Der Countertenor James Bowman gab sein Debüt 1967 in der Rolle des Oberon. Er sang jedoch nicht nur in den Opern von Benjamin Britten; für den Sänger wurden viele Partien geschrieben, und er wurde auch häufig für die soge- nannte "Alte" Musik engagiert. So trug er dazu bei, dass viele Werke Händels für die Bühne wiederent- deckt wurden, die dieser für Ka- straten geschrieben hatte.
Dass auch ein Countertenor die Bravourarien, die Händel für seine italienischen Stars geschaffen hat, singen kann, wenn das Timbre seiner Stimme dazu passt, beweist diese CD aus dem Jahre 1990. Zur Erinnerung: 2005 hat Andreas Scholl, ein Superstar dieses Faches, als erster Countertenor überhaupt drei Händel-Arien auf der Last Night oft the Proms gesungen. Mittlerweile haben auch einige Sänger der jüngeren Generation dieses Repertoire für sich entdeckt, und es sind einige CD erschienen.
Vergleicht man diese Aufnahmen mit der vorliegenden, so wird man festellen, dass Bowman - Jahrgang 1941 - nicht nur technisch noch immer außerordentlich überzeugt. Seine Stimme klingt geradezu jugendlich, er verfügt über eine beneidenswerte Geläufigkeit, und seine Gestaltungskunst ist hinreißend. Das King's Consort unter Robert King ist Bowman ein temperamentvoller Begleiter.
Sonntag, 29. Juli 2012
Samstag, 28. Juli 2012
Jana Büchner - Gedanken der Liebe (Auris Subtilis)
Es waren Zufälle, die die Chemnit- zer Sängerin Jana Büchner mit der Dresdner Pianistin Brita Wieder- anders und mit dem in Arizona lebenden Pianisten Eckart Sellheim zusammenführte. Doch in diesem Falle führte, wie so oft, die unver- hoffte Begegnung, die hastig auf einen Zettel gekritzelte Telefon- nummer zu einer künstlerischen Partnerschaft. Diese CD, berichtet die Sopranistin im Beiheft, ver- dankt der Zuhörer also nicht zu- letzt den "kleinen Launen des Schicksals" - denen freilich auch eine große Portion musikalische Kompetenz aufgeholfen hat.
Da wäre zunächst die Werkauswahl, die sich nicht allein mit bekann- ten Liedern prominenter Komponisten bescheidet - die drei Lieder von Fanny Hensel, die Jana Büchner denen ihres Bruders Felix Mendelssohn Bartholdy zugesellt hat, hört man nicht gerade häufig. Büchner wählte zudem einige Lieder mit obligatem Horn, so Auf dem Strom von Franz Schubert, bei dem "Gesang, Horn und Klavier zu einem wahren Klanggemälde verschmelzen", so die Sängerin.
Der Dresdner Hornist Hans-Peter Fieber fügt sich mit seinem schlanken, eleganten Ton gut ein, und seinem großartigen Spiel, das sich aber nirgends in den Vordergrund drängt, lauscht man wirklich gerne. Bei den Recherchen zu Schuberts Lied stießen die Musiker zudem darauf, dass der Hornist, der einst Schuberts Werk mit uraufgeführt hatte, auch selbst zwei solche Lieder geschaffen hat: Joseph-Rodolphe Lewy, ausgebildet am Konservatorium in Paris, gehörte zu den ersten Virtuosen des neu erfundenen Ventilhorns. Auf dieser CD erklingt zum Abschluss, sehr passend, sein Lied Freund- schaft oder Liebe.
Dem schmetterlingsleichten, schön timbrierten Sopran von Jana Büchner liegen natürlich die Mozart-Lieder besonders gut. Es wird daher nicht verwundern, dass auf dieser CD etliche davon zu finden sind. Auch bei Schubert fand Büchner eine größere Anzahl Lieder, die sie ebenfalls sehr ansprechend gestaltet.
Dabei stehen ihr zwei erfahrene Liedbegleiter zur Seite. "Um dem (...) authentischen Klangbild der Entstehungszeit dieser Lieder nahe- zukommen, tauschten wir den brillanten Sound eines modernen Flügels gegen den warmen mattgoldnen Klang damals zeitgemäßer Hammerflügel", schreibt Jana Büchner, "wodurch meinem Empfin- den nach der menschlichen Stimme eine noch größere Präsenz im Bezug auf Ausdrucksintensität und Klanglichkeit zukommt, als dies ohnehin beim Liedgesang schon der Fall ist."
Der Leipziger Klavierbauer Martin Schwabe, spezialisiert auf histo- rische Tasteninstrumente, hat dafür zum einen den Nachbau eines Fortepianos nach einem Vorbild von Anton Walter, Wien 1795, zur Verfügung gestellt. Dieses Instrument stammt aus seiner eigenen Werkstatt. Dort wurde auch das zweite Fortepiano restauriert, ein Hammerflügel von Ignaz Pleyel, gebaut 1846 in Paris. Das ermöglicht einen spannenden Klangvergleich - doch auch sonst ist diese CD mit ihrem überzeugenden Konzept sehr hörenswert.
Da wäre zunächst die Werkauswahl, die sich nicht allein mit bekann- ten Liedern prominenter Komponisten bescheidet - die drei Lieder von Fanny Hensel, die Jana Büchner denen ihres Bruders Felix Mendelssohn Bartholdy zugesellt hat, hört man nicht gerade häufig. Büchner wählte zudem einige Lieder mit obligatem Horn, so Auf dem Strom von Franz Schubert, bei dem "Gesang, Horn und Klavier zu einem wahren Klanggemälde verschmelzen", so die Sängerin.
Der Dresdner Hornist Hans-Peter Fieber fügt sich mit seinem schlanken, eleganten Ton gut ein, und seinem großartigen Spiel, das sich aber nirgends in den Vordergrund drängt, lauscht man wirklich gerne. Bei den Recherchen zu Schuberts Lied stießen die Musiker zudem darauf, dass der Hornist, der einst Schuberts Werk mit uraufgeführt hatte, auch selbst zwei solche Lieder geschaffen hat: Joseph-Rodolphe Lewy, ausgebildet am Konservatorium in Paris, gehörte zu den ersten Virtuosen des neu erfundenen Ventilhorns. Auf dieser CD erklingt zum Abschluss, sehr passend, sein Lied Freund- schaft oder Liebe.
Dem schmetterlingsleichten, schön timbrierten Sopran von Jana Büchner liegen natürlich die Mozart-Lieder besonders gut. Es wird daher nicht verwundern, dass auf dieser CD etliche davon zu finden sind. Auch bei Schubert fand Büchner eine größere Anzahl Lieder, die sie ebenfalls sehr ansprechend gestaltet.
Dabei stehen ihr zwei erfahrene Liedbegleiter zur Seite. "Um dem (...) authentischen Klangbild der Entstehungszeit dieser Lieder nahe- zukommen, tauschten wir den brillanten Sound eines modernen Flügels gegen den warmen mattgoldnen Klang damals zeitgemäßer Hammerflügel", schreibt Jana Büchner, "wodurch meinem Empfin- den nach der menschlichen Stimme eine noch größere Präsenz im Bezug auf Ausdrucksintensität und Klanglichkeit zukommt, als dies ohnehin beim Liedgesang schon der Fall ist."
Der Leipziger Klavierbauer Martin Schwabe, spezialisiert auf histo- rische Tasteninstrumente, hat dafür zum einen den Nachbau eines Fortepianos nach einem Vorbild von Anton Walter, Wien 1795, zur Verfügung gestellt. Dieses Instrument stammt aus seiner eigenen Werkstatt. Dort wurde auch das zweite Fortepiano restauriert, ein Hammerflügel von Ignaz Pleyel, gebaut 1846 in Paris. Das ermöglicht einen spannenden Klangvergleich - doch auch sonst ist diese CD mit ihrem überzeugenden Konzept sehr hörenswert.
Mozart: Sonatas for Piano and Violin (Oehms Classics)
Mit Mozart-Sonaten gibt die junge Geigerin Friedrike Starkloff ihr CD-Debüt. Das ist kein Zufall, sondern Bestandteil ihres Zweiten Preises 2009 beim Internationalen Leo- pold-Mozart-Wettbewerb in Augs- burg. Die gebürtige Chemnitzerin, Jahrgang 1990, spielt seit ihrem vierten Lebensjahr Geige. Zunächst unterrichtet sie ihre Mut- ter. Doch als die kleine Friederike schon nach kurzer Zeit ein mehre- re Seiten langes Violinkonzert auswendig und fehlerfrei spielte, gab sie die weitere Ausbildung in professionelle Hände. Dafür ging sie nach Freiburg, wo Friederike Starkloff an der Pflüger-Stiftung durch Professor Wolfgang Marschner unterrichtet wurde. Seit dem Sommer- semester 2008 studiert die junge Musikerin in Freiburg bei Professor Rainer Kussmaul.
Sie hat nicht nur beim Wettbewerb "Jugend musiziert" eine Vielzahl von Preisen gewonnen. So war sie die Siegerin des Zehnten Inter- nationalen Violinwettbewerbes Ludwig Spohr 2006 in Freiburg, des Ersten Internationalen Wettbewerbs Violine in Dresden 2008, und 2010 wurde sie Bachpreisträgerin in Leipzig in der Kategorie Violi- ne/Barockvioline.
Auf dieser CD musiziert Friederike Starkloff gemeinsam mit José Gallardo. Sie spielt selbstbewusst, mit schönem Ton und kluger Phrasierung. Mit Mozart-Sonaten aufzufallen, das ist keine einfache Aufgabe. Starkloff verzichtet dennoch auf jegliche Effekthascherei, sie setzt auf eine klare, saubere Interpretation, und überzeugt damit. Gratulation!
Sie hat nicht nur beim Wettbewerb "Jugend musiziert" eine Vielzahl von Preisen gewonnen. So war sie die Siegerin des Zehnten Inter- nationalen Violinwettbewerbes Ludwig Spohr 2006 in Freiburg, des Ersten Internationalen Wettbewerbs Violine in Dresden 2008, und 2010 wurde sie Bachpreisträgerin in Leipzig in der Kategorie Violi- ne/Barockvioline.
Auf dieser CD musiziert Friederike Starkloff gemeinsam mit José Gallardo. Sie spielt selbstbewusst, mit schönem Ton und kluger Phrasierung. Mit Mozart-Sonaten aufzufallen, das ist keine einfache Aufgabe. Starkloff verzichtet dennoch auf jegliche Effekthascherei, sie setzt auf eine klare, saubere Interpretation, und überzeugt damit. Gratulation!
Schein: Israelsbrünnlein (Carus)
Zum anderen sind beide der Dresdner Musiktradition verpflichtet. Schein erhielt einen wesentlichen Teil seiner Ausbildung als Kapell- knabe am Dresdner Hof unter Rogier Michael, dem Amtsvorgänger von Heinrich Schütz. Über seine Biographie wurde in diesem Blog an anderer Stelle bereits ausführlich berichtet; Schein wirkte viele Jahre als Thomaskantor in Leipzig. Dort veröffentlichte er 1623 Israels Brünnlein, eine Sammlung von 26 Motetten, die überwiegend Bibelworte aus dem Alten Testament mit dem Mitteln der Musik auslegen.
Rademann entdeckte sein Interesse für die Chormusik in der Kantorei seines Vaters Rolf Rademann. Er sang im Dresdner Kreuzchor, und studierte an der Dresdner Musikhochschule Chor- und Orchester- dirigat. 1985 gründete Rademann den Dresdner Kammerchor, der auch mit dieser Einspielung wieder beweist, dass er zu den führenden europäischen Ensembles gehört.
Ein Teil der Aufnahmen entstand bereits im März 2000; die fehlenden Werke hat der Chor nun im März 2012 eingespielt. Und obwohl nur einzelne Chorsänger an beiden Aufnahmen mitwirkten, und das Continuo komplett neu besetzt wurde, gelingt es Rademann und den beteiligten Musikern, eine beeindruckende Klangkontinuität zu erreichen - wenn es nicht im Beiheft nachzulesen wäre, hören würde man es nicht, welche Stücke zu welchem Termin aufgezeichnet worden sind. Der Chor singt engagiert, und gestaltet Scheins "auff Italiän-Madrigalische Manir" komponierte Motetten, die ähnlich wie die Geistliche Chor-Music von Heinrich Schütz den Text in den Mittelpunkt stellen, eindrucksvoll.
Donnerstag, 26. Juli 2012
Pepusch: Concertos and Ouvertures for London (Ramée)
Johann Christoph Pepusch (1667 bis 1752) war der Sohn eines Ber- liner Pfarrers. Über seine Kindheit und Jugend ist ansonsten wenig bekannt. Auch über seine Ausbil- dung wissen wir nichts.
Wann und warum er aus Preußen nach England ging, lässt sich ebenfalls wohl nicht mehr heraus- finden. Fakt ist: Dort tauchte er zu Beginn des 18. Jahrhunderts auf - und war binnen kürzester Frist hoch angesehen und als Komponist insbesondere von Instrumentalmusik weithin bekannt.
Pepusch galt als enorm gelehrt, und wurde 1713 in Oxford zum Dok- tor der Musik promoviert. Er war Mitbegründer der Academy of Ancient Music, engagierte sich sehr für die Pflege musikalischer Traditionen und besaß eine legendäre Musikaliensammlung. Bekannt ist er uns heute nur noch im Zusammenhang mit The Beggar's Opera, für die er die Ouvertüre und Continuo-Stimmen für die Lieder ge- schrieben hat. In diesem Stück verspottete John Gay 1728 sowohl die italienische Oper als auch etliche Politiker. Es war ein großer Erfolg, doch das Theater scheint für Pepusch eher deshalb interessant ge- wesen zu sein, weil es ihm eine Bühne für seine Konzerte bot.
Es ist erstaunlich, aber diese Werke schlummern bis zum heutigen Tage, verstreut über halb Europa, in Archiven. "Abgesehen von der Ouvertüre zu The Beggar's Opera ist bis zum Zeitpunkt dieser Auf- nahme keines seiner anderen Stücke jemals eingespielt worden", wundert sich Robert G. Rawson. Er hat nach den Handschriften das Aufführungsmaterial für diese Aufnahme erarbeitet. Der Kontra- bassist hatte 2006 gemeinsam mit dem Geiger Ben Samson und dem Cembalisten Deviad Wright The Harmonious Society of Tickle-Fiddle Gentlemen gegründet, um solchen Raritäten wieder den Weg zurück auf die Konzertbühne zu bahnen. Und mit diesem Ensemble hat er nun bei dem audiophilen Label Ramée außer dieser Ouvertüre noch die zu Venus and Adonis sowie sechs Konzerte des Komponisten der Öffentlichkeit erstmals wieder vorgestellt.
Das lohnt sich: Es sind ideen- und abwechslungsreiche Werke, teil- weise in der Form des dreisätzigen italienischen Konzertes, teils viersätzig und mitunter auch als Concerto grosso mit fünf Sätzen gestaltet. Die konzertierenden Instrumente wechseln; Pepusch soll sogar ein Konzert geschrieben haben, bei dem Pauken den Solopart übernehmen - es ist auf dieser CD aber nicht zu hören. Doch auch Oboe, Violine, Trompete sowie Cello und Fagott sorgen, jeweils in Kombination mit Streichern und Basso continuo, für farbenreiche Klänge. Der Leser denke sich eine Kreuzung zwischen Vivaldi und Händel. Die Musiker zeigen sich spielfreudig und versiert, ihnen zu lauschen, ist ein ausgesprochenes Vergnügen. Herzlichen Dank an Rainer Arndt, der hier mit seinem Label Ramée erneut ein Herzblut-Projekt verwirklicht hat - und, bitte, mehr davon!
