Was macht ein Ensemble, nachdem es Bachs monumentales Kantaten- werk eingespielt hat? Masaaki Suzuki hat sich mit dem Bach Collegium Japan bereits im vergangenen Jahr dem Schaffen Wolfgang Amadeus Mozart zugewandt: Als erstes Werk hatte er das Requiem KV 626 ausgewählt; komplettiert wurde diese CD durch die Vesperae solennes de Confessore KV 339.
Nun folgt die Messe c-Moll KV 427, das einzige Werk für die Kirchen- musik, das Mozart während seiner Jahre als freischaffender Musiker in Wien komponiert hat – abgesehen vom Requiem, das aber ein Auftrags- werk war. Diese Messe wäre in der Tat stilistisch und vom Umfang her eine „Große“ Messe geworden – wenn Mozart sie jemals fertiggestellt hätte; begonnen hat er sie möglicherweise, damit seine ihm soeben angetraute Frau Constanze sich 1783 bei einem Besuch in Salzburg als Sängerin präsentieren kann.
Als gesichert kann jedenfalls gelten, dass sie dort am 26. Oktober 1783 aufgeführt worden ist, und zwar als Kyrie-Gloria-Messe, denn die dafür notwendigen Teile sind vollendet, und einige Stimmen sind zudem in Salzburg erhalten. Vom verbleibenden Rest sind nur Fragmente überliefert, die aber nachvollziehbar aufzeigen, wie Mozart den jeweiligen Abschnitt gestalten wollte. Die vorliegende Einspielung nutzt eine Bearbeitung von Franz Beyer. Er hat 1989 die ausstehenden Stimmen ergänzt; die fehlenden Teile des Credos sowie das ebenfalls fehlende Agnus Dei allerdings wurden nicht „rekonstruiert“ – was eine ehrliche Lösung ist, wie ich finde.
Das Bach Collegium Japan musiziert unter Masaaki Suzuki hingebungs- voll, und auch das Solistenquartett ist mit Carolyn Sampson, Olivia Vermeulen, Makoto Sakurada und Christian Immler solide besetzt. Sehr gute Mozart-Aufnahmen allerdings gibt es einige; diese Einspielung reiht sich da ein, aber sie setzt keine Maßstäbe. Das gilt auch für den zweiten Teil der Super Audio CD mit der ebenso berühmten wie virtuosen Motette Exsultate, jubilate KV 165. Entstanden ist sie einst für eine Kastraten- stimme; Carolyn Sampson nutzt diese Gelegenheit, um noch einmal ihren Sopran erstrahlen zu lassen – zumal anschließend als Zugabe noch einmal die eröffnende Arie in einer späteren Version mit leicht verändertem Text und mit Flöten statt der Oboen erklingt.
Dienstag, 29. November 2016
Sonntag, 27. November 2016
Händel: Duetti e Terzetti italiani (Glossa)
Als der junge Georg Friedrich Händel (1685 bis 1759) nach Italien reiste, muss dies für ihn, ähnlich wie für Johann Wolfgang von Goethe, eine Art Erweckungserlebnis gewesen sein. Die italienische Musik, die italienische Lebensart und die italienische Sonne haben Händel inspiriert und sein Werk lebenslang beeinflusst.
Aus Italien brachte der Komponist auch die Leidenschaft für ein Genre mit, das damals beim musikbegeister- ten Adel ganz besonders gefragt war: Die Duetti da camera, kunstvolle, mitunter sogar virtuose Zwiegesänge, die einen Text gekonnt und zumeist sehr expressiv auslegen. Händel hat insgesamt 23 solcher Werke geschrie- ben – die ersten während seiner Zeit in Italien, weitere dann in Hannover, und noch 1740/45 in London schuf er Kammerduette. Fabio Bonizzoni ist derzeit dabei, mit seinem Ensemble La Risonanza bei Glossa eine Gesamt- einspielung dieser ausdrucksstarken Musikstücke zu erarbeiten.
Auf dieser CD sind neben sieben Kammerduetten auch beide Kammerter- zette des Komponisten zu hören. Es singen Roberta Invernizzi und Silvia Frigato, Sopran, Krystian Adam, Tenor, und Thomas Bauer, Bariton. Diese Werke sind, mit möglicherweise einer Ausnahme, auf Händels Italienreise entstanden. Sie beeindrucken durch die Souveränität, mit der der junge Komponist von seinen Kollegen dort gelernt hat – und die Eleganz ihrer Satzkunst und Textausdeutung.
Aus Italien brachte der Komponist auch die Leidenschaft für ein Genre mit, das damals beim musikbegeister- ten Adel ganz besonders gefragt war: Die Duetti da camera, kunstvolle, mitunter sogar virtuose Zwiegesänge, die einen Text gekonnt und zumeist sehr expressiv auslegen. Händel hat insgesamt 23 solcher Werke geschrie- ben – die ersten während seiner Zeit in Italien, weitere dann in Hannover, und noch 1740/45 in London schuf er Kammerduette. Fabio Bonizzoni ist derzeit dabei, mit seinem Ensemble La Risonanza bei Glossa eine Gesamt- einspielung dieser ausdrucksstarken Musikstücke zu erarbeiten.
Auf dieser CD sind neben sieben Kammerduetten auch beide Kammerter- zette des Komponisten zu hören. Es singen Roberta Invernizzi und Silvia Frigato, Sopran, Krystian Adam, Tenor, und Thomas Bauer, Bariton. Diese Werke sind, mit möglicherweise einer Ausnahme, auf Händels Italienreise entstanden. Sie beeindrucken durch die Souveränität, mit der der junge Komponist von seinen Kollegen dort gelernt hat – und die Eleganz ihrer Satzkunst und Textausdeutung.
Samstag, 26. November 2016
Palestrina: Missa Papae Marcelli / Motets (Deutsche Grammophon)
Schon zum zweiten Mal hat der Vatikan die Tore der Sixtinischen Kapelle für eine Studioaufnahme der Deutschen Grammophon geöffnet. Auf dieser CD singt der älteste Chor der Welt, der Päpstliche Chor der Sixtinischen Kapelle, unter der Leitung von Massimo Palombella ausschließlich Werke von Giovanni Pierluigi da Palestrina (?1525 bis 1594). Er war selbst Mitglied der Päpstlichen Kapelle und gilt als Erneuerer und Retter der Kirchen- musik.
Diese war im Umfeld des Konzils von Trient in die Kritik geraten, weil die polyphonen Gesänge oft derart üppig erblühten, dass der Text nicht mehr zu verstehen war. Auch nahmen Kirchenvertreter Anstoß an der sogenannten Parodiemesse auf der Basis bekannter weltlicher Melodien, die im Original häufig alles andere als fromm waren. Mit der Missa Papae Marcelli, die die Forderungen der Kritiker geradezu vorbildlich erfüllte, zeigte Palestrina, dass polyphone Musik und Textverständlichkeit durchaus kein Widerspruch sein müssen.
Die Missa Papae Marcelli steht auch im Mittelpunkt dieser CD; sie erklingt hier zum ersten Male in der Fassung der kritischen Edition nach der Erstausgabe aus dem Jahre 1567. Anlässlich des Heiligen Jahres, das jüngst zu Ende gegangen ist, sind zudem Motetten zum Thema Barm- herzigkeit zu hören. Sie werden gerahmt von der Motette Tu es pastor ovium, komponiert zur Krönung von Papst Sixtus V. Im Jahre 1585, und einem abschließenden Ave Maria. Auch hier finden sich Erstaufnahmen.
Was die Qualität seines Chores angeht, ist der Heilige Vater derzeit leider eher nicht zu beneiden. Dennoch wird das Album, nicht zuletzt aufgrund der großen Tradition des Ensembles, nicht nur unter den Katholiken seine Liebhaber finden.
Diese war im Umfeld des Konzils von Trient in die Kritik geraten, weil die polyphonen Gesänge oft derart üppig erblühten, dass der Text nicht mehr zu verstehen war. Auch nahmen Kirchenvertreter Anstoß an der sogenannten Parodiemesse auf der Basis bekannter weltlicher Melodien, die im Original häufig alles andere als fromm waren. Mit der Missa Papae Marcelli, die die Forderungen der Kritiker geradezu vorbildlich erfüllte, zeigte Palestrina, dass polyphone Musik und Textverständlichkeit durchaus kein Widerspruch sein müssen.
Die Missa Papae Marcelli steht auch im Mittelpunkt dieser CD; sie erklingt hier zum ersten Male in der Fassung der kritischen Edition nach der Erstausgabe aus dem Jahre 1567. Anlässlich des Heiligen Jahres, das jüngst zu Ende gegangen ist, sind zudem Motetten zum Thema Barm- herzigkeit zu hören. Sie werden gerahmt von der Motette Tu es pastor ovium, komponiert zur Krönung von Papst Sixtus V. Im Jahre 1585, und einem abschließenden Ave Maria. Auch hier finden sich Erstaufnahmen.
Was die Qualität seines Chores angeht, ist der Heilige Vater derzeit leider eher nicht zu beneiden. Dennoch wird das Album, nicht zuletzt aufgrund der großen Tradition des Ensembles, nicht nur unter den Katholiken seine Liebhaber finden.
Freitag, 25. November 2016
Sammartini: Oboensonaten (Gramola)
Auf dieser CD erklingen in Erst- einspielung die Sei Sonate a Oboè solo con il Basso von Giuseppe Sammartini (1695 bis 1750). Er war ein Sohn des französischen Oboisten Alexis Saint-Martin, der in Mailand wirkte und dort eine Ehefrau gefun- den hatte, die ebenfalls aus einer Oboistendynastie stammte. Der Vater dürfte Giuseppe, ebenso wie seinen berühmten Bruder Giovanni Sammartini, auch ausgebildet haben.
Während Giovanni zeitlebens in Mailand blieb, ging Giuseppe nach London. Er musizierte am King's Theatre, wo Händel eigens für ihn virtuose Oboenpartien in seine Opern integrierte. Sammartini spielte auch Konzerte. 1736 wurde er Musikdirektor der Kammerkonzerte und Mitglied des Haushaltes des Prinzen Frederick von Wales – Friedrich Ludwig von Hannover – und seiner Gattin Augusta von Sachsen-Gotha-Altenburg.
Der Oboist wurde in London sehr geschätzt: „As a performer on the hautboy, Martini was undoubtedly the greatest that the world had ever known“, schrieb beispielsweise sein Zeitgenosse John Hawkins, Jurist und Mitglied der Academy of Ancient Music. „Before his time the tone of the instrument was rand, and, in the hands of the ablest proficient, harsh and grating to the ear; by great study and application, and by some peculiar management of the reed, he contrived to produce such a tone as approached the nearest to that of the human voice of any we know of.“
Und als Komponist wurde Sammartini seinerzeit ebenso verehrt wie Corelli oder Gemiani. Leider existiert bislang keine fundierte Gesamtedition seiner Werke; für diese Produktion war es daher erforderlich, bisher nicht verlegte Manuskripte aus der Sibley Library der University of Rochester, N. Y. zu sichten und mit historischen Abschriften zu vergleichen. Dieser Aufwand aber hat sich gelohnt; die sechs Sonaten, die das Ensemble Concertino Amarilli auf dieser CD vorstellt, erweisen sich als eine Bereicherung des Repertoires. Andrea Mion, Oboe, Marie Orsini-Rosenberg, Violoncello, Stefano Rocco, Theorbe, und Cembalistin Ulli Nagy sei Dank für diese Entdeckung.
Während Giovanni zeitlebens in Mailand blieb, ging Giuseppe nach London. Er musizierte am King's Theatre, wo Händel eigens für ihn virtuose Oboenpartien in seine Opern integrierte. Sammartini spielte auch Konzerte. 1736 wurde er Musikdirektor der Kammerkonzerte und Mitglied des Haushaltes des Prinzen Frederick von Wales – Friedrich Ludwig von Hannover – und seiner Gattin Augusta von Sachsen-Gotha-Altenburg.
Der Oboist wurde in London sehr geschätzt: „As a performer on the hautboy, Martini was undoubtedly the greatest that the world had ever known“, schrieb beispielsweise sein Zeitgenosse John Hawkins, Jurist und Mitglied der Academy of Ancient Music. „Before his time the tone of the instrument was rand, and, in the hands of the ablest proficient, harsh and grating to the ear; by great study and application, and by some peculiar management of the reed, he contrived to produce such a tone as approached the nearest to that of the human voice of any we know of.“
Und als Komponist wurde Sammartini seinerzeit ebenso verehrt wie Corelli oder Gemiani. Leider existiert bislang keine fundierte Gesamtedition seiner Werke; für diese Produktion war es daher erforderlich, bisher nicht verlegte Manuskripte aus der Sibley Library der University of Rochester, N. Y. zu sichten und mit historischen Abschriften zu vergleichen. Dieser Aufwand aber hat sich gelohnt; die sechs Sonaten, die das Ensemble Concertino Amarilli auf dieser CD vorstellt, erweisen sich als eine Bereicherung des Repertoires. Andrea Mion, Oboe, Marie Orsini-Rosenberg, Violoncello, Stefano Rocco, Theorbe, und Cembalistin Ulli Nagy sei Dank für diese Entdeckung.
Donnerstag, 24. November 2016
Bach: The Well-Tempered Clavier I & II (Avi-Music)
Nicht an historischen Tasteninstru- menten, sondern an einem modernen Konzertflügel hat Dina Ugorskaja das Wohltemperierte Klavier von Johann Sebastian Bach eingespielt. Aufnahmen dieser in der Musikge- schichte einzigartigen Sammlung gibt es viele, und sie sind so unter- schiedlich wie die Musiker, die sie geschaffen haben. Doch nur sehr wenigen Pianisten ist es gelungen, das Wohltemperierte Klavier derart überzeugend auf einem Steinway zu spielen. „Das WTK wurde für ein Tasteninstrument geschrieben“, stellt Dina Ugorskaja in einem Interview im Beiheft zu ihrer CD-Box fest, „doch es ist viel mehr als Musik für ein Instrument. Es klingt paradox, aber in einem übergeordneten Sinne ist es egal, auf welchem Instrument das WTK gespielt wird. (..) Andererseits – und das ist das Paradox – habe ich mich für den modernen Flügel entschieden: er bietet eine schier uner- schöpfliche Fülle klanglicher Möglichkeiten, an der Farbe, der Dynamik und der Artikulation zu arbeiten. Es geht um Kantabilität, die Kunst, die Mehrstimmigkeit auf dem Klavier wie in einer Motette zu realisieren: alle Stimmen müssen gesungen bzw. gesprochen werden.“
Dina Ugorskaja hat sich für das „WTK“ viel Zeit genommmen. Die Auf- nahmen von Band I entstanden im April und Mai 2015, Band II hat die Pianistin im Oktober und November 2015 eingespielt, im Studio 2 des Bayerischen Rundfunks. Und man muss sagen, nicht nur die Pianistin, sondern auch das Team um Tonmeister Jörg Moser hat dabei Großes geleistet. Technisch und klanglich ist die Aufnahme brillant – musikalisch ist sie ein ganz großer Wurf.
Dabei gehört das Wohltemperierte Klavier nicht zum täglichen Arbeits- programm von Dina Ugorskaja: „Die Kontinuität hat sich erst in dem Jahr eingestellt, als ich die Aufnahme vorbereitet habe. Jeden Morgen beim Aufwachen dachte ich, dass mir heute wieder ein ganzer Tag Bach beschert sein wird – in der immer gleichen Form, die nur scheinbar gleich ist, in Gestalt von Präludium und Fuge – und dass ich mich dieser Tätigkeit ganz und ausschließlich widmen darf“, berichtet die Pianistin. „Es war eine Arbeit, die mich sehr geerdet und strukturiert hat und zugleich den Blick gen Himmel lenkte. Der Begriff der Unendlichkeit ist mir nie zuvor so evident gewesen wie während der Beschäftigung mit dem WTK. Die Intensität trug mich – das war etwas anderes, als ein Morgen- gebet zu verrichten und danach zur Tagesordnung überzugehen.“
Diese Intensität prägt auch die Aufnahmen. Ugorskaja kennt die Theorien und die Praxis der historischen Aufführungspraxis, aber sie lässt all das hinter sich: „Wenn ich ein Werk einstudiere, bin ich mit den Noten allein. Ich mache viel ohne Instrument; analysiere, finde ein Gerüst, die Struk- tur. Erst erklingt das Stück im Kopf, bevor ich mich dann am Klavier herantaste.“ Die Interpretation, zu der sie schließlich findet, ist ihre ganz persönliche – und sie überzeugt, weil sie nicht nur subjektiv, sondern auch überaus solide gearbeitet und letzten Endes in sich stimmig ist. „Was uns berührt und unsere Liebe zu dieser Musik weckt, ist ja nicht die Form allein, die Riesenpalette polyphoner Kunststücke, sondern die Tief- gründigkeit und Vielschichtigkeit des musikalischen Ausdrucks“, erklärt Dina Ugorskaja. „Beide Aspekte – die strenge logische Form und die musikalische Botschaft – sind in den Präludien und Fugen auf das Innigste miteinander verschmolzen. Jedes Stück hat seine Geschichte, seine Dramaturgie.“ Und genau das macht die Pianistin hörbar – man möchte diese Musik wieder und wieder starten, um kein Detail zu verpassen. Für mich ganz klar eine der besten Bach-Einspielungen des Jahres.
