Die ersten sechs Concerti grossi op. 6 von Georg Friedrich Händel (1685 bis 1759) hat die Akademie für Alte Musik Berlin unter der Leitung ihres Konzertmeisters Bernhard Forck neu eingespielt. Diese zweite CD des renommierten Ensembles bei Pentatone ist zugleich der Auftakt zu einer Händel-Trilogie. Denn die zweite Hälfte der Concerti grossi op. 6 sowie die Concerti grossi op. 3 sollen nachfolgend die Reihe komplettieren.
Darauf kann man sich freuen, denn schon die erste Aufnahme ist exquisit. Das 1982 gegründete Originalklang-Ensemble bietet nicht nur langjährige Erfahrung, sondern auch ein hinreißendes Zusammenspiel mit sagenhafter Präzision und einem fein ausbalancierten Orchesterklang. Von Routine keine Spur – die Einspielung klingt frisch, klar strukturiert, und begeistert durch viele kleine Details. Auch klangtechnisch ist diese CD erstklassig. Meine unbedingte Empfehlung!
Freitag, 30. August 2019
Across the Stars (Deutsche Grammophon)
Gestern war ich auf der Autobahn unterwegs, in der Dämmerung, ringsum am Horizont Wetter- leuchten, und dazu habe ich diese CD angehört. Great! Wer hätte das gedacht – aber dies ist ohne Zweifel mein ganz persönliches Album des Jahres.
Ganz ehrlich: Anne-Sophie Mutter gehörte bislang nicht zu meinen Favoriten. Doch die anfängliche Skepsis wich bald purer Begeisterung. Denn die Geigerin kann Moderne. Die Aufnahme bietet eine breit gefächerte Auswahl von John Williams’ berühmten Filmthemen, vom Komponisten höchstpersönlich neu arrangiert und auch selbst dirigiert. Eingespielt wurde sie in Culver City in Kalifornien, im großen Aufnahmesaal der Sony Pictures Studios – dort, wo üblicherweise Filmmusiken für Hollywood aufgezeichnet werden, und von Musikern, die dafür üblicherweise engagiert werden.
Schon vor Jahren bat Anne-Sophie Mutter John Williams, ein Stück für sie zu schreiben, und sie äußerte zudem den Wunsch, auch ausgewählte Filmmusiken zu spielen. „In discussing this idea, we both realized that I had adapted only one or two of these pieces for solo violin and orchestra, and that the remainder of the chosen material would have to be new developed and orchestrated to complete her album. Because the opportunity to write for a great virtuoso always presents an energizing and exciting opportunity, I set about this project with great enthusiasm“, sagt John Williams. „Working with Anne-Sophie on this recording has been a pure inspiration. She has brought vibrant life to these familiar themes in new and unexpected ways, which has been a great joy for me as a composer.“
Links neben John Williams Dirigentenpult, wie im Konzert, aber im Meister-Yoda-T-Shirt, musizierte Anne-Sophie Mutter. „Ich bin nicht einfach nur ein Fan“, meint die Geigerin. „Ich bewundere die Musik von John Williams, auch seine klassischen Filmmusiken. Von seinem Orchestersatz lerne ich unglaublich viel über Ausdruck und musikalische Farben. Es ist für mich ein echtes Abenteuer, hier den richtigen Ton, die richtige Nuance zu suchen und zu finden.“
Man muss aber feststellen, dass genau dies Anne-Sophie Mutter bewundernswert gelungen ist. Sie musiziert mit beeindruckender Leidenschaft und unglaublich ausdrucksstark. Es ist wie ein Sprung in die Zukunft: Immer wieder entdeckt der Hörer neue Facetten, neue Klangfarben, einen mutigen Strich.
Die Geigerin nutzt ihre brillante Technik, um Williams' Musik bis in die feinste Schattierung perfekt zu gestalten. Man höre nur Night Journeys aus Dracula – was für ein Drama! Kein Violinkonzert könnte aufregender sein, keine Sonate mehr bewegen. Und die ganze Aufnahme strahlt eine Musizierfreude aus, es ist einfach grandios. Bravi, bravi, bravi!