Wann und warum er aus Preußen nach England ging, lässt sich ebenfalls wohl nicht mehr heraus- finden. Fakt ist: Dort tauchte er zu Beginn des 18. Jahrhunderts auf - und war binnen kürzester Frist hoch angesehen und als Komponist insbesondere von Instrumentalmusik weithin bekannt.
Pepusch galt als enorm gelehrt, und wurde 1713 in Oxford zum Dok- tor der Musik promoviert. Er war Mitbegründer der Academy of Ancient Music, engagierte sich sehr für die Pflege musikalischer Traditionen und besaß eine legendäre Musikaliensammlung. Bekannt ist er uns heute nur noch im Zusammenhang mit The Beggar's Opera, für die er die Ouvertüre und Continuo-Stimmen für die Lieder ge- schrieben hat. In diesem Stück verspottete John Gay 1728 sowohl die italienische Oper als auch etliche Politiker. Es war ein großer Erfolg, doch das Theater scheint für Pepusch eher deshalb interessant ge- wesen zu sein, weil es ihm eine Bühne für seine Konzerte bot.
Es ist erstaunlich, aber diese Werke schlummern bis zum heutigen Tage, verstreut über halb Europa, in Archiven. "Abgesehen von der Ouvertüre zu The Beggar's Opera ist bis zum Zeitpunkt dieser Auf- nahme keines seiner anderen Stücke jemals eingespielt worden", wundert sich Robert G. Rawson. Er hat nach den Handschriften das Aufführungsmaterial für diese Aufnahme erarbeitet. Der Kontra- bassist hatte 2006 gemeinsam mit dem Geiger Ben Samson und dem Cembalisten Deviad Wright The Harmonious Society of Tickle-Fiddle Gentlemen gegründet, um solchen Raritäten wieder den Weg zurück auf die Konzertbühne zu bahnen. Und mit diesem Ensemble hat er nun bei dem audiophilen Label Ramée außer dieser Ouvertüre noch die zu Venus and Adonis sowie sechs Konzerte des Komponisten der Öffentlichkeit erstmals wieder vorgestellt.
Das lohnt sich: Es sind ideen- und abwechslungsreiche Werke, teil- weise in der Form des dreisätzigen italienischen Konzertes, teils viersätzig und mitunter auch als Concerto grosso mit fünf Sätzen gestaltet. Die konzertierenden Instrumente wechseln; Pepusch soll sogar ein Konzert geschrieben haben, bei dem Pauken den Solopart übernehmen - es ist auf dieser CD aber nicht zu hören. Doch auch Oboe, Violine, Trompete sowie Cello und Fagott sorgen, jeweils in Kombination mit Streichern und Basso continuo, für farbenreiche Klänge. Der Leser denke sich eine Kreuzung zwischen Vivaldi und Händel. Die Musiker zeigen sich spielfreudig und versiert, ihnen zu lauschen, ist ein ausgesprochenes Vergnügen. Herzlichen Dank an Rainer Arndt, der hier mit seinem Label Ramée erneut ein Herzblut-Projekt verwirklicht hat - und, bitte, mehr davon!
Kraus: Viola Concertos (Ondine)
Die drei Bratschenkonzerte auf dieser CD sind 1787 bei Breitkopf als Werke des Benediktiners Pater Romanus Hoffstetter erschienen. Als es vor einigen Jahren Kontro- versen um die Autorschaft eines seiner Streichquartette gab, wur- den auch die Manuskripte anderer Werke zu Rate gezogen. Dabei stellte Bertil van Boer fest, dass die Handschrift der Kopie des Konzer- tes, das sich noch heute in den Breitkopf-Beständen befindet, nicht die Hoffstetters ist, sondern vielmehr die seines Freundes Joseph Martin Kraus (1756 bis 1792). Über seinen Lebensweg wurde in diesem Blog bereits im Mai ausführ- lich berichtet.
Eine nähere Untersuchung ergab, dass von Hoffstetter nirgends eine Solopartie für die Viola überliefert ist. Kraus hingegen, ein ausgebil- deter und offenbar auch sehr talentierter Geiger, scheint die Bratsche bevorzugt zu haben. Sie war das einzige Streichinstrument, das sich in seinem Nachlass fand. Und in seinen Werken hat er der Bratsche häu- fig ausgesprochen virtuose Aufgaben anvertraut.
Die Untersuchung stellte zudem fest, dass alle drei überlieferten Kon- zerte für die Viola Kraus' bekanntem Violinkonzert sehr ähnlich sind. Im Schaffen Hoffstetters hingegen fand sich nichts Vergleichbares. Aus diesem Grunde geht die Musikwissenschaft nunmehr davon aus, dass die drei Konzerte Kraus zuzuschreiben sind.
Nun hat sie David Aaron Carpenter gemeinsam mit dem Ensemble Tapiola Sinfonietta für das Label Ondine eingespielt. Bei dem dritten Konzert auf der CD, dem Concerto in G-Dur VB 153a handelt es sich um ein Konzert für Viola, Violoncello und Orchester; am Violoncello ist hier Riitta Pesola zu hören. Es sind durchweg Werke, die sich durch Eleganz und Charme empfehlen. Bei aller Virtuosität stehen schöne, ausgewogene Melodien immer im Vordergrund, wobei Kraus sich zugleich als Meister darin zeigt, mit Hilfe gekonnter harmonischer Wendungen Langeweile zu vermeiden. Eine gelungene Aufnahme, die ich sehr empfehlen kann. Wer Mozart oder Haydn mag, wird auch an Kraus ganz sicher Gefallen finden.
Eine nähere Untersuchung ergab, dass von Hoffstetter nirgends eine Solopartie für die Viola überliefert ist. Kraus hingegen, ein ausgebil- deter und offenbar auch sehr talentierter Geiger, scheint die Bratsche bevorzugt zu haben. Sie war das einzige Streichinstrument, das sich in seinem Nachlass fand. Und in seinen Werken hat er der Bratsche häu- fig ausgesprochen virtuose Aufgaben anvertraut.
Die Untersuchung stellte zudem fest, dass alle drei überlieferten Kon- zerte für die Viola Kraus' bekanntem Violinkonzert sehr ähnlich sind. Im Schaffen Hoffstetters hingegen fand sich nichts Vergleichbares. Aus diesem Grunde geht die Musikwissenschaft nunmehr davon aus, dass die drei Konzerte Kraus zuzuschreiben sind.
Nun hat sie David Aaron Carpenter gemeinsam mit dem Ensemble Tapiola Sinfonietta für das Label Ondine eingespielt. Bei dem dritten Konzert auf der CD, dem Concerto in G-Dur VB 153a handelt es sich um ein Konzert für Viola, Violoncello und Orchester; am Violoncello ist hier Riitta Pesola zu hören. Es sind durchweg Werke, die sich durch Eleganz und Charme empfehlen. Bei aller Virtuosität stehen schöne, ausgewogene Melodien immer im Vordergrund, wobei Kraus sich zugleich als Meister darin zeigt, mit Hilfe gekonnter harmonischer Wendungen Langeweile zu vermeiden. Eine gelungene Aufnahme, die ich sehr empfehlen kann. Wer Mozart oder Haydn mag, wird auch an Kraus ganz sicher Gefallen finden.
Handel: Theodora (Glyndeboure)
Das Oratorium Theodora ist im Werk Georg Friedrich Händels ein Solitär. Ohnehin befassen sich nur drei seiner Oratorien mit genuin christlichen Themen - Messiah und La Ressurezione aber vollziehen biblische Handlungen nach. Theodora hingegen berichtet die Geschichte einer Märtyrerin. Die junge Frau aus offenbar gutem Hause hatte das Pech, zur Zeit des Kaisers Diokletian zu leben. Der wollte alle Römer bewegen, ausschließlich den römischen Göttern zu huldigen - und bestrafte Abtrünnige hart. Die Christin Theodora wurde zu einem Dasein als Prostituierte verurteilt. Doch das dauerte den Didymus, einen jungen römischen Soldaten. Er ließ sie entfliehen, und sollte dafür mit seinem Leben bezahlen. Das wiederum wollte Theodora nicht zulassen. Sie stellte sich, und ging mit Didymus in den Tod. Und weil das ziemlich wenig Handlung ist, gibt es dazu reichlich christliches Bekenntnis in Form frommer Gesänge.
Diese unerträglich öde Geschichte ist nur zu ertragen, weil sie durch Händel vertont wurde. Was die Veranstalter bewogen hat, ausgerech- net Theodora 1996 in einer Inszenierung durch Peter Sellars auf die renommierte Bühne in Glyndebourne zu bringen, das bleibt auch nach dem Anhören des Mitschnittes ein Rätsel. Daran ändern auch zumeist die exzellenten Sänger Dawn Upshaw, Lorraine Hunt, David Daniels, Richard Croft, Michael Hart-Davies und Frode Olsen sowie der Glyndebourne Chorus und das hervorragende Orchestra of the Age of Enlightenment unter William Christie nichts.
Diese unerträglich öde Geschichte ist nur zu ertragen, weil sie durch Händel vertont wurde. Was die Veranstalter bewogen hat, ausgerech- net Theodora 1996 in einer Inszenierung durch Peter Sellars auf die renommierte Bühne in Glyndebourne zu bringen, das bleibt auch nach dem Anhören des Mitschnittes ein Rätsel. Daran ändern auch zumeist die exzellenten Sänger Dawn Upshaw, Lorraine Hunt, David Daniels, Richard Croft, Michael Hart-Davies und Frode Olsen sowie der Glyndebourne Chorus und das hervorragende Orchestra of the Age of Enlightenment unter William Christie nichts.
Mittwoch, 25. Juli 2012
Ponchielli: Concertos (MDG)
"Gran brutto lavorar, il lavorar per banda / È come coltivar de- serta landa" - übersetzt wird das im Beiheft zu dieser CD: "Mit Blasmusik sich abzurackern / heißt ödes Heideland beackern", diese Reime notierte einst Amil- care Ponchielli (1834 bis 1886) auf einer seiner Partituren. Dennoch komponierte er für seine "Räuber- bande" - wie er das Blasorchester, italienisch banda, nannte, dem er etliche Jahre lang vorstand - be- merkenswerte Konzerte.
Die Solopartien sind ausgesprochen anspruchsvoll, was uns verrät, dass Ponchielli, bei allem Zähneknirschen, exzellente Instrumenta- listen zur Verfügung standen. Sie haben den Komponisten offenbar auch in technischen Fragen beraten. So schreibt Ponchielli auf dem Titel des Trompetenkonzertes in Es-Dur op. 198, es sei von "diversen Autoren". Wesentliche Teile dieses Konzertes, darunter ein wunder- volles Andantino, stammen aber hörbar aus der Feder des maestro. Die anschließende Stretta bietet ein wahres Feuerwerk an Kolora- turen auf - der junge Trompeter Giuliano Sommerhalder wagt sich an dieses atemberaubende Stück, und man muss sagen, das macht er gar nicht schlecht. Es dürfte seine Gründe haben, warum so viele Werke aus der Frühzeit der modernen Blasinstrumente in den Archiven schlummern. Vermutlich muss man ein Ausnahmetalent sein, ein Paganini der Trompete, um diese brillanten Werke angemessen vortragen zu können.
Virtuoses Spiel und zugleich die Fähigkeit, ausdrucksstark in großen Linien zu gestalten, verlangt auch das Trompetenkonzert F-Dur
op. 123. Es wurde im April 1866 durch die Banda Nazionale in Cre- mona uraufgeführt; wenige Wochen später tobten ganz in der Nähe die letzten großen Schlachten der italienischen Unabhängigkeits- kriege. Das Kampfgetümmel zieht sich auch durch diese Musik. Man hört den Aufmarsch der Heere, die Trompetensignale, Schlachten- lärm und Geschützdonner sowie die Totenklage. Doch der Schluss nimmt auch die Siegesfeier vorweg - und dieser Sieg wird tempera- mentvoll gefeiert.
Ganz anders klingt die Fantasie über Motive aus La Traviata op. 146. Dafür hat Ponchielli die tragischen Stellen aneinandergereiht - von Champagnerlaune und Liebestaumel keine Spur. Die Entsagung der sterbenden Violetta lässt der Komponist heraustrompeten, und die Trauer am Totenbett wird sagenhaft munter umspielt. An Humor jedenfalls scheint es Ponchielli nicht gemangelt zu haben.
Das zeigt sich auch an seinem Gran Capriccio op. 80, das Ponchielli 1876 seinem Freund Cesare Confalonieri übergab, dem er schon im Kindesalter ein Piccolo Concertino geschrieben hatte. Der Solo-Oboist der Mailänder Scala und Professor am dortigen conservatorio muss ein herausragender Instrumentalist gewesen sein, denn dieses Werk verlangt dem Solisten alles ab. Simone Sommerhalder nimmt diese Partie, die mitunter an ein Zirkuskunststück erinnert, erstaun- lich locker, und kann damit überzeugen.
Ponchielli schuf auch das allererste Konzert für Euphonium. Dieses Instrument war damals eine Innovation; um die Verwandtschaft streiten sich die Familien der Bügelhörner und der Tuben. Eines steht jedoch fest: Es trägt seinen Namen "das Wohlklingende" zu Recht. Das Concerto per Flicorno Basso op. 155 hat Amilcare Ponchielli 1872 zu Papier gebracht. Für wen er es komponiert hat, das ist nicht bekannt. Aber auch dieser Musiker muss ein Meister seines Faches gewesen sein. Der Schweizer Euphonist Roland Fröscher spielt dieses Werk klangschön, und er hat hörbar Vergnügen an den Kapriolen, die Ponchielli seinerzeit mit Melodien verknüpft hat, die durchaus das Format zum Hit haben. Neun Monate später wurde der maestro in Mailand für seine Oper I promessi sposi gefeiert - aber das ist eine andere Geschichte.
Für diese CD wurden seine Werke, die ursprünglich ausschließlich mit Bläsern besetzt waren, für Sinfonieorchester bearbeitet. Die Orche- strierung für das Gran Capriccio übernahm 1970 der Berliner Kompo- nist Wolfgang Hohensee auf Anregung des Oboisten Burkhard Glaetz- ner. Alle anderen Werke arrangierte Max Sommerhalder, Professor für Trompete an der Musikhochschule in Detmold. Es musiziert die Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin unter Matthias Foremny. Sie entwickelt eine gehörige Portion Italianità, und ist den hervor- ragenden Solisten ein angemessener Partner.
Die Solopartien sind ausgesprochen anspruchsvoll, was uns verrät, dass Ponchielli, bei allem Zähneknirschen, exzellente Instrumenta- listen zur Verfügung standen. Sie haben den Komponisten offenbar auch in technischen Fragen beraten. So schreibt Ponchielli auf dem Titel des Trompetenkonzertes in Es-Dur op. 198, es sei von "diversen Autoren". Wesentliche Teile dieses Konzertes, darunter ein wunder- volles Andantino, stammen aber hörbar aus der Feder des maestro. Die anschließende Stretta bietet ein wahres Feuerwerk an Kolora- turen auf - der junge Trompeter Giuliano Sommerhalder wagt sich an dieses atemberaubende Stück, und man muss sagen, das macht er gar nicht schlecht. Es dürfte seine Gründe haben, warum so viele Werke aus der Frühzeit der modernen Blasinstrumente in den Archiven schlummern. Vermutlich muss man ein Ausnahmetalent sein, ein Paganini der Trompete, um diese brillanten Werke angemessen vortragen zu können.