Dina Ugorskaja hat sich für das „WTK“ viel Zeit genommmen. Die Auf- nahmen von Band I entstanden im April und Mai 2015, Band II hat die Pianistin im Oktober und November 2015 eingespielt, im Studio 2 des Bayerischen Rundfunks. Und man muss sagen, nicht nur die Pianistin, sondern auch das Team um Tonmeister Jörg Moser hat dabei Großes geleistet. Technisch und klanglich ist die Aufnahme brillant – musikalisch ist sie ein ganz großer Wurf.
Dabei gehört das Wohltemperierte Klavier nicht zum täglichen Arbeits- programm von Dina Ugorskaja: „Die Kontinuität hat sich erst in dem Jahr eingestellt, als ich die Aufnahme vorbereitet habe. Jeden Morgen beim Aufwachen dachte ich, dass mir heute wieder ein ganzer Tag Bach beschert sein wird – in der immer gleichen Form, die nur scheinbar gleich ist, in Gestalt von Präludium und Fuge – und dass ich mich dieser Tätigkeit ganz und ausschließlich widmen darf“, berichtet die Pianistin. „Es war eine Arbeit, die mich sehr geerdet und strukturiert hat und zugleich den Blick gen Himmel lenkte. Der Begriff der Unendlichkeit ist mir nie zuvor so evident gewesen wie während der Beschäftigung mit dem WTK. Die Intensität trug mich – das war etwas anderes, als ein Morgen- gebet zu verrichten und danach zur Tagesordnung überzugehen.“
Diese Intensität prägt auch die Aufnahmen. Ugorskaja kennt die Theorien und die Praxis der historischen Aufführungspraxis, aber sie lässt all das hinter sich: „Wenn ich ein Werk einstudiere, bin ich mit den Noten allein. Ich mache viel ohne Instrument; analysiere, finde ein Gerüst, die Struk- tur. Erst erklingt das Stück im Kopf, bevor ich mich dann am Klavier herantaste.“ Die Interpretation, zu der sie schließlich findet, ist ihre ganz persönliche – und sie überzeugt, weil sie nicht nur subjektiv, sondern auch überaus solide gearbeitet und letzten Endes in sich stimmig ist. „Was uns berührt und unsere Liebe zu dieser Musik weckt, ist ja nicht die Form allein, die Riesenpalette polyphoner Kunststücke, sondern die Tief- gründigkeit und Vielschichtigkeit des musikalischen Ausdrucks“, erklärt Dina Ugorskaja. „Beide Aspekte – die strenge logische Form und die musikalische Botschaft – sind in den Präludien und Fugen auf das Innigste miteinander verschmolzen. Jedes Stück hat seine Geschichte, seine Dramaturgie.“ Und genau das macht die Pianistin hörbar – man möchte diese Musik wieder und wieder starten, um kein Detail zu verpassen. Für mich ganz klar eine der besten Bach-Einspielungen des Jahres.
Dienstag, 22. November 2016
Froberger: Complete Music for Harpsichord & Organ (Brilliant Classics)
Die mit Abstand umfangreichste Einspielung mit Werken Johann Jacob Frobergers (1616 bis 1667) hat Simone Stella bei Brilliant Classics auf immerhin 16 CD veröffentlicht. Der vielfach ausgezeichnete Musiker und Komponist wirkt seit 2011 als Titularorganist an den historischen Orgeln der Basilica della Santissima Annunziata und der Kirche Santa Maria Assunta der Badia Fiorentina in Florenz.
Neben diesen beiden Instrumenten, erbaut 1521 von Domenico Di Lorenzo da Lucca und 1558 von Onofrio Zeffirini da Cortona, hat Stella für diese Einspielung auch noch zwei weitere Orgeln ausgewählt – ein Instrument der venezianischen Schule aus dem 17. Jahrhundert, das sich in der Kirche Sant'Eusebio in Bassano del Grappa befindet, und die (moderne) Pinchi-Orgel der Basilica di San Giorgio fuori le mura in Ferrara. Sie ist mit 30 Registern mit Abstand die größte der vier Orgeln. Jedes dieser Instrumente ist zudem anders gestimmt.
Ergänzt werden die vier Orgeln durch ein Cembalo aus der Werkstatt von William Horn, Windischletten, nach einem Vorbild von Ioannes Ruckers aus dem Jahre 1638. Auf diesen fünf Tasteninstrumenten hat Stella das Gesamtwerk Frobergers eingespielt, soweit es überliefert und zugänglich ist. Jenes Manuskript also, dass erst 2006 entdeckt und durch Sotheby's versteigert wurde, ist leider in dieser Aufnahme nicht mit zum Klingen erweckt worden.
Für die Einspielung orientierte sich Stella am Froberger Werke Verzeich- nis, das in den 90er Jahren erstellt und dann durch Siegbert Rampe aktualisiert worden ist. Leider muss man jede CD anschauen, wenn man sich einen Überblick über den Inhalt verschaffen möchte; man vermisst in dem ansonsten sehr informativen und ausführlichen Beiheft ein Register.
Wer sich für den Lebensweg von Johann Jacob Froberger interessiert, der sei hier auf ältere Posts verwiesen. Erinnert sei aber daran, dass der Musiker am Wiener Hof angestellt war, und im Auftrag der Habsburger sehr häufig auf Reisen ging. Diese haben auch in seinem Werk ihre Spuren hinterlassen. So gehört Froberger zu den ersten Komponisten von Pro- grammmusiken. Er hat auf seinen Reisen offenbar viel Musik gehört und viele Musiker kennengelernt; die Anregungen und Einflüsse, die er europaweit erhielt, haben sein Werk mit geprägt und auch die nachfol- gende Generation inspiriert, vor allem jene der norddeutschen Schule.
Mit dieser Gesamteinspielung lässt sich das Werk des Hoforganisten bequem erkunden. Über Frobergers virtuose Toccaten kann man noch heute staunen. Er pflegte zudem die Suitenform und entwickelte sie weiter. Froberger war ein Meister des Stylus phantasticus. Der strenge Kontra- punkt steht bei ihm gleichbereichtigt neben der freien Improvisation; brillant und anspruchsvoll ist beides. Simone Stella ist für die unglaubliche Arbeit, die er in dieses Projekt investiert haben muss, zu danken. Trotz Jubiläum hat sich kein anderer Musiker an eine ähnliche Edition gewagt. Stellas Einspielung macht aber deutlich, dass es in Frobergers Werk noch viel zu entdecken gibt.
Neben diesen beiden Instrumenten, erbaut 1521 von Domenico Di Lorenzo da Lucca und 1558 von Onofrio Zeffirini da Cortona, hat Stella für diese Einspielung auch noch zwei weitere Orgeln ausgewählt – ein Instrument der venezianischen Schule aus dem 17. Jahrhundert, das sich in der Kirche Sant'Eusebio in Bassano del Grappa befindet, und die (moderne) Pinchi-Orgel der Basilica di San Giorgio fuori le mura in Ferrara. Sie ist mit 30 Registern mit Abstand die größte der vier Orgeln. Jedes dieser Instrumente ist zudem anders gestimmt.
Ergänzt werden die vier Orgeln durch ein Cembalo aus der Werkstatt von William Horn, Windischletten, nach einem Vorbild von Ioannes Ruckers aus dem Jahre 1638. Auf diesen fünf Tasteninstrumenten hat Stella das Gesamtwerk Frobergers eingespielt, soweit es überliefert und zugänglich ist. Jenes Manuskript also, dass erst 2006 entdeckt und durch Sotheby's versteigert wurde, ist leider in dieser Aufnahme nicht mit zum Klingen erweckt worden.
Für die Einspielung orientierte sich Stella am Froberger Werke Verzeich- nis, das in den 90er Jahren erstellt und dann durch Siegbert Rampe aktualisiert worden ist. Leider muss man jede CD anschauen, wenn man sich einen Überblick über den Inhalt verschaffen möchte; man vermisst in dem ansonsten sehr informativen und ausführlichen Beiheft ein Register.
Wer sich für den Lebensweg von Johann Jacob Froberger interessiert, der sei hier auf ältere Posts verwiesen. Erinnert sei aber daran, dass der Musiker am Wiener Hof angestellt war, und im Auftrag der Habsburger sehr häufig auf Reisen ging. Diese haben auch in seinem Werk ihre Spuren hinterlassen. So gehört Froberger zu den ersten Komponisten von Pro- grammmusiken. Er hat auf seinen Reisen offenbar viel Musik gehört und viele Musiker kennengelernt; die Anregungen und Einflüsse, die er europaweit erhielt, haben sein Werk mit geprägt und auch die nachfol- gende Generation inspiriert, vor allem jene der norddeutschen Schule.
Mit dieser Gesamteinspielung lässt sich das Werk des Hoforganisten bequem erkunden. Über Frobergers virtuose Toccaten kann man noch heute staunen. Er pflegte zudem die Suitenform und entwickelte sie weiter. Froberger war ein Meister des Stylus phantasticus. Der strenge Kontra- punkt steht bei ihm gleichbereichtigt neben der freien Improvisation; brillant und anspruchsvoll ist beides. Simone Stella ist für die unglaubliche Arbeit, die er in dieses Projekt investiert haben muss, zu danken. Trotz Jubiläum hat sich kein anderer Musiker an eine ähnliche Edition gewagt. Stellas Einspielung macht aber deutlich, dass es in Frobergers Werk noch viel zu entdecken gibt.
Montag, 21. November 2016
Johann Bernhard Bach: Ouvertures (Ricercar)
„No 18. Joh. Bernhard Bach,ältester Sohn von Johann Egydio Bachen Sub No. 8 ist in Erffurth An. 1676 gebohren. Lebet noch anjetzo (nehmlich 1735) als CammerMusicus u Organist in Eisenach. Succedirte Joh. Christ. Bachen Sub No. 13.“ Das notierte Johann Sebastian Bach über Johann Bernhard Bach (1676 bis 1749) in seiner Genealogie der weit verzweigten Musikerfamilie.
Er war zunächst Organist an der Kaufmannskirche in Erfurt, bevor er 1699 Organist an der Magdeburger Katharinenkirche wurde. 1703 ging er nach Eisenach – im selben Jahr trat Johann Sebastian in Arnstadt, einen straffen Tagesmarsch entfernt, seine erste Organistenstelle an. Johann Bernhard wirkte auch als Cembalist bei Hofe, und wurde 1712 zum Hof- kapellmeister ernannt.
Ob sich die beiden Cousins jemals persönlich getroffen haben, darüber kann man nur Vermutungen anstellen. Ganz unwahrscheinlich ist dies nicht; zum einen traf sich die Bach-Familie regelmäßig. Und zum anderen wurde 1706 Georg Philipp Telemann erster Geiger und Kapellmeister des Herzogs von Eisenach, der wiederum mit Johann Sebastian Bach eng befreundet war und Taufpate seines zweiten Sohnes wurde.
Die Ouvertüren von Johann Bernhard jedenfalls waren Johann Sebastian bekannt; er hat Stimmen eigenhändig mit angefertigt, wahrscheinlich für eine Aufführung mit dem Collegium musicum. In Leipzig sind wohl nur drei davon erklungen; das Ensemble L'Achéron, geleitet vom Bassgambi- sten François Joubert-Caillet, hat auf dieser CD alle vier überlieferten Ouvertüren veröffentlicht. Es sind elegante Suiten, die das französische Vorbild mit viel Charme nach Thüringen eingemeinden: Das stilistische Modell sei „clairement français, classique, inspiré de cet esprit et de goût typiques des danses et Ouvertures d'outre-Rhin“, stellt Joubert-Caillet in einem Geleitwort fest. „On ne pourrait pourtant pas imaginer cette musique écrite par un musicien français.“ Bach orientiere sich an diesem Modell, „et l'adapte à son style propre, créant ainsi une musique toute personelle.“
Das Ensemble L'Achéron hat sich für diese Aufnahme zum Orchester erweitert. Die Musiker spüren den Ideen und Klangfarben nach, die einst dem Komponisten wichtig waren: „En adoptant des instrumentations variées, typées, nous avons tenté de repeindre ici les inspirations s'exprimant dans chacune de ces miniatures“, so Joubert-Caillet. Aus diesem Grunde belassen es die Musiker auch nicht bei der Besetzung der Stimmen mit Streichern; Traversflöte und Piccolo, Blockflöten, Flageolett, Oboe und Fagott sorgen für klangliche Abwechslung. Auch im Continuo treten zu Kontrabass und Bassgambe ergänzend Erzlaute, Gitarre und Cembalo. Musiziert wird mit Leidenschaft und mit Esprit. Das Ensemble L'Achéron schreibt mit dieser CD ein spannendes Kapitel der europäischen Musikgeschichte weiter, die stets geprägt war durch den Austausch über alle Grenzen hinweg.
Er war zunächst Organist an der Kaufmannskirche in Erfurt, bevor er 1699 Organist an der Magdeburger Katharinenkirche wurde. 1703 ging er nach Eisenach – im selben Jahr trat Johann Sebastian in Arnstadt, einen straffen Tagesmarsch entfernt, seine erste Organistenstelle an. Johann Bernhard wirkte auch als Cembalist bei Hofe, und wurde 1712 zum Hof- kapellmeister ernannt.
Ob sich die beiden Cousins jemals persönlich getroffen haben, darüber kann man nur Vermutungen anstellen. Ganz unwahrscheinlich ist dies nicht; zum einen traf sich die Bach-Familie regelmäßig. Und zum anderen wurde 1706 Georg Philipp Telemann erster Geiger und Kapellmeister des Herzogs von Eisenach, der wiederum mit Johann Sebastian Bach eng befreundet war und Taufpate seines zweiten Sohnes wurde.
Die Ouvertüren von Johann Bernhard jedenfalls waren Johann Sebastian bekannt; er hat Stimmen eigenhändig mit angefertigt, wahrscheinlich für eine Aufführung mit dem Collegium musicum. In Leipzig sind wohl nur drei davon erklungen; das Ensemble L'Achéron, geleitet vom Bassgambi- sten François Joubert-Caillet, hat auf dieser CD alle vier überlieferten Ouvertüren veröffentlicht. Es sind elegante Suiten, die das französische Vorbild mit viel Charme nach Thüringen eingemeinden: Das stilistische Modell sei „clairement français, classique, inspiré de cet esprit et de goût typiques des danses et Ouvertures d'outre-Rhin“, stellt Joubert-Caillet in einem Geleitwort fest. „On ne pourrait pourtant pas imaginer cette musique écrite par un musicien français.“ Bach orientiere sich an diesem Modell, „et l'adapte à son style propre, créant ainsi une musique toute personelle.“
Das Ensemble L'Achéron hat sich für diese Aufnahme zum Orchester erweitert. Die Musiker spüren den Ideen und Klangfarben nach, die einst dem Komponisten wichtig waren: „En adoptant des instrumentations variées, typées, nous avons tenté de repeindre ici les inspirations s'exprimant dans chacune de ces miniatures“, so Joubert-Caillet. Aus diesem Grunde belassen es die Musiker auch nicht bei der Besetzung der Stimmen mit Streichern; Traversflöte und Piccolo, Blockflöten, Flageolett, Oboe und Fagott sorgen für klangliche Abwechslung. Auch im Continuo treten zu Kontrabass und Bassgambe ergänzend Erzlaute, Gitarre und Cembalo. Musiziert wird mit Leidenschaft und mit Esprit. Das Ensemble L'Achéron schreibt mit dieser CD ein spannendes Kapitel der europäischen Musikgeschichte weiter, die stets geprägt war durch den Austausch über alle Grenzen hinweg.
Sonntag, 20. November 2016
Karl Richter Edition (Hänssler Profil)
Was für ein Schatzkästlein! Auf 31 CD finden sich in dieser Box viele jener Aufnahmen, mit denen Karl Richter (1926 bis 1981) berühmt geworden ist. In Freiberg aufgewachsen, sang der Pfarrerssohn im Kreuzchor unter Rudolf Mauersberger und wurde dann in den 40er Jahren der letzte Schüler von Karl Straube. Er studierte in Leipzig am Kirchenmusikalischen Institut bei Günther Ramin und wurde 1949 Thomasorganist. Dennoch entschied er sich 1951, der DDR den Rücken zu kehren.