Ganz ehrlich: Anne-Sophie Mutter gehörte bislang nicht zu meinen Favoriten. Doch die anfängliche Skepsis wich bald purer Begeisterung. Denn die Geigerin kann Moderne. Die Aufnahme bietet eine breit gefächerte Auswahl von John Williams’ berühmten Filmthemen, vom Komponisten höchstpersönlich neu arrangiert und auch selbst dirigiert. Eingespielt wurde sie in Culver City in Kalifornien, im großen Aufnahmesaal der Sony Pictures Studios – dort, wo üblicherweise Filmmusiken für Hollywood aufgezeichnet werden, und von Musikern, die dafür üblicherweise engagiert werden.
Schon vor Jahren bat Anne-Sophie Mutter John Williams, ein Stück für sie zu schreiben, und sie äußerte zudem den Wunsch, auch ausgewählte Filmmusiken zu spielen. „In discussing this idea, we both realized that I had adapted only one or two of these pieces for solo violin and orchestra, and that the remainder of the chosen material would have to be new developed and orchestrated to complete her album. Because the opportunity to write for a great virtuoso always presents an energizing and exciting opportunity, I set about this project with great enthusiasm“, sagt John Williams. „Working with Anne-Sophie on this recording has been a pure inspiration. She has brought vibrant life to these familiar themes in new and unexpected ways, which has been a great joy for me as a composer.“
Links neben John Williams Dirigentenpult, wie im Konzert, aber im Meister-Yoda-T-Shirt, musizierte Anne-Sophie Mutter. „Ich bin nicht einfach nur ein Fan“, meint die Geigerin. „Ich bewundere die Musik von John Williams, auch seine klassischen Filmmusiken. Von seinem Orchestersatz lerne ich unglaublich viel über Ausdruck und musikalische Farben. Es ist für mich ein echtes Abenteuer, hier den richtigen Ton, die richtige Nuance zu suchen und zu finden.“
Man muss aber feststellen, dass genau dies Anne-Sophie Mutter bewundernswert gelungen ist. Sie musiziert mit beeindruckender Leidenschaft und unglaublich ausdrucksstark. Es ist wie ein Sprung in die Zukunft: Immer wieder entdeckt der Hörer neue Facetten, neue Klangfarben, einen mutigen Strich.
Die Geigerin nutzt ihre brillante Technik, um Williams' Musik bis in die feinste Schattierung perfekt zu gestalten. Man höre nur Night Journeys aus Dracula – was für ein Drama! Kein Violinkonzert könnte aufregender sein, keine Sonate mehr bewegen. Und die ganze Aufnahme strahlt eine Musizierfreude aus, es ist einfach grandios. Bravi, bravi, bravi!
Mittwoch, 28. August 2019
Bach's Family - Choral Motets (Hänssler Classic)
Mit seinen vielen Schülern, zu denen auch seine Söhne gehörten, hat Johann Sebastian Bach das Musikleben seiner Zeit wohl mehr geprägt als durch seine Werke. Auf dieser CD sind Choralmotetten aus diesem Umfeld zu hören, bestens interpretiert vom Stuttgarter Kammerchor unter Leitung von Frieder Bernius.
Zwei der dafür ausgewählten Werke stammen von Johann Christoph Friedrich Bach (1732 bis 1795). Der zweitjüngste Bach-Sohn galt an den Tasten als der „stärkste Spieler“ der jüngeren Generation – was kein geringerer als sein Bruder Wilhelm Friedemann Bach festgestellt hat, der ja bekanntermaßen ebenfalls ein Virtuose an Orgel und Cembalo war. Dennoch ist Johann Christoph Friedrich Bach, der zeitlebens als Kammermusiker am Hofe des Grafen Wilhelm von Schaumburg-Lippe in Bückeburg wirkte, eher wenig bekannt.