Virtuoses Spiel und zugleich die Fähigkeit, ausdrucksstark in großen Linien zu gestalten, verlangt auch das Trompetenkonzert F-Dur
op. 123. Es wurde im April 1866 durch die Banda Nazionale in Cre- mona uraufgeführt; wenige Wochen später tobten ganz in der Nähe die letzten großen Schlachten der italienischen Unabhängigkeits- kriege. Das Kampfgetümmel zieht sich auch durch diese Musik. Man hört den Aufmarsch der Heere, die Trompetensignale, Schlachten- lärm und Geschützdonner sowie die Totenklage. Doch der Schluss nimmt auch die Siegesfeier vorweg - und dieser Sieg wird tempera- mentvoll gefeiert.
Ganz anders klingt die Fantasie über Motive aus La Traviata op. 146. Dafür hat Ponchielli die tragischen Stellen aneinandergereiht - von Champagnerlaune und Liebestaumel keine Spur. Die Entsagung der sterbenden Violetta lässt der Komponist heraustrompeten, und die Trauer am Totenbett wird sagenhaft munter umspielt. An Humor jedenfalls scheint es Ponchielli nicht gemangelt zu haben.
Das zeigt sich auch an seinem Gran Capriccio op. 80, das Ponchielli 1876 seinem Freund Cesare Confalonieri übergab, dem er schon im Kindesalter ein Piccolo Concertino geschrieben hatte. Der Solo-Oboist der Mailänder Scala und Professor am dortigen conservatorio muss ein herausragender Instrumentalist gewesen sein, denn dieses Werk verlangt dem Solisten alles ab. Simone Sommerhalder nimmt diese Partie, die mitunter an ein Zirkuskunststück erinnert, erstaun- lich locker, und kann damit überzeugen.
Ponchielli schuf auch das allererste Konzert für Euphonium. Dieses Instrument war damals eine Innovation; um die Verwandtschaft streiten sich die Familien der Bügelhörner und der Tuben. Eines steht jedoch fest: Es trägt seinen Namen "das Wohlklingende" zu Recht. Das Concerto per Flicorno Basso op. 155 hat Amilcare Ponchielli 1872 zu Papier gebracht. Für wen er es komponiert hat, das ist nicht bekannt. Aber auch dieser Musiker muss ein Meister seines Faches gewesen sein. Der Schweizer Euphonist Roland Fröscher spielt dieses Werk klangschön, und er hat hörbar Vergnügen an den Kapriolen, die Ponchielli seinerzeit mit Melodien verknüpft hat, die durchaus das Format zum Hit haben. Neun Monate später wurde der maestro in Mailand für seine Oper I promessi sposi gefeiert - aber das ist eine andere Geschichte.
Für diese CD wurden seine Werke, die ursprünglich ausschließlich mit Bläsern besetzt waren, für Sinfonieorchester bearbeitet. Die Orche- strierung für das Gran Capriccio übernahm 1970 der Berliner Kompo- nist Wolfgang Hohensee auf Anregung des Oboisten Burkhard Glaetz- ner. Alle anderen Werke arrangierte Max Sommerhalder, Professor für Trompete an der Musikhochschule in Detmold. Es musiziert die Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin unter Matthias Foremny. Sie entwickelt eine gehörige Portion Italianità, und ist den hervor- ragenden Solisten ein angemessener Partner.
Sonntag, 22. Juli 2012
Hommage à Debussy (Genuin)
Das wohl spannendste Geschenk zum 150. Geburtstag von Achille-Claude Debussy (1862 bis 1918) legen das Leipziger Label Genuin und der Klavierbauer Blüthner gemeinsam auf den Gabentisch. Sie haben vier junge Pianisten einge- laden, das Klavierwerk des Kompo- nisten einzuspielen - an einem Blüthner-Flügel.
Das ist mitnichten nur Marketing. Denn Debussy hatte einst in Eng- land ein Instrument des Leipziger Klavierbauers ausprobiert - und war so begeistert vom Klang und von der Mechanik, dass er einen solchen Flügel erwarb. Man kann also davon ausgehen, dass Debussy ab 1904 all seine Werke an einem Blüthner geschaffen hat.
Für diese Aufnahme konnte das Originalinstrument, das sich heute im Museum befindet, nicht genutzt werden. Deshalb hat Blüthner einen modernen Konzertflügel zur Verfügung gestellt, der durch gekonnte Bearbeitung des Hammerkopffilzes dem Klangcharakter dieses historischen Instrumentes angepasst wurde. Insbesondere Juliana Steinbach nutzt den so besonderen, farbenreichen Blüthner-Klang als Basis für ihre Interpretation. Und der Zuhörer ahnt, warum Debussy dieses Instrument so schätzte.
Steinbach vertritt hier die französische Musiktradition, wie sie am Conservatoire Superieur de Musique in Paris vermittelt wird. Sie legt besonderen Wert auf sangliches Spiel - und lässt den Blüthner-Flügel dabei wunderbar zur Geltung kommen. Auch die drei anderen Piani- sten sind an renommierten Hochschulen ausgebildet worden. Chen- yin Li ist eine Absolventin der Guildhall School of Music in London. Amir Tebenikhin stammt aus Kasachstan und hat in Moskau und in Hannover studiert. Julia Dahlkvist repräsentiert die russische und finnische Musiktradition: Sie ist in Sibirien aufgewachsen, und hat dort auch einen Teil ihrer Ausbildung absolviert. Später studierte sie in Helsinki, Freiburg, Berlin, Dublin, Barcelona und Stockholm - und gewann, wie auch die drei anderen Musiker, die an diesem Zyklus mitwirkten, zahlreiche Wettbewerbe und Preise.
Sie haben alle ihre individuelle Sicht auf Debussys Werk, was hier auch deutlich hörbar wird, und diese Jubiläumsbox sehr interessant macht. Exzellente Pianisten sind sie alle vier; man darf gespannt sein, wo man sie wieder hören wird.
Das ist mitnichten nur Marketing. Denn Debussy hatte einst in Eng- land ein Instrument des Leipziger Klavierbauers ausprobiert - und war so begeistert vom Klang und von der Mechanik, dass er einen solchen Flügel erwarb. Man kann also davon ausgehen, dass Debussy ab 1904 all seine Werke an einem Blüthner geschaffen hat.
Für diese Aufnahme konnte das Originalinstrument, das sich heute im Museum befindet, nicht genutzt werden. Deshalb hat Blüthner einen modernen Konzertflügel zur Verfügung gestellt, der durch gekonnte Bearbeitung des Hammerkopffilzes dem Klangcharakter dieses historischen Instrumentes angepasst wurde. Insbesondere Juliana Steinbach nutzt den so besonderen, farbenreichen Blüthner-Klang als Basis für ihre Interpretation. Und der Zuhörer ahnt, warum Debussy dieses Instrument so schätzte.
Steinbach vertritt hier die französische Musiktradition, wie sie am Conservatoire Superieur de Musique in Paris vermittelt wird. Sie legt besonderen Wert auf sangliches Spiel - und lässt den Blüthner-Flügel dabei wunderbar zur Geltung kommen. Auch die drei anderen Piani- sten sind an renommierten Hochschulen ausgebildet worden. Chen- yin Li ist eine Absolventin der Guildhall School of Music in London. Amir Tebenikhin stammt aus Kasachstan und hat in Moskau und in Hannover studiert. Julia Dahlkvist repräsentiert die russische und finnische Musiktradition: Sie ist in Sibirien aufgewachsen, und hat dort auch einen Teil ihrer Ausbildung absolviert. Später studierte sie in Helsinki, Freiburg, Berlin, Dublin, Barcelona und Stockholm - und gewann, wie auch die drei anderen Musiker, die an diesem Zyklus mitwirkten, zahlreiche Wettbewerbe und Preise.
Sie haben alle ihre individuelle Sicht auf Debussys Werk, was hier auch deutlich hörbar wird, und diese Jubiläumsbox sehr interessant macht. Exzellente Pianisten sind sie alle vier; man darf gespannt sein, wo man sie wieder hören wird.
Samstag, 21. Juli 2012
Mozart: Apollo et Hyacinthus (Linn)
Man glaubt es kaum, aber Apollo et Hyacinthus hat Wolfgang Amadeus Mozart (1756 bis 1791) kompo- niert, als er elf Jahre alt war. Es war seine erste Oper. In Auftrag gegeben hatte das Werk das der Benediktiner-Universität Salzburg zugehörige Gymnasium. Dort war es Brauch, einmal in Jahr ein Schauspiel in lateinischer Sprache aufzuführen.
1767 hieß dieses Stück Clementia Croesi, und stammte aus der Feder des Syntax-Professors Rufinus Widl. Um die Milde des Königs Krösus noch stärker herauszustellen, wurde in diese Tragödie zusätzlich ein kurzes musikalisches Stück eingefügt - ebenfalls auf Latein, das Libretto schrieb erneut Pater Widl. Und damit die Zöglinge nicht auf dumme Gedanken kommen, verbog der fromme Mann den Ovid ein bisschen - Hauptsache war schließlich die Moral. Ist ursprünglich Apollo in den Hyazinth verliebt, der dann unglücklicherweise vom Diskus des Gottes tödlich getroffen wird, so liebt er in dieser Oper eine Dame namens Melia, und der Intrigant Zephyrus sorgt für die Verwir- rung. Er ist auch für den Tod des Königssohnes Hyacinthus verant- wortlich. Zur Strafe verwandelt ihn der Gott in einen Wind. Auch hier lässt Apollo die Leiche Hyazinths zu einem Blumenmeer werden - und heiratet dann brav seine Melia, die man bei Ovid vergebens suchen wird.
Im Original wurden die Partien dieser Oper von Knaben gesungen. Für den König Oebalus, Tenor, kam ein Student zum Einsatz, und die beiden Priester, tiefe Männerstimmen, sangen zwei Schüler, die den Stimmbruch schon hinter sich hatten. Diese Besetzung vollzog vor Jahren eine Einspielung mit Mitgliedern des Tölzer Knabenchores nach.
Auf den vorliegenden zwei CD sind durchweg ausgebildete Sänger zu hören. Andrew Kennedy singt den König Oebalus, Klara Ek und Sophie Bevan, Sopran, sind als Melia und Hyacinthus zu hören. Die Partien des Apollo und des Zephyrus sind mit den Countertenören Lawrence Zazzo und Christopher Ainslie besetzt, die Priester im Ein- gangschor mit Marcus Farnsworth und David Shipley. Es musiziert The Orchestra of Classical Opera unter Leitung von Ian Page.
Page beginnt mit dieser Aufnahme eine Gesamteinspielung der Mozart-Opern für Linn. Er nimmt Mozarts Jugendwerk ernst - was dieses auch verdient hat, denn es ist in der Tat eine richtige Oper im Stile der Zeit und bereits in einer Qualität, die manch erwachsener Kollege damals so nicht erreicht hat. Page lässt das Werk ziemlich flott spielen, schwungvoll und rhythmusbetont. Das Ensemble hat Stärken und Schwächen, und so hat auch die Aufnahme berührende Stellen und weniger schöne, aber davon nur wenige. Insofern darf man sich über diese Rarität freuen, und auf die nächsten Mozart-Opern aus diesem Zyklus auch.
1767 hieß dieses Stück Clementia Croesi, und stammte aus der Feder des Syntax-Professors Rufinus Widl. Um die Milde des Königs Krösus noch stärker herauszustellen, wurde in diese Tragödie zusätzlich ein kurzes musikalisches Stück eingefügt - ebenfalls auf Latein, das Libretto schrieb erneut Pater Widl. Und damit die Zöglinge nicht auf dumme Gedanken kommen, verbog der fromme Mann den Ovid ein bisschen - Hauptsache war schließlich die Moral. Ist ursprünglich Apollo in den Hyazinth verliebt, der dann unglücklicherweise vom Diskus des Gottes tödlich getroffen wird, so liebt er in dieser Oper eine Dame namens Melia, und der Intrigant Zephyrus sorgt für die Verwir- rung. Er ist auch für den Tod des Königssohnes Hyacinthus verant- wortlich. Zur Strafe verwandelt ihn der Gott in einen Wind. Auch hier lässt Apollo die Leiche Hyazinths zu einem Blumenmeer werden - und heiratet dann brav seine Melia, die man bei Ovid vergebens suchen wird.
Im Original wurden die Partien dieser Oper von Knaben gesungen. Für den König Oebalus, Tenor, kam ein Student zum Einsatz, und die beiden Priester, tiefe Männerstimmen, sangen zwei Schüler, die den Stimmbruch schon hinter sich hatten. Diese Besetzung vollzog vor Jahren eine Einspielung mit Mitgliedern des Tölzer Knabenchores nach.
Auf den vorliegenden zwei CD sind durchweg ausgebildete Sänger zu hören. Andrew Kennedy singt den König Oebalus, Klara Ek und Sophie Bevan, Sopran, sind als Melia und Hyacinthus zu hören. Die Partien des Apollo und des Zephyrus sind mit den Countertenören Lawrence Zazzo und Christopher Ainslie besetzt, die Priester im Ein- gangschor mit Marcus Farnsworth und David Shipley. Es musiziert The Orchestra of Classical Opera unter Leitung von Ian Page.
Page beginnt mit dieser Aufnahme eine Gesamteinspielung der Mozart-Opern für Linn. Er nimmt Mozarts Jugendwerk ernst - was dieses auch verdient hat, denn es ist in der Tat eine richtige Oper im Stile der Zeit und bereits in einer Qualität, die manch erwachsener Kollege damals so nicht erreicht hat. Page lässt das Werk ziemlich flott spielen, schwungvoll und rhythmusbetont. Das Ensemble hat Stärken und Schwächen, und so hat auch die Aufnahme berührende Stellen und weniger schöne, aber davon nur wenige. Insofern darf man sich über diese Rarität freuen, und auf die nächsten Mozart-Opern aus diesem Zyklus auch.
Freitag, 20. Juli 2012
tenThing (EMI Classics)
Die weiblichen Wesen auf dem Cover dieser CD sehen aus, als könnten sie kein Wässerchen trü- ben. Doch wer sie spielen gehört hat, der weiß, dass dies ein Irrtum ist. Denn die zehn jungen Damen, die hier auf Trompeten, Flügel- horn, Waldhorn, Posaunen und Bassposaune sowie Tuba musizie- ren, sind durchweg exzellente Fachfrauen. "In Norwegen wollen viele junge Mädchen Blechblas- instrumente spielen, das ist also normal", kommentiert die Trom- peterin Tine Thing Helseth, Gründerin und Leiterin des Ensembles, diese Tatsache. In anderen Regionen freilich gelten andere Sitten, weiß die Musikerin: "Wenn wir nach Deutschland gehen, heißt es: , Wow! Ist das möglich?' Als ich in Russland war und über tenThing sprach, sagten sie: ,Wie können Mädchen Tuba oder Posaune spie- len? Das ist unmöglich!' Wir können ihnen zeigen, dass es möglich ist."
Diese "Mädchen" könnten in jedem Orchester dieser Welt musizieren. Fünfmal im Jahr treffen sie sich, um als Ensemble zu proben und zu konzertieren. Und das Ergebnis ist phänomenal. "Carmen in sechsein- halb Minuten zu spielen, macht so viel Spaß", sagt Helseth. Dabei setzen die Mädels aber nicht einfach plump auf den Blaskapellen- sound. Ihre Carmen ist ebenso sexy wie gefährlich, und auch ihre Interpretation ausgewählter Stücke aus der Dreigroschenoper hat es schwer in sich. Hier nutzen die Musikerinnen die Neigung des Kompo- nisten Kurt Weill, französische Vulgarität mit stereotyper deutscher Steifheit zu verbinden, "um die Musik besonders spukig zu machen", meint Helseth. Und man kann sich gut vorstellen, dass sie dabei lacht. Ausdrucksstärke und Spielfreude zeichnen diese CD aus - und was zehn Finger auf dem Klavier oder der Gitarre hinbekommen, das lässt sich offenbar auch mit zehn Blasinstrumenten umsetzen.
