Das Ensemble Bradamante unternimmt auf dieser CD eine ebenso kreative wie unterhaltsame musikalische Rundreise durch das barocke Europa. Sie beginnt gleich mit einer Überraschung – das berühmte Weihnachtskonzert von Arcangelo Corelli erklingt in einer Bearbeitung durch den deutschen Flötisten Johann Christian Schickardt.
Auch sonst wird die Besetzung, ganz im Stil der damaligen Zeit, eher flexibel gehandhabt. Rachel Heymans, Blockflöten und Barockoboe, Anne-Catherina Gosselé, Blockflöten, Leonor Palazzo, die ein fünfsaitiges Violoncello spielt, und Paule van den Driessche am Cembalo haben einige Werke so bearbeitet, wie dies für ihre Instrumente passt. Arrangiert wurde beispielsweise eine Chaconne en trio von Jacques Morel, einem Schüler von Marin Marais, ursprünglich für Querflöte, Viola da gamba und Basso continuo, sowie ein Concert de chambre à deux et trois parties von Jean-Joseph Mouret, dem ersten Leiter des Concert Spirituel.
Bei einem Concerto a quattro, aus der Sammlung der Grafen von Schönborn in Wiesentheid, steht nicht fest, wer es komponiert hat. Experten schreiben es sowohl Händel als auch Telemann zu – bei letzterem steht es als Sonata a 4 unter TWV 43:d3 im Werkverzeichnis.
Es ist generell interessant, wie unscharf Gattungsgrenzen seinerzeit waren. Auf dieser CD zeigen die Musikerinnen des Ensembles Bradamante, dass der Unterschied zwischen einem Concerto grosso und einer Sonata a quattro damals gar nicht so groß war. Wie kreativ die barocken Komponisten Konzert und Kammermusik verknüpften, das bereitet uns noch heute viel Vergnügen. Und so stellt das Ensemble Bradamante neben das konzertierende Quartett von Telemann und die beiden französischen Trios, die sich als verkappte Orchesterwerke erweisen, zum Abschluss noch eines jener exzentrischen Konzerte für Solisten ohne Orchester von Antonio Vivaldi, die einst gezeigt haben, was mit dem konzertierenden Prinzip alles möglich ist. Das Ensemble Bradamante begeistert mit Temperament und enormer Musizierlust. Eine CD, die allen Freunden unkonventioneller Barockmusik an dieser Stelle wärmstens empfohlen sei.
Mit dieser 3-CD-Box komplettiert Črtomir Šiškovič seine Einspielung der Sonaten von Giuseppe Tartini (1692 bis 1770) für Solo-Violine. Dabei orientiert er sich an einem Manuskript mit einunddreißig undatierten Kompositionen, das sich heute im Archiv der Veneranda Arca del Santo in Padua befindet.
Sie sind vermutlich zwischen 1745 und 1750 entstanden; etliche davon sind in verschiedenen Abschriften überliefert. Šiškovič hat diese Varianten sorgsam studiert und jeweils diejenige ausgewählt, die er als die beste ansieht.
Auch diese Einspielung des Tartini-Spezialisten erfreut, weil sie jede Menge musikalische Überraschungen bietet – und weil Šiškovič phantastisch musiziert. Bei Tartini gibt es keine endlosen Sequenzen, mit vorhersehbarem Finale, keine vordergründige Virtuosität und keine Wendungen, die sich beständig wiederholen. Jedes Stück ist anders, und es gibt viel zu entdecken. Gewiss, drei CD sind mehr als zweieinhalb Stunden Geige pur. Doch ich habe jede einzelne Minute genossen.
Noch eine Aufnahme mit Klavierkonzerten von Wolfgang Amadeus Mozart (1756 bis 1791)? Wenn sie Qualität hat – aber ja! Und diese CD, eingespielt von Alexander Schimpf mit der Bayerischen Kammerphilharmonie, ist rundum eine erfreuliche Überraschung.
Schimpf hat die Klavierkonzerte KV 413, 414 und 415 dafür ausgewählt, aus der Werkgruppe der sogenannten frühen Wiener Konzerte, entstanden im Winterhalbjahr 1782/83. Er hat sich zudem dafür entschieden, auf Bläser zu verzichten, und musiziert zusammen mit 13 Streichern der Bayerischen Kammerphilharmonie, die von Konzertmeister Gabriel Adorján geleitet wird.