Das gilt auch für Johann Christoph Altnickol (1719 bis 1759). Er stammte aus der Oberlausitz; 1744 kam er zum Studium nach Leipzig, und wurde bald darauf auch Bachs Schüler und Assistent. So wurde er zwar kein Pfarrer, aber Organist an der Stadtkirche St. Wenzel in Naumburg, und Bachs Schwiegersohn.
Zwei der dafür ausgewählten Werke stammen von Johann Christoph Friedrich Bach (1732 bis 1795). Der zweitjüngste Bach-Sohn galt an den Tasten als der „stärkste Spieler“ der jüngeren Generation – was kein geringerer als sein Bruder Wilhelm Friedemann Bach festgestellt hat, der ja bekanntermaßen ebenfalls ein Virtuose an Orgel und Cembalo war. Dennoch ist Johann Christoph Friedrich Bach, der zeitlebens als Kammermusiker am Hofe des Grafen Wilhelm von Schaumburg-Lippe in Bückeburg wirkte, eher wenig bekannt.
Das gilt auch für Johann Christoph Altnickol (1719 bis 1759). Er stammte aus der Oberlausitz; 1744 kam er zum Studium nach Leipzig, und wurde bald darauf auch Bachs Schüler und Assistent. So wurde er zwar kein Pfarrer, aber Organist an der Stadtkirche St. Wenzel in Naumburg, und Bachs Schwiegersohn.
Spohr: Violin Duets (Naxos)
Zwei britische Geiger spielen Violinduos von Louis Spohr (1784 bis 1859): Jameson Cooper und James Dickenson musizieren in namhaften Streichquartetten; beide unterrichten auch. Spohr, der wichtigste deutsche Violinvirtuose seiner Zeit, schrieb schon als Jugendlicher die ersten Duos für sein Instrument. Dabei handelt es sich zunächst um brillante Konzertstücke, die er gemeinsam mit seinem Lehrer präsentierte.
So ist auf dieser CD das dritte jener Violinduos WoO 21 zu hören, die Spohr als Zwölfjähriger zu Papier brachte – und das merkt man auch. Im Kontrast dazu erklingen die Duos op. 67, routiniert und aus dem Jahre 1824. „Ihrer lieben Frau meinen schönen Dank, daß sie Sie zur Composition eines Heftes Duetten angehalten hat“, schrieb der Musikverleger Carl Friedrich Peters damals, und bat: „machen Sie solche nur nicht so grausam schwer, denn sonst schießen wir wieder neben den Zweck, zu welchem ich die Duetten haben will.“
Denn die Vorgänger aus den Jahren 1805, 1807 und 1816 waren so virtuos angelegt, dass sie Amateure überforderten – und die Noten brachten Peters daher nicht die erhofften Umsätze. Ob der Verleger an Spohrs op. 67 mehr Vergnügen hatte, wissen wir nicht. Aber an dieser Aufnahme kann man sich erfreuen.
So ist auf dieser CD das dritte jener Violinduos WoO 21 zu hören, die Spohr als Zwölfjähriger zu Papier brachte – und das merkt man auch. Im Kontrast dazu erklingen die Duos op. 67, routiniert und aus dem Jahre 1824. „Ihrer lieben Frau meinen schönen Dank, daß sie Sie zur Composition eines Heftes Duetten angehalten hat“, schrieb der Musikverleger Carl Friedrich Peters damals, und bat: „machen Sie solche nur nicht so grausam schwer, denn sonst schießen wir wieder neben den Zweck, zu welchem ich die Duetten haben will.“
Denn die Vorgänger aus den Jahren 1805, 1807 und 1816 waren so virtuos angelegt, dass sie Amateure überforderten – und die Noten brachten Peters daher nicht die erhofften Umsätze. Ob der Verleger an Spohrs op. 67 mehr Vergnügen hatte, wissen wir nicht. Aber an dieser Aufnahme kann man sich erfreuen.
Dienstag, 27. August 2019
Le Ballet Imaginaire (Genuin)
Le Ballet imaginaire nannte Jeremias Schwarzer seine neue CD, die er gemeinsam mit dem Cembalisten Ralf Waldner bei Genuin eingespielt hat.