Letztendlich wurde er Kantor an der Markuskirche in München, und erschuf sich dort mit dem Münchner Bach-Orchester und dem Münchner Bach-Chor seine musikalische Welt. Kon- zertreisen führten ihn in viele Länder der Erde, in die USA übrigens ebenso wie in die Sowjetunion. An seinen Aufführungen und Schallplatten- aufnahmen wirkten die besten Solisten seiner Zeit mit. Als man Richter dann das Amt des Thomaskantors antrug, lehnte er ab – was er in München aufgebaut hatte, das wollte er nicht mehr aufgeben. Die hohe Arbeitsbelastung allerdings ruinierte die Gesundheit des Musikers; er starb im Alter von nur 54 Jahren an Herzversagen.
Was bleibt? Diese Box gibt eine Anwort darauf. Sie enthält berühmte Auf- nahmen, von Bachs Brandenburgischen Konzerten und Orchestersuiten bis zu Haydns Sinfonien und von Mozarts Requiem bis hin zu Arien von Händel oder Mendelssohn Bartholdy. Matthäus-Passion, Weihnachts- oratorium, h-Moll-Messe, Magnificat und etliche Kantaten Bachs sind ebenso zu hören wie die Cembalo-Konzerte, die Goldberg-Variationen, die Partiten BWV 825-830, das Musikalische Opfer und einige Orgelwerke Bachs. Mit Aurèle Nicolet spielte Richter Mozarts Flötenkonzerte ein, und Flötensonaten von Johann Sebastian Bach wie von seinem Sohn Carl Philipp Emanuel Bach. Auch Händels Orgelkonzerte sind enthalten, und die Musikalischen Exequien von Heinrich Schütz.
Richters Musikauffassung stammt aus dem Zeitalter vor der historischen Aufführungspraxis. Mit Engagement, Neugier und Tiefgang hat er Werke überwiegend aus dem Bereich der „Alten“ Musik erkundet, und mit Sach- verstand und Begeisterung Musiker wie Publikum inspiriert. Natürlich mag aus heutiger Sicht manches überholt sein, aber an Ausdruck und Eindrück- lichkeit ist Richter kaum zu übertreffen. Diese alten Aufnahmen haben eine Aura, der man sich nicht entziehen kann – und die man bei sehr vielen neuen Einspielungen leider vermisst.
Letztendlich wurde er Kantor an der Markuskirche in München, und erschuf sich dort mit dem Münchner Bach-Orchester und dem Münchner Bach-Chor seine musikalische Welt. Kon- zertreisen führten ihn in viele Länder der Erde, in die USA übrigens ebenso wie in die Sowjetunion. An seinen Aufführungen und Schallplatten- aufnahmen wirkten die besten Solisten seiner Zeit mit. Als man Richter dann das Amt des Thomaskantors antrug, lehnte er ab – was er in München aufgebaut hatte, das wollte er nicht mehr aufgeben. Die hohe Arbeitsbelastung allerdings ruinierte die Gesundheit des Musikers; er starb im Alter von nur 54 Jahren an Herzversagen.
Was bleibt? Diese Box gibt eine Anwort darauf. Sie enthält berühmte Auf- nahmen, von Bachs Brandenburgischen Konzerten und Orchestersuiten bis zu Haydns Sinfonien und von Mozarts Requiem bis hin zu Arien von Händel oder Mendelssohn Bartholdy. Matthäus-Passion, Weihnachts- oratorium, h-Moll-Messe, Magnificat und etliche Kantaten Bachs sind ebenso zu hören wie die Cembalo-Konzerte, die Goldberg-Variationen, die Partiten BWV 825-830, das Musikalische Opfer und einige Orgelwerke Bachs. Mit Aurèle Nicolet spielte Richter Mozarts Flötenkonzerte ein, und Flötensonaten von Johann Sebastian Bach wie von seinem Sohn Carl Philipp Emanuel Bach. Auch Händels Orgelkonzerte sind enthalten, und die Musikalischen Exequien von Heinrich Schütz.
Richters Musikauffassung stammt aus dem Zeitalter vor der historischen Aufführungspraxis. Mit Engagement, Neugier und Tiefgang hat er Werke überwiegend aus dem Bereich der „Alten“ Musik erkundet, und mit Sach- verstand und Begeisterung Musiker wie Publikum inspiriert. Natürlich mag aus heutiger Sicht manches überholt sein, aber an Ausdruck und Eindrück- lichkeit ist Richter kaum zu übertreffen. Diese alten Aufnahmen haben eine Aura, der man sich nicht entziehen kann – und die man bei sehr vielen neuen Einspielungen leider vermisst.
Hoffmann: Symphony - Ouvertures (cpo)
Für ein Festkonzert zum Geburtstag des preußischen Königs im Jahre 1806 komponierte Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann (1766 bis 1822) seine Sinfonie in Es-Dur. Der Jurist war in Warschau als Regierungsrat tätig, und fand nebenbei noch genug Muße zum Musizieren, Komponieren und dafür, die Musikalische Gesell- schaft zu gründen und zu leiten, ein Liebhaberorchester. Dieses Ensemble hat auch, dem König zum Preise und zur Feier der Einrichtung eines Konzertsaales im Mniszekschen Palais, Hoffmanns einzige Sinfonie uraufgeführt.
Sie hat Haydns Londoner Sinfonien zum Vorbild, ist aber dennoch in der musikalischen Substanz und in den durchaus auch witzigen Ideen ein echter Hoffmann. Und wer genauer hinhört, der wird feststellen, dass sie sehr sorgfältig gearbeitet worden ist. Insofern ist das Werk ein Solitär, und man kann Michael Alexander Willens nur dankbar dafür sein, dass er sie mit der Kölner Akademie eingespielt hat, in Begleitung der Ouvertüren zu den Opern Undine und Aurora. Es sind dies die beiden letzten Opern Hoff- manns; sie gelten als die beiden ersten deutschsprachigen romantischen Opern überhaupt.
Komplettiert wird die CD durch die Sinfonia in A-Dur von Friedrich Witt (1770 bis 1836). Er war Cellist, wirkte zeitweilig in der Oettingen-Waller- steinschen Hofkapelle, und wurde 1802 Kapellmeister in Würzburg. Die Kölner Akademie musiziert auch hier historisierend, sehr klar strukturiert und mit einem guten Gespür für die Tempi und für Details. Sehr gelungen!
Sie hat Haydns Londoner Sinfonien zum Vorbild, ist aber dennoch in der musikalischen Substanz und in den durchaus auch witzigen Ideen ein echter Hoffmann. Und wer genauer hinhört, der wird feststellen, dass sie sehr sorgfältig gearbeitet worden ist. Insofern ist das Werk ein Solitär, und man kann Michael Alexander Willens nur dankbar dafür sein, dass er sie mit der Kölner Akademie eingespielt hat, in Begleitung der Ouvertüren zu den Opern Undine und Aurora. Es sind dies die beiden letzten Opern Hoff- manns; sie gelten als die beiden ersten deutschsprachigen romantischen Opern überhaupt.
Komplettiert wird die CD durch die Sinfonia in A-Dur von Friedrich Witt (1770 bis 1836). Er war Cellist, wirkte zeitweilig in der Oettingen-Waller- steinschen Hofkapelle, und wurde 1802 Kapellmeister in Würzburg. Die Kölner Akademie musiziert auch hier historisierend, sehr klar strukturiert und mit einem guten Gespür für die Tempi und für Details. Sehr gelungen!
Samstag, 19. November 2016
Mädchenherzen (Genuin)
Was für ein köstliches Gezwitscher! Die junge Sopranistin Mirella Hagen, Preisträgerin zahlreicher Wettbewer- be, hat gemeinsam mit ihrer Klavier- partnerin Kerstin Mörk ein Liedpro- gramm zusammengestellt, dass keine Wünsche offenlässt. Bei Hugo Wolf, Ludwig Thuille und Richard Strauss fanden sie Werke, die sowohl im Gesangs- als auch im Klavierpart ausgesprochen ausdrucksstark sind.
„Ganz am Anfang hat jede von uns ihre Lieblingslieder aufgeschrieben“, berichtet die Pianistin. „Das waren vor allem Lieder von Hugo Wolf, der uns beiden sehr wichtig ist. Dabei haben wir festgestellt, dass diese Lieder alle zu dem Thema ,Mädchenherzen' passen. Es geht um junge Mädchen und deren Gefühle, die mal sehr sanft und lyrisch sein können, aber auch sehr energisch, ein bisschen zickig und launisch.“
„Auch bei Strauss (..) findet sich eine Fülle an Werken, die die Mädchen- herzen-Stimmung unserer Wolf-Auswahl aufgreifen und sehr gut ergänzen“, merkt Mirella Hagen an. „Ludwig Thuille war wiederum nur ein Jahr jünger als Hugo Wolf, die drei sind also wahre Zeitgenossen.“ Manche dieser Lieder seien „wahnsinnig witzig“; alle drei Komponisten „sind Meister der Tonmalerei, und sie setzen diese oft ein, um ein Augenzwinkern, eine gewisse Ironie in die Lieder zu bringen. Das gefällt uns sehr gut.“
Mit ihrem strahlenden, hellen Sopran gestaltet die Sängerin die Lieder als Miniaturen, die direkt hineinführen in die Welt der jungen Mädchen. Mirella Hagen wird dabei kongenial begleitet von Kerstin Mörk, die den Stimmungsgehalt sowie mitunter auch die Doppelbödigkeit des jeweiligen Klavierparts in ihrem Musizieren wunderbar erfasst. „Die Lieder, oder besser gesagt die Texte, haben bis heute eine große Aktualität. Mädchen- herzen werden heute noch von denselben Dingen und Gefühlen bewegt wie im 19. Jahrhundert“, sagt Kerstin Mörk. „Darin spüren wir eine große Verbundenheit zu diesen Liedern und Texten. Natürlich ist die Sprache eine andere, aber im Kern geht es doch um dieselben Themen: die erste Liebe, Eifersucht, Sehnsucht, Enttäuschung, Gefühlsschwankungen und kleine Launen. Das gesamte Spektrum mädchenhaften Seins und Fühlens eben.“
„Ganz am Anfang hat jede von uns ihre Lieblingslieder aufgeschrieben“, berichtet die Pianistin. „Das waren vor allem Lieder von Hugo Wolf, der uns beiden sehr wichtig ist. Dabei haben wir festgestellt, dass diese Lieder alle zu dem Thema ,Mädchenherzen' passen. Es geht um junge Mädchen und deren Gefühle, die mal sehr sanft und lyrisch sein können, aber auch sehr energisch, ein bisschen zickig und launisch.“
„Auch bei Strauss (..) findet sich eine Fülle an Werken, die die Mädchen- herzen-Stimmung unserer Wolf-Auswahl aufgreifen und sehr gut ergänzen“, merkt Mirella Hagen an. „Ludwig Thuille war wiederum nur ein Jahr jünger als Hugo Wolf, die drei sind also wahre Zeitgenossen.“ Manche dieser Lieder seien „wahnsinnig witzig“; alle drei Komponisten „sind Meister der Tonmalerei, und sie setzen diese oft ein, um ein Augenzwinkern, eine gewisse Ironie in die Lieder zu bringen. Das gefällt uns sehr gut.“
Mit ihrem strahlenden, hellen Sopran gestaltet die Sängerin die Lieder als Miniaturen, die direkt hineinführen in die Welt der jungen Mädchen. Mirella Hagen wird dabei kongenial begleitet von Kerstin Mörk, die den Stimmungsgehalt sowie mitunter auch die Doppelbödigkeit des jeweiligen Klavierparts in ihrem Musizieren wunderbar erfasst. „Die Lieder, oder besser gesagt die Texte, haben bis heute eine große Aktualität. Mädchen- herzen werden heute noch von denselben Dingen und Gefühlen bewegt wie im 19. Jahrhundert“, sagt Kerstin Mörk. „Darin spüren wir eine große Verbundenheit zu diesen Liedern und Texten. Natürlich ist die Sprache eine andere, aber im Kern geht es doch um dieselben Themen: die erste Liebe, Eifersucht, Sehnsucht, Enttäuschung, Gefühlsschwankungen und kleine Launen. Das gesamte Spektrum mädchenhaften Seins und Fühlens eben.“
Mozart: Piano Concertos Nos. 17 & 27, Fragment & Fantasy (Oehms Classics)
„Mozarts Klavierkonzerte sind wie Opernwerke, in denen unterschied- liche Akteure auf der Bühne in Interaktion treten“, meint Sophie-Mayuko Vetter. Die Pianistin hat für diese CD mit dem Klavierkonzert Nr. 27 in B-Dur KV 595 das letzte Klavierkonzert Mozarts ausgewählt. Dazu spielt sie das Konzert Nr. 17 in G-Dur KV 453, das Mozart für seine Schülerin Barbara Ployer geschrieben hat. Die Hamburger Symphoniker unter Peter Ruzicka harmonieren aufs Schönste mit der Solistin, die durch ihr sensibles Spiel begeistert. Dass sie sich gegen ein Hammerklavier und für einen modernen Konzertflügel entschieden hat, vermag den Genuss in diesem Falle nicht zu trüben.
Mindestens ebenso interessant wie die beiden Klavierkonzerte aber sind zwei Werke, die Mozart nie vollendet hat: Im Jahre 1778 begann der Kom- ponist die Arbeit an einem Doppelkonzert in D-Dur für Violine, Klavier und Orchester. Er brachte allerdings nur 120 Takte zu Papier, und davon wiederum nur 74 in vollständiger Instrumentierung. Das Werk bricht nach weniger als vier Minuten ab. Eine ebenfalls unvollendete Sonatensatz- exposition für Klavier und Violine in c-Moll – mit dem winzigen Fragment einer Violinstimme – wurde nach Mozarts Tod von seinem Freund, dem Benediktiner-Abt Maximilian Stadler, zu einer Fantaisie pour Clavecin ou Piano-Forte ergänzt und veröffentlicht. Bei diesen beiden Werken ist Rainer Kussmaul zu hören, ein exzellenter Geiger, der gemeinsam mit Sophie-Mayuko Vetter seit vielen Jahren im Duo musiziert.
Mindestens ebenso interessant wie die beiden Klavierkonzerte aber sind zwei Werke, die Mozart nie vollendet hat: Im Jahre 1778 begann der Kom- ponist die Arbeit an einem Doppelkonzert in D-Dur für Violine, Klavier und Orchester. Er brachte allerdings nur 120 Takte zu Papier, und davon wiederum nur 74 in vollständiger Instrumentierung. Das Werk bricht nach weniger als vier Minuten ab. Eine ebenfalls unvollendete Sonatensatz- exposition für Klavier und Violine in c-Moll – mit dem winzigen Fragment einer Violinstimme – wurde nach Mozarts Tod von seinem Freund, dem Benediktiner-Abt Maximilian Stadler, zu einer Fantaisie pour Clavecin ou Piano-Forte ergänzt und veröffentlicht. Bei diesen beiden Werken ist Rainer Kussmaul zu hören, ein exzellenter Geiger, der gemeinsam mit Sophie-Mayuko Vetter seit vielen Jahren im Duo musiziert.
Bach without words (Deutsche Harmonia Mundi)
Die Lautten Compagney Berlin wendet sich auf ihrer neuen CD dem Kantatenwerk Johann Sebastian Bachs zu. „So vielfältig wie die Anlässe und die damit verbundenen Texte, so vielfältig sind auch die Musik und ihre Formen“, schreibt Wolfgang Katschner, der Leiter des renommierten Barockensembles. „Diese Musik setzt weniger formale Zwänge, als ein Instrumentalkonzert oder eine Orchestersuite, weil sie von den zugrundeliegenden Texten bestimmt wird. Dadurch ist sie kommunikativ, kleinteilig und offen für Interpretation und Veränderung.“
Auf den Text verzichtet die Lautten Compagney in diesem Falle, und fügt die ausge- wählten Arien, Chöre und Rezitative unter jeweils einem Motto – natürlich ebenfalls aus einer Kantate – zu drei neuen Werken zusammen, deren Musik jeweils einem bestimmten Grundcharakter und einer Drama- turgie folgt. Für Bach without words hat Wolfgang Katschner die ausge- wählten Kantaten-Puzzleteile für Soloinstrumente und wechselnde Instrumentalbesetzung neu arrangiert. „Wir haben keine Note geändert“, so Katschner, „wohl aber Zusammenstellungen, Besetzungen und Ton- arten, so dass im Grunde neue, so noch nicht gehörte Werke entstehen.“
Das Verfahren hat auch Bach selbst genutzt; so hat er Vokalmusik mehrfach verwendet, indem er sie an einen neuen Text angepasst hat, und er hat auch Konzertsätze umgearbeitet. Insofern ist diese Form der Bearbeitung historisch legitimiert. Das Ensemble musiziert frisch und akzentuiert; es präsentiert Bachs Musik als ein facettenreiches Spiel mit barocken Klangfarben. Allerdings wird Bachs Musik, ohne den Text, erstaunlich beliebig. Man wundert sich, wie gefällig so manche Aria plötzlich klingt – bei aller Musizierlust, aber muss man Bach wirklich derart kaufhauskompatibel machen?