Man muss jedenfalls sagen, dass Asturias von Isaac Albéniz oder die Tangos von Astor Piazzolla in der Brass-Version ganz hervorragend klingen. Beim Rondo alla Turca von Mozart können die Musikerinnen ihre Virtuosität demonstrieren. Natürlich erklingen auch drei Stücke von Edvard Grieg. Und weil die Musikerinnen auch ein Stück spielen wollten, das kein Arrangement ist, haben sie die Blechbläser-Sinfonie von Jan Koetsier mit ausgewählt. Eine Super-CD - wer gern Canadian Brass hört, der wird auch von tenThing begeistert sein.
Diese "Mädchen" könnten in jedem Orchester dieser Welt musizieren. Fünfmal im Jahr treffen sie sich, um als Ensemble zu proben und zu konzertieren. Und das Ergebnis ist phänomenal. "Carmen in sechsein- halb Minuten zu spielen, macht so viel Spaß", sagt Helseth. Dabei setzen die Mädels aber nicht einfach plump auf den Blaskapellen- sound. Ihre Carmen ist ebenso sexy wie gefährlich, und auch ihre Interpretation ausgewählter Stücke aus der Dreigroschenoper hat es schwer in sich. Hier nutzen die Musikerinnen die Neigung des Kompo- nisten Kurt Weill, französische Vulgarität mit stereotyper deutscher Steifheit zu verbinden, "um die Musik besonders spukig zu machen", meint Helseth. Und man kann sich gut vorstellen, dass sie dabei lacht. Ausdrucksstärke und Spielfreude zeichnen diese CD aus - und was zehn Finger auf dem Klavier oder der Gitarre hinbekommen, das lässt sich offenbar auch mit zehn Blasinstrumenten umsetzen.
Man muss jedenfalls sagen, dass Asturias von Isaac Albéniz oder die Tangos von Astor Piazzolla in der Brass-Version ganz hervorragend klingen. Beim Rondo alla Turca von Mozart können die Musikerinnen ihre Virtuosität demonstrieren. Natürlich erklingen auch drei Stücke von Edvard Grieg. Und weil die Musikerinnen auch ein Stück spielen wollten, das kein Arrangement ist, haben sie die Blechbläser-Sinfonie von Jan Koetsier mit ausgewählt. Eine Super-CD - wer gern Canadian Brass hört, der wird auch von tenThing begeistert sein.
Donnerstag, 19. Juli 2012
Gesualdo: Madrigals Book 3 / Madrigals Book 4 (Naxos)
Das Ensemble Delitiae Musicae setzt seine Gesualdo-Einspielung bei Naxos fort; erschienen sind jetzt Aufnahmen des dritten und vierten Madrigalbuches. Die beiden CD zeigen erneut, wie einzigartig die Werke dastehen, die Carlo Gesualdo (1566 bis 1613) geschaffen hat. Dieser Komponist ist nicht nur aufgrund seiner kühnen musikalischen Ideen eine Legende. Don Carlo, Fürst zu Venosa und der letzte seines Stammes, wurde in erster Linie durch ein brutales Verbrechen berühmt: 1590 gab er vor, zur Jagd auszureiten. Doch am Abend kehrte die Jagdgesellschaft unvermittelt zurück, und sie ertappte Gesualdos Ehefrau mit ihrem Liebhaber. Beide wurden umgebracht, und wohl auch ein Kind. Trotz erneuter Heirat scheint Gesualdo danach nicht mehr recht glücklich geworden zu sein.
Gesualdo veröffentlichte insgesamt sieben Sammlungen mit Madriga- len. Sechs davon sind überliefert. Bei Naxos kann man jetzt den Wer- ken des Komponisten lauschen, die 1595 und 1596 als Il terzo libro de'madrigali und Il quarto libro de'madrigali in Ferrara veröffent- licht wurden. Wie bereits ihre Vorgänger, zeigen auch sie jene eigen- tümliche Melodik und Harmonik, die Gesualdos Werke so unver- wechselbar macht.
Gesualdo veröffentlichte insgesamt sieben Sammlungen mit Madriga- len. Sechs davon sind überliefert. Bei Naxos kann man jetzt den Wer- ken des Komponisten lauschen, die 1595 und 1596 als Il terzo libro de'madrigali und Il quarto libro de'madrigali in Ferrara veröffent- licht wurden. Wie bereits ihre Vorgänger, zeigen auch sie jene eigen- tümliche Melodik und Harmonik, die Gesualdos Werke so unver- wechselbar macht.
Anders als professionelle Musiker jener Zeit war ihr Schöpfer nicht einem Mäzen verpflichtet; Beifall und wirtschaftlicher Erfolg konnten Gesualdo egal sein, denn Musik war für ihn Zeitvertreib und nicht Broterwerb. Das Schloss, in dem er wohnte, gehörte ihm, und dazu auch umfangreiche Ländereien in Süditalien. So konnte der Prinz auch bei der Auswahl der Texte ganz seinem persönlichen Geschmack folgen.
Delitiae Musicae, geleitet von Marco Longhini, nutzt für die Inter- pretation der Gesualdo-Madrigale eine Urtext-Edition, die Longhini gemeinsam mit Rosaria Chiodini erstellt hat. Bei dieser Aufnahme werden alle Stimmen von Männern gesungen - Carmen Leoni, die einzige Frau in diesem Ensemble, spielt das Cembalo. Die Sänger agieren perfekt aufeinander abgestimmt, vom Timbre bis zu gestal- terischen Feinheiten. Klanglich erinnern diese CD an die Gesualdo-Interpretationen des Hilliard Ensembles; in der Qualität reichen Delitiae Musicae daran allerdings nicht ganz heran.
Delitiae Musicae, geleitet von Marco Longhini, nutzt für die Inter- pretation der Gesualdo-Madrigale eine Urtext-Edition, die Longhini gemeinsam mit Rosaria Chiodini erstellt hat. Bei dieser Aufnahme werden alle Stimmen von Männern gesungen - Carmen Leoni, die einzige Frau in diesem Ensemble, spielt das Cembalo. Die Sänger agieren perfekt aufeinander abgestimmt, vom Timbre bis zu gestal- terischen Feinheiten. Klanglich erinnern diese CD an die Gesualdo-Interpretationen des Hilliard Ensembles; in der Qualität reichen Delitiae Musicae daran allerdings nicht ganz heran.
Mittwoch, 18. Juli 2012
Toch: Bunte Suite (Crystal Classics)
Er sei "the world's most forgotten composer of the 20th century", klagte Ernst Toch (1887 bis 1964) in den 60er Jahren. Da hatte er bereits einen Pulitzer-Preis und den Grammy-Award sowie das Bundesverdienstkreuz erhalten. Doch trotz aller Anerkennung scheint er unter dem Exil sehr gelitten zu haben.
Der Komponist stammte aus Wien; er studierte Medizin und Philoso- phie in Wien und Heidelberg. Parallel dazu begann er zu komponie- ren. Als er für seine Kammersinfonie in F-Dur den Mozartpreis der Stadt Frankfurt erhielt, beschloss er, sich hauptberuflich der Musik zu widmen. Er studierte Klavier und Komposition. 1910 wurde er mit dem Mendelssohn-Preis ausgezeichnet. Ab 1913 lehrte er an der Mu- sikhochschule in Mannheim, und mit seinen Werken war er zunächst sehr erfolgreich.
1928 zog Toch nach Berlin um. 1933 nutzte der Komponist einen Aufenthalt in Florenz, um sich in Sicherheit zu bringen. Zunächst lebte er in Westeuropa; 1935 ging er in die USA, wo er sich in Kalifor- nien niederließ, und seinen Lebensunterhalt mit Filmmusik verdien- te. Außerdem unterrichtete er als Professor an der University of Southern California sowie in Harvard.
Auf dieser CD sind nun einige seiner Werke zu hören. Die Bunte Suite op. 48 schrieb Toch für den Rundfunk; sie erinnert an Werke der frühen sowjetischen Avantgarde. Die Variationen über Mozarts Unser dummer Pöbel meint KV 455 für Klavier und Orchester hin- gegen stammen vermutlich aus den 50er Jahren. Sie repräsentieren Tochs späte Schaffenszeit, in der sich der Komponist noch einmal seinen Wurzeln zuwandte. Mozart, in dem er ebenfalls einen Autodi- dakten sah, fühlte sich Toch offenbar nahe - auch wenn seine Klang- sprache relativ modern bleibt. Diese beiden Werke finden sich hier in Weltersteinspielungen, interpretiert von der Kammersymphonie Berlin und Pianistin Tatjana Blome.
Das dritte Stück auf der CD, das Konzert für Violoncello und Kammer- orchester op. 35, gehört zu jenen Werken, mit denen Toch zur Zeit der Weimarer Republik für Furore sorgte. Es kombiniert Elemente, die aus der Wiener Spätromantik überkommen sind, mit Innovatio- nen aus den 20er Jahren. Dieser Herausforderung stellt sich der Cellist Peter Bruns gemeinsam mit dem Mendelssohn Kammerorche- ster Leipzig. Jürgen Bruns leitet beide Orchester.
Der Komponist stammte aus Wien; er studierte Medizin und Philoso- phie in Wien und Heidelberg. Parallel dazu begann er zu komponie- ren. Als er für seine Kammersinfonie in F-Dur den Mozartpreis der Stadt Frankfurt erhielt, beschloss er, sich hauptberuflich der Musik zu widmen. Er studierte Klavier und Komposition. 1910 wurde er mit dem Mendelssohn-Preis ausgezeichnet. Ab 1913 lehrte er an der Mu- sikhochschule in Mannheim, und mit seinen Werken war er zunächst sehr erfolgreich.
1928 zog Toch nach Berlin um. 1933 nutzte der Komponist einen Aufenthalt in Florenz, um sich in Sicherheit zu bringen. Zunächst lebte er in Westeuropa; 1935 ging er in die USA, wo er sich in Kalifor- nien niederließ, und seinen Lebensunterhalt mit Filmmusik verdien- te. Außerdem unterrichtete er als Professor an der University of Southern California sowie in Harvard.
Auf dieser CD sind nun einige seiner Werke zu hören. Die Bunte Suite op. 48 schrieb Toch für den Rundfunk; sie erinnert an Werke der frühen sowjetischen Avantgarde. Die Variationen über Mozarts Unser dummer Pöbel meint KV 455 für Klavier und Orchester hin- gegen stammen vermutlich aus den 50er Jahren. Sie repräsentieren Tochs späte Schaffenszeit, in der sich der Komponist noch einmal seinen Wurzeln zuwandte. Mozart, in dem er ebenfalls einen Autodi- dakten sah, fühlte sich Toch offenbar nahe - auch wenn seine Klang- sprache relativ modern bleibt. Diese beiden Werke finden sich hier in Weltersteinspielungen, interpretiert von der Kammersymphonie Berlin und Pianistin Tatjana Blome.
Das dritte Stück auf der CD, das Konzert für Violoncello und Kammer- orchester op. 35, gehört zu jenen Werken, mit denen Toch zur Zeit der Weimarer Republik für Furore sorgte. Es kombiniert Elemente, die aus der Wiener Spätromantik überkommen sind, mit Innovatio- nen aus den 20er Jahren. Dieser Herausforderung stellt sich der Cellist Peter Bruns gemeinsam mit dem Mendelssohn Kammerorche- ster Leipzig. Jürgen Bruns leitet beide Orchester.
Dussek: Piano Concertos (Capriccio)
Die Musik auf dieser CD klingt wie eine Kreuzung aus Haydn und Chopin. Doch im Verlaufe dieser durchaus an Überraschungen nicht armen Konzerte sind immer wieder Passagen hörbar, die eher an einen braven Handwerker als an ein Genie denken lassen. Jan Ladislav Dusík (1760 bis 1812) war der Sohn eines Kantors und stammte aus Böhmen. Seine Ausbildung be- gann wahrscheinlich im Eltern- haus; Dusík wurde dann Chorkna- be, und lernte an diversen Jesui- tenseminaren sowie am Neustädter Gymnasium. Anschließend studierte er an der Prager Universität.
Doch schon 1779 ging Dusík auf seine erste Konzertreise als Pianist. 1782 war er in Hamburg, ein Jahr später in Russland, wo er in St. Pe- tersburg vor der Zarin Katharina der Großen musizierte. Dann war er zeitweise Kapellmeister des Fürsten Radziwill in Litauen. Doch schon bald ging er erneut auf Konzertreisen, die ihn schließlich 1786 nach Paris führten. Dort spielte er bei Hofe, und gab auch Unterricht. Noch vor Ausbruch der Französischen Revolution reiste Dusík nach Lon- don, wo er elf Jahre lang wirkte.
In England wurde der Pianist gefeiert. Er hatte viele Schüler, kompo- nierte fleißig, und gründete zudem gemeinsam mit seinem Schwieger- vater Domenico Corri einen Musikverlag. Als dieser 1799 Pleite ging, floh Dusík nach Hamburg. Dort lernte er den Prinzen Louis Ferdinand von Preußen kennen, der selbst ein exzellenter Musiker war, und der Dusík 1804 als Gesellschafter, Hausvirtuosen, Kapellmeister und wohl auch Zechkumpan engagierte.
Doch schon 1779 ging Dusík auf seine erste Konzertreise als Pianist. 1782 war er in Hamburg, ein Jahr später in Russland, wo er in St. Pe- tersburg vor der Zarin Katharina der Großen musizierte. Dann war er zeitweise Kapellmeister des Fürsten Radziwill in Litauen. Doch schon bald ging er erneut auf Konzertreisen, die ihn schließlich 1786 nach Paris führten. Dort spielte er bei Hofe, und gab auch Unterricht. Noch vor Ausbruch der Französischen Revolution reiste Dusík nach Lon- don, wo er elf Jahre lang wirkte.
In England wurde der Pianist gefeiert. Er hatte viele Schüler, kompo- nierte fleißig, und gründete zudem gemeinsam mit seinem Schwieger- vater Domenico Corri einen Musikverlag. Als dieser 1799 Pleite ging, floh Dusík nach Hamburg. Dort lernte er den Prinzen Louis Ferdinand von Preußen kennen, der selbst ein exzellenter Musiker war, und der Dusík 1804 als Gesellschafter, Hausvirtuosen, Kapellmeister und wohl auch Zechkumpan engagierte.
Der Prinz fiel 1806, vier Tage vor der Schlacht von Jena und Auer- stedt, als Kommandant einer preußischen Vorhut. Dusík kehrte nach Paris zurück, wo Talleyrand sein Mäzen wurde. Dort starb er 1812 an der Gicht.
Der Londoner Klavierbauer John Broadwood erweiterte eigens für Dusík den Tonumfang seiner Instrumente zunächst auf fünfeinhalb und schließlich sogar auf sechs Oktaven. Für diese Aufnahme wurde ein Flügel aus seiner Werkstatt aus dem Jahre 1806 eingesetzt, der über fünfeinhalb Oktaven Umfang verfügt. Andreas Staier, der Dusíks Konzerte gemeinsam mit dem Concerto Köln eingespielt hat, macht deutlich, dass es dabei eher um brillante Effekte als um Ausdrucks- nuancen geht. Insbesondere das Konzert op. 48 stellt technisch einige Ansprüche. Hammerflügel-Spezialist Staier absolviert die pianisti- schen Turnübungen locker; man fragt sich allerdings, warum dieses eher athletische Feuerwerk seinerzeit das Publikum derart fasziniert hat. Zum Abschluss der CD gibt's noch eine ganz besondere Rarität: Auf das Klavierkonzert op. 22 folgt das Tableau "Marie Antoinette" op. 23. Dabei handelt es sich um ein Melodram - Untertitel: Tableau de la situation de Marie-Antoinette, Reine de France, depuis son emprisonnement jusqu'au dernier moment de sa vie, rendu dans une Musique Allégorique; man hört hier sogar die Guillotine herabsausen.