Der Blockflöten-Virtuose, der als Professor für Blockflöte und Aktuelle Musik an der Hochschule für Musik Nürnberg unterrichtet, genießt vor allem auch im Bereich der sogenannten „Neuen“ Musik ein hohes Renommee.
Dass er Barockmusik ebenfalls hinreißend zu interpretieren vermag, beweist diese Einspielung mit Meisterwerken von Johann Sebastian Bach, Nicolas Chédeville, Georg Philipp Telemann und Georg Friedrich Händel. Jeremias Schwarzer und Ralf Waldner zeigen damit, wie in Europa um 1730 musiziert wurde. Ihr Programm verbindet italienisches Temperament und deutsche Tradition, veredelt durch französische Eleganz.
Die Aufnahme fasziniert durch tänzerische Leichtigkeit, virtuose Detail- freude und brillantes Zusammenspiel. Hier musizieren zwei erstklassige Solisten charmant und engagiert miteinander, dass es wirklich ein Genuss ist. Exquisit! Unbedingt anhören!
Der Blockflöten-Virtuose, der als Professor für Blockflöte und Aktuelle Musik an der Hochschule für Musik Nürnberg unterrichtet, genießt vor allem auch im Bereich der sogenannten „Neuen“ Musik ein hohes Renommee.
Dass er Barockmusik ebenfalls hinreißend zu interpretieren vermag, beweist diese Einspielung mit Meisterwerken von Johann Sebastian Bach, Nicolas Chédeville, Georg Philipp Telemann und Georg Friedrich Händel. Jeremias Schwarzer und Ralf Waldner zeigen damit, wie in Europa um 1730 musiziert wurde. Ihr Programm verbindet italienisches Temperament und deutsche Tradition, veredelt durch französische Eleganz.
Die Aufnahme fasziniert durch tänzerische Leichtigkeit, virtuose Detail- freude und brillantes Zusammenspiel. Hier musizieren zwei erstklassige Solisten charmant und engagiert miteinander, dass es wirklich ein Genuss ist. Exquisit! Unbedingt anhören!
Peter Schreier singt Volkslieder (Berlin Classics)
Was waren das doch für Zeiten! 1975 veröffentlichte das DDR-Label Eterna die Schallplatte „Peter Schreier singt Volkslieder“ – und wenn man die Aufnahmen heute anhört, dann stimmt das ganz melancholisch. Zum einen liegt es daran, dass die junge Generation heute nicht mehr singt. Selbst am Lagerfeuer gibt es Musik aus der Konserve; das Handy hat ja jeder immer dabei. Und die Älteren werden mit „volkstümlichen“ Klängen beschallt, wenn sie nicht schnell genug flüchten.
Diese Einspielung erscheint dazu wie ein Kontrastprogramm, denn sie nimmt die alten Weisen ernst. Peter Schreier, ohne Zweifel ein Jahrhundert-Tenor, singt die Volkslieder genauso sorgfältig, wie etwa eine Arie von Bach oder Mozart. Und man staunt geradezu ehrfürchtig darüber, mit welchem Aufwand und welcher Liebe zum Detail dieses Programm seinerzeit in Leipzig eingespielt wurde. Das reicht von den Arrangements bis hin zur beeindruckenden Liste der Mitwirkenden, die damals unter Leitung von Horst Neumann an der Produktion beteiligt waren – neben Peter Schreier singen auch Mitglieder des Thomanerchores sowie der Leipziger Rundfunkchor, begleitet von Musikern des Gewandhausorchesters Leipzig. Vielen Dank an das Label Berlin Classics, das die originalen Masterbänder aufgearbeitet und diese Aufnahme nun auf CD verfügbar gemacht hat.