Diese Besetzung ist zwar klein genug, um kammermusikalisch intensives Zusammenspiel zu ermöglichen; dennoch ermöglicht sie eine orchestrale Gesamtwirkung.
Auch auf einen Dirigenten wurde verzichtet; die Musiker erarbeiteten die Interpretation im demokratischen Miteinander, berichtet der Pianist im Beiheft: „Es ist gerade dieser intensive Austausch im Moment des Spielens, der Geist einer Gemeinsamkeit im Musizieren, der die Aufnahme innerlich motiviert und beseelt hat“, schreibt Alexander Schimpf, „und ich bin jeder und jedem einzelnen der hervorragenden Musikerinnen und Musiker der Bayerischen Kammerphilharmonie für diese Erfahrung und die großartige Zusammenarbeit zutiefst dankbar.“
Musiziert wird lebhaft, bewegt, und bis ins kleinste Detail ausdifferenziert. Die Interpretation ist wunderbar ausbalanciert. Dazu trägt übrigens auch der Blüthner Konzertflügel, der hier verwendet wird, mit seinem unverwechselbaren Ton mit bei. Es ist eine hohe Kunst, Mozart so leicht, beschwingt und fein abgestimmt zu spielen. Und die Kadenzen, die Alexander Schimpf selbst aus Mozarts musikalischem Material heraus „erfunden“ hat, wie es nennt, runden diese sehr gelungene Interpretation zusätzlich ab. Bravi!
Schon als Kind liebte Harriet Krijgh die Musik von Antonio Vivaldi (1678 bis 1741). Und so widmete die niederländische Cellistin nun ihr Debüt-Album bei der Deutschen Grammophon ganz dem Barock-Komponisten.
Dabei musizierte sie mit der Amsterdam Sinfonietta. Das vielfach ausgezeichnete Streicherensemble, das von Konzertmeisterin Candida Thompson geleitet wird, spielt ohne Dirigenten.
Dem Gestus dieser Musik kommt das entgegen. Und weil bei Vivaldis Werken unterschiedlichste Besetzungen als Concertino fungieren, agieren etliche Musiker dieses Kammerorchesters auf dieser CD auch als Solisten.
Der Zuhörer spürt, dass alle Beteiligten intensiv daran gearbeitet haben, einen gemeinsamen Ausdruck zu finden. Musiziert wird sehr ausgefeilt und differenziert, und mit wunderbarer Eleganz. Bravi!
„Die DDR-Politik war mir nicht sympathisch. Aber das Orchester hat eine große Ausdauer gehabt“, berichtet Herbert Blomstedt. Es waren die Musiker, die den schwedischen Dirigenten schließlich überzeugten, Chefdirigent der Dresdner Staatskapelle zu werden: Nach etlichen Jahren als „Gastchef“ war er dann in den Jahren 1975 bis 1985 an der Elbe musikalisch fest engagiert.
Die Dresdner Jahre Herbert Blomstedts waren mit einer ganzen Reihe aufsehenerregender Einspielungen verbunden. So sorgten sowohl die Gesamteinspielung der Sinfonien von Franz Schubert als auch eine Einspielung der Urfassung des Fidelio, veröffentlicht 1977, auch im Westen für Furore. Große Resonanz gab es zudem für Aufnahmen sämtlicher Sinfonien Ludwig van Beethovens (1770 bis 1827), die Blomstedt mit der Staatskapelle in den Jahren 1975 bis 1980 einspielte. Aufgezeichnet wurden sie in der Dresdner Lukaskirche, die mit ihrer exzellenten Akustik zum transparenten Klangbild beitrug.
Die Aufnahmen vermitteln Spannung und Stimmungen; Blomstedts Beethoven hält perfekt die Balance: Seine Werkauffassung neigt weder zu romantisierender Gefühligkeit noch zum penibel-knochentrockenen Beharren auf einer „historisch korrekten“ Lesart. So berühren diese Aufnahmen noch immer, und es ist schön, dass Berlin Classics sie zum Beethoven-Jubiläumsjahr in einer Fünf-CD-Box, remastert und liebevoll neu verpackt, wieder zugänglich macht.