Dienstag, 17. Juli 2012
Schieferdecker: Geistliche Konzerte (Carus)
Johann Christian Schieferdecker (1679 bis 1732) stammte aus Teuchern, einem kleinen Städtchen unweit von Weißenfels. Sein Vater war Schulrektor, Kantor und Organist; er unterrichtete auch den fünf Jahre älteren Reinhard Keiser, mit dem Schieferdecker junior offenbar eng befreundet war.
Beide setzten ihre Ausbildung zu- nächst an der Thomasschule und anschließend an der Universität in Leipzig fort. In der Messestadt komponierten sie zudem ihre ersten Opern. Keiser ging dann nach Hamburg - und holte Schiefer- decker nach; ab 1702 wirkte er als Cembalist am Hamburger Opern- haus am Gänsemarkt, für das er auch fleißig komponierte.
Diese Leidenschaft für die Oper teilte der junge Musiker mit einem renommierten Kollegen der älteren Generation: In Lübeck suchte damals Dieterich Buxtehude, Organist an der Marienkirche, einen Nachfolger. Der sollte allerdings nicht nur Amt und Bürgerrecht er- halten, sondern auch Buxtehudes schon etwas in die Jahre gekomme- ne Tochter Anna Margareta heiraten. Diese Bedingung verschreckte die Bewerber Johann Mattheson und Georg Friedrich Händel - Schieferdecker nahm an; allerdings hatte er bereits ein gutes Jahr lang Buxtehude assistiert, als dieser 1707 starb, und wusste, worauf er sich einließ.
Schieferdecker musizierte nicht nur im Gottesdienst. Er führte auch die sogenannten Abendmusiken weiter, Kirchenkonzerte, die durch die Kaufleute der Stadt finanziert wurden - eine Tradition, die schon Buxtehudes Vorgänger Franz Tunder begründet hatte. Es ist bekannt, dass Schieferdecker dafür eine Vielzahl von Kantaten geschrieben hat. Doch überliefert wurde davon leider so gut wie nichts. Insofern ist es eine kleine Sensation, dass nun doch drei Kantaten für Bass, zwei Violinen und Basso continuo in Brüssel aufgespürt werden konnten. Gesungen werden sie auf dieser CD von Klaus Mertens. Auch In te domine speravi, ein Geistliches Konzert für Tenor, Violine und Basso continuo, vermittelt einen Eindruck davon, wie Schieferdecker solche Werke gestaltete. Zu hören ist hier Jan Kobow, der sich damit erneut als ein exzellenter, klug gestaltender Sänger empfiehlt. Komplettiert werden diese vier Weltersteinspielungen durch zwei der XII Musicalischen Concerte des Komponisten, Ouvertürensuiten im Stile der Zeit, die 1713 in Hamburg im Druck erschienen sind. Dem Ensemble Hamburger Ratsmusik um die Gambistin Simone Eckert kann man für dieses Engagement nicht genug danken. Denn diese CD zeigt deutlich, dass Schieferdecker keineswegs nur eine Randgestalt des reichen norddeutschen Musiklebens jener Zeit war.
Beide setzten ihre Ausbildung zu- nächst an der Thomasschule und anschließend an der Universität in Leipzig fort. In der Messestadt komponierten sie zudem ihre ersten Opern. Keiser ging dann nach Hamburg - und holte Schiefer- decker nach; ab 1702 wirkte er als Cembalist am Hamburger Opern- haus am Gänsemarkt, für das er auch fleißig komponierte.
Diese Leidenschaft für die Oper teilte der junge Musiker mit einem renommierten Kollegen der älteren Generation: In Lübeck suchte damals Dieterich Buxtehude, Organist an der Marienkirche, einen Nachfolger. Der sollte allerdings nicht nur Amt und Bürgerrecht er- halten, sondern auch Buxtehudes schon etwas in die Jahre gekomme- ne Tochter Anna Margareta heiraten. Diese Bedingung verschreckte die Bewerber Johann Mattheson und Georg Friedrich Händel - Schieferdecker nahm an; allerdings hatte er bereits ein gutes Jahr lang Buxtehude assistiert, als dieser 1707 starb, und wusste, worauf er sich einließ.
Schieferdecker musizierte nicht nur im Gottesdienst. Er führte auch die sogenannten Abendmusiken weiter, Kirchenkonzerte, die durch die Kaufleute der Stadt finanziert wurden - eine Tradition, die schon Buxtehudes Vorgänger Franz Tunder begründet hatte. Es ist bekannt, dass Schieferdecker dafür eine Vielzahl von Kantaten geschrieben hat. Doch überliefert wurde davon leider so gut wie nichts. Insofern ist es eine kleine Sensation, dass nun doch drei Kantaten für Bass, zwei Violinen und Basso continuo in Brüssel aufgespürt werden konnten. Gesungen werden sie auf dieser CD von Klaus Mertens. Auch In te domine speravi, ein Geistliches Konzert für Tenor, Violine und Basso continuo, vermittelt einen Eindruck davon, wie Schieferdecker solche Werke gestaltete. Zu hören ist hier Jan Kobow, der sich damit erneut als ein exzellenter, klug gestaltender Sänger empfiehlt. Komplettiert werden diese vier Weltersteinspielungen durch zwei der XII Musicalischen Concerte des Komponisten, Ouvertürensuiten im Stile der Zeit, die 1713 in Hamburg im Druck erschienen sind. Dem Ensemble Hamburger Ratsmusik um die Gambistin Simone Eckert kann man für dieses Engagement nicht genug danken. Denn diese CD zeigt deutlich, dass Schieferdecker keineswegs nur eine Randgestalt des reichen norddeutschen Musiklebens jener Zeit war.
Sonntag, 15. Juli 2012
Mozart: Don Giovanni (Deutsche Grammophon)
Rolando Villazón singt Mozart - und wie! Nie zuvor habe ich die Partie des Don Ottavio nobler ge- hört, stolzer und männlicher. So, wie Villazón sie singt, erweist sie sich als Gegenentwurf zur wüsten Vitalität des Don Giovanni, der seinen Status offenbar nur dazu einsetzt, Weiber zu vernaschen. Dabei bedeutet ihm die Liste alles, und das Erlebnis längst nichts mehr. Ildebrando d'Arcangelo stimmt die ihm auferlegten Balz- gesänge mit einer Gleichgültigkeit und Eiseskälte an, die die finale Höllenfahrt des Don Giovanni nur zu plausibel werden lassen. Mit einem grandiosen Solistenensemble startete das Festspielhaus Baden-Baden 2011 in einen Mozart-Zyklus, den die Deutsche Grammophon auch in den kommenden Jahren auf CD dokumentieren wird.
Leporello, hier gesungen von Luca Pisaroni, bewundert zwar seinen Herren, grenzt sich jedoch mehr und mehr von ihm ab. Pisaronis Bassbariton ist so geschmeidig und präsent wie die Figur. Neben diesem Diener wirkt der Herr mitunter, pardon, wie ein zwar viriler, aber schon etwas räudiger Straßenköter neben einem gut gepflegten Rassehund. Nun ja. Möglicherweise fasziniert ja gerade das die Da- menwelt.
Vitali Kowaljow singt einen Komtur, der die gespenstische Statue auch akustisch erlebbar werden lässt. Konstantin Wolff glaubt man den Bauern-Bräutigam Masetto. Mit glockenreiner Stimme zeichnet Mojca Erdmann ihm zur Seite die Zerlina - ein Bräutchen, das sich in sein Schicksal fügt und die Männer zu nehmen sowie sich zu wehren weiß, bei aller Unschuld erstaunlich durchsetzungsfähig.
Diana Damrau singt die Donna Anna. Diese Partie passt sehr gut zu ihrer Stimme. Die Koloraturen blitzen, und auch die Verstörtheit der jungen Frau, die in ihrem eigenen Hause überfallen wird, gestaltet sie mit großer Intensität. Die Szene, in der sie den Mörder ihres Vaters an der Stimme erkennt, ist für mich der absolute Höhepunkt dieser Aufnahme.
Die Donna Elvira der Joyce DiDonato ist schier rasend vor Liebe und Wut. Wie eine Furie verfolgt sie den Mann, der sie verführt hat und nun gar nicht daran denkt, mit ihr vor den Altar zu treten.
Doch noch viel beeindruckender als Arien und Rezitative sind bei dieser Aufnahme die Ensembles. Sie sind durchweg mit großer Sorg- falt abgestimmt, und es erweist sich zudem, dass all die Stars stimm- lich faszinierend miteinander harmonieren. Wie sie sich zurück- nehmen und gemeinsam musizieren, dem Dirigenten Yannick Nézet-Séguin folgend, da lauscht man wirklich gern. Den Begeisterungs- stürmen mancher Kritikerkollegen, die in Nézet-Séguin ein absolutes Ausnahmetalent erkannt haben wollen, kann ich mich allerdings nicht anschließen. Was er mit dem Mahler Chamber Orchestra hören lässt, das unterscheidet sich nicht grundsätzlich von dem, was man auch an so manchem deutschen Opernhaus unter solider Leitung erleben könnte.
Leporello, hier gesungen von Luca Pisaroni, bewundert zwar seinen Herren, grenzt sich jedoch mehr und mehr von ihm ab. Pisaronis Bassbariton ist so geschmeidig und präsent wie die Figur. Neben diesem Diener wirkt der Herr mitunter, pardon, wie ein zwar viriler, aber schon etwas räudiger Straßenköter neben einem gut gepflegten Rassehund. Nun ja. Möglicherweise fasziniert ja gerade das die Da- menwelt.
Vitali Kowaljow singt einen Komtur, der die gespenstische Statue auch akustisch erlebbar werden lässt. Konstantin Wolff glaubt man den Bauern-Bräutigam Masetto. Mit glockenreiner Stimme zeichnet Mojca Erdmann ihm zur Seite die Zerlina - ein Bräutchen, das sich in sein Schicksal fügt und die Männer zu nehmen sowie sich zu wehren weiß, bei aller Unschuld erstaunlich durchsetzungsfähig.
Diana Damrau singt die Donna Anna. Diese Partie passt sehr gut zu ihrer Stimme. Die Koloraturen blitzen, und auch die Verstörtheit der jungen Frau, die in ihrem eigenen Hause überfallen wird, gestaltet sie mit großer Intensität. Die Szene, in der sie den Mörder ihres Vaters an der Stimme erkennt, ist für mich der absolute Höhepunkt dieser Aufnahme.
Die Donna Elvira der Joyce DiDonato ist schier rasend vor Liebe und Wut. Wie eine Furie verfolgt sie den Mann, der sie verführt hat und nun gar nicht daran denkt, mit ihr vor den Altar zu treten.
Doch noch viel beeindruckender als Arien und Rezitative sind bei dieser Aufnahme die Ensembles. Sie sind durchweg mit großer Sorg- falt abgestimmt, und es erweist sich zudem, dass all die Stars stimm- lich faszinierend miteinander harmonieren. Wie sie sich zurück- nehmen und gemeinsam musizieren, dem Dirigenten Yannick Nézet-Séguin folgend, da lauscht man wirklich gern. Den Begeisterungs- stürmen mancher Kritikerkollegen, die in Nézet-Séguin ein absolutes Ausnahmetalent erkannt haben wollen, kann ich mich allerdings nicht anschließen. Was er mit dem Mahler Chamber Orchestra hören lässt, das unterscheidet sich nicht grundsätzlich von dem, was man auch an so manchem deutschen Opernhaus unter solider Leitung erleben könnte.
Benda: Violin Concertos; Zenatý (Supraphon)
Franz Benda (1709 bis 1786), erster Violinist und später dann Konzertmeister in der Hofkapelle Friedrichs des Großen, gilt als der bedeutendste böhmische Geiger des 18. Jahrhunderts. Über seinen Lebensweg wurde in diesem Blog bereits an anderer Stelle berichtet. Erinnert sei daran, dass Benda einen Teil seiner Ausbildung als Chorknabe absolvierte, zunächst in Prag und dann in Dresden. Der Gesang blieb das Fundament seiner Musik; Sanglichkeit zeichnet auch die Werke aus, die auf dieser CD zu hören sind.
Benda war ein Meister der melodischen Erfindung, der Kantilene. Und so legt Ivan Zenatý, der gemeinsam mit der Prager Kammerphilhar- monie vier Violinkonzerte seines Landsmanns für Supraphon einge- spielt hat, diese Werke auch an. Sie klingen in seiner Interpretation bereits sehr klassisch. Zenatý verzichtet auf umfangreiche Auszierun- gen, wie sie zu Bendas Zeiten eigentlich noch üblich gewesen waren, und konzentriert sich lieber auf den Klang und auf die Melodie. Der Geiger, der als Professor an der Hochschule für Musik in Dresden lehrt, überzeugt durch seinen schönen Ton und durch sein farben- reiches Spiel. Und die Prager Kammerphilharmonie, die bei dieser Aufnahme in Streichquartett-Besetzung antritt, ergänzt durch einen Kontrabass und Cembalo, sekundiert dabei aufs Beste.
Benda war ein Meister der melodischen Erfindung, der Kantilene. Und so legt Ivan Zenatý, der gemeinsam mit der Prager Kammerphilhar- monie vier Violinkonzerte seines Landsmanns für Supraphon einge- spielt hat, diese Werke auch an. Sie klingen in seiner Interpretation bereits sehr klassisch. Zenatý verzichtet auf umfangreiche Auszierun- gen, wie sie zu Bendas Zeiten eigentlich noch üblich gewesen waren, und konzentriert sich lieber auf den Klang und auf die Melodie. Der Geiger, der als Professor an der Hochschule für Musik in Dresden lehrt, überzeugt durch seinen schönen Ton und durch sein farben- reiches Spiel. Und die Prager Kammerphilharmonie, die bei dieser Aufnahme in Streichquartett-Besetzung antritt, ergänzt durch einen Kontrabass und Cembalo, sekundiert dabei aufs Beste.
Donnerstag, 12. Juli 2012
Devienne: Sonatas for Oboe and Basso continuo / Sonatas for Basson and Basso continuo (MDG)
Die Musik von Francois Devienne (1759 bis 1803) gehört zu meinen persönlichen Favoriten, seit ich zu ersten Mal Werke dieses Kompo- nisten im Flötenunterricht gespielt habe. Sie klingen immer gut, er- freuen mit einem Feuerwerk an musikalischen Ideen, stellen aber - wie man beim Anhören dieser CD umgehend bemerkt - technisch ge- legentlich gewisse Anforderungen.
Der Musiker kam als eines von vielen Kindern eines Sattlers in der französischen Kleinstadt Joinville zur Welt. Ein Bruder lehrte ihn schon früh, verschiedene Instrumente zu spielen. Diesen Unterricht ergänzte dann der örtliche Organist. Seine Ausbildung setzte Devienne von 1776 bis 1778 am Hof von Zweibrücken bei seinem Paten Francois Memmi fort.