Diese Einspielung erscheint dazu wie ein Kontrastprogramm, denn sie nimmt die alten Weisen ernst. Peter Schreier, ohne Zweifel ein Jahrhundert-Tenor, singt die Volkslieder genauso sorgfältig, wie etwa eine Arie von Bach oder Mozart. Und man staunt geradezu ehrfürchtig darüber, mit welchem Aufwand und welcher Liebe zum Detail dieses Programm seinerzeit in Leipzig eingespielt wurde. Das reicht von den Arrangements bis hin zur beeindruckenden Liste der Mitwirkenden, die damals unter Leitung von Horst Neumann an der Produktion beteiligt waren – neben Peter Schreier singen auch Mitglieder des Thomanerchores sowie der Leipziger Rundfunkchor, begleitet von Musikern des Gewandhausorchesters Leipzig. Vielen Dank an das Label Berlin Classics, das die originalen Masterbänder aufgearbeitet und diese Aufnahme nun auf CD verfügbar gemacht hat.
Montag, 26. August 2019
Cameron Carpenter (Sony)
Cameron Carpenter ist ohne Zweifel ein Virtuose. Mit seinem Instrument, der International Touring Organ (ITO), von ihm selbst entworfen und von Marshall & Ogletree 2013 speziell für ihn angefertigt, reist der Amerika- ner durch die Lande. „It's not un- usual for an organist to be attached to one organ for many years“, meint der Musiker, „but usually that means an attachment to place.“ Carpenter hingegen nimmt sein Instrument mit; er spielt es oft auch in Konzertsälen, in denen sich bedeutende „klassische“ Orgeln befinden.
Die digitale ITO ist ein Klangmonster, mit einer gigantischen Menge an Registern, Koppeln und Spielhilfen sowie fünf Manualen und einem nach jeder Seite gegenüber dem 32er Standard noch um fünf Töne erweiterten Pedal. Bei der Disposition orientierte sich Carpenter an den großen amerikanischen Konzertinstrumenten aus der Zeit zwischen 1895 und 1950. So bietet das fünfte Manual, Bombarde, wuchtige Register, wie sie in amerikanischen Theaterorgeln einst verwendet worden sind. Ein Dutzend sanfterer Stimmen aus dieser Traditionslinie wurde dem ersten Manual, Accompaniment, zugeordnet. Besondere Klangfarben ermöglicht ebenfalls ein spezielles Orchestral Pedal, ergänzend zum Main Pedal. Der Spieltisch erinnert ein bisschen ans Steuerpult von Raumschiff Enterprise. Und natürlich ist damit auch eine entsprechende Phalanx an Lautsprechern verbunden.
Dieses Instrument also steht im Mittelpunkt des vorliegenden Albums, das Cameron Carpenter zum Abschluss seiner Zeit als Artist in Residence am Konzerthaus Berlin eingespielt hat. Es ist seine erste Einspielung mit Orchester, nämlich mit dem Konzerthausorchester Berlin unter der Leitung von Christoph Eschenbach, und auch zum ersten Mal ein Live-Mitschnitt.
Ausgewählt hat Carpenter dafür die Rhapsodie über ein Thema von Paganini von Sergej Rachmaninoff und das Konzert für Orgel, Streicher und Pauke in g-moll, FP 93 von Francis Poulenc. Als Zugabe erklingt außerdem das Finale aus Louis Viernes Orgelsymphonie Nr.1 in d-Moll op. 14. Rachmaninoffs Paganini-Rhapsodie, eigentlich entstanden für Klavier und Orchester, hat Carpenter selbst für die Orgel arrangiert: „I love and want to play this work“, meint der Musiker. Der Orchesterpart blieb unverändert, aber seine Stimme wurde eine „recomposition for organ – guided by the original“, so Carpenter: „I don't see that a defense is required, since the moment you walk onstage to perform standard repertoire in a way which differs in instrumentation from the original, you've obviously declared yourself willing to question the composer's intentions. Of course, this can also be a way of honoring a great work. All transcriptions require this in some way.“
Ermöglicht wird ein derartiges Projekt durch die Konzerthaus-Akustik sowie die Präzision, mit der sich die elektronische Orgel spielen lässt. Rachmaninoffs virtuose Musik verlangt klangliche Transparenz und Klarheit in der Artikulation, wie dies mit einer Pfeifenorgel und im Nachhall eines Kirchenraums so kaum machbar wäre. Carpenter beherrscht sein Instrument absolut souverän. Er gestaltet irrwitzige Klangfassaden, und er wagt sich auch in die Schattenwelt feinster Nuancen. Dieser Musiker strebt nach hochvirtuoser Perfektion. Das macht den Rachmaninoff zu meinem persönlichen Favoriten auf dieser CD. Mit Carpenters Interpretation der französischen Musik allerdings kann ich mich weniger anfreunden. Das ist mir alles zu viel Flinke-Finger-Geglitzer und zu wenig wenig inhaltliche Substanz; erfreut hört man allerdings, wie souverän das Orchester dies alles begleitet.