Die Weltersteinspielung des gesamten Klavierwerks von Franz Schubert erschien 1969/70 auf 15 Schallplatten bei dem Label Tudor. Es gab damals viel Beifall für den österreichischen Pianist Gilbert Schuchter (1919 bis 1989), der sich an dieses Aufsehen erregende Projekt herangewagt hatte. Die Einspielung war seinerzeit auch deshalb eine Sensation, weil sie auf wissenschaftlich geprüften, fundierten Noteneditionen beruhte.
Auf CD veröffentlichte Tudor diese Gesamtaufnahme dann erstmals im Todesjahr von Gilbert Schuchter. Dass das Label den kompletten Schubert nun in einer preiswerten Box mit 12 CD und umfangreichem Beiheft erneut bereitstellt, ist erfreulich. Denn das Tondokument hat ohne Zweifel nicht nur musikhistorisch große Bedeutung, sondern obendrein noch immer einen hohen künstlerischen Rang. Schuchter musiziert mit großer Hingabe und lyrischer Geste. Er gestaltet „seinen“ Schubert elegisch, jedem Gedanken nachsinnend, weich im Klang, sehr österreichisch. Kein einziger Takt erscheint hier beliebig.
Mit Chormusik hat sich Johannes Brahms (1833 bis 1897) zeitlebens beschäftigt. Er hat selbst sehr verschiedene Chöre geleitet, und eine Vielzahl von weltlichen und geistlichen Chorwerken komponiert.
Die Mitglieder des Rundfunkchores Berlin schätzen diese Kompositionen sehr. Gijs Leenaars, Chefdirigent und künstlerischer Leiter, freut sich darüber, dass nun mit dieser CD einen Herzenswunsch des Ensembles verwirklicht wurde. Das Album hat ein interessantes Konzept: „Ich finde, eine große Stärke des Rundfunkchores Berlin ist seine Wandlungsfähigkeit“, so der Chorleiter, „sowohl als großes Instrument für Chorsinfonik, bei der die richtige Balance zwischen Orchester und Vokalstimmen eine Herausforderung darstellt, als auch für die A-cappella-Arbeit, bei der die eigene fein trainierte Klangvorstellung sehr wichtig ist.“
Brahms fordert beides – und die Profis aus Berlin haben für diese CD ein Programm zusammengestellt, das den ganzen Reichtum seines Schaffens auf allerhöchstem Niveau präsentiert. Es beginnt mit dem Schicksalslied op. 54, einer der bedeutendsten Kompositionen für Chor und Orchester von Johannes Brahms, gefolgt von der A-cappella-Motette Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen op. 74 Nr. 1. Zu hören sind auch die Nänie op. 82 für gemischten Chor und Orchester, die Drei Gesänge op. 42 für sechsstimmigen Chor a cappella, Es tönt ein voller Harfenklang op. 17 Nr. 1 für dreistimmigen Frauenchor, Horn und Harfe sowie das Geistliche Lied op. 30 für gemischten Chor und Streichorchester in einem Arrangement von Sir John Gardiner.
Die meisten dieser Stücke sind selten zu hören, weil Laienchöre damit heutzutage üblicherweise heillos überfordert wären. Umso mehr freut man sich über die farben- und nuancenreiche Interpretation dieser Pretiosen der Chorliteratur durch den Berliner Rundfunkchor; das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin übernimmt den Orchesterpart. Exzellent!
Schon als Kind, als sie noch an der Hand der Mutter in die Münchner Staatsoper ging, hörte Raphaela Gromes gern Musik von Gioachino Rossini. Und weil sie diese Werke so liebt, widmete die Cellistin dem Komponisten ihr zweites Album: „Für all das, was er mir geschenkt hat, wollte ich ihm Dankeschön sagen“, berichtet die Musikerin im Beiheft.
Leider fand sich von Rossini selbst nur eine einzige Originalkomposition für Violoncello und Klavier, Une larme aus den Péchés de vieillesse, gewidmet dem Cello-Virtuosen Graf Matvei Wielhorski, der das Stück gemeinsam mit dem Komponisten auch uraufgeführt hat.
Im „Cello Compagnion“, einem Werk, das auf mehr als 700 Seiten die gesamte Literatur für das Instrument zusammenfasst, stieß Raphaela Gromes auf eine Komposition von Jacques Offenbach, die sie unbedingt mit in ihr Programm aufnehmen wollte: Hommage à Rossini nannte sich das Stück – doch wo waren die Noten? Im Druck erschienen jedenfalls waren sie nicht; und auch im Kölner Stadtarchiv waren sie nicht aufzufinden. Dort lag zwar ein Großteil des Nachlasses von Jacques Offenbach, aber beim Einsturz 2009 waren die Originale verloren gegangen.
