Obwohl belegt ist, dass Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750) gern Bratsche spielte, hat er sehr wenig speziell für dieses Instru- ment komponiert. So gibt es in Bachs Kantaten einige Arien mit obligater Viola. Doch darüber hinaus verwendet er die Bratsche solistisch nur im sechsten Bran- denburgischen Konzert - dort freilich gleich in zwei der Solo- stimmen. Will ein Bratscher dar- über hinaus Bach spielen und sich dabei nicht mit seiner Mittel- stimme bescheiden, muss er zwangsläufig ein anderes Werk entspre- chend bearbeiten.
Hariolf Schlichting, Professor für Viola und Kammermusik an der Hochschule für Musik und Theater in München, hat sich auf dieser CD für die Drei Sonaten für Viola da Gamba und obligates Cembalo BWV 1027 bis 1029 entschieden. Sie klingen in der Tat in der Besetzung mit Viola auch sehr gut, und Yumi Sekiya, die als Dozentin an derselben Hochschule lehrt, zeigt, wie sich ein anspruchsvoller Cembalo-Part auf einem Konzertflügel vortragen lässt. So ganz den modernen Klang allerdings mag sie dann doch nicht wagen - sie spielt einen Steinway D, aber aus dem Jahre 1901.
Die Sonaten sind eingebettet in vier Choralbearbeitungen Bachs, die Schlichtings Amtsvorgänger Franz Beyer kongenial für Viola und Klavier arrangiert hat. Beyers Version nähert sich Bach mit Demut und Sensibilität - und flicht die Bratschenstimme gleichsam ein in Bachs grandiose musikalische Strukturen. Das Ergebnis ist nicht ein Solo mit Begleitung, sondern ein inniges Zwiegespräch von Viola und Konzertflügel, das die bekannte Orgelmusik neu hören lässt. Bravi!
Sonntag, 31. Juli 2011
Hoffmeister / Stamitz: Viola Concertos (Naxos)
"In musikalischen Gesellschaften, in welchen Quartette oder voll- stimmigere Instrumentalstücke aufgeführt werden, und er sonst nicht dabey beschäftigt war, machte es ihm Vergnügen, die Bratsche mit zu spielen. Er befand sich mit diesem Instrument gleich- sam in der Mitte der Harmonie, aus welcher er sie von beyden Sei- ten am besten hören und genießen konnte", berichtet Biograph Jo- hann Nikolaus Forkel über Johann Sebastian Bach. Auch von Mozart ist bekannt, dass er sehr gern die Bratsche spielte.
Dennoch sind Konzerte für dieses Instrument Raritäten; sie sind am ehesten noch aus der Wiener Klassik sowie aus dem Umfeld der Mannheimer Schule überliefert. Drei eindrucksvolle Beispiele dafür finden sich auf dieser CD. Carl Philipp Stamitz (1745 bis 1801) war ein Sohn von Johann Wenzel Stamitz, dem Begründer der Mannheimer Schule. Er wurde erst durch seinen Vater, und nach dessen Tod weiter durch seine Kollegen und Schüler unterrichtet, und spielte dann einige Jahre lang als 2. Violinist in der Mannheimer Hofkapelle. Berühmt wurde er als Bratschist und als Komponist; sein Konzert für Viola op. 1 in D-Dur ist relativ bekannt. Es gehört bis heute zu den Standards.
Auch das D-Dur-Konzert von Franz Anton Hoffmeister (1754 bis 1812) ist bis heute ein Pflichtstück für alle Bratscher, die sich auf ein Vorspiel vorbereiten. Seltener ist hingegen das Konzert in B-Dur zu hören, obwohl es mindestens ebenso schön ist wie sein prominenter Bruder. Victoria Chiang jedenfalls hat hörbar Vergnügen an den eleganten melodischen Einfällen Hoffmeisters. Die Solistin musiziert gemeinsam mit dem Baltimore Chamber Orchestra unter Markand Thakar.
Dennoch sind Konzerte für dieses Instrument Raritäten; sie sind am ehesten noch aus der Wiener Klassik sowie aus dem Umfeld der Mannheimer Schule überliefert. Drei eindrucksvolle Beispiele dafür finden sich auf dieser CD. Carl Philipp Stamitz (1745 bis 1801) war ein Sohn von Johann Wenzel Stamitz, dem Begründer der Mannheimer Schule. Er wurde erst durch seinen Vater, und nach dessen Tod weiter durch seine Kollegen und Schüler unterrichtet, und spielte dann einige Jahre lang als 2. Violinist in der Mannheimer Hofkapelle. Berühmt wurde er als Bratschist und als Komponist; sein Konzert für Viola op. 1 in D-Dur ist relativ bekannt. Es gehört bis heute zu den Standards.