Die digitale ITO ist ein Klangmonster, mit einer gigantischen Menge an Registern, Koppeln und Spielhilfen sowie fünf Manualen und einem nach jeder Seite gegenüber dem 32er Standard noch um fünf Töne erweiterten Pedal. Bei der Disposition orientierte sich Carpenter an den großen amerikanischen Konzertinstrumenten aus der Zeit zwischen 1895 und 1950. So bietet das fünfte Manual, Bombarde, wuchtige Register, wie sie in amerikanischen Theaterorgeln einst verwendet worden sind. Ein Dutzend sanfterer Stimmen aus dieser Traditionslinie wurde dem ersten Manual, Accompaniment, zugeordnet. Besondere Klangfarben ermöglicht ebenfalls ein spezielles Orchestral Pedal, ergänzend zum Main Pedal. Der Spieltisch erinnert ein bisschen ans Steuerpult von Raumschiff Enterprise. Und natürlich ist damit auch eine entsprechende Phalanx an Lautsprechern verbunden.
Dieses Instrument also steht im Mittelpunkt des vorliegenden Albums, das Cameron Carpenter zum Abschluss seiner Zeit als Artist in Residence am Konzerthaus Berlin eingespielt hat. Es ist seine erste Einspielung mit Orchester, nämlich mit dem Konzerthausorchester Berlin unter der Leitung von Christoph Eschenbach, und auch zum ersten Mal ein Live-Mitschnitt.
Ausgewählt hat Carpenter dafür die Rhapsodie über ein Thema von Paganini von Sergej Rachmaninoff und das Konzert für Orgel, Streicher und Pauke in g-moll, FP 93 von Francis Poulenc. Als Zugabe erklingt außerdem das Finale aus Louis Viernes Orgelsymphonie Nr.1 in d-Moll op. 14. Rachmaninoffs Paganini-Rhapsodie, eigentlich entstanden für Klavier und Orchester, hat Carpenter selbst für die Orgel arrangiert: „I love and want to play this work“, meint der Musiker. Der Orchesterpart blieb unverändert, aber seine Stimme wurde eine „recomposition for organ – guided by the original“, so Carpenter: „I don't see that a defense is required, since the moment you walk onstage to perform standard repertoire in a way which differs in instrumentation from the original, you've obviously declared yourself willing to question the composer's intentions. Of course, this can also be a way of honoring a great work. All transcriptions require this in some way.“
Ermöglicht wird ein derartiges Projekt durch die Konzerthaus-Akustik sowie die Präzision, mit der sich die elektronische Orgel spielen lässt. Rachmaninoffs virtuose Musik verlangt klangliche Transparenz und Klarheit in der Artikulation, wie dies mit einer Pfeifenorgel und im Nachhall eines Kirchenraums so kaum machbar wäre. Carpenter beherrscht sein Instrument absolut souverän. Er gestaltet irrwitzige Klangfassaden, und er wagt sich auch in die Schattenwelt feinster Nuancen. Dieser Musiker strebt nach hochvirtuoser Perfektion. Das macht den Rachmaninoff zu meinem persönlichen Favoriten auf dieser CD. Mit Carpenters Interpretation der französischen Musik allerdings kann ich mich weniger anfreunden. Das ist mir alles zu viel Flinke-Finger-Geglitzer und zu wenig wenig inhaltliche Substanz; erfreut hört man allerdings, wie souverän das Orchester dies alles begleitet.