Normalerweise wäre die Suche an dieser Stelle beendet gewesen. Raphaela Gromes jedoch recherchierte weiter. Über einen französischen Musikwissenschaftler erhielt sie den Kontakt zu Offenbachs Nachfahren, die ebenfalls noch Dokumente aufbewahrten. Und so ließ sich aus dem Material, was sich in Paris, in Köln und in Stockholm fand, glücklicherweise am Ende die Partitur rekonstruieren. Dass dies ein Gewinn ist, steht außer Frage; das derart gerettete Werk erweist sich als eine Bereicherung für das Repertoire. Kein Wunder – schließlich war Offenbach ja selbst ein Violoncello-Virtuose.
Komplettiert wird das Programm zudem durch die Variationen über ein Thema von Rossini von Bohuslav Martinů, Außerdem gibt es natürlich auch Musik von Gioachino Rossini, herrliche Melodien, für das Violoncello bearbeitet von Julian Riem, der Raphaela Gromes bei dieser Einspielung auch als sensibler Klavierpartner zur Seite gestanden hat. Bei den Stücken mit Orchester musiziert das WDR Funkhausorchester unter Leitung von Enrico Delamboye.
Raphaela Gromes begeistert mit ihrem nuancenreichen Cellospiel. Sie musiziert auf einem kostbaren Instrument von Jean-Baptiste Vuillaume, und sie entlockt ihm einen so faszinierenden Klang, dass man die Sängerstimme überhaupt nicht vermisst. Die Solistin kombiniert intensiven Ausdruck mit hinreißender Brillanz. Ein phantastisches Album, unbedingt anhören!
Das Leipziger Symphonieorchester, gegründet 1963 als „Staatliches Orchester des Bezirkes Leipzig“, hat seinen Sitz in Böhlen und bringt Kultur in die Region rings um die Messestadt. Dass die Musiker, die alljährlich über hundert Konzerte spielen, nicht nur ländlichen Charme, sondern durchaus auch Pariser Eleganz und eine gehörige Portion Esprit aufbieten können, beweist diese CD mit Musik von Jacques Offenbach.
Dirigent Nicolas Krüger, ausgebildet am Pariser Konservatorium, hat dafür ein originelles Programm zusammengestellt, dass neben einigen wenigen bekannten Melodien des Komponisten vor allem aus Entdeckungen besteht. Ihren Titel trägt diese geistreiche Kollektion zu Recht: Offenbach? Fantastique!
Kolophonium ist ein Harz, mit dem Streicher regelmäßig ihre Bögen präparieren müssen, damit sie damit Töne erzeugen können. Bis zum Ende eines Musikstudiums dürfte man so einiges davon verbraucht haben. Es zeugt also von Humor, wenn die vier Cellistinnen Hannah Amann, Marlene Förstel, Elisabeth Herrmann und Theresa Laun genau diesen häufig benutzten Gegenstand zum Namenspaten ihres Quartettes erwählten.
Das 2014 gegründete Ensemble erobert bei seinen Auftritten die Herzen im Sturm. Spätestens seit dem Pausenfilm zum Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker 2017 ist es auch einem breiten Publikum eindrucksvoll in Erinnerung. Jetzt haben die Kolophonistinnen bei Gramola ihr Debüt-Album veröffentlicht – und das hat es schwer in sich. Eigentlich beginnt es ganz harmlos, mit Wiener Esprit und einem raffinierten Arrangement des bekannten Walzers Wiener Blut. Doch spätestens beim nachfolgenden Radetzkymarsch, ebenfalls in einer Bearbeitung von Leonhard Roczek, wird deutlich, dass die jungen Damen keineswegs vorhaben, brav Kaffeehausmusik zu machen – schaute da nicht Darth Vader ums Eck?
Filmmusik, Tango, Klassik und Moderne – die Kolophonistinnen verknüpfen augenzwinkernd alles, was ihnen wichtig ist, zu einem atemberaubenden Programm. Sie lassen es mit Wonne so richtig krachen. Doch sie können ihre Violoncelli auch elegisch singen lassen. Neben Klassikern wie den Deux movements pour quatre violoncelles von Alexandre Tansman (1897 bis 1986) oder dem Walzer Nr. 2 aus Dmitri Schostakowitschs Jazz-Suite Nr. 2, stellen sie auch faszinierende neue Stücken der österreichischen Komponisten Florian Bramböck und Matthias Bartolomey vor.