Auf den Text verzichtet die Lautten Compagney in diesem Falle, und fügt die ausge- wählten Arien, Chöre und Rezitative unter jeweils einem Motto – natürlich ebenfalls aus einer Kantate – zu drei neuen Werken zusammen, deren Musik jeweils einem bestimmten Grundcharakter und einer Drama- turgie folgt. Für Bach without words hat Wolfgang Katschner die ausge- wählten Kantaten-Puzzleteile für Soloinstrumente und wechselnde Instrumentalbesetzung neu arrangiert. „Wir haben keine Note geändert“, so Katschner, „wohl aber Zusammenstellungen, Besetzungen und Ton- arten, so dass im Grunde neue, so noch nicht gehörte Werke entstehen.“
Das Verfahren hat auch Bach selbst genutzt; so hat er Vokalmusik mehrfach verwendet, indem er sie an einen neuen Text angepasst hat, und er hat auch Konzertsätze umgearbeitet. Insofern ist diese Form der Bearbeitung historisch legitimiert. Das Ensemble musiziert frisch und akzentuiert; es präsentiert Bachs Musik als ein facettenreiches Spiel mit barocken Klangfarben. Allerdings wird Bachs Musik, ohne den Text, erstaunlich beliebig. Man wundert sich, wie gefällig so manche Aria plötzlich klingt – bei aller Musizierlust, aber muss man Bach wirklich derart kaufhauskompatibel machen?
Freitag, 18. November 2016
Keiser: La forza della virtù (MDG)
Von seinen Zeitgenossen erhielt Reinhard Keiser (1674 bis 1739) einst höchstes Lob; die Kritiker wetteiferten schier darum, den Komponisten zu preisen. Geboren wurde er in dem Städtchen Teuchern, unweit von Weissenfels. Nach dem Besuch der Leipziger Thomasschule erhielt er seine erste Stelle an der Braun- schweiger Hofkapelle. 1697 wurde dann in Hamburg Keisers Oper Der geliebte Adonis aufgeführt; es wird vermutet, dass er zugleich als Kapellmeister an das Theater am Gänsemarkt in der Hansestadt wechselte, für das er bis 1738 komponierte, und das er von 1702 bis 1705 auch leitete.
Für diese CD hat das Ensemble La Ricordanza eine Auswahl an Tänzen und anderen Instrumentalsätzen sowie ausgewählte Rezitative und Arien aus Opern von Reinhard Keiser zusammengestellt. Es erklingen Auszüge aus Die verdammte Staat-Sucht, oder der verführte Claudius, Der gestürzte und wieder erhöhte Nebucadnezar, König zu Babylon, Der geliebte Adonis und La forza della virtú; oder, Die Macht der Tugend. Den Gesangspart übernahm die Sopranistin Elisabeth Scholl, eine ausgewiese- ne Spezialistin fürs historische Repertoire.
Damit ist La Ricordanza ein echter Coup gelungen, denn obwohl in den letzten Jahren sehr viele Einspielungen mit „Alter“ Musik erschienen sind, harrt das Schaffen von Reinhard Keiser jedoch nach wie vor einer Wieder- entdeckung. Die Musiker machen deutlich, dass sich die Beschäftigung mit dem Werk dieses Komponisten lohnt. Seine Musik ist effektvoll und dramatisch, und man kann sich gut vorstellen, wie beeindruckend seine Opern seinerzeit auf der Bühne gewirkt haben müssen – hinreißend!
Für diese CD hat das Ensemble La Ricordanza eine Auswahl an Tänzen und anderen Instrumentalsätzen sowie ausgewählte Rezitative und Arien aus Opern von Reinhard Keiser zusammengestellt. Es erklingen Auszüge aus Die verdammte Staat-Sucht, oder der verführte Claudius, Der gestürzte und wieder erhöhte Nebucadnezar, König zu Babylon, Der geliebte Adonis und La forza della virtú; oder, Die Macht der Tugend. Den Gesangspart übernahm die Sopranistin Elisabeth Scholl, eine ausgewiese- ne Spezialistin fürs historische Repertoire.
Damit ist La Ricordanza ein echter Coup gelungen, denn obwohl in den letzten Jahren sehr viele Einspielungen mit „Alter“ Musik erschienen sind, harrt das Schaffen von Reinhard Keiser jedoch nach wie vor einer Wieder- entdeckung. Die Musiker machen deutlich, dass sich die Beschäftigung mit dem Werk dieses Komponisten lohnt. Seine Musik ist effektvoll und dramatisch, und man kann sich gut vorstellen, wie beeindruckend seine Opern seinerzeit auf der Bühne gewirkt haben müssen – hinreißend!
Mittwoch, 16. November 2016
Mozart on the Beach (Gramola)
Der Pianist Paul Badura-Skoda hat gemeinsam mit dem Orchestre Symphonique de Cannes unter Chef- dirigent Wolfgang Dörner zwei Klavierkonzerte von Wolfgang Amadeus Mozart (1756 bis 1791) eingespielt. Der Titel „Mozart on the Beach“ freilich, den Gramola dem Album gegeben hat, täuscht. Denn die Aufzeichnung fand im Februar 2015 statt – und zu dieser Jahreszeit dürfte man auch an der Côte d'Azur eher im Mantel die Strandpromenade entlang flanieren.
Zu hören sind das Konzert Nr. 21 in C-Dur KV 467, und das Konzert Nr. 9 in Es-Dur KV 271, komponiert für Louise Victoire Jenamy, Pianistin und Tochter des Tanzmeisters Jean Georges Noverre, der mit Familie Mozart befreundet war. Ein Lesefehler machte daraus das „Jeunehomme-Konzert“, und als solches ist es heute weithin bekannt. Paul Badura-Skoda erweist sich einmal mehr als ein Tastenmagier; dem Orchester zu lauschen, das ist hingegen nicht durchweg ein Genuss.
Zu hören sind das Konzert Nr. 21 in C-Dur KV 467, und das Konzert Nr. 9 in Es-Dur KV 271, komponiert für Louise Victoire Jenamy, Pianistin und Tochter des Tanzmeisters Jean Georges Noverre, der mit Familie Mozart befreundet war. Ein Lesefehler machte daraus das „Jeunehomme-Konzert“, und als solches ist es heute weithin bekannt. Paul Badura-Skoda erweist sich einmal mehr als ein Tastenmagier; dem Orchester zu lauschen, das ist hingegen nicht durchweg ein Genuss.
Mondonville: Trio Sonatas Op. 2 (Audax)
Das Ensemble Diderot widmet seine jüngste CD den Triosonaten op. 2 von Jean-Joseph Cassanéa de Mondon- ville (1711 bis 1772). Er stammte aus Narbonne, und kam 1733 nach Paris, wo er als Violinvirtuose und Kompo- nist wirkte. 1734 musizierte er erstmals bei den Concerts spirituels; von 1755 bis 1762 stand er dieser Institution dann als directeur vor.
1739 wurde Mondonville königlicher Konzertmeister und Kammerviolinist, 1744 in Nachfolge von André Campra Intendant der königlichen Hofkapelle. Er komponierte zahlreiche Konzer- te, Sonaten, Opern und Grands Motets; leider ist nur ein Teil seiner Werke überliefert. Dennoch sind in diesem Werk Entdeckungen möglich: Das Ensemble Diderot, mit seiner Leidenschaft für die Triosonate, hat nun die Triosonaten op. 2, im Druck erschienen 1734, in Ersteinspielung vorgelegt. „Mondonville hat hier ein höchst erfolgreiches Nebeneinander an franzö- sischen und italienischen Elementen geschaffen“, erläutert Johannes Pramsohler, Geiger und Gründer des Ensembles: „Flirrende Sechzehntel-Ketten, nach vor drängende Allegros, und eine Bassführung, die nicht nur einfachen harmonischen Halt gibt, sondern das Cello als ebenbürtigen Partner im kontrapunktischen Geflecht agieren lässt, sind dabei die italienischen Elemente. Das Französische findet sich in der Klarheit, die über den Stand der Dinge herrscht, und darin, dass anstelle abgründig-langsamer dritter Sätze gleichsam als Erfrischung charmante Airs im 6/8-Takt gereicht werden.“
Johannes Pramsohler erkundet gemeinsam mit Roldán Bernabé, ebenfalls Violine, Kristen Huebner, Traversflöte, Gulrim Choi, Barock-Violoncello und Philippe Grisvard, Cembalo, die eleganten Musikstücke, die sich durchaus als eine Bereicherung des Repertoires erweisen. Sehr hörens- wert!
1739 wurde Mondonville königlicher Konzertmeister und Kammerviolinist, 1744 in Nachfolge von André Campra Intendant der königlichen Hofkapelle. Er komponierte zahlreiche Konzer- te, Sonaten, Opern und Grands Motets; leider ist nur ein Teil seiner Werke überliefert. Dennoch sind in diesem Werk Entdeckungen möglich: Das Ensemble Diderot, mit seiner Leidenschaft für die Triosonate, hat nun die Triosonaten op. 2, im Druck erschienen 1734, in Ersteinspielung vorgelegt. „Mondonville hat hier ein höchst erfolgreiches Nebeneinander an franzö- sischen und italienischen Elementen geschaffen“, erläutert Johannes Pramsohler, Geiger und Gründer des Ensembles: „Flirrende Sechzehntel-Ketten, nach vor drängende Allegros, und eine Bassführung, die nicht nur einfachen harmonischen Halt gibt, sondern das Cello als ebenbürtigen Partner im kontrapunktischen Geflecht agieren lässt, sind dabei die italienischen Elemente. Das Französische findet sich in der Klarheit, die über den Stand der Dinge herrscht, und darin, dass anstelle abgründig-langsamer dritter Sätze gleichsam als Erfrischung charmante Airs im 6/8-Takt gereicht werden.“
Johannes Pramsohler erkundet gemeinsam mit Roldán Bernabé, ebenfalls Violine, Kristen Huebner, Traversflöte, Gulrim Choi, Barock-Violoncello und Philippe Grisvard, Cembalo, die eleganten Musikstücke, die sich durchaus als eine Bereicherung des Repertoires erweisen. Sehr hörens- wert!
Dienstag, 15. November 2016
Transcendental - Daniil Trifonov plays Franz Liszt (Deutsche Grammophon)
Nur fünf Tage benötigte Daniil Trifonov, um für die Deutsche Grammophon alle Konzertetüden von Franz Liszt (1811 bis 1886) einzuspielen. Das ist eine ganz erstaunliche Leistung, denn diese Stücke gelten mit als das Schwierigste, was jemals für einen Konzertflügel geschrieben wurde.
In den Grandes Études de Paganini beispielsweise huldigte Liszt dem Geiger, den er sehr verehrte, indem er Themen aus einigen der berühmtesten Violinstücke des Meisters verwendete, um daraus mindestens ebenso virtuose Klaviermusik zu gestalten.
Die Drei Konzertetüden von 1849 „are Liszt's tribute to his beloved Italy, to the language of opera, an a case for piano as a singing instrument“, zitiert das Beiheft Trifonov. „Always an innovator, in these etudes, Liszt creates drama in and through harmony – leading the way to Wagner, and later to impressionism.“ Die zwei Konzertetüden von 1863, Waldes- rauschen und Gnomenreigen, sieht der Pianist als musikalische Gemälde: „They are not verbal but depictive works, atmospheric, like paintings by Caspar David Friedrich.“
An den Anfang aber stellte Trifonov die Études d'exécution transcendante, eine Sammlung von zwölf Konzertetüden, die nicht nur über ihre Tonarten miteinander verbunden sind. „The cycle reflects the journey of a hero (let us call him ,Liszt'). Each etude represents a particular stage in the hero's spiritual evolution, progressing from explosions of youthful energy (No. 1), growing increasingly complex through ,Eroica' (No. 7) and wild, as in ,Mazeppa' (No. 4), reaching a turbulent climax in the ,Wilde Jagd' (No. 8)“, so der Pianist. „That is the cycle's turning point. From the realization of the futility of the chase, the narrative arc moves from a state of nostal- gic longing in ,Ricordanza' (No. 9) to the meditative denouement of ,Chasse-neige' (No. 12).“ Einige seien eher atmosphärisch, andere eher programmatisch – aber keines dieser Musikstücke sei tatsächlich eine Etüde.
Extrem allerdings sind sie schon; auch heute noch sind diese Werke so- wohl emotional als auch technisch eine Herausforderung und ein Prüfstein für jeden Pianisten. Mancher Musiker betont ihre Brillanz; Trifonov stellt eher die meditativen, reflektierenden Aspekte in den Vordergrund. „Man muss Liszt ernst nehmen, um ihn gut zu spielen“, forderte einst Alfred Brendel – und der gerade einmal 25jährige Trifonov spielt ihn geradezu beunruhigend reflektiert. Virtuosität ist hier eher ein Nebeneffekt; dem Pianisten geht es um Ausdruck und Tiefe, nicht um Blendwerk und Geklin- gel. Damit kommt er Franz Liszt, der immer auch ein Suchender und ein Zweifler war, erstaunlich nah. Diese Aufnahme ist ohne Zweifel grandios – man darf allerdings gespannt sein, wie Trifonov solche Musik in 30 Jahren spielen wird.
In den Grandes Études de Paganini beispielsweise huldigte Liszt dem Geiger, den er sehr verehrte, indem er Themen aus einigen der berühmtesten Violinstücke des Meisters verwendete, um daraus mindestens ebenso virtuose Klaviermusik zu gestalten.
Die Drei Konzertetüden von 1849 „are Liszt's tribute to his beloved Italy, to the language of opera, an a case for piano as a singing instrument“, zitiert das Beiheft Trifonov. „Always an innovator, in these etudes, Liszt creates drama in and through harmony – leading the way to Wagner, and later to impressionism.“ Die zwei Konzertetüden von 1863, Waldes- rauschen und Gnomenreigen, sieht der Pianist als musikalische Gemälde: „They are not verbal but depictive works, atmospheric, like paintings by Caspar David Friedrich.“
An den Anfang aber stellte Trifonov die Études d'exécution transcendante, eine Sammlung von zwölf Konzertetüden, die nicht nur über ihre Tonarten miteinander verbunden sind. „The cycle reflects the journey of a hero (let us call him ,Liszt'). Each etude represents a particular stage in the hero's spiritual evolution, progressing from explosions of youthful energy (No. 1), growing increasingly complex through ,Eroica' (No. 7) and wild, as in ,Mazeppa' (No. 4), reaching a turbulent climax in the ,Wilde Jagd' (No. 8)“, so der Pianist. „That is the cycle's turning point. From the realization of the futility of the chase, the narrative arc moves from a state of nostal- gic longing in ,Ricordanza' (No. 9) to the meditative denouement of ,Chasse-neige' (No. 12).“ Einige seien eher atmosphärisch, andere eher programmatisch – aber keines dieser Musikstücke sei tatsächlich eine Etüde.
Extrem allerdings sind sie schon; auch heute noch sind diese Werke so- wohl emotional als auch technisch eine Herausforderung und ein Prüfstein für jeden Pianisten. Mancher Musiker betont ihre Brillanz; Trifonov stellt eher die meditativen, reflektierenden Aspekte in den Vordergrund. „Man muss Liszt ernst nehmen, um ihn gut zu spielen“, forderte einst Alfred Brendel – und der gerade einmal 25jährige Trifonov spielt ihn geradezu beunruhigend reflektiert. Virtuosität ist hier eher ein Nebeneffekt; dem Pianisten geht es um Ausdruck und Tiefe, nicht um Blendwerk und Geklin- gel. Damit kommt er Franz Liszt, der immer auch ein Suchender und ein Zweifler war, erstaunlich nah. Diese Aufnahme ist ohne Zweifel grandios – man darf allerdings gespannt sein, wie Trifonov solche Musik in 30 Jahren spielen wird.