Donnerstag, 22. August 2019
Festive Masses for Lambach Abbey (Accent)
Die Benediktinerabtei Lambach, im Herzen von Oberösterreich, hat nicht nur eine prächtige Kirche mit kulturhistorisch wertvollen Fresken. Sie hat auch ein höchst interessantes Archiv, mit einer reichen Notenkollektion. Dort wurde Gunar Letzbor, mit seinem Ensemble Ars Antiqua Austria immer wieder auf der Suche nach bislang unentdeckten Werken, im Zuge seiner Auseinandersetzung mit dem Schaffen P. Romanus Weichleins noch auf zwei weitere Komponisten aufmerksam: Benjamin Ludwig Ramhaufski (um 1631 bis 1694) und Joseph Balthasar Hochreither (1669 bis 1731). Sie lebten und musizierten ebenfalls im Kloster Lambach.
Hochreiter entstammte wohl einer Musikerdynastie. Seine Vorfahren sollen als Sänger am Salzburger Dom gewirkt haben. Der Junge war Chorsänger am Salzburger Kapellhaus, das zu dieser Zeit von keinem geringeren als Heinrich Ignaz Franz von Biber geleitet wurde. Er besuchte das Gymnasium und studierte an der Universität Salzburg, wo er 1688 das Magister-Examen ablegte.
Im Stift Lambach wirkte er als Organist und Chorpräfekt; allerdings war er mit den Bedingungen dort nicht wirklich zufrieden, so dass er sich schließlich eine neue Anstellung suchte: 1721 wurde er Domstiftsorganist in Salzburg. Im Kloster Lambach sind viele seiner Werke überliefert; für diese Einspielung wurde die Missa ad multos annos ausgewählt, die Hochreither 1705 zur Weihe des Abtes Maximilian Pagel geschrieben hat.
Benjamin Ludwig Ramhaufski war Hochreithers Amtsvorgänger im Stift Lambach. Der Organist und Komponist stammte aus Prag. Er begann seine Ausbildung als Kapellknabe beim Fürsten Martenitz in Passau, und kam 1648 in das Kloster, wo ihn Abt Placidus Hieber 1653 als Organisten beschäftigte. Das ist durchaus spannend, denn die Stiftsorgel wurde 1653 bis 1657 von dem Straubinger Christoph Egedacher erbaut. Es könnte also gut möglich sein, dass Ramhaufski die Konzeption dafür mit entwickelt hat.
Auch sonst muss er einen exzellenten Ruf genossen haben, denn die Benediktineruniversität Salzburg gab mehrfach Musiktheaterstücke bei ihm in Auftrag. Leider sind keine dieser Kompositionen mehr aufzufinden. Entdeckt wurde aber eine Missa á 23 aus dem Jahre 1670 im Stift Kremsmünster, dem dortigen Abt gewidmet.
Die beiden Werke sind musikalisch gehaltvoll. „Wie war es möglich, dass in Stiften zur Zeit schrecklicher Kriege und Seuchen mitten im Oberösterreicher Bauernland solche komplexen und anspruchsvollen Partituren zum Klingen gebracht werden konnten?“, staunt Gunar Letzbor. Mit seinem Ensemble Ars Antiqua Austria, den Vokalsolisten Radu Marian, Sopran, Markus Forster, Alt, Thomas Künne und Bernd Fröhlich, Tenor, sowie Gerd Kenda und Ullrich Staber, Bass, und St. Florianer Sängerknaben zeigt er, welche Klangpracht damals zu festlichen Anlässen aufgeboten wurde.