Das Programm schließt so ironisch, wie es begonnen hat – mit Heldinnenleben, nach einem Thema von Richard Strauss speziell für die vier Musikerinnen geschrieben von Leonhard Roczek. Ganz großes Kino!
Diese Musik ist so nur in Amerika möglich: Wynton Marsalis hat ein Konzert für Nicola Benedetti geschrieben, und darin anglo-keltische mit afroamerikanischen Musiktraditionen vereint. „Scored for symphony orchestra, with tremendous respect for the demands of that instrument, it is nonetheless written from the perspective of a jazz musician and New Orleans bluesman”, schreibt der Komponist im Beiheft zu dieser CD.
Das darf man gern wörtlich nehmen; so finden sich in diesem Werk sowohl schottische Klänge – als Referenz an die Herkunft der Geigerin – als auch Elemente aus Blues und Jazz. Diese Mixtur ist durchaus sehr anspruchsvoll. „The shared vocabulary between the jazz orchestra and the modern orchestra sits largely in the areas of texture and instrumental technique. Form, improvisation, harmony, and methods of thematic development are very different. The biggest challenges are: how to orchestrate the nuance and virtuosity in jazz and blues for an ensemble not versed in those styles (a technical issue); and how to create a consistent groove without a rhythm section (a musical/philosophical issue)”, berichtet Wynton Marsalis. „Because modern living is an integrated experience, it is never difficult to discover organic connections. Turning those insights into something meaningful and playable, however, is another story.”
Das Ergebnis lässt staunen – diese Musik überwältigt mit ihrer Vielschichtigkeit, und einem komplexen Geflecht aus Bezügen. Jazz ist gewiss präsent, aber er steht nicht ausschließlich im Vordergrund. Marsalis‘ Musik erscheint voll Energie, und Nicola Benedetti meistert die vier Sätze von der vexierbildhaften Rhapsody bis hin zum finalen temperamentvollen Hootenanny mit großer Leidenschaft. Begleitet wird sie bei ihrer musikalischen Reise durch amerikanische Klanglandschaften vom Philadelphia Orchestra unter Leitung von Cristian Măcelaru. Und weil es so schön war, folgt auf der CD anschließend noch Marsalis‘ Fiddle Dance Suite for Solo Violin.
Sena Jurinac (1921 bis 2011) wirkte fast 40 Jahre lang an der Wiener Staatsoper. Sie wurde aber auch an vielen anderen Häusern gern beschäftigt, und war weltweit unter anderem als Octavian in Strauss‘ Rosenkavalier, in Mozart-Partien wie Donna Elvira, Fiordiligi, Cherubino oder die Contessa, als Jenufa und auch als Küsterin oder als Knusperhexe in Humperdincks Märchenoper Hänsel und Gretel zu erleben. Von der Bühne verabschiedete sie sich 1982 in der Rolle der Marschallin.
Dass sie auch eine hervorragende Liedersängerin war, beweist die vorliegende Einspielung aus dem Jahre 1954 – es ist die einzige Einspielung von Klavierliedern, an der Sena Jurinac jemals mitgewirkt hat. Die Sopranistin ist auf dieser CD mit zwei Liederzyklen von Robert Schumann zu hören. Begleitet wird sie am Klavier von Franz Holetschek.
Frauenliebe und Leben op. 42 gehört mit seinen altbackenen Texten, die vom Komponisten musikalisch zudem ziemlich eindimensional gestaltet worden sind, nicht gerade zu meinen Favoriten. Doch wenn Sena Jurinac die Lieder singt, vergisst man, dass dieses Rollenkonzept auch mit viel Mottenpulver nicht in die heutige Zeit zu retten ist. Sie gestaltet Schumanns Musik so intensiv und so lebendig, dass insbesondere auch der Liederkreis op. 39 zum Erlebnis wird. Sena Jurinac erweist sich als eine herausragende Lied-Interpretin – und mit dieser Platte hat sie sich für alle Zeit einen Platz in meinem ganz persönlichen Sänger-Olymp gesichert. Großartig!