Montag, 14. November 2016
Vojago - Vulkan Quartett (Tyxart)
Gehobene Salonmusik ist die Spezia- lität des Vulkan Quartetts, gegründet 2009 durch den Tenor Arpad Vulkan gemeinsam mit drei Musikerkollegen des Theaters Regensburg. Sándor Galgóczi spielt von Anbeginn in diesem Ensemble die Geige; zur Besetzung gehören heute zudem der Pianist und Arrangeur Hans Martin Gräbner sowie der Kontrabassist Frank Wittich. Auf dieser CD präsentiert das Vulkan Quartett ein Programm, das sich durch eine große Portion südliche Sonne und Temperament auszeichnet. Ein besonderer Schwerpunkt sind dabei, neben Hits aus Italien, Werke von Carlos Gardel.
Virgins, Vixens & Viragos (Onyx)
Mit extremen weiblichen Emotionen konfrontiert Susan Graham die Zuhörer auf dieser CD. Die Sängerin zeigt Frauen in den verschiedensten Rollen – von der Heiligen Jungfrau, die ihren Sohn vermisst, und den Zwölfjährigen schließlich im Tempel wiederfindet, wo er mit den Schrift- gelehrten diskutiert, bis hin zur mörderischen Lady Macbeth. Das Programm, das sie gemeinsam mit dem erfahrenen Liedpianisten Malcolm Martineau präsentiert, reicht von Henry Purcell bis zu Joseph Horovitz und von Hector Berlioz, vertreten mit La mort d'Ophélie, bis hin zu Cole Porters The Physician. Sehr spannend sind übrigens die verschiedenen Vertonungen der Lieder der Mignon aus Goethes Wilhelm Meister.
Fasch: Overture Symphonies (cpo)
Bereits zum zweiten Male widmen sich Les Amis de Philippe dem Schaffen von Johann Friedrich Fasch (1688 bis 1758), insbesondere dessen Ouvertüren. Enthielt die erste CD groß besetzte Werke, die für den Dresdner Hof entstanden sind, so hat sich das Ensemble, das unter der Leitung von Ludger Rémy bereits etliche Raritäten der mitteldeutschen Musikgeschichte aufgespürt und aufgeführt hat, nun den Ouvertüren-Sinfonien des Zerbster Hofkapell- meisters zugewandt.
Entstanden sind diese Musikstücke als Weiterentwicklung der Gattung Ouvertüre, die Fasch lange Jahre sehr erfolgreich pflegte – mehr als 80 solcher Suiten sind überliefert. Sie wurden nicht nur am Anhalt-Zerbster Hof geschätzt, sondern offenbar auch in Dresden, wo Konzertmeister Johann Georg Pisendel in seiner Musikalien- sammlung über etliche dieser Werke seines alten Freundes aus Leipziger Studientagen verfügte.
Um 1740 allerdings kam die traditionelle Orchestersuite, die nach einer Einleitung eine Folge von Tänzen aneinanderreihte, aus der Mode: „Nur ist, wegen der guten Wirkung welche die Ouvertüren thun, zu bedauern, daß sie in Deutschland nicht mehr üblich sind“, schrieb Johann Joachim Quantz 1752 in seinem Versuch einer Anweisung die Flöte traversiére zu spielen.
Fasch reagierte darauf, indem er französische Ouverture und italienische Sinfonie, nach dem Vorbild Vivaldis, miteinander verknüpfte. Das Ergeb- nis ist hinreißend; auf die Ouvertüre lässt Fasch einen expressiv-galanten langsamen Mittelsatz folgen, mitunter ergänzt durch ein weiteres Stück im Stile antico, bevor dann, wie in einer italienischen (Opern-)Sinfonie, ein flottes Allegro zum Finale erklingt. Professor Manfred Fechner, der die Aufführungspartituren für diese CD aus Dresdner Handschriftenbeständen erarbeitet hat, stellt in seinem Geleitwort im Beiheft fest, dass insbesondere die Mittelsätze in ihrer Klangsprache sehr innovativ sind und weit in die Zukunft weisen.
Zuhörern, die sich weniger für Musikgeschichte interessieren, bietet diese CD in jedem Falle erlesene Unterhaltung. Faschs Musik ist ausgesprochen abwechslungsreich und beeindruckt mit einer enormen Vielfalt an Ideen und Klangfarben. Sie wird durch Les Amis de Philippe elegant vorgestellt. Ludger Rémy, dem Cembalisten und Leiter dieses Ensembles, noch nach- träglich herzlichen Glückwunsch zur Auszeichnung mit dem Fasch-Preis, der seit 1993 für besondere Verdienste um Popularisierung bzw. Erfor- schung des Lebens und der Werke des Komponisten verliehen wird.
Entstanden sind diese Musikstücke als Weiterentwicklung der Gattung Ouvertüre, die Fasch lange Jahre sehr erfolgreich pflegte – mehr als 80 solcher Suiten sind überliefert. Sie wurden nicht nur am Anhalt-Zerbster Hof geschätzt, sondern offenbar auch in Dresden, wo Konzertmeister Johann Georg Pisendel in seiner Musikalien- sammlung über etliche dieser Werke seines alten Freundes aus Leipziger Studientagen verfügte.
Um 1740 allerdings kam die traditionelle Orchestersuite, die nach einer Einleitung eine Folge von Tänzen aneinanderreihte, aus der Mode: „Nur ist, wegen der guten Wirkung welche die Ouvertüren thun, zu bedauern, daß sie in Deutschland nicht mehr üblich sind“, schrieb Johann Joachim Quantz 1752 in seinem Versuch einer Anweisung die Flöte traversiére zu spielen.
Fasch reagierte darauf, indem er französische Ouverture und italienische Sinfonie, nach dem Vorbild Vivaldis, miteinander verknüpfte. Das Ergeb- nis ist hinreißend; auf die Ouvertüre lässt Fasch einen expressiv-galanten langsamen Mittelsatz folgen, mitunter ergänzt durch ein weiteres Stück im Stile antico, bevor dann, wie in einer italienischen (Opern-)Sinfonie, ein flottes Allegro zum Finale erklingt. Professor Manfred Fechner, der die Aufführungspartituren für diese CD aus Dresdner Handschriftenbeständen erarbeitet hat, stellt in seinem Geleitwort im Beiheft fest, dass insbesondere die Mittelsätze in ihrer Klangsprache sehr innovativ sind und weit in die Zukunft weisen.
Zuhörern, die sich weniger für Musikgeschichte interessieren, bietet diese CD in jedem Falle erlesene Unterhaltung. Faschs Musik ist ausgesprochen abwechslungsreich und beeindruckt mit einer enormen Vielfalt an Ideen und Klangfarben. Sie wird durch Les Amis de Philippe elegant vorgestellt. Ludger Rémy, dem Cembalisten und Leiter dieses Ensembles, noch nach- träglich herzlichen Glückwunsch zur Auszeichnung mit dem Fasch-Preis, der seit 1993 für besondere Verdienste um Popularisierung bzw. Erfor- schung des Lebens und der Werke des Komponisten verliehen wird.
Sonntag, 13. November 2016
Vejvanovsky: Festive Baroque Music for Trumpets and Strings (Pan Classics)
Pavel Josef Vejvanovský (?1633 bis 1693) ist immer wieder hörenswert – und diese Aufnahme, eingespielt von Gunar Letzbor mit seinem Ensemble Ars Antiqua Austria, ist rundum gelungen. Vejvanovský wirkte am Hof des kunstsinnigen Fürstbischofs Karl von Liechtenstein-Kastelkorn in Kremsier, heute Kromĕříž. Die Stadt, in Dreißigjährigen Krieg zerstört und nach seinem Regierungsantritt neu aufgebaut, gilt noch heute als „Athen Mährens“, und als schönste histori- sche Stadt Tschechiens obendrein. Das Schloss, das der Bischof errichten ließ, gehört mit seinen Gartenanlagen zum Unesco-Weltkulturerbe.
Die Gemäldegalerie, die Karl von Liechtenstein-Kastelkorn begründete, folgt im Rang gleich auf die Prager Nationalgalerie. Sein Orchester bestand im Jahre 1695 aus 38 Instrumentalisten – zum Vergleich: Die Wiener Hofkapelle konnte damals gerade einmal 23 Musiker aufbieten. Und die Musikaliensammlung des Bischofs umfasste mehr als tausend Bände; im Mittelpunkt dieser Kollektion steht die Instrumentalmusik.
Auch Vejvanovský hat dafür viele Seiten abgeschrieben, und zudem die Sammlung seines Dienstherrn durch zahlreiche eigene Kompositionen bereichert. Nach der Abreise von Heinrich Franz Ignaz Biber nach Salzburg im Jahre 1670 übernahm der Trompeter die Aufgaben des Kapellmeisters am Hof sowie an der Stiftskirche. Etwa hundert Werke, die er für die Hofkapelle und die Kirchenmusik geschaffen hat, sind im Archiv des Schlosses in Kremsier sowie in der Musikabteilung des Nationalmuse- ums in Prag überliefert. Gunar Letzbor hat sich mit Ars Antiqua Austria vor allem den Sonaten, Serenaden und Balletten Vejvanovskýs zugewandt. Dabei erlebt der Hörer so manche Überraschung, denn diese Musikstücke erinnern sowohl in ihrer Harmonik als auch in den Techniken des Kon- zertierens oftmals eher an die Musik der Renaissance. Man fühlt sich an die venezianische Mehrchörigkeit erinnert, doch sie wird nicht einfach kopiert, sondern auf eine ebenso eigenwillige wie reizvolle Weise mit lokalen Traditionen und musikalischen Trends verknüpft. Die CD enthält so manche Entdeckung – und die Musiker um Letzbor spielen einmal mehr brillant. Bravi! Unbedingt anhören.
Die Gemäldegalerie, die Karl von Liechtenstein-Kastelkorn begründete, folgt im Rang gleich auf die Prager Nationalgalerie. Sein Orchester bestand im Jahre 1695 aus 38 Instrumentalisten – zum Vergleich: Die Wiener Hofkapelle konnte damals gerade einmal 23 Musiker aufbieten. Und die Musikaliensammlung des Bischofs umfasste mehr als tausend Bände; im Mittelpunkt dieser Kollektion steht die Instrumentalmusik.
Auch Vejvanovský hat dafür viele Seiten abgeschrieben, und zudem die Sammlung seines Dienstherrn durch zahlreiche eigene Kompositionen bereichert. Nach der Abreise von Heinrich Franz Ignaz Biber nach Salzburg im Jahre 1670 übernahm der Trompeter die Aufgaben des Kapellmeisters am Hof sowie an der Stiftskirche. Etwa hundert Werke, die er für die Hofkapelle und die Kirchenmusik geschaffen hat, sind im Archiv des Schlosses in Kremsier sowie in der Musikabteilung des Nationalmuse- ums in Prag überliefert. Gunar Letzbor hat sich mit Ars Antiqua Austria vor allem den Sonaten, Serenaden und Balletten Vejvanovskýs zugewandt. Dabei erlebt der Hörer so manche Überraschung, denn diese Musikstücke erinnern sowohl in ihrer Harmonik als auch in den Techniken des Kon- zertierens oftmals eher an die Musik der Renaissance. Man fühlt sich an die venezianische Mehrchörigkeit erinnert, doch sie wird nicht einfach kopiert, sondern auf eine ebenso eigenwillige wie reizvolle Weise mit lokalen Traditionen und musikalischen Trends verknüpft. Die CD enthält so manche Entdeckung – und die Musiker um Letzbor spielen einmal mehr brillant. Bravi! Unbedingt anhören.
Vivaldi: In turbato mare irato. Sacred music 4 (Naxos)
Diese CD bietet eine abwechslungs- reiche Blütenlese aus der geistlichen Musik von Antonio Vivaldi (1678 bis 1741). Nicht alles, was hier einge- spielt worden ist, dürfte für die jungen Damen des Ospedale della Pietà in Venedig komponiert worden sein – auch wenn diese ohne Zweifel eine ausgezeichnete Ausbildung genossen haben dürften. Aber Motetten wie In turbato mare irato RV 627, mit einer turbulenten Arie am Beginn, oder das ebenfalls höchst virtuose Invicti bellate, RV 628, scheinen eher für eine Diva mit ausgeprägter Vorliebe für dramatischen Ausdruck geschrieben zu sein. Zu hören sind auf dieser CD die kanadischen Sängerinnen Claire de Sévigné, Sopran, und Maria Soulis, Mezzosopran, und das großartige Aradia Ensemble unter Kevin Mallon.
Samstag, 12. November 2016
Les voyages de M. Froberger (Fra Bernardo)
„2016: Nach langem Stillschweigen schicken sich Heerscharen von MusikwisssenschaftlerInnen und MusikerInnen an, Frobergers Leben und Werk zu durchscannen“, ätzt Wolfgang Glüxam im Beiheft zu dieser CD. Der Grund dafür: Am
18. Mai 1616 kam Johann Jacob Froberger in Stuttgart zur Welt. Über seinen Lebensweg wurde in diesem Blog bereits ausführlich berichtet. Erinnert sei aber daran, dass die Zeiten damals hart waren – 1618 brach ein Krieg aus, der als der Dreißigjährige in die Geschichte eingehen sollte, und auch Süddeutschland nicht verschonte, wo Johann Jacob Frobergers Vater Basilius als Hofkapellmeister tätig war. Seine Söhne erhielten offenbar alle eine exquisite Ausbildung, denn allein vier der Geschwister waren ebenfalls in der Stuttgarter Hofkapelle angestellt. 1637 aber erlagen beide Eltern der Pest.
Im gleichen Jahr wurde Johann Jacob Froberger Hoforganist in Wien – und wurde von seinem neuen Dienstherrn sogleich zum Studium nach Italien geschickt, nach Rom, zu Girolamo Frescobaldi. Auch später verbrachte Froberger sehr viel Zeit auf Reisen; er kam weit herum, und schloss viele Bekanntschaften und Freundschaften. Auch in seiner Musik haben diese Reisen Spuren hinterlassen; zum einen in diversen Programm- musiken, zum anderen in Form musikalischer Nachrufe, Lamenti oder Tombeaus, auf Herrscher, Gönner und Kollegen.
Es liegt daher nahe, wenn auch Glüxam mit seiner CD an diese Reisen erinnert – auch wenn er sich in seinem Programm weit weniger konkret damit auseinandersetzt als Magdalena Hasibeder, deren nahezu gleich- namige Doppel-CD in diesem Blog kürzlich vorgestellt worden ist. Ein wenig erstaunlich finde ich allerdings, dass selbst zum Jubiläum eher wenig Trubel um Froberger zu verzeichnen war. Von Heerscharen jedenfalls ist nichts zu erschauen.
Und so bleibt Froberger weiterhin vor allem ein Rätsel der Musikgeschich- te. Sein Nachlass, soweit er im Besitz seiner Mäzenin Herzogin Sybilla von Württemberg verblieben ist, gilt nach wie vor als verschollen. Zwar kommen hin und wieder neue Werke zum Vorschein – doch wie diese Musik im Stylus phantasticus letztendlich zu spielen ist, das könne nur der wissen, der „das Stuck von seiner Handt gelernt, Grif vor Grif“, zitiert Glüxam, nicht ganz korrekt, die Herzogin, denn „wer die Sachen nit von ihme Hern Froberger seliger gelernet, unmüglich mit rechter Discretion zuschlagen, wie er sie geschlagen hat“.
Wolfgang Glüxam, als Cembalist ein Schüler von Ton Koopman und als Organist ein Student von Alfred Mitterhofer, hat sich Frobergers Musik sorgsam aus den Noten erarbeitet und dabei durchaus überzeugende Lösungen gefunden. Er musiziert auf einem mitteltönig gestimmten flämischen Cembalo aus der Werkstatt von Willem Kroesbergen, Utrecht, sowie auf der ältesten Orgel in Wien, erbaut von Johann Wöckherl im Jahre 1642. Sehr hörenswert!
18. Mai 1616 kam Johann Jacob Froberger in Stuttgart zur Welt. Über seinen Lebensweg wurde in diesem Blog bereits ausführlich berichtet. Erinnert sei aber daran, dass die Zeiten damals hart waren – 1618 brach ein Krieg aus, der als der Dreißigjährige in die Geschichte eingehen sollte, und auch Süddeutschland nicht verschonte, wo Johann Jacob Frobergers Vater Basilius als Hofkapellmeister tätig war. Seine Söhne erhielten offenbar alle eine exquisite Ausbildung, denn allein vier der Geschwister waren ebenfalls in der Stuttgarter Hofkapelle angestellt. 1637 aber erlagen beide Eltern der Pest.