1779 erhielt er eine Stelle als Fagottist an der Pariser Oper, und er nahm Flötenunterricht bei Félix Rault, dem Ersten Flötisten des renommierten Orchesters. Von 1780 bis 1785 stand Devienne als Kammermusiker im Dienste des Kardinals de Rohan. 1780 gab er mit einem eigenen Konzert sein Debüt als Flötist bei den Concerts Spiri- tuels. Dort stellte er auch in den darauffolgenden Jahren mit großem Erfolg immer wieder eigene Werke vor. 1791 wurde Devienne Erster Flötist der Pariser Oper. Berühmt wurde er durch seine Opern; er komponierte insgesamt zwölf Opern sowie acht Sinfonien concertan- te, 14 Flötenkonzerte, fünf Fagottkonzerte, dazu etliche Werke für Bläserensembles und sehr viel Kammermusik.
Auch als Musikpädagoge war Devienne sehr gefragt; er unterrichtete an der Musikschule der Garde Nationale, die 1795 den Namen Con- servatoire de musique erhielt. Für seine Schüler schrieb er ein be- deutendes Unterrichtswerk, die Nouvelle Méthode théorique et pratique pour la flûte. Doch der Musiker hatte wenig Gelegenheit, seinen Ruhm zu genießen. 1803 wurde Devienne als Patient in die Nervenklinik von Charenton gebracht, wo er wenig später starb.
In seinen Werken spürt man Vorbilder wie Haydn, Stamitz und Mo- zart, Einflüsse, die Devienne in die französische Tradition integriert hat. Seine Werke sind stets elegant, graziös, ja, tänzerisch und voll Anmut. Sie geben sich schlicht - doch schaut man genauer hin, so erweist sich, wie enorm kunstvoll diese Stücke gestaltet wurden. Auf dieser Doppel-CD sind die sechs Sonaten für Oboe op. 70 und 71 versammelt, sowie drei der Sonaten für Fagott op. 24. Sie sind musi- kalisch außerordentlich abwechslungsreich und zudem technisch anspruchsvoll. Obwohl Devienne formal die "alte" Besetzung mit Solo-Instrument und Basso continuo wählte, sind diese Werke nur noch scheinbar "empfindsam". Sie überraschen durch kühne harmonische Lösungen und einen ausgeprägten, ganz persönlichen Stil.
Der Musiker kam als eines von vielen Kindern eines Sattlers in der französischen Kleinstadt Joinville zur Welt. Ein Bruder lehrte ihn schon früh, verschiedene Instrumente zu spielen. Diesen Unterricht ergänzte dann der örtliche Organist. Seine Ausbildung setzte Devienne von 1776 bis 1778 am Hof von Zweibrücken bei seinem Paten Francois Memmi fort.
1779 erhielt er eine Stelle als Fagottist an der Pariser Oper, und er nahm Flötenunterricht bei Félix Rault, dem Ersten Flötisten des renommierten Orchesters. Von 1780 bis 1785 stand Devienne als Kammermusiker im Dienste des Kardinals de Rohan. 1780 gab er mit einem eigenen Konzert sein Debüt als Flötist bei den Concerts Spiri- tuels. Dort stellte er auch in den darauffolgenden Jahren mit großem Erfolg immer wieder eigene Werke vor. 1791 wurde Devienne Erster Flötist der Pariser Oper. Berühmt wurde er durch seine Opern; er komponierte insgesamt zwölf Opern sowie acht Sinfonien concertan- te, 14 Flötenkonzerte, fünf Fagottkonzerte, dazu etliche Werke für Bläserensembles und sehr viel Kammermusik.
Auch als Musikpädagoge war Devienne sehr gefragt; er unterrichtete an der Musikschule der Garde Nationale, die 1795 den Namen Con- servatoire de musique erhielt. Für seine Schüler schrieb er ein be- deutendes Unterrichtswerk, die Nouvelle Méthode théorique et pratique pour la flûte. Doch der Musiker hatte wenig Gelegenheit, seinen Ruhm zu genießen. 1803 wurde Devienne als Patient in die Nervenklinik von Charenton gebracht, wo er wenig später starb.
In seinen Werken spürt man Vorbilder wie Haydn, Stamitz und Mo- zart, Einflüsse, die Devienne in die französische Tradition integriert hat. Seine Werke sind stets elegant, graziös, ja, tänzerisch und voll Anmut. Sie geben sich schlicht - doch schaut man genauer hin, so erweist sich, wie enorm kunstvoll diese Stücke gestaltet wurden. Auf dieser Doppel-CD sind die sechs Sonaten für Oboe op. 70 und 71 versammelt, sowie drei der Sonaten für Fagott op. 24. Sie sind musi- kalisch außerordentlich abwechslungsreich und zudem technisch anspruchsvoll. Obwohl Devienne formal die "alte" Besetzung mit Solo-Instrument und Basso continuo wählte, sind diese Werke nur noch scheinbar "empfindsam". Sie überraschen durch kühne harmonische Lösungen und einen ausgeprägten, ganz persönlichen Stil.
Ingo Goritzki, Oboe, und Sergio Azzolini, Fagott, präsentieren diese hübschen, aber auch virtuosen Werke mit offenkundiger Spielfreude. Den Continuo-Part übernehmen Musiker des Ensembles Villa Musica. Zu hören sind Diego Cantalupi, Laute, Ilze Grudule, Violoncello, Sergio Azzolini und Ai Ikeda, Fagott, sowie Kristian Nyquist am Hammerklavier. Über die Qualität dieser Aufnahmen muss man weiter nichts sagen - der Name Dabringhaus und Grimm steht hier einmal mehr für exzellente Einspielungen mit herausragenden Musikern.
Nielsen / Tchaikovsky: Violin Concertos; Frang (EMI Classics)
Die norwegische Geigerin Vilde Frang spielt gemeinsam mit dem DR Symfoni Orkestret, dem Sinfonieorchester des dänischen Rundfunks, unter Eivind Gullberg Jensen zwei Violinkonzerte der Spätromantik. Pjotr Iljitsch Tschaikowski hat nur ein einziges Violinkonzert geschrieben; es ist wunderschön, sehr bekannt und in sehr vielen Aufnahmen erhältlich - und es ist ein prominentes Beispiel dafür, wie sich Geschmack ver- ändert.
Denn es galt zunächst als "unviolinistisch" und unspielbar; der renom- mierte Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick meinte gar, das Werk "bringe uns auf die schauerliche Idee, ob es nicht auch Musikstücke geben könnte, die man stinken hört". Heute haben es wohl die mei- sten Solo-Violinisten in ihrem Repertoire, und man staunt, wie un- terschiedlich dieses Konzert interpretiert werden kann. Da erscheint es schwierig, zu einer eigenen Lesart zu finden. Vilde Frang sucht offenbar nach den Spuren des Russischen in diesem Werk - und sie hat einiges gefunden, was sie temperamentvoll in den Orchesterpart ein- flicht.
Gänzlich anders ist das Violinkonzert von Carl Nielsen (1865 bis 1931). Dieser Komponist war selbst Geiger; das Instrument domi- niert, und das Orchester bringt eher Klangfarben ein, quasi als Klangteppich, als in einen Dialog mit dem Solopart zu treten. Nielsens Konzert verlangt vom Solisten schier pausenlosen Einsatz und eine enorme Gestaltungskraft. Und da lässt Frang aufhorchen. Denn mit welcher Sorgfalt sie jede einzelne Phrase aufbaut, wie sie den Klang formt, und zugleich dabei den großen Zusammenhang nicht aus dem Blick verliert, das beeindruckt schwer. Diese junge Geigerin ist technisch absolut sattelfest, und zugleich mit einer Ausdrucksstärke gesegnet, die man nur bei den ganz großen Solisten antrifft. Eine Jahrhundertsolistin, ohne Frage, von der wir noch viel erwarten dürfen - man höre nur das pianissimo am Ende des Largo; solche Details überzeugen. Brava!
Denn es galt zunächst als "unviolinistisch" und unspielbar; der renom- mierte Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick meinte gar, das Werk "bringe uns auf die schauerliche Idee, ob es nicht auch Musikstücke geben könnte, die man stinken hört". Heute haben es wohl die mei- sten Solo-Violinisten in ihrem Repertoire, und man staunt, wie un- terschiedlich dieses Konzert interpretiert werden kann. Da erscheint es schwierig, zu einer eigenen Lesart zu finden. Vilde Frang sucht offenbar nach den Spuren des Russischen in diesem Werk - und sie hat einiges gefunden, was sie temperamentvoll in den Orchesterpart ein- flicht.
Gänzlich anders ist das Violinkonzert von Carl Nielsen (1865 bis 1931). Dieser Komponist war selbst Geiger; das Instrument domi- niert, und das Orchester bringt eher Klangfarben ein, quasi als Klangteppich, als in einen Dialog mit dem Solopart zu treten. Nielsens Konzert verlangt vom Solisten schier pausenlosen Einsatz und eine enorme Gestaltungskraft. Und da lässt Frang aufhorchen. Denn mit welcher Sorgfalt sie jede einzelne Phrase aufbaut, wie sie den Klang formt, und zugleich dabei den großen Zusammenhang nicht aus dem Blick verliert, das beeindruckt schwer. Diese junge Geigerin ist technisch absolut sattelfest, und zugleich mit einer Ausdrucksstärke gesegnet, die man nur bei den ganz großen Solisten antrifft. Eine Jahrhundertsolistin, ohne Frage, von der wir noch viel erwarten dürfen - man höre nur das pianissimo am Ende des Largo; solche Details überzeugen. Brava!
Dienstag, 10. Juli 2012
A Cavalier's Tour trough Baroque Europe (Berlin Classics)
Das Ensemble Concerto Grosso Berlin legt bei Berlin Classics seine Debüt-CD vor: A Cavalier's Tour vollzieht eine Bildungsreise durch Europa nach, wie sie zur Zeit des Barock nicht mehr nur für Adlige, sondern zunehmend auch für die Söhne wohlhabender Stadtbürger und auch für Künstler zum Pflicht- programm gehörte. Man nahm die Unbequemlichkeiten einer solchen Kavalierstour auf sich, um fremde Länder, fremde Sprachen und fremde Sitten kennenzulernen - und Verbindungen zu knüpfen, die man im Zeitalter der Fußwanderungen und der Postkutsche nicht ohne weiteres erwartet hätte.
Uns verrät die Musik auf dieser CD, dass selbst Musiker damals viel und weit reisten. So waren sie miteinander oft gut bekannt, und tauschten Noten, Ideen und mitunter auch Sticheleien aus. Die Ent- wicklung der Musik europaweit hat dieser Kreuz-und-Quer-Transfer sehr befördert. Auf diese Weise kamen beispielsweise Werke des Wiener Hofkompositeurs Johann Joseph Fux in die Musikaliensamm- lung des Dresdner Violinvirtuosen Pisendel. Georg Philipp Telemann, der selbst eifrig Kopien sammelte und verschickte, kombinierte Elemente der polnischen, französischen, italienischen und deutschen Musik. Damit war er keineswegs allein - selbst Preußens Hofflötist Johann Joachim Quantz begeisterte sich für diesen "vermischten" Stil, den er als eine "künstliche Sprache" ansah, die in ganz Europa ver- standen wird.
Folgen wir also dem Concerto Grosso Berlin auf eine musikalische Reise durch das Europa der Händel-Zeit. Das Ensemble musiziert historisch informiert, aber nicht museal, sondern frisch und lebendig. Besetzung und das Instrumentarium werden jeweils dem Repertoire angepasst. Das klingt sehr erfreulich - und als Zugabe gibt's eine wundervolle Ariette von Jean Philippe Rameau, gesungen von der jungen Hallenser Sopranistin Marie Friederike Schöder.
Uns verrät die Musik auf dieser CD, dass selbst Musiker damals viel und weit reisten. So waren sie miteinander oft gut bekannt, und tauschten Noten, Ideen und mitunter auch Sticheleien aus. Die Ent- wicklung der Musik europaweit hat dieser Kreuz-und-Quer-Transfer sehr befördert. Auf diese Weise kamen beispielsweise Werke des Wiener Hofkompositeurs Johann Joseph Fux in die Musikaliensamm- lung des Dresdner Violinvirtuosen Pisendel. Georg Philipp Telemann, der selbst eifrig Kopien sammelte und verschickte, kombinierte Elemente der polnischen, französischen, italienischen und deutschen Musik. Damit war er keineswegs allein - selbst Preußens Hofflötist Johann Joachim Quantz begeisterte sich für diesen "vermischten" Stil, den er als eine "künstliche Sprache" ansah, die in ganz Europa ver- standen wird.
Folgen wir also dem Concerto Grosso Berlin auf eine musikalische Reise durch das Europa der Händel-Zeit. Das Ensemble musiziert historisch informiert, aber nicht museal, sondern frisch und lebendig. Besetzung und das Instrumentarium werden jeweils dem Repertoire angepasst. Das klingt sehr erfreulich - und als Zugabe gibt's eine wundervolle Ariette von Jean Philippe Rameau, gesungen von der jungen Hallenser Sopranistin Marie Friederike Schöder.
Anabel Montesinos (Naxos)
Anabel Montesinos gehört ohne Zweifel zu den besten Gitarren- virtuosen der jungen Generation. Sie begann ihre musikalische Aus- bildung im Alter von fünf Jahren, und widmet sich seit ihrem sechsten Lebensjahr der Gitarre. Mit zwölf hat Montesinos auf Mallorca ihr erstes Solokonzert gespielt. Übermütig ist sie durch diese Wunderkind-Karriere nicht geworden, wie man sieht. Die Musikerin, Jahrgang 1984, hat an den Conservatorios Superiores de Música in Tarragona und in Alicante studiert, und mittlerweile eine Vielzahl von Wettbewerben gewonnen, darunter den renommierte Francisco Tárrega Gitarrenwettbewerb 2002 und den Michele Pitta- luga Wettbewerb in Alessandria 2010. Und sie hat Konzerterfahrung gesammelt; so musizierte sie gemeinsam mit Pac de Lucia im schwedischen Uppsala. Auf dieser CD präsentiert sie sich - wie sollte es anders sein - mit Gitarrenmusik aus Spanien von Fernando Sor über Enrique Granados, dessen Werke sie in eigenen Arrangements vorstellt, bis hin zu Joaquín Rodrigo. Die Stimmung der Musik ist zumeist elegisch bis melancholisch. Doch die Brillanz, mit der Montesinos hier musiziert, sorgt beim Zuhörer für gute Laune. Um die spanische Gitarrentradition jedenfalls muss man nicht bangen.
Donnerstag, 5. Juli 2012
Vivaldi: The four seasons (Tafelmusik)
Tafelmusik, Kanadas renommiertes Barockensemble, überrascht hier mit einer nicht uninteressanten Aufnahme von Vivaldis berühmten Vier Jahreszeiten. Jeanne Lamon, die das Orchester von der Solo-Violine aus leitet, hat mit ihren Musikern eine Version erarbeitet, die zwar auf den ersten Blick eher unspektakulär wirkt, aber beim näheren Hinhören eine Vielzahl musikalischer Details offenbart. Tafelmusik verzichtet auf allzu brachiale Effekte; dafür gelingt es den Musikern aber, Vivaldis Pro- grammmusik so vorzutragen, dass die Inhalte, die der Komponist vermitteln wollte, hörbar werden - vom bellenden Hund bis zum betrunkenen Bauern und vom aufzuckenden Blitz bis zu den im Frost klappernden Zähnen.
Ergänzt hat das Ensemble die vier Konzerte durch die Sinfonie h-Moll Am heiligen Grabe - eine Rarität, die man selten zu hören bekommt - und durch das Concerto für vier Violinen in h-Moll. Es ist hier in der Tat nur mit vier Violinen besetzt. Dazu gesellen sich zwei Bratschen, Violoncello und Kontrabass sowie Erzlaute und Cembalo. In dieser Minimalbesetzung klingt das Werk wunderbar. Gratulation an Tafel- musik für das gelungene Album.