Die beiden heute nahezu unbekannten Barockkomponisten begeistern mit einer Vielzahl von Klangeffekten. So sorgt in der Missa ad multos annos ein Trompetenchor für den strahlenden Glanz der göttlichen Herrlichkeit; ihm antworten fünfstimmig die Sängerstimmen, wobei die stark besetzten Soprane den Trompeten an Strahlkraft kaum nachstehen. Es ist immer wieder erstaunlich, wie souverän die St. Florianer Sängerknaben agieren, und es ist eine große Leistung des Chorleiters Franz Farnberger, der immer wieder exzellente Stimmen ausbildet. Gemeinsam mit den erwachsenen Kollegen und den brillanten Musikern um Letzbor gestalten die Jungs auf dieser CD ein überwältigendes barockes Klangspektakel. Sehr beeindruckend!
Hochreiter entstammte wohl einer Musikerdynastie. Seine Vorfahren sollen als Sänger am Salzburger Dom gewirkt haben. Der Junge war Chorsänger am Salzburger Kapellhaus, das zu dieser Zeit von keinem geringeren als Heinrich Ignaz Franz von Biber geleitet wurde. Er besuchte das Gymnasium und studierte an der Universität Salzburg, wo er 1688 das Magister-Examen ablegte.
Im Stift Lambach wirkte er als Organist und Chorpräfekt; allerdings war er mit den Bedingungen dort nicht wirklich zufrieden, so dass er sich schließlich eine neue Anstellung suchte: 1721 wurde er Domstiftsorganist in Salzburg. Im Kloster Lambach sind viele seiner Werke überliefert; für diese Einspielung wurde die Missa ad multos annos ausgewählt, die Hochreither 1705 zur Weihe des Abtes Maximilian Pagel geschrieben hat.
Benjamin Ludwig Ramhaufski war Hochreithers Amtsvorgänger im Stift Lambach. Der Organist und Komponist stammte aus Prag. Er begann seine Ausbildung als Kapellknabe beim Fürsten Martenitz in Passau, und kam 1648 in das Kloster, wo ihn Abt Placidus Hieber 1653 als Organisten beschäftigte. Das ist durchaus spannend, denn die Stiftsorgel wurde 1653 bis 1657 von dem Straubinger Christoph Egedacher erbaut. Es könnte also gut möglich sein, dass Ramhaufski die Konzeption dafür mit entwickelt hat.
Auch sonst muss er einen exzellenten Ruf genossen haben, denn die Benediktineruniversität Salzburg gab mehrfach Musiktheaterstücke bei ihm in Auftrag. Leider sind keine dieser Kompositionen mehr aufzufinden. Entdeckt wurde aber eine Missa á 23 aus dem Jahre 1670 im Stift Kremsmünster, dem dortigen Abt gewidmet.
Die beiden Werke sind musikalisch gehaltvoll. „Wie war es möglich, dass in Stiften zur Zeit schrecklicher Kriege und Seuchen mitten im Oberösterreicher Bauernland solche komplexen und anspruchsvollen Partituren zum Klingen gebracht werden konnten?“, staunt Gunar Letzbor. Mit seinem Ensemble Ars Antiqua Austria, den Vokalsolisten Radu Marian, Sopran, Markus Forster, Alt, Thomas Künne und Bernd Fröhlich, Tenor, sowie Gerd Kenda und Ullrich Staber, Bass, und St. Florianer Sängerknaben zeigt er, welche Klangpracht damals zu festlichen Anlässen aufgeboten wurde.
Die beiden heute nahezu unbekannten Barockkomponisten begeistern mit einer Vielzahl von Klangeffekten. So sorgt in der Missa ad multos annos ein Trompetenchor für den strahlenden Glanz der göttlichen Herrlichkeit; ihm antworten fünfstimmig die Sängerstimmen, wobei die stark besetzten Soprane den Trompeten an Strahlkraft kaum nachstehen. Es ist immer wieder erstaunlich, wie souverän die St. Florianer Sängerknaben agieren, und es ist eine große Leistung des Chorleiters Franz Farnberger, der immer wieder exzellente Stimmen ausbildet. Gemeinsam mit den erwachsenen Kollegen und den brillanten Musikern um Letzbor gestalten die Jungs auf dieser CD ein überwältigendes barockes Klangspektakel. Sehr beeindruckend!
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