Im gleichen Jahr wurde Johann Jacob Froberger Hoforganist in Wien – und wurde von seinem neuen Dienstherrn sogleich zum Studium nach Italien geschickt, nach Rom, zu Girolamo Frescobaldi. Auch später verbrachte Froberger sehr viel Zeit auf Reisen; er kam weit herum, und schloss viele Bekanntschaften und Freundschaften. Auch in seiner Musik haben diese Reisen Spuren hinterlassen; zum einen in diversen Programm- musiken, zum anderen in Form musikalischer Nachrufe, Lamenti oder Tombeaus, auf Herrscher, Gönner und Kollegen.
Es liegt daher nahe, wenn auch Glüxam mit seiner CD an diese Reisen erinnert – auch wenn er sich in seinem Programm weit weniger konkret damit auseinandersetzt als Magdalena Hasibeder, deren nahezu gleich- namige Doppel-CD in diesem Blog kürzlich vorgestellt worden ist. Ein wenig erstaunlich finde ich allerdings, dass selbst zum Jubiläum eher wenig Trubel um Froberger zu verzeichnen war. Von Heerscharen jedenfalls ist nichts zu erschauen.
Und so bleibt Froberger weiterhin vor allem ein Rätsel der Musikgeschich- te. Sein Nachlass, soweit er im Besitz seiner Mäzenin Herzogin Sybilla von Württemberg verblieben ist, gilt nach wie vor als verschollen. Zwar kommen hin und wieder neue Werke zum Vorschein – doch wie diese Musik im Stylus phantasticus letztendlich zu spielen ist, das könne nur der wissen, der „das Stuck von seiner Handt gelernt, Grif vor Grif“, zitiert Glüxam, nicht ganz korrekt, die Herzogin, denn „wer die Sachen nit von ihme Hern Froberger seliger gelernet, unmüglich mit rechter Discretion zuschlagen, wie er sie geschlagen hat“.
Wolfgang Glüxam, als Cembalist ein Schüler von Ton Koopman und als Organist ein Student von Alfred Mitterhofer, hat sich Frobergers Musik sorgsam aus den Noten erarbeitet und dabei durchaus überzeugende Lösungen gefunden. Er musiziert auf einem mitteltönig gestimmten flämischen Cembalo aus der Werkstatt von Willem Kroesbergen, Utrecht, sowie auf der ältesten Orgel in Wien, erbaut von Johann Wöckherl im Jahre 1642. Sehr hörenswert!
With Proper Graces... - Sonatas For Oboe And B.c. by William Babell (Musicaphon)
William Babell (um 1690 bis 1723) war ohne Zweifel ein begabter Musiker. Seine Ausbildung begann er bei seinem Vater, der in London am Theatre Royal als Fagottist wirkte. In späteren Jahren gehörte Johann Christoph Pepusch zu seinen Lehr- meistern, und möglicherweise auch Georg Friedrich Händel. Babell spielte Geige in der King's Band, dem privaten Orchester des Königs Georg I. Außerdem musizierte er als Cemba- list gemeinsam mit bedeutenden Musikerkollegen, wie den Geigern William Corbett und Matthew Dubourg oder dem Blockflötisten Jacques Paisible. Ab 1718 war er zudem als Organist an einer Kirche tätig.
Babell arrangierte Arien aus populären Opern seiner Zeit für Tasteninstru- mente. Diese Bearbeitungen waren auch auf dem Kontinent gefragt und wurden nicht nur in England, sondern auch in den Niederlanden und in Deutschland veröffentlicht. Leider blieb dem Musiker nicht viel Zeit, davon zu profitieren, da er schon sehr früh verstorben ist, aufgrund, urteilten Zeitgenossen, „intemperate habits“.
Auf dieser CD erklingen seine zwölf Sonaten für Oboe und Basso continuo, wiederentdeckt durch das Ensemble Concert Royal Köln. Sie klingen ein wenig nach Händel, und geben mit den durch Babell ausgezierten Adagio-Sätzen einen interessanten Einblick in die Musizierpraxis jener Zeit; Karla Schröter, die Oboistin des Concert Royal Köln, vermutet in ihrem Kommentar im Beiheft sogar, es könnte sich um „ein kleines Lehrwerk des Komponisten“ handeln. Dem Ensemble, dass sich sehr für vergessene Bläsermusik des 18. Jahrhunderts engagiert und auf Instrumenten der jeweiligen Zeit und Region musiziert, ist mit dieser Ersteinspielung einmal mehr ein Coup gelungen.
Babell arrangierte Arien aus populären Opern seiner Zeit für Tasteninstru- mente. Diese Bearbeitungen waren auch auf dem Kontinent gefragt und wurden nicht nur in England, sondern auch in den Niederlanden und in Deutschland veröffentlicht. Leider blieb dem Musiker nicht viel Zeit, davon zu profitieren, da er schon sehr früh verstorben ist, aufgrund, urteilten Zeitgenossen, „intemperate habits“.
Auf dieser CD erklingen seine zwölf Sonaten für Oboe und Basso continuo, wiederentdeckt durch das Ensemble Concert Royal Köln. Sie klingen ein wenig nach Händel, und geben mit den durch Babell ausgezierten Adagio-Sätzen einen interessanten Einblick in die Musizierpraxis jener Zeit; Karla Schröter, die Oboistin des Concert Royal Köln, vermutet in ihrem Kommentar im Beiheft sogar, es könnte sich um „ein kleines Lehrwerk des Komponisten“ handeln. Dem Ensemble, dass sich sehr für vergessene Bläsermusik des 18. Jahrhunderts engagiert und auf Instrumenten der jeweiligen Zeit und Region musiziert, ist mit dieser Ersteinspielung einmal mehr ein Coup gelungen.
Donnerstag, 10. November 2016
Vivaldi: Cello Sonatas (Brilliant Classics)
Antonio Vivaldi (1678 bis 1741) war einer der ersten Komponisten, die das Violoncello als Soloinstrument einsetzten. Er schuf mindestens neun Sonaten für das damals relativ neue Streichinstrument, das sich allmäh- lich aus dem Continuo löste und immer kniffligere Partien übernahm. Auch 27 Konzerte bescherte Vivaldi den Cellisten, plus eines für zwei Celli und drei Doppelkonzerte für Violine und Violoncello.
Auf dieser CD erklingen die VI Sonate per violoncello solo col basso, gedruckt wahrscheinlich 1740 in Paris, und auch handschriftlich mehrfach überliefert – beispielsweise in der Musikaliensammlung Schönborn-Wiesentheid, in der Bibliothèque nationale de France in Paris sowie am Konservatorium San Pietro a Maiella in Neapel. Eingespielt hat sie Francesco Galligioni, einer der Pioniere der „Alte“-Musik-Bewegung Italiens, erster Cellist des renommierten Venice Baroque Orchestra, gemeinsam mit Musikern des Ensembles L’Arte dell’Arco, das bei Brilliant Classics bereits eine große Anzahl Werke Vivaldis veröffentlicht hat.
Die sechs Cellosonaten sind technisch und musikalisch anspruchsvoll; sie sind quasi ein Experimentierfeld, auf dem Vivaldi die Möglichkeiten des neuen Instrumentes erkundet. In seiner unnachahmlichen Weise erschuf der Komponist damit wohlklingende Musikstücke, die es dem Solisten zudem erlauben, virtuos zu verzieren und zu brillieren. Galligioni hält sich hier erstaunlich zurück; andere Einspielungen bieten leider mehr Ausdruck und auch mehr Temperament auf. Schade!
Auf dieser CD erklingen die VI Sonate per violoncello solo col basso, gedruckt wahrscheinlich 1740 in Paris, und auch handschriftlich mehrfach überliefert – beispielsweise in der Musikaliensammlung Schönborn-Wiesentheid, in der Bibliothèque nationale de France in Paris sowie am Konservatorium San Pietro a Maiella in Neapel. Eingespielt hat sie Francesco Galligioni, einer der Pioniere der „Alte“-Musik-Bewegung Italiens, erster Cellist des renommierten Venice Baroque Orchestra, gemeinsam mit Musikern des Ensembles L’Arte dell’Arco, das bei Brilliant Classics bereits eine große Anzahl Werke Vivaldis veröffentlicht hat.
Die sechs Cellosonaten sind technisch und musikalisch anspruchsvoll; sie sind quasi ein Experimentierfeld, auf dem Vivaldi die Möglichkeiten des neuen Instrumentes erkundet. In seiner unnachahmlichen Weise erschuf der Komponist damit wohlklingende Musikstücke, die es dem Solisten zudem erlauben, virtuos zu verzieren und zu brillieren. Galligioni hält sich hier erstaunlich zurück; andere Einspielungen bieten leider mehr Ausdruck und auch mehr Temperament auf. Schade!
Schubert: Goethe Lieder; Peter (Sony)
Mittlerweile hat Mauro Peter bereits seine zweite Lieder-CD bei Sony veröffentlicht – diese hier war die erste, und schon sie war gelungen. Der aus Luzern stammende Tenor, Jahrgang 1987, beeindruckt durch seinen strahlenden, geschmeidigen, ausdrucksstarken Gesang, verbunden mit einer exzellenten Textverständ- lichkeit. Sein Partner am Klavier ist Helmut Deutsch, ein erfahrener Pianist und überaus renommierter Liedbegleiter. Er hat den jungen Sänger bereits bei dessen Studium an der Musikhochschule München begleitet, zunächst als Lehrender, bald auch im gemeinsamen Konzert. Für dieses Liedgesang-Debüt von Mauro Peter ist das ein großes Plus.
Denn von der Erfahrung des Pianisten profitiert auch der Sänger. Ein Lied will mit Sorgfalt erarbeitet sein; jeder muss seinen eigenen Weg finden, wie er das Notierte zum Klingen bringt. Dabei einen Musizierpartner zu haben, der alle Schwierigkeiten kennt, und auch die Tricks, wie man sie bewältigt, sei, so sagt Peter, „ein Geschenk“. Ausgewählt haben die beiden Musiker für diese CD 17 von den 70 Goethe-Liedern Franz Schuberts. Es erklingen beispielsweise die Gesänge des Harfners, das bekannte Heidenröslein, Der Fischer, Der König in Thule oder Wandrers Nachtlied. Nicht nur die Interpretation des Sängers, auch das Klavierspiel von Helmut Deutsch ist dabei ein Genuss. Man höre nur den Erlkönig – ganz großes Kino!
Denn von der Erfahrung des Pianisten profitiert auch der Sänger. Ein Lied will mit Sorgfalt erarbeitet sein; jeder muss seinen eigenen Weg finden, wie er das Notierte zum Klingen bringt. Dabei einen Musizierpartner zu haben, der alle Schwierigkeiten kennt, und auch die Tricks, wie man sie bewältigt, sei, so sagt Peter, „ein Geschenk“. Ausgewählt haben die beiden Musiker für diese CD 17 von den 70 Goethe-Liedern Franz Schuberts. Es erklingen beispielsweise die Gesänge des Harfners, das bekannte Heidenröslein, Der Fischer, Der König in Thule oder Wandrers Nachtlied. Nicht nur die Interpretation des Sängers, auch das Klavierspiel von Helmut Deutsch ist dabei ein Genuss. Man höre nur den Erlkönig – ganz großes Kino!
Mittwoch, 9. November 2016
Brahms: Secular Vocal Quartets with Piano Vol. 2 (MDG)
Dass man Brahms' Liebeslieder-Walzer nicht nur solistisch, sondern auch mit einem Chor aufführen kann, dürfte zum raschen Erfolg der 1869 bzw. 1874 komponierten Werke beigetragen haben – auch wenn der Komponist davon anfangs gar nicht begeistert gewesen sein soll. Es klingt wie ein Treppenwitz der Musikge- schichte, dass Brahms' Verleger diese Stücke zunächst überhaupt nicht als Vokalwerke veröffentlichen wollte, so dass sie dann nach einigen Ausein- andersetzungen als mit Gesang ad libitum erschienen sind. Eine Version für Klavier zu vier Händen ohne Singstimmen lieferte Brahms später übri- gens nach; sie weicht in vielen Details vom Original ab.
Am Klavier wirken bei dieser Aufnahme Markus Bellheim und Haruhi Sato. Jörg Straube hat mit dem Norddeutschen Figuralchor, einem semipro- fessionellen Kammerchor, die Liebeslieder-Walzer überwiegend chorisch, mitunter aber auch solistisch besetzt – was sich, zumal in der zweiten Serie mit den oft ein- und zweistimmigen Stücken, als ein echter Gewinn erweist. Kompliment an Ania Vegry, Sopran, Andreas Post, Tenor, und Guido Ruland, Bariton. Denn so leichtfüßig, wie die meisten dieser Lieder daherkommen, ist das mit einem Chor doch schwer umzusetzen. Selbst diese exzellente Sängerschar hat mit den flotten Tempi mitunter Probleme, die bei solistischer Besetzung eben nicht auftreten.
Die hohe Qualität des Vokalensembles zeigt sich aber in den ergänzenden A-cappella-Werken. Man höre nur das Abendständchen aus op. 42, oder aber die Fünf Gesänge op. 104. In diesen bis zu sechsstimmigen Liedern zeigt sich Brahms auf dem Höhepunkt seines Schaffens – und der Nord- deutsche Figuralchor kann sein ganzes Können aufbieten.
Am Klavier wirken bei dieser Aufnahme Markus Bellheim und Haruhi Sato. Jörg Straube hat mit dem Norddeutschen Figuralchor, einem semipro- fessionellen Kammerchor, die Liebeslieder-Walzer überwiegend chorisch, mitunter aber auch solistisch besetzt – was sich, zumal in der zweiten Serie mit den oft ein- und zweistimmigen Stücken, als ein echter Gewinn erweist. Kompliment an Ania Vegry, Sopran, Andreas Post, Tenor, und Guido Ruland, Bariton. Denn so leichtfüßig, wie die meisten dieser Lieder daherkommen, ist das mit einem Chor doch schwer umzusetzen. Selbst diese exzellente Sängerschar hat mit den flotten Tempi mitunter Probleme, die bei solistischer Besetzung eben nicht auftreten.
Die hohe Qualität des Vokalensembles zeigt sich aber in den ergänzenden A-cappella-Werken. Man höre nur das Abendständchen aus op. 42, oder aber die Fünf Gesänge op. 104. In diesen bis zu sechsstimmigen Liedern zeigt sich Brahms auf dem Höhepunkt seines Schaffens – und der Nord- deutsche Figuralchor kann sein ganzes Können aufbieten.
Pergolesi: Stabat Mater; Knabenchor der Chorakademie Dortmund (Rondeau)
Der Knabenchor der Chorakademie Dortmund ist – nicht nur, was das Alter seiner Sänger angeht – ein junges Ensemble: Er besteht erst seit 2002. Die Chorakademie Dortmund gilt mit insgesamt über tausend Sängern als eine der größten Sing- schulen Europas. Im Zentrum der Ausbildung steht dort das solistische Singen; auch Jost Salm, der Leiter des Knabenchores, legt besonderen Wert auf die individuelle Stimmausbildung der Kinder und Jugendlichen. Sie werden nicht auf einen harmoni- schen Chorklang hin gedrillt, son- dern der Chorklang soll sich aus den gut geschulten, aber auch entspre- chend unterschiedlichen Stimmen ergeben.
Wie gut diese Auffassung in der Praxis funktioniert, das zeigt die vor- liegende CD mit „Alter“ Kirchenmusik. Zu hören sind die Missa brevis in
F-Dur von Valentin Rathgeber (1682 bis 1750), das mittlerweile sehr bekannte Stabat mater von Giovanni Battista Pergolesi (1710 bis 1736) und das Klaglied BuxWV 76b von Dieterich Buxtehude (1637 bis 1707).
In den beiden ersten Stücken singen Tizian Geyer, Knabensopran, und Sven Wagner, Knabenalt; gelegentlich unterstützt durch weitere Knaben aus dem Chor, die als Ripienisten agieren, in kleiner Besetzung. Das gilt auch beim Klaglied, das vom Knabensopran Yorick Ebert gesungen wird.
Wie gut diese Auffassung in der Praxis funktioniert, das zeigt die vor- liegende CD mit „Alter“ Kirchenmusik. Zu hören sind die Missa brevis in
F-Dur von Valentin Rathgeber (1682 bis 1750), das mittlerweile sehr bekannte Stabat mater von Giovanni Battista Pergolesi (1710 bis 1736) und das Klaglied BuxWV 76b von Dieterich Buxtehude (1637 bis 1707).
In den beiden ersten Stücken singen Tizian Geyer, Knabensopran, und Sven Wagner, Knabenalt; gelegentlich unterstützt durch weitere Knaben aus dem Chor, die als Ripienisten agieren, in kleiner Besetzung. Das gilt auch beim Klaglied, das vom Knabensopran Yorick Ebert gesungen wird.