Ergänzt hat das Ensemble die vier Konzerte durch die Sinfonie h-Moll Am heiligen Grabe - eine Rarität, die man selten zu hören bekommt - und durch das Concerto für vier Violinen in h-Moll. Es ist hier in der Tat nur mit vier Violinen besetzt. Dazu gesellen sich zwei Bratschen, Violoncello und Kontrabass sowie Erzlaute und Cembalo. In dieser Minimalbesetzung klingt das Werk wunderbar. Gratulation an Tafel- musik für das gelungene Album.
Dienstag, 3. Juli 2012
Vivaldi: Argippo (Dynamic)
Als der Musikwissenschaftler Al- berto Gentili einst die verfügbaren Handschriften Antonio Vivaldis auflistete, stellte man erstaunt fest, dass der Komponist, den man eigentlich nur als unermüdlichen Schöpfer von Instrumentalmusik kannte, auch etliche Opern ge- schrieben hat. Doch von einigen sind nur Libretti überliefert. Noch vor wenigen Jahren gehörte auch Argippo dazu - eine von sechs Opern, die Vivaldi für das Sporck-Theater in Prag geschaffen hat.
Die Musik dieser Oper aus dem Jahre 1730 galt als verschollen, bis 2006 der tschechische Dirigent Ondrej Macek im Privatarchiv der Familie Thurn und Taxis in Regensburg etwa die Hälfte der Arien entdeckte. Daraufhin ergänzte er das Werk, indem er Arien aus ande- ren Opern Vivaldis übernahm, die sowohl vom Metrum als auch dem Charakter nach passten und in demselben Zeitraum entstanden waren. Die Rezitative wurden neu komponiert. In dieser Form erklang das Werk dann 2008 erstmals wieder in Prag.
Die Handlung ist ziemlich albern; es geht um eine Frau, die von einem verschmähten Liebhaber ausgetrickst wird. Bei einem Stelldichein in dunklem Versteck verliert sie ihre Unschuld - an den falschen Mann. Der eigentlich Geliebte, der von allem aber nichts weiß, reist zurück in die Heimat, und heiratet dort eine andere. Das wäre schlicht Pech - doch Zanaida, die derart Betrogene, ist die Tochter des Großmoguls. So sind einige Verwicklungen garantiert, während die Geschichte schrittweise herauskommt. Das gibt Anlass zu etlichen hochvirtuosen Arien. Und weil es sich um eine Oper handelt, gibt es selbstverständ- lich ein Happy End.
Der vorliegende Mitschnitt aus dem Teatro Goldoni in Venedig ent- stand 2008 im Rahmen des Festivals I Luoghi di Baldassare. Die Hof- musici, wie sich die 1991 von Ondrej gegründete Cappella Accade- mica Prag heute nennt, spielen wacker auf. Leider sind die Sänger den horrenden Anforderungen der Partien zum sehr überwiegenden Teil nicht gewachsen. Ein Vibrato wie aus dem Ofenrohr beispielsweise passt beim besten Willen nicht zu dieser Art von Musik.
Die Musik dieser Oper aus dem Jahre 1730 galt als verschollen, bis 2006 der tschechische Dirigent Ondrej Macek im Privatarchiv der Familie Thurn und Taxis in Regensburg etwa die Hälfte der Arien entdeckte. Daraufhin ergänzte er das Werk, indem er Arien aus ande- ren Opern Vivaldis übernahm, die sowohl vom Metrum als auch dem Charakter nach passten und in demselben Zeitraum entstanden waren. Die Rezitative wurden neu komponiert. In dieser Form erklang das Werk dann 2008 erstmals wieder in Prag.
Die Handlung ist ziemlich albern; es geht um eine Frau, die von einem verschmähten Liebhaber ausgetrickst wird. Bei einem Stelldichein in dunklem Versteck verliert sie ihre Unschuld - an den falschen Mann. Der eigentlich Geliebte, der von allem aber nichts weiß, reist zurück in die Heimat, und heiratet dort eine andere. Das wäre schlicht Pech - doch Zanaida, die derart Betrogene, ist die Tochter des Großmoguls. So sind einige Verwicklungen garantiert, während die Geschichte schrittweise herauskommt. Das gibt Anlass zu etlichen hochvirtuosen Arien. Und weil es sich um eine Oper handelt, gibt es selbstverständ- lich ein Happy End.
Der vorliegende Mitschnitt aus dem Teatro Goldoni in Venedig ent- stand 2008 im Rahmen des Festivals I Luoghi di Baldassare. Die Hof- musici, wie sich die 1991 von Ondrej gegründete Cappella Accade- mica Prag heute nennt, spielen wacker auf. Leider sind die Sänger den horrenden Anforderungen der Partien zum sehr überwiegenden Teil nicht gewachsen. Ein Vibrato wie aus dem Ofenrohr beispielsweise passt beim besten Willen nicht zu dieser Art von Musik.
Graun: Trios - Les Récréations (Raumklang)
Etwa 130 Triosonaten von Johann Gottlieb Graun (1703 bis 1771) sind überliefert. Vier seiner Werke haben die Musiker des Ensembles Les Récréations für diese CD nach Handschriften aus der Berliner Amalienbibliothek eingespielt. Die Auswahl fiel ihnen offenbar nicht leicht: "Nous avons échangé des pièces jusqu'au dernier moment et arions probablement fait un choix encore différent une semaine plus tard", meint Matthieu Camilleri. Er ist ebenso wie Clara Mühlethaler, Emily Robinson und Philippe Grisvard ausgewiesener Experte für "Alte" Musik. Beim Quatro ergänzt der Gambist Atsushi Sakai die Be- setzung. Auch eine gewisse Vorliebe für originelle Kompositionen scheinen die Musiker ja zu teilen; nach Spätbarock klingen diese Stücke jedenfalls nur noch andeutungsweise.
Grauns Werke sind gekennzeichnet durch ausgedehnte konzertante Passagen, in die sich alle Stimmen ziemlich fair teilen. Dabei ähnelt das gemeinsame Musizieren stark einer zwar virtuosen, aber auch sehr gepflegten Konversation - hier darf jeder ausreden, und der Gesprächspartner ist weniger darauf erpicht, eigene Ideen ins Spiel zu bringen; er greift vielmehr das zuvor Gesagte auf und führt es weiter. Der Kontrapunkt als Strukturprinzip bringt da interessante Effekte.
Graun war ein Geiger, seine Lehrer hießen Pisendel und Tartini. 1732 trat der junge Musiker gemeinsam mit seinem Bruder Carl Heinrich in die Dienste des preußischen Kronprinzen Friedrich, der sich damals noch in Neuruppin aufhielt. Die Gebrüder Graun folgten Friedrich dann nach Rheinsberg und Berlin. Am Hofe des preußischen Königs wirkte Johann Gottlieb Graun bis an sein Lebensende als Konzert- meister und Kammermusikus; seine Kompositionen, die Friedrich sehr schätzte, dürften so manches Konzert in Sanssouci bereichert haben.
Graun war ein Geiger, seine Lehrer hießen Pisendel und Tartini. 1732 trat der junge Musiker gemeinsam mit seinem Bruder Carl Heinrich in die Dienste des preußischen Kronprinzen Friedrich, der sich damals noch in Neuruppin aufhielt. Die Gebrüder Graun folgten Friedrich dann nach Rheinsberg und Berlin. Am Hofe des preußischen Königs wirkte Johann Gottlieb Graun bis an sein Lebensende als Konzert- meister und Kammermusikus; seine Kompositionen, die Friedrich sehr schätzte, dürften so manches Konzert in Sanssouci bereichert haben.
Diese CD wiederum dürfte die Sammlung musikhistorisch interes- sierter Hörer bereichern. Denn wer Grauns Werke hört, der lernt zugleich die Wurzeln der Klassik kennen. Sie sind zwar eher virtuos als galant - doch vom Kontrapunkt Grauns ist der Weg hin zu Haydn, ja selbst zum frühen Beethoven nicht mehr weit. Und so durchdacht und temperamentvoll vorgetragen, wie man Grauns Triosonaten hier er- leben kann, sind sie wirklich ein Genuss - bravi!
Montag, 2. Juli 2012
Arias for Guadagni (Hyperion)
Die Paraderolle des Kastraten Gae- tano Guadagni (1728 bis 1792) war der Orpheus - Gluck hat seine Oper Orfeo ed Euridice für diesen Sänger geschaffen, was nicht ohne Risiko war: "Die Rolle passte ihm wie an- gegossen", meinte Textdichter Calzabigi, "in anderer Hand wäre sie eine Katastrophe gewesen."
Und obwohl sich das Traumteam Gluck-Calzabigi-Guadagni schon wenig später, nach dem Misserfolg der Oper Telemaco, in der der Kastrat ebenfalls die Titelrolle sang, erledigt hatte, behielt der Sänger die Partie des Orpheus mehr als 20 Jahre lang in seinem Repertoire. Dass er sich mit dieser Figur derart identifizierte, mag auch in seiner Biographie begründet liegen.
Guadagni stammte aus einer Musikerfamilie; auch die drei Schwe- stern und sein Bruder waren Opernsänger. Der Kastrat begann seine Karriere 1746 als Mitglied des renommierten Chores der Basilika des Heiligen Antonius zu Padua. Zugleich sang er aber mit Begeisterung Opern, was dazu führte, dass er seine Stelle in der cappella bald wieder verlor. 1748 kam der Sänger mit einer Buffa-Truppe nach London. Sie ging dort bald bankrott, doch Guadagni wurde Händel vorgestellt, der von seiner Stimme sehr angetan war.
Diese CD enthält eine Reihe von Arien, die der Komponist speziell für den Kastraten geschrieben hat. Sie zeigen, dass er keineswegs nur die Phrasierung und das Legato-Singen in großen Bögen exzellent beherrschte. Auch Koloraturen und Verzierungen wusste er offenbar kunstvoll zu gestalten.
In den europäischen Musikmetropolen wurde Guadagni bald schon gefeiert. So sang er unter anderem in Paris und Versaille, in Wien, München - und in Padua, wo er 1768 in Gnaden wieder aufgenommen und mit einem Gehalt ausgestattet wurde, das deutlich über dem des Konzertmeisters Tartini und auch des Kapellmeisters Valotti lag. An seinen Konzertreisen störte sich nun niemand mehr. Guadagni war ein Star. Davon profitierte seine Wahlheimat Padua, denn der Künst- ler glänzte nicht nur mit seinem Gesang an den großen Kirchenfesten. Er stiftete zudem große Summen und kümmerte sich um städtische Projekte.
Auch Iestyn Davies begann seine Karriere in einem Chor: Er war choral scholar im St. John's College der Cambridge University, wo er zunächst Archäologie und Anthropologie studierte, bevor er sich dazu entschloss, an die Royal Acadamy of Music zu wechseln. Mittlerweile hat der Countertenor bedeutende Partien an etlichen wichtigen Opernhäusern dieser Welt gesungen. Mit dem Ensemble Arcangelo unter Jonathan Cohen hat Davies bereits Kantaten von Porpora aufgenommen; die Guadagni-Arien führen diese erfreuliche Zusammenarbeit nun in der denkbar schönsten Weise weiter. Hier sind Partner am Werk, die aufeinander hören, und miteinander gestalten - und das Ergebnis begeistert einmal mehr. Die eingestreute Orchester-Sinfonie in D-Dur von Carl Philipp Emanuel Bach zeigt zudem, dass auch Arcangelo durchaus spannende Akzente zu setzen versteht. Von diesen jungen Musikern darf man noch viel erwarten.
Und obwohl sich das Traumteam Gluck-Calzabigi-Guadagni schon wenig später, nach dem Misserfolg der Oper Telemaco, in der der Kastrat ebenfalls die Titelrolle sang, erledigt hatte, behielt der Sänger die Partie des Orpheus mehr als 20 Jahre lang in seinem Repertoire. Dass er sich mit dieser Figur derart identifizierte, mag auch in seiner Biographie begründet liegen.
Guadagni stammte aus einer Musikerfamilie; auch die drei Schwe- stern und sein Bruder waren Opernsänger. Der Kastrat begann seine Karriere 1746 als Mitglied des renommierten Chores der Basilika des Heiligen Antonius zu Padua. Zugleich sang er aber mit Begeisterung Opern, was dazu führte, dass er seine Stelle in der cappella bald wieder verlor. 1748 kam der Sänger mit einer Buffa-Truppe nach London. Sie ging dort bald bankrott, doch Guadagni wurde Händel vorgestellt, der von seiner Stimme sehr angetan war.
Diese CD enthält eine Reihe von Arien, die der Komponist speziell für den Kastraten geschrieben hat. Sie zeigen, dass er keineswegs nur die Phrasierung und das Legato-Singen in großen Bögen exzellent beherrschte. Auch Koloraturen und Verzierungen wusste er offenbar kunstvoll zu gestalten.
In den europäischen Musikmetropolen wurde Guadagni bald schon gefeiert. So sang er unter anderem in Paris und Versaille, in Wien, München - und in Padua, wo er 1768 in Gnaden wieder aufgenommen und mit einem Gehalt ausgestattet wurde, das deutlich über dem des Konzertmeisters Tartini und auch des Kapellmeisters Valotti lag. An seinen Konzertreisen störte sich nun niemand mehr. Guadagni war ein Star. Davon profitierte seine Wahlheimat Padua, denn der Künst- ler glänzte nicht nur mit seinem Gesang an den großen Kirchenfesten. Er stiftete zudem große Summen und kümmerte sich um städtische Projekte.
Auch Iestyn Davies begann seine Karriere in einem Chor: Er war choral scholar im St. John's College der Cambridge University, wo er zunächst Archäologie und Anthropologie studierte, bevor er sich dazu entschloss, an die Royal Acadamy of Music zu wechseln. Mittlerweile hat der Countertenor bedeutende Partien an etlichen wichtigen Opernhäusern dieser Welt gesungen. Mit dem Ensemble Arcangelo unter Jonathan Cohen hat Davies bereits Kantaten von Porpora aufgenommen; die Guadagni-Arien führen diese erfreuliche Zusammenarbeit nun in der denkbar schönsten Weise weiter. Hier sind Partner am Werk, die aufeinander hören, und miteinander gestalten - und das Ergebnis begeistert einmal mehr. Die eingestreute Orchester-Sinfonie in D-Dur von Carl Philipp Emanuel Bach zeigt zudem, dass auch Arcangelo durchaus spannende Akzente zu setzen versteht. Von diesen jungen Musikern darf man noch viel erwarten.
Gulyás Csilla - Baroque (Hungaroton)
Bearbeitungen bekannter Werke für Harfe solo - das ist eine Spezialität der ungarischen Harfenistin Csilla Gulyás. Auf dieser CD ist sie mit Hits aus der Barockzeit zu hören. Die Arrangements sind klug durch- dacht; sie nutzen die Klangeffekte, die das Instrument gestattet. Die Solistin musiziert zudem schwung- voll und virtuos. Mit einem Wort: Hinreißend! Wer die Harfe schätzt, der wird diese CD lieben.
Marcello: Sonatas for flute & basso continuo (Newton)
Da in diesem Blog gerade über Be- nedetto Marcello (1686 bis 1739) geschrieben wurde - bei Newton gibt's nun auch sein Opus 2, die zwölf Suonate a flauto solo con il suo basso continuo, so der Titel der Erstveröffentlichung, die 1712 bei Giuseppe Sala in Venedig er- schienen ist. Spätere Drucke wei- sen sie der German Flute or Violin zu - und auch das Trio Legrenzi hat sich bei dieser Aufnahme aus dem Jahre 1990 für die Besetzung mit Querflöte entschieden.
