher Kantaten scheint Stölzel komponiert zu haben. Über die Hälfte seiner Werke gilt als verloren.
Das ist in der Tat ein Verlust, wie diese CD belegt. Leider gibt das Beiheft keine Auskunft darüber, welche Quellen die Musiker genutzt haben - doch die Mehrheit dieser Sonaten und Quadros dürfte gut
250 Jahre Archivschlaf hinter sich haben und hier in Ersteinspielung erklingen. Der Musikfreund wird sich wünschen, dass diese Stölzel-Aufnahmen bald ergänzt werden. Denn der Komponist vereint den gelehrten Stil, wie wir ihn von Bach kennen und schätzen, Experi- mentierlust und galante Geläufigkeit. Das muss durchaus kein Widerspruch sein, wie man beim Anhören dieser CD bald erfreut feststellen wird. Mehr davon! und besten Dank an die engagierten jungen Musiker für diese Ausgrabung.
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