Just for fun - World Trombone Quartet (Arcantus)
„Nachdem wir seit vielen Jahren in ganz unterschiedlichen Konstella- tionen und an ganz verschiedenen Orten der Welt zusammen gespielt, einander zugehört und uns so kennen- und schätzengelernt hatten, verspürten wir den Wunsch, aus Spaß gemeinsam zu musizieren“, berichten die Mitglieder des World Trombone Quartet im Beiheft zu dieser CD. „Mehr Zeit wollten wir zusammen verbringen, auch und vor allem, um voneinander zu lernen.“
Und so spielten im Jahre 2009 vier der weltbesten Posaunisten mitein- ander ein erstes Konzert: Joseph Alessi, erster Posaunist der New Yorker Philharmoniker und Professor an der Juilliard School of Music, Jörgen van Rijen, erster Posaunist des Concertgebouw Orchestra Amsterdam und Professor am Amsterdamer Konservatorium und dem CNSMD in Paris, Michel Becquet, Professor und Leiter der Blechblasabteilung am CNSMD in Lyon und Stefan Schulz, Baßposaunist der Berliner Philharmoniker und Professor an der Universität der Künste in Berlin. Besonders faszinierend finden die Vier, dass jeder von ihnen andere musikalische Wurzeln, andere Traditionen und einen anderen Stil hat.
Aus der Vielfalt schöpfen die Bläser Inspiration: „Wir haben die gemeinsa- men Probenphasen und Konzerte in den letzten Jahren so sehr genossen, dass wir immer wieder Gründe fanden, uns wiederzusehen und Zeit zusammen zu verbringen.“ Im September 2014, vor einem Konzert, stellten die Musiker schließlich fest, dass sie alle gleichzeitig eine ganze Woche frei hatten. Sie nutzten diese Zeit, um sich in Berlin zu treffen, zu proben – und diese CD aufzunehmen.
Darauf findet sich ein buntes Programm, das von In den angenehmen Büschen, aus den Neun deutschen Arien von Georg Friedrich Händel, bis zu explizit für dieses Ensemble komponierten neuen Werken in Erstein- spielung reicht. „Für diese CD haben wir versucht, eine Mischung aus bereits existierendem Repertoire und neuen Werken in verschiedenen Stilrichtungen zu finden, um die vielfältigen Möglichkeiten eines Posaunenquartetts aufzuzeigen“, schreiben die Bläser. Die Besetzungen wechseln; es sind nicht durchweg alle vier Musiker beteiligt. So ist Conversation von Charles Small ein Duo. Bei einigen Stücken, insbeson- dere dem Requiem op. 66 von David Popper und dem berühmten Clair de Lune von Claude Debussy, hat Saori Tomidoroko den Klavierpart über- nommen. Zu hören sind auch einige von Robert Schumanns Kinderszenen, das Crucifixus von Antonio Lotti, sowie zwei Sätze aus Low End Hifi, einer Suite für Posaunenquartett von dem holländischen Komponisten und Jazzpianisten Martin Fondse. „Daniel Schnyder, Komponist und Saxophonist, wurde in der Schweiz geboren und lebt heute in New York. Er schrieb für uns: Chorales and Interludia“, erläutern die Musiker im Beiheft. „Der belgische Komponist und Posaunist Steven Verheist schrieb für unsere Besetzung sein erstes Posaunenquartett.“
Und so spielten im Jahre 2009 vier der weltbesten Posaunisten mitein- ander ein erstes Konzert: Joseph Alessi, erster Posaunist der New Yorker Philharmoniker und Professor an der Juilliard School of Music, Jörgen van Rijen, erster Posaunist des Concertgebouw Orchestra Amsterdam und Professor am Amsterdamer Konservatorium und dem CNSMD in Paris, Michel Becquet, Professor und Leiter der Blechblasabteilung am CNSMD in Lyon und Stefan Schulz, Baßposaunist der Berliner Philharmoniker und Professor an der Universität der Künste in Berlin. Besonders faszinierend finden die Vier, dass jeder von ihnen andere musikalische Wurzeln, andere Traditionen und einen anderen Stil hat.
Aus der Vielfalt schöpfen die Bläser Inspiration: „Wir haben die gemeinsa- men Probenphasen und Konzerte in den letzten Jahren so sehr genossen, dass wir immer wieder Gründe fanden, uns wiederzusehen und Zeit zusammen zu verbringen.“ Im September 2014, vor einem Konzert, stellten die Musiker schließlich fest, dass sie alle gleichzeitig eine ganze Woche frei hatten. Sie nutzten diese Zeit, um sich in Berlin zu treffen, zu proben – und diese CD aufzunehmen.
Darauf findet sich ein buntes Programm, das von In den angenehmen Büschen, aus den Neun deutschen Arien von Georg Friedrich Händel, bis zu explizit für dieses Ensemble komponierten neuen Werken in Erstein- spielung reicht. „Für diese CD haben wir versucht, eine Mischung aus bereits existierendem Repertoire und neuen Werken in verschiedenen Stilrichtungen zu finden, um die vielfältigen Möglichkeiten eines Posaunenquartetts aufzuzeigen“, schreiben die Bläser. Die Besetzungen wechseln; es sind nicht durchweg alle vier Musiker beteiligt. So ist Conversation von Charles Small ein Duo. Bei einigen Stücken, insbeson- dere dem Requiem op. 66 von David Popper und dem berühmten Clair de Lune von Claude Debussy, hat Saori Tomidoroko den Klavierpart über- nommen. Zu hören sind auch einige von Robert Schumanns Kinderszenen, das Crucifixus von Antonio Lotti, sowie zwei Sätze aus Low End Hifi, einer Suite für Posaunenquartett von dem holländischen Komponisten und Jazzpianisten Martin Fondse. „Daniel Schnyder, Komponist und Saxophonist, wurde in der Schweiz geboren und lebt heute in New York. Er schrieb für uns: Chorales and Interludia“, erläutern die Musiker im Beiheft. „Der belgische Komponist und Posaunist Steven Verheist schrieb für unsere Besetzung sein erstes Posaunenquartett.“
Dienstag, 8. November 2016
Wies de Boevé - Double Bass (Genuin)
Wies de Boevé gewann 2015 den Deutschen Musikwettbewerb – mit dem Kontrabass. Das ist ein Ereignis, denn in der mittlerweile 40jährigen Geschichte dieses renommierten Instrumentalwettbewerbes ist der erste Preis in der Kategorie Kontrabass zuvor noch nie vergeben worden. „Das Schöne an diesem Wettbewerb ist, dass jedes Instrument gleich behandelt wird“, sagt der Preisträger. „Im Finale mit Orchester tritt man dann einfach gegeneinander an.“
Und da hatte Wies de Boevé einiges aufzubieten, wenn man seine Debüt-CD anhört, die bei Genuin erschienen ist. Der junge Musiker, seit kurzem stellvertretender Solobassist des BR-Symphonieorchesters, spielt mit seiner Klavierpartnerin Tomoko Takahashi virtuose Kontrabassliteratur von Giovanni Bottesini (1821 bis 1889), vertreten mit Rêverie und Introduzione e Bolero, bis hin zu Astor Piazzolla (1921 bis 1992). Vier sehr gelungene Werke von Reinhold Glière (1875 bis 1956) stehen am Beginn des Programmes, das durch Prélude, Habanera et Allegro op. 106 von Joseph Jongen (1873 bis 1953) sehr schön abgerundet wird. Besonderer Clou: Die Kadenz für Kontrabass solo von Teppo Hauta-aho (*1941). Hier kann man gut sieben Minuten lang darüber staunen, was man auf einem Kontrabass so alles spielen kann – wenn man's kann.
Zufrieden zurücklehnen aber will sich der Solist noch lange nicht: „Alles, was ich gemacht habe, öffnete eine neue Tür. Und ich bin dann einfach immer weiter ,gehüpft'“, beschreibt Wies de Boevé seine musikalische Entwicklung. „Ich hoffe, das hört so bald nicht auf, denn ich möchte gerne noch viel weiter kommen. Damit meine ich nicht irgendeine Stelle in einem Orchester oder so. Ich habe soviel Musik in meinem Kopf und der möchte ich näher kommen, ohne jede instrumentale Begrenzung. Das ist auch ein Grund, warum ich übe. Ich befürchte allerdings, je weiter ich in die Musik eindringe und je besser ich spiele, umso mehr Fragen habe ich dann auch an die Musik. Daran will ich aber im Moment nicht denken. Ich bleibe gerne noch etwas naiv. Eines Tages werde ich vielleicht so spielen, wie ich es möchte.“
Und da hatte Wies de Boevé einiges aufzubieten, wenn man seine Debüt-CD anhört, die bei Genuin erschienen ist. Der junge Musiker, seit kurzem stellvertretender Solobassist des BR-Symphonieorchesters, spielt mit seiner Klavierpartnerin Tomoko Takahashi virtuose Kontrabassliteratur von Giovanni Bottesini (1821 bis 1889), vertreten mit Rêverie und Introduzione e Bolero, bis hin zu Astor Piazzolla (1921 bis 1992). Vier sehr gelungene Werke von Reinhold Glière (1875 bis 1956) stehen am Beginn des Programmes, das durch Prélude, Habanera et Allegro op. 106 von Joseph Jongen (1873 bis 1953) sehr schön abgerundet wird. Besonderer Clou: Die Kadenz für Kontrabass solo von Teppo Hauta-aho (*1941). Hier kann man gut sieben Minuten lang darüber staunen, was man auf einem Kontrabass so alles spielen kann – wenn man's kann.
Zufrieden zurücklehnen aber will sich der Solist noch lange nicht: „Alles, was ich gemacht habe, öffnete eine neue Tür. Und ich bin dann einfach immer weiter ,gehüpft'“, beschreibt Wies de Boevé seine musikalische Entwicklung. „Ich hoffe, das hört so bald nicht auf, denn ich möchte gerne noch viel weiter kommen. Damit meine ich nicht irgendeine Stelle in einem Orchester oder so. Ich habe soviel Musik in meinem Kopf und der möchte ich näher kommen, ohne jede instrumentale Begrenzung. Das ist auch ein Grund, warum ich übe. Ich befürchte allerdings, je weiter ich in die Musik eindringe und je besser ich spiele, umso mehr Fragen habe ich dann auch an die Musik. Daran will ich aber im Moment nicht denken. Ich bleibe gerne noch etwas naiv. Eines Tages werde ich vielleicht so spielen, wie ich es möchte.“
Montag, 7. November 2016
Spohr - Onslow: Nonets (Ramée)
„Der wahre Inhalt des Romantischen ist die absolute Innerlichkeit“, schrieb einst Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Der Philosoph sieht die Romantik als Gegenbewegung zur Aufklärung mit ihrer Suche nach Objektivität. Nicht die Vernunft, sondern das Individuum rückte in den Mittelpunkt. Das zeigt sich auch in der Musik: „In this recording we present two pieces of early romantic music, in which the clear lines and transparency of classical music begin to give way to an impressionistic soundscape of shifts and slides and a vexatious chromaticism that draws the listener to unexpected destinations“, schreibt Kate Clark, die Flötistin des Ensembles Osmosis in dem sehr informativen Beiheft.
Louis Spohr (1784 bis 1859), bekannt nicht zuletzt als Geigenvirtuose, komponierte sein Grand Nonetto pour Violon, Alto, Violoncelle, Contrabasse, Flûte, Hautbois, Clarinette, Basson et Cor op. 31 im Jahre 1813 als Auftragswerk für den Tuchhändler Johann Tost. Er wünschte sich ein Stück für neun Mitwirkende – wobei das Werk zudem den besonderen Charakter eines jeden Instrumentes betonen sollte.
André George Louis Onslow (1784 bis 1853) war der Sohn eines britischen Adligen, der in Frankreich lebte. Die Familie war sehr vermögend, so dass Onslow niemals Geld verdienen musste. In der ersten Hälfte des 19. Jahr- hunderts gilt er als der wichtigste Komponist von Kammermusik in Frankreich. Onslow schrieb ein Nonetto pour Violon, Alto, Violoncelle, Contrabasse, Flûte, Hautbois, Clarinette, Cor et Basson op. 77.
Die beiden Nonette, so unterschiedllich sie auch sind, können jeweils als exemplarisch für die frühromantische Kammermusik gelten. Das Ensemble Osmosis hat für diese Aufnahme mit großer Sorgfalt eine Auswahl an historischen Instrumenten zusammengestellt, so dass charakteristische Klangfarben jener Zeit zu vernehmen sind. Die Aufnahme, gewohnt erst- klassig betreut von Rainer Arndt, beeindruckt durch ihre Ausdrucksstärke sowie durch ein klares, ausgewogenes Klangbild – was einmal mehr den Eindruck verstärkt: Alles, was das Label Ramée veröffentlicht, ist rundum gut. Großes Kompliment!
Louis Spohr (1784 bis 1859), bekannt nicht zuletzt als Geigenvirtuose, komponierte sein Grand Nonetto pour Violon, Alto, Violoncelle, Contrabasse, Flûte, Hautbois, Clarinette, Basson et Cor op. 31 im Jahre 1813 als Auftragswerk für den Tuchhändler Johann Tost. Er wünschte sich ein Stück für neun Mitwirkende – wobei das Werk zudem den besonderen Charakter eines jeden Instrumentes betonen sollte.
André George Louis Onslow (1784 bis 1853) war der Sohn eines britischen Adligen, der in Frankreich lebte. Die Familie war sehr vermögend, so dass Onslow niemals Geld verdienen musste. In der ersten Hälfte des 19. Jahr- hunderts gilt er als der wichtigste Komponist von Kammermusik in Frankreich. Onslow schrieb ein Nonetto pour Violon, Alto, Violoncelle, Contrabasse, Flûte, Hautbois, Clarinette, Cor et Basson op. 77.
Die beiden Nonette, so unterschiedllich sie auch sind, können jeweils als exemplarisch für die frühromantische Kammermusik gelten. Das Ensemble Osmosis hat für diese Aufnahme mit großer Sorgfalt eine Auswahl an historischen Instrumenten zusammengestellt, so dass charakteristische Klangfarben jener Zeit zu vernehmen sind. Die Aufnahme, gewohnt erst- klassig betreut von Rainer Arndt, beeindruckt durch ihre Ausdrucksstärke sowie durch ein klares, ausgewogenes Klangbild – was einmal mehr den Eindruck verstärkt: Alles, was das Label Ramée veröffentlicht, ist rundum gut. Großes Kompliment!
Haydn Symphonies 78 79 80 81 (Decca)
„I have always been interested in less ;easy' repertoire; well known by experts but not as appreciated by the general public“, schreibt Ottavio Dantone im Beiheft zu dieser Doppel-CD. „I approached these symphonies from Haydn's Sturm und Drang period with a view to understanding the great dynamic and expressive contrasts hidden in the scores.“
Dass die Sinfonien dieser Aufnahme zu den weniger bekannten gehören, wird bereits an der Tatsache deutlich, dass zwei von ihnen, mit den Nummern 79 und 81, hier zum ersten Male mit historischen Instrumenten eingespielt worden sind. Als er diese Werke komponierte, lag Haydns sogenannte „Sturm-und-Drang“-Zeit allerdings schon etliche Jahre zurück; auch wenn die erste der vier Sinfonien dieser Aufnahme ein wenig düster und spannungsvoll beginnt. Die Sinfonie Nr. 78 gehört zu einer ersten Gruppe von Werken, 1782 im Druck erschienen, die Haydn bewusst für den Musikmarkt, für seine Ver- leger und ihre Kunden, geschrieben hat.
Die nächsten drei Sinfonien, Nr. 79 bis 81, stellte er 1784 fertig. Sie sind ebenfalls überaus kunstvoll gestaltet, mt leichter Hand, und enthalten hier und da auch einen der typischen Haydnschen Scherze. Diese Musik war seinerzeit so beliebt, dass ihr Schöpfer 1785 den Auftrag erhielt, sechs Werke für das vergleichsweise große Orchester der Concerts de la Loge Olympique zu schreiben – die Pariser Sinfonien. Doch das ist schon wieder eine andere Geschichte.
Haydn schätze ich sehr, und höre ihn gern und oft; immer wieder sind neue Facetten und neue Details zu entdecken. Wer den Komponisten nur als „Papa Haydn“, der den Weg freimachte für Mozart, oder aber als einen Vorgänger Beethovens versteht, der hat ihn mit Sicherheit nicht verstan- den. Dass sich Dantone mit der Accademia Bizantina diesen vier Sinfonien zuwendet, ist daher erfreulich. Zwar gibt es bereits etliche Aufnahmen; erinnert sei hier insbesondere an die legendäre Gesamteinspielung, die Antal Dorati, ebenfalls für Decca, in den 70er Jahren in Marl (!) mit der dort ansässigen Philharmonia Hungarica erarbeitet hatte.