Vasco Magnolato, Flöte, Giuliano Vio am Violoncello und Michele Liuzzi am Cembalo zeigen diese hübschen Werke als ein Spiel mit melodischen Einfällen. Marcello nutzte dafür die Form der Kirchen- sonate, aber er hielt sich nicht sklavisch daran; oftmals baute er beispielsweise Tanzsätze ein, wie sie eigentlich in der damaligen Zeit typisch für die Kammersonate waren. Man sollte diese Werke in ihrem offensichtlichen Streben nach Schlichtheit nicht unterschätzen - edle Einfalt ist in der Musik oftmals das, was am schwierigsten zu gestalten ist.
Vasco Magnolato, Flöte, Giuliano Vio am Violoncello und Michele Liuzzi am Cembalo zeigen diese hübschen Werke als ein Spiel mit melodischen Einfällen. Marcello nutzte dafür die Form der Kirchen- sonate, aber er hielt sich nicht sklavisch daran; oftmals baute er beispielsweise Tanzsätze ein, wie sie eigentlich in der damaligen Zeit typisch für die Kammersonate waren. Man sollte diese Werke in ihrem offensichtlichen Streben nach Schlichtheit nicht unterschätzen - edle Einfalt ist in der Musik oftmals das, was am schwierigsten zu gestalten ist.
Sonntag, 1. Juli 2012
Marcello: Concertos a cinque Op. 1 - 5 Sinfonias (Newton)
Benedetto Giacomo Marcello (1686 bis 1739) war, obwohl eigentlich Jurist, als Komponist fast ebenso angesehen wie sein Bruder Alessandro Marcello. Die beiden entstammten einem vene- zianischen Patriziergeschlecht.
Berichtet wird, man habe Alessan- dro, den älteren der beiden, an- lässlich eines Konzertes gefragt, wie es um die musikalischen Fer- tigkeiten seines Bruders bestellt sei. Er habe geantwortet, dass es damit nicht weit her sei, er könne jedoch nach den Aufführungen zumindest die Noten wieder ein- sammeln. Benedetto aber nahm Unterricht bei Francesco Gasparini und Antonio Lotti - und feierte mit Psalmvertonungen, die unter dem Titel L'Estro Poetico-Armonico 1724 bis 1726 erschienen, europa- weit Erfolge.
1708 hatte er sein Opus 1 publiziert - zwölf Konzerte für Streicher con violino e violoncello obbligati, die hier auf zwei CD vorliegen. Be- denkt man, dass es zu diesem Zeitpunkt vergleichbare Werke, etwa von Vivaldi, Corelli oder Albinoni, noch gar nicht gab, so wird die Kühnheit dieser Concerti erkennbar. Sie sind zwar lang nicht so virtuos wie die Stücke, die die Kollegen später vorlegen sollten. Doch Marcello erfindet wundervolle Melodien, und er experimentiert mit der Harmonik, was sehr reizvolle Effekte hat. Nicht umsonst hat Bach später das zweite Konzert für die Orgel bearbeitet. Ähnlich originell sind Marcellos fünf Sinfonien, die sich hier auf der dritten und letzten CD dieser Box finden.
Es ist durchweg schöne Musik, eingespielt vom Ensemble I Solisti di Milano unter Angelo Ephrikian im Jahre 1967. Man muss es daher hinnehmen, dass der Hörgenuss gelegentlich durch die damals übli- che Aufführungspraxis getrübt wird. So triefen insbesondere die langsamen Sätze geradezu vom Vibrato, das ist schon ganz schön gewöhnungsbedürftig. Wer darüber hinweghören kann, der wird hier dennoch sehr hörenswerte Musik finden.
Berichtet wird, man habe Alessan- dro, den älteren der beiden, an- lässlich eines Konzertes gefragt, wie es um die musikalischen Fer- tigkeiten seines Bruders bestellt sei. Er habe geantwortet, dass es damit nicht weit her sei, er könne jedoch nach den Aufführungen zumindest die Noten wieder ein- sammeln. Benedetto aber nahm Unterricht bei Francesco Gasparini und Antonio Lotti - und feierte mit Psalmvertonungen, die unter dem Titel L'Estro Poetico-Armonico 1724 bis 1726 erschienen, europa- weit Erfolge.
1708 hatte er sein Opus 1 publiziert - zwölf Konzerte für Streicher con violino e violoncello obbligati, die hier auf zwei CD vorliegen. Be- denkt man, dass es zu diesem Zeitpunkt vergleichbare Werke, etwa von Vivaldi, Corelli oder Albinoni, noch gar nicht gab, so wird die Kühnheit dieser Concerti erkennbar. Sie sind zwar lang nicht so virtuos wie die Stücke, die die Kollegen später vorlegen sollten. Doch Marcello erfindet wundervolle Melodien, und er experimentiert mit der Harmonik, was sehr reizvolle Effekte hat. Nicht umsonst hat Bach später das zweite Konzert für die Orgel bearbeitet. Ähnlich originell sind Marcellos fünf Sinfonien, die sich hier auf der dritten und letzten CD dieser Box finden.
Es ist durchweg schöne Musik, eingespielt vom Ensemble I Solisti di Milano unter Angelo Ephrikian im Jahre 1967. Man muss es daher hinnehmen, dass der Hörgenuss gelegentlich durch die damals übli- che Aufführungspraxis getrübt wird. So triefen insbesondere die langsamen Sätze geradezu vom Vibrato, das ist schon ganz schön gewöhnungsbedürftig. Wer darüber hinweghören kann, der wird hier dennoch sehr hörenswerte Musik finden.
Bach: French & English Suites (Oehms Classics)
"Prägende Ereignisse vergisst man nicht", berichtet Blockflötist Stefan Temmingh im Beiheft zu dieser CD. "So kann ich mich sehr genau an meine erste bewusste Begegnung mit Johann Sebastian Bach er- innern. Ich war ungefähr acht Jahre alt, als in meinem Eltern- haus eine CD mit den Concerti für drei und vier Cembali mit The English Concert unter Trevor Pinnock in meine Hände gelangte. Die Aufnahme schlug mich sofort in ihren Bann, und ich hörte sie mir stundenlang an. Damit begann meine Liebe für die Alte Musik und für Bach im Besonderen."
Diese Liebe hat hier Frucht getragen: Temmingh hat gemeinsam mit Domen Marincic, Viola da gamba, und dem Lautenisten Axel Wolf Werke des verehrten Komponisten eingespielt. Schon der Blick auf die Besetzung zeigt: "Original"werke können es nicht sein, denn für Block- flöte, Gambe und Laute hat Bach nichts komponiert. Die Musiker setzten daher auf ein Verfahren, das Bach selbst auch gern und viel verwendet hat. Sie haben Stücke bearbeitet, beispielsweise die Engli- sche Suite Nr. 2 BWV 807, die Französischen Suiten Nr. 5 BWV 816, hier in C-Dur, und Nr. 3 BWV 814. Das greift die barocke Praxis auf, Cembaloliteratur umzuinstrumentieren, so dass sie mit Melodie- instrumenten gespielt werden kann. Es ist ihnen aber nicht durchweg überzeugend gelungen, zumal Blockflöte und Laute mit dem doch recht massiven Klang der Gambe nicht durchweg im Gleichgewicht sind.
Zu hören sind zudem das Siciliano aus der c-Moll-Violinsonate BWV 1017 und Wachet auf, ruft uns die Stimme BWV 645 aus den Schübler-Chorälen, das sich als Orgelstück in seiner Dreistimmigkeit dazu geradezu anbietet.
Außerdem erklingen Versionen des Pedal-Exercitiums BWV 598 für Gambe solo, des Preludes BWV 1006a - diese Bearbeitung stammt ausnahmsweise einmal von Bach selbst - und auch der Fuge in g-Moll BWV 1000 für Laute solo. Eines muss man sagen: Wer sein Instru- ment so beherrscht, wie diese drei Musiker, der darf sich an solche Experimente wagen. Temmingh spielt einmal mehr furios - und selbst wenn einen vielleicht einmal eine Bearbeitung nicht ganz so begei- stert, so entschädigen Virtuosität und Leidenschaft, die das Trio hier aufbietet, voll und ganz dafür.
Diese Liebe hat hier Frucht getragen: Temmingh hat gemeinsam mit Domen Marincic, Viola da gamba, und dem Lautenisten Axel Wolf Werke des verehrten Komponisten eingespielt. Schon der Blick auf die Besetzung zeigt: "Original"werke können es nicht sein, denn für Block- flöte, Gambe und Laute hat Bach nichts komponiert. Die Musiker setzten daher auf ein Verfahren, das Bach selbst auch gern und viel verwendet hat. Sie haben Stücke bearbeitet, beispielsweise die Engli- sche Suite Nr. 2 BWV 807, die Französischen Suiten Nr. 5 BWV 816, hier in C-Dur, und Nr. 3 BWV 814. Das greift die barocke Praxis auf, Cembaloliteratur umzuinstrumentieren, so dass sie mit Melodie- instrumenten gespielt werden kann. Es ist ihnen aber nicht durchweg überzeugend gelungen, zumal Blockflöte und Laute mit dem doch recht massiven Klang der Gambe nicht durchweg im Gleichgewicht sind.
Zu hören sind zudem das Siciliano aus der c-Moll-Violinsonate BWV 1017 und Wachet auf, ruft uns die Stimme BWV 645 aus den Schübler-Chorälen, das sich als Orgelstück in seiner Dreistimmigkeit dazu geradezu anbietet.
Außerdem erklingen Versionen des Pedal-Exercitiums BWV 598 für Gambe solo, des Preludes BWV 1006a - diese Bearbeitung stammt ausnahmsweise einmal von Bach selbst - und auch der Fuge in g-Moll BWV 1000 für Laute solo. Eines muss man sagen: Wer sein Instru- ment so beherrscht, wie diese drei Musiker, der darf sich an solche Experimente wagen. Temmingh spielt einmal mehr furios - und selbst wenn einen vielleicht einmal eine Bearbeitung nicht ganz so begei- stert, so entschädigen Virtuosität und Leidenschaft, die das Trio hier aufbietet, voll und ganz dafür.
Telemann: A fagotto solo (Ricercar)
Französische Musik und damit auch französische Musikinstru- mente waren im 17. Jahrhundert an deutschen Höfen groß in Mode. So löste die französische Version des Fagotts die deutsche Bauform ab. Das Barockfagott bestand daher aus mehreren Einzelteilen, und war eine kleine Terz tiefer gestimmt als sein Vorgänger, das Dulzian.
Und es wurde, nicht zuletzt auf- grund seines charakteristisches Klanges und seiner beträchtlichen spieltechnischen Möglichkeiten nicht nur im Continuo, sondern gern auch als Solo-Instrument eingesetzt. Diese CD hat einige hübsche Beispiele dafür zusammengestellt. So fand sich die titelgebende Sonate in f-Moll a fagotto solo in einer Sammlung von Musikstücken für Laien, die Georg Philipp Telemann 1728 und 1729 unter dem Titel Der getreue Music-Meister publiziert hat.
Auch sonst sind Jérémie Papasergio und seinem Ensemble Syntagma Amici im Werk des Hamburger Komponisten einige Entdeckungen gelungen. Der Fagottist hat diese Werke zudem um ein Trio B-Dur von Jan Dismas Zelenka und um ein Duetto g-Moll von Christoph Schaff- rath ergänzt.
Zelenka wirkte am Dresdner Hof, und veröffentlichte 1723 einen Band mit 6 Sonate a due Hautbois et Basson. Sie sind, dem Niveau der Dresdner Hofkapelle entsprechend, hochvirtuos, und geben auch dem Fagott einen entsprechend anspruchsvollen Part. Schaffrath stand zunächst im Dienst Friedrichs von Preußen; später wurde er Clavicembalist und Cammermusicus von Prinzessin Amalie, der musikbegeisterten Schwester des Königs. Sein brillantes Duetto für Fagott und obligates Cembalo weist schon in die Vorklassik. Papasergio hat sich intensiv mit historischen Grifftechniken und Herstellungsweisen von Rohrblättern beschäftigt. Man wird schnell feststellen, dass sich der Klang des Fagottes wie auch der Oboe auf dieser CD erheblich von anderen historisierenden Aufnahmen un- terscheidet, die den Rohrblattinstrumenten offenbar zu wenig Auf- merksamkeit zugewendet haben. "Aus Bequemlichkeit hat man nämlich die modernen Techniken der Rohrblattherstellung an die alten Instrumente angepasst", erläutert Papasergio im Beiheft. "Wenn man sich aber von historischen Texten, von Bildquellen und den wertvollen erhaltenen Modellen inspirieren lässt, so ist es erstaunlich, wie anders die Instrumente klingen: Ihr Klang ist freier, hat ein volleres Timbre und außerdem ist die Phrasierung einfacher." Der Effekt ist deutlich, die Überraschung gelungen - und nicht nur Freunden "Alter" Musik sei diese CD empfohlen. Der Name a fagotto solo täuscht; hier sind unter anderem auch exzellent gespielte Block- flöten zu erleben. Syntagma Amici ist ein hervorragendes Ensemble, diesen Musikern zu lauschen, macht wirklich Freude!
Und es wurde, nicht zuletzt auf- grund seines charakteristisches Klanges und seiner beträchtlichen spieltechnischen Möglichkeiten nicht nur im Continuo, sondern gern auch als Solo-Instrument eingesetzt. Diese CD hat einige hübsche Beispiele dafür zusammengestellt. So fand sich die titelgebende Sonate in f-Moll a fagotto solo in einer Sammlung von Musikstücken für Laien, die Georg Philipp Telemann 1728 und 1729 unter dem Titel Der getreue Music-Meister publiziert hat.
Auch sonst sind Jérémie Papasergio und seinem Ensemble Syntagma Amici im Werk des Hamburger Komponisten einige Entdeckungen gelungen. Der Fagottist hat diese Werke zudem um ein Trio B-Dur von Jan Dismas Zelenka und um ein Duetto g-Moll von Christoph Schaff- rath ergänzt.
Zelenka wirkte am Dresdner Hof, und veröffentlichte 1723 einen Band mit 6 Sonate a due Hautbois et Basson. Sie sind, dem Niveau der Dresdner Hofkapelle entsprechend, hochvirtuos, und geben auch dem Fagott einen entsprechend anspruchsvollen Part. Schaffrath stand zunächst im Dienst Friedrichs von Preußen; später wurde er Clavicembalist und Cammermusicus von Prinzessin Amalie, der musikbegeisterten Schwester des Königs. Sein brillantes Duetto für Fagott und obligates Cembalo weist schon in die Vorklassik. Papasergio hat sich intensiv mit historischen Grifftechniken und Herstellungsweisen von Rohrblättern beschäftigt. Man wird schnell feststellen, dass sich der Klang des Fagottes wie auch der Oboe auf dieser CD erheblich von anderen historisierenden Aufnahmen un- terscheidet, die den Rohrblattinstrumenten offenbar zu wenig Auf- merksamkeit zugewendet haben. "Aus Bequemlichkeit hat man nämlich die modernen Techniken der Rohrblattherstellung an die alten Instrumente angepasst", erläutert Papasergio im Beiheft. "Wenn man sich aber von historischen Texten, von Bildquellen und den wertvollen erhaltenen Modellen inspirieren lässt, so ist es erstaunlich, wie anders die Instrumente klingen: Ihr Klang ist freier, hat ein volleres Timbre und außerdem ist die Phrasierung einfacher." Der Effekt ist deutlich, die Überraschung gelungen - und nicht nur Freunden "Alter" Musik sei diese CD empfohlen. Der Name a fagotto solo täuscht; hier sind unter anderem auch exzellent gespielte Block- flöten zu erleben. Syntagma Amici ist ein hervorragendes Ensemble, diesen Musikern zu lauschen, macht wirklich Freude!
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