Auch Dantone setzt ganz auf kammermusikalische Präzision, und durch den Einsatz des zeitgenössischen Instrumentariums nähert er sich obendrein dem Klang jener Jahre an. Mit einer kleinen Besetzung geht er auf Entdeckungsreise: „It is well known that eighteenth-century music contains more ,non-written' elements than written ones“, so Dantone. „Discovering these hidden aspects – the secret codes that reveal the music's varying emotions from the most intimate to the most intense – is a highly interesting and creative process.“ Das Resultat kann in diesem Falle auch der Zuhörer genießen – es lohnt sich.
Dass die Sinfonien dieser Aufnahme zu den weniger bekannten gehören, wird bereits an der Tatsache deutlich, dass zwei von ihnen, mit den Nummern 79 und 81, hier zum ersten Male mit historischen Instrumenten eingespielt worden sind. Als er diese Werke komponierte, lag Haydns sogenannte „Sturm-und-Drang“-Zeit allerdings schon etliche Jahre zurück; auch wenn die erste der vier Sinfonien dieser Aufnahme ein wenig düster und spannungsvoll beginnt. Die Sinfonie Nr. 78 gehört zu einer ersten Gruppe von Werken, 1782 im Druck erschienen, die Haydn bewusst für den Musikmarkt, für seine Ver- leger und ihre Kunden, geschrieben hat.
Die nächsten drei Sinfonien, Nr. 79 bis 81, stellte er 1784 fertig. Sie sind ebenfalls überaus kunstvoll gestaltet, mt leichter Hand, und enthalten hier und da auch einen der typischen Haydnschen Scherze. Diese Musik war seinerzeit so beliebt, dass ihr Schöpfer 1785 den Auftrag erhielt, sechs Werke für das vergleichsweise große Orchester der Concerts de la Loge Olympique zu schreiben – die Pariser Sinfonien. Doch das ist schon wieder eine andere Geschichte.
Haydn schätze ich sehr, und höre ihn gern und oft; immer wieder sind neue Facetten und neue Details zu entdecken. Wer den Komponisten nur als „Papa Haydn“, der den Weg freimachte für Mozart, oder aber als einen Vorgänger Beethovens versteht, der hat ihn mit Sicherheit nicht verstan- den. Dass sich Dantone mit der Accademia Bizantina diesen vier Sinfonien zuwendet, ist daher erfreulich. Zwar gibt es bereits etliche Aufnahmen; erinnert sei hier insbesondere an die legendäre Gesamteinspielung, die Antal Dorati, ebenfalls für Decca, in den 70er Jahren in Marl (!) mit der dort ansässigen Philharmonia Hungarica erarbeitet hatte.
Auch Dantone setzt ganz auf kammermusikalische Präzision, und durch den Einsatz des zeitgenössischen Instrumentariums nähert er sich obendrein dem Klang jener Jahre an. Mit einer kleinen Besetzung geht er auf Entdeckungsreise: „It is well known that eighteenth-century music contains more ,non-written' elements than written ones“, so Dantone. „Discovering these hidden aspects – the secret codes that reveal the music's varying emotions from the most intimate to the most intense – is a highly interesting and creative process.“ Das Resultat kann in diesem Falle auch der Zuhörer genießen – es lohnt sich.
Sonntag, 6. November 2016
William Youn plays Mozart Sonatas Vol. 4 (Oehms Classics)
Auf dieser CD hat William Youn vier Klaviersonaten zusammengefasst, die zwar zu sehr unterschiedlichen Zeiten entstanden sind, sich aber ebenso durch Virtuosität wie durch Individualität auszeichnen. Die beiden Klaviersonaten KV 281 und 283 gehören zu jenen sechs frühen Werken, die Mozart 1775 unmittelbar nach der Uraufführung seiner Oper La finta giardiniera, wahrscheinlich noch in München, geschrieben hat. 1783 entstanden ist die Sonate KV 333, vermutet wird, dass sie in Linz komponiert wurde – im Umfeld der Linzer Sinfonie KV 425. KV 576 hingegen ist Mozarts letzte Klaviersonate. Geschaffen wurde sie für Prinzessin Friederike, die Tochter des preußi- schen Königs Friedrich Wilhelm II. – eigentlich wollte Mozart für sie, wie er betonte, sechs „leichte Klavier-Sonaten“ komponieren. Doch dann wurde daraus ein Werk, das nicht nur technisch überaus anspruchsvoll geraten ist, sondern auch musikalisch viel zu bieten hat.
William Youn erweist sich einmal mehr als ein exzellenter Mozart-Inter- pret. Er spielt brillant, wo Brillanz gefragt ist – und sehr poetisch, wo Mozart empfindsam wird. Seine Technik ist atemberaubend. Nichts passiert hier zufällig oder im Affekt; jede Phrase wird sorgsam vom ersten bis zu letzten Ton gestaltet. Diese Gesamtaufnahme setzt schon jetzt Maßstäbe. Und man darf gespannt darauf sein, welches Repertoire der junge Pianist für seine nächsten Projekte auswählen wird. Wer so durchdacht und souverän musiziert, dem steht die Welt offen. Bravo!
William Youn erweist sich einmal mehr als ein exzellenter Mozart-Inter- pret. Er spielt brillant, wo Brillanz gefragt ist – und sehr poetisch, wo Mozart empfindsam wird. Seine Technik ist atemberaubend. Nichts passiert hier zufällig oder im Affekt; jede Phrase wird sorgsam vom ersten bis zu letzten Ton gestaltet. Diese Gesamtaufnahme setzt schon jetzt Maßstäbe. Und man darf gespannt darauf sein, welches Repertoire der junge Pianist für seine nächsten Projekte auswählen wird. Wer so durchdacht und souverän musiziert, dem steht die Welt offen. Bravo!
Beethoven: Serenata per Flauto Violino e Viola op. 25 (MDG)
Auf der Suche nach dem fernen Klang der Romantik hat das Ardinghello Ensemble einen Abstecher in die Zeit der Wiener Klassik gemacht: Kammermusik von Ludwig van Beethoven ist, abgesehen von den Streichquartetten, ziemlich rar – und dass der Musiker ausgerechnet für Flöte, Violine und Viola seine Serenade op. 25 geschrieben hat, das ist ein echtes Kuriosum.
Karl Kaiser rätselt im Geleitwort zu dieser CD darüber, aus welchem Anlass dieses Werk entstanden sein könnte: „Offensichtlich ist es seine sehr persönliche Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Typus, die ihn zur Komposition veranlasste“, vermutet der Flötist. Er hat das aparte Werk, das sich um Konventionen wenig schert, mit hörbarem Vergnügen eingespielt: „Insgesamt wirkt das Trio op. 25 wie ein fröhlich-rebellischer Gegenentwurf zur leicht verdaulichen Alltagskunst vieler Serenaden-Zeitgenossen.“
Kombiniert wurde die Serenade mit einem weiteren Trio – diesmal in „klassischer“ Besetzung, mit Violine, Viola und Violoncello. Es ist, meint Kaiser, eine direkte Antwort auf Mozarts großartiges Divertimento Es-Dur KV 563. „Der Spagat von ausdruckstiefer, hochartifizieller Kompositions- technik und der Anlage als Divertimento-Musik ist an sich paradox, aber konzeptionell offensichtlich gewollt“, merkt Kaiser an. Egal – so brillant, wie Annette Rehberger, Sebastian Wohlfarth und Gesine Queyras vom Ardinghello Ensemble musizieren, vergisst der Zuhörer rasch das Rätseln über der Musikgeschichte und genießt diese prachtvolle Einspielung. Unbedingt anhören!
Karl Kaiser rätselt im Geleitwort zu dieser CD darüber, aus welchem Anlass dieses Werk entstanden sein könnte: „Offensichtlich ist es seine sehr persönliche Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Typus, die ihn zur Komposition veranlasste“, vermutet der Flötist. Er hat das aparte Werk, das sich um Konventionen wenig schert, mit hörbarem Vergnügen eingespielt: „Insgesamt wirkt das Trio op. 25 wie ein fröhlich-rebellischer Gegenentwurf zur leicht verdaulichen Alltagskunst vieler Serenaden-Zeitgenossen.“
Kombiniert wurde die Serenade mit einem weiteren Trio – diesmal in „klassischer“ Besetzung, mit Violine, Viola und Violoncello. Es ist, meint Kaiser, eine direkte Antwort auf Mozarts großartiges Divertimento Es-Dur KV 563. „Der Spagat von ausdruckstiefer, hochartifizieller Kompositions- technik und der Anlage als Divertimento-Musik ist an sich paradox, aber konzeptionell offensichtlich gewollt“, merkt Kaiser an. Egal – so brillant, wie Annette Rehberger, Sebastian Wohlfarth und Gesine Queyras vom Ardinghello Ensemble musizieren, vergisst der Zuhörer rasch das Rätseln über der Musikgeschichte und genießt diese prachtvolle Einspielung. Unbedingt anhören!
Samstag, 5. November 2016
Telemann: Recorder Sonatas & Fantasies; Thorby (Linn)
„I am full of admiration for the warmth and conviviality of Tele- mann's writing, the easy beauty of his melodies, and the knowing playfulness and ingenuity, across many national styles, that lovingly and effortlessly pervade his structu- ral and rhetorical compositional devices“, schreibt Pamela Torby im Geleitwort zu dieser Doppel-CD. Sie hat eine Auswahl an Sonaten sowie die Fantasien für Flöte solo von Georg Philipp Telemann eingespielt.
„I am lucky to be living in a new century that has seen a third golden age – after the Renaissance and Baroque – of recorder instrument-making and playing“, merkt die britische Flötistin an. „So I have seized the moment to record the fantasias on a wide range of recorders of many sizes, instruments known to players in the eighteenth century but only recently again perfected by modern makers. As an alternative to playing the set on a single instrument, I have tried to adopt an overarching progression of keys and recorders whose character, I felt, complemented each fantasia by turn (the original keys are in brackets).“ So groß ist die Vielfalt dann freilich nicht – es erklingen drei Altblockflöten, angefertigt von Luca de Paolis nach Denner und Bressan, sowie von Frederick Morgan nach Bressan/Stanesby, und zwei Voice-Flöten von Luca de Paolis nach Denner und Bressan.
Auch sonst lässt diese Aufnahme ein wenig Abwechslung und vor allem Esprit vermissen. Auch in den Sonaten, wo Pamela Thorby gemeinsam mit Peter Whelan, Fagott, Alison McGillivray, Violoncello), Elizabeth Kenny, Laute und Gitarre, und Marcin Świątkiewicz, Cembalo und Orgel, musi- ziert, klingt alles sehr brav und ein bisschen langweilig. Das hat Telemann so nicht verdient.
„I am lucky to be living in a new century that has seen a third golden age – after the Renaissance and Baroque – of recorder instrument-making and playing“, merkt die britische Flötistin an. „So I have seized the moment to record the fantasias on a wide range of recorders of many sizes, instruments known to players in the eighteenth century but only recently again perfected by modern makers. As an alternative to playing the set on a single instrument, I have tried to adopt an overarching progression of keys and recorders whose character, I felt, complemented each fantasia by turn (the original keys are in brackets).“ So groß ist die Vielfalt dann freilich nicht – es erklingen drei Altblockflöten, angefertigt von Luca de Paolis nach Denner und Bressan, sowie von Frederick Morgan nach Bressan/Stanesby, und zwei Voice-Flöten von Luca de Paolis nach Denner und Bressan.
Auch sonst lässt diese Aufnahme ein wenig Abwechslung und vor allem Esprit vermissen. Auch in den Sonaten, wo Pamela Thorby gemeinsam mit Peter Whelan, Fagott, Alison McGillivray, Violoncello), Elizabeth Kenny, Laute und Gitarre, und Marcin Świątkiewicz, Cembalo und Orgel, musi- ziert, klingt alles sehr brav und ein bisschen langweilig. Das hat Telemann so nicht verdient.
C.P.E. Bach: Piano Concertos (Hänssler Classic)
Mit dem Klavierkonzert hat sich Carl Philipp Emanuel Bach (1714 bis 1788) sein ganzes Leben lang inten- siv beschäftigt. Sein erstes Klavier- konzert schrieb der zweitälteste Sohn von Johann Sebastian Bach als 18jähriger, noch an der Thomas- schule in Leipzig. In seinem Todesjahr vollendete er in Hamburg sein letztes Klavierkonzert. Mehr als 50 dieser Werke schuf der Komponist in all den Jahren; und wer da Massenware vermutet, der irrt gewaltig. Das beweist auch Michael Rische, der inzwischen, nun mit der Kammersymphonie Leipzig, etliche dieser Konzerte eingespielt hat.
Im Gesamtwerk des „Hamburger“ Bach gibt es ohne Zweifel noch viel zu entdecken. Dazu zählt auch das Konzert für zwei Klaviere und Orchester Wq. 46, zu hören auf Vol. III, gespielt von Rische gemeinsam mit Rainer Maria Klaas. Unüberhörbar macht der berühmteste der Bach-Söhne deutlich, dass er ein neues Kapitel der Musikgeschichte aufzuschlagen gedenkt: An die Stelle des althergebrachten Kontrapunktes setzt der Kom- ponist die Arbeit mit dem Motiv, seine Verknüpfung und Verwandlung. Carl Philipp Emanuel Bach kennt die Erwartungen des Publikums; er spielt mit ihnen, und wenn alle glauben, genau zu wissen, wie es weitergehen muss, dann sorgt er für Überraschungen. Auch Rollen verändern sich: Der Pianist tritt aus dem Orchester heraus; er ist nicht mehr primus inter pares, sondern er wird zum Solisten.
Wie spielt man nun diese Musik des Überganges, der Innovationen, heute? Rische musiziert auf einem modernen Flügel, und er nutzt dessen Möglich- keiten auch voll aus – allerdings dezent, wohlüberlegt, ganz auf Klang und Tongebung orientiert. Er brilliert in den äußeren Sätzen, und lässt in den langsamen Mittelsätzen das Klavier singen, mit ganz viel Gefühl. Der Pianist konzertiert sowohl bei CD III als auch bei CD IV gemeinsam mit der Kammersymphonie Leipzig. Dieses Ensemble, 2007 von Mitgliedern des MDR Sinfonieorchesters gegründet, setzt die Tradition des Leipziger Rundfunk-Kammerorchesters fort. Es musiziert kraftvoll und sensibel, präzise und aufmerksam – zu den Klavierkonzerten Carl Philipp Emanuel Bachs passt das ausgezeichnet.
Im Gesamtwerk des „Hamburger“ Bach gibt es ohne Zweifel noch viel zu entdecken. Dazu zählt auch das Konzert für zwei Klaviere und Orchester Wq. 46, zu hören auf Vol. III, gespielt von Rische gemeinsam mit Rainer Maria Klaas. Unüberhörbar macht der berühmteste der Bach-Söhne deutlich, dass er ein neues Kapitel der Musikgeschichte aufzuschlagen gedenkt: An die Stelle des althergebrachten Kontrapunktes setzt der Kom- ponist die Arbeit mit dem Motiv, seine Verknüpfung und Verwandlung. Carl Philipp Emanuel Bach kennt die Erwartungen des Publikums; er spielt mit ihnen, und wenn alle glauben, genau zu wissen, wie es weitergehen muss, dann sorgt er für Überraschungen. Auch Rollen verändern sich: Der Pianist tritt aus dem Orchester heraus; er ist nicht mehr primus inter pares, sondern er wird zum Solisten.
Wie spielt man nun diese Musik des Überganges, der Innovationen, heute? Rische musiziert auf einem modernen Flügel, und er nutzt dessen Möglich- keiten auch voll aus – allerdings dezent, wohlüberlegt, ganz auf Klang und Tongebung orientiert. Er brilliert in den äußeren Sätzen, und lässt in den langsamen Mittelsätzen das Klavier singen, mit ganz viel Gefühl. Der Pianist konzertiert sowohl bei CD III als auch bei CD IV gemeinsam mit der Kammersymphonie Leipzig. Dieses Ensemble, 2007 von Mitgliedern des MDR Sinfonieorchesters gegründet, setzt die Tradition des Leipziger Rundfunk-Kammerorchesters fort. Es musiziert kraftvoll und sensibel, präzise und aufmerksam – zu den Klavierkonzerten Carl Philipp Emanuel Bachs passt das ausgezeichnet.
Abonnieren
Posts (Atom)