Auch das D-Dur-Konzert von Franz Anton Hoffmeister (1754 bis 1812) ist bis heute ein Pflichtstück für alle Bratscher, die sich auf ein Vorspiel vorbereiten. Seltener ist hingegen das Konzert in B-Dur zu hören, obwohl es mindestens ebenso schön ist wie sein prominenter Bruder. Victoria Chiang jedenfalls hat hörbar Vergnügen an den eleganten melodischen Einfällen Hoffmeisters. Die Solistin musiziert gemeinsam mit dem Baltimore Chamber Orchestra unter Markand Thakar.
Freitag, 29. Juli 2011
Sammartini: Concertos & Overtures (Ramée)
Giuseppe Sammartini (1695 bis 1750) galt seinen Zeitgenossen als einer der bedeutendsten Komponi- sten seiner Generation. In Mailand als Sohn eines Oboisten geboren, erlernte er ebenfalls dieses Instru- ment, und ging schließlich nach London.
Dort spielte der renommierte Mu- siker in zahlreichen Konzerten sowie in Opernaufführungen, die von Nicola Porpora, Giovanni Bononcini oder Georg Friedrich Händel geleitet wurden. Sammartini sei "auf der Oboe zweifelsohne der größte Virtuose, den die Welt je gekannt", schwärmte der engli- sche Musikhistoriker John Hawkins, der "mit dem Klang, den er hervorbrachte, der menschlichen Stimme näher kam als irgendje- mand sonst es vermochte".
1736 trat Giuseppe Sammartini in den Dienst des Prinzen von Wales, wo er bis zu seinem Tode als Musiklehrer angestellt war. Er kompo- nierte eine Vielzahl von Konzerten und Ouvertüren. Sie wurden in seiner Wahlheimat England ebenso geschätzt wie die Werke Corellis, Geminianis und Händels. Ungefähr sechzig davon sind überliefert. Er schrieb zudem eine große Menge Kammermusik sowie einige Vokal- werke, darunter auch eine Oper. Abschriften seiner Konzerte und Ouvertüren gelangten bis nach Dresden, sie befinden sich noch heute in der Notenbibliothek der einstigen Hofkapelle.
Doch im Laufe der Jahrhunderte ist der Ruhm Sammartinis verblasst. Seine Musik verschwand noch eher als die seines Bruders Giovanni Battista aus dem Konzertsaal. Wenn überhaupt, haben Oboisten seine Konzerte gespielt. Das Barockensemble Les Mufatti unter Peter Van Heyghen hat nun bei Ramée eine Auswahl selten gespielter Werke vorgelegt. Man habe versucht, "möglichst viele unbekannte Stücke" in das Programm aufzunehmen, erklärt Van Heyghen in dem sehr informativen Beiheft, "so dass sieben Stücke hier vermutlich zum ersten Mal seit dem 18. Jahrhundert erklingen."
Es muss in der Tat nicht immer Händel sein - der "Londoner" Sammar- tini überzeugt durch Noblesse, Klangpracht und Einfallsreichtum. Und Les Muffati gefallen in ihrer Spielfreude und ihrem überlegenen Können. Meine Empfehlung!
Dort spielte der renommierte Mu- siker in zahlreichen Konzerten sowie in Opernaufführungen, die von Nicola Porpora, Giovanni Bononcini oder Georg Friedrich Händel geleitet wurden. Sammartini sei "auf der Oboe zweifelsohne der größte Virtuose, den die Welt je gekannt", schwärmte der engli- sche Musikhistoriker John Hawkins, der "mit dem Klang, den er hervorbrachte, der menschlichen Stimme näher kam als irgendje- mand sonst es vermochte".
1736 trat Giuseppe Sammartini in den Dienst des Prinzen von Wales, wo er bis zu seinem Tode als Musiklehrer angestellt war. Er kompo- nierte eine Vielzahl von Konzerten und Ouvertüren. Sie wurden in seiner Wahlheimat England ebenso geschätzt wie die Werke Corellis, Geminianis und Händels. Ungefähr sechzig davon sind überliefert. Er schrieb zudem eine große Menge Kammermusik sowie einige Vokal- werke, darunter auch eine Oper. Abschriften seiner Konzerte und Ouvertüren gelangten bis nach Dresden, sie befinden sich noch heute in der Notenbibliothek der einstigen Hofkapelle.
Doch im Laufe der Jahrhunderte ist der Ruhm Sammartinis verblasst. Seine Musik verschwand noch eher als die seines Bruders Giovanni Battista aus dem Konzertsaal. Wenn überhaupt, haben Oboisten seine Konzerte gespielt. Das Barockensemble Les Mufatti unter Peter Van Heyghen hat nun bei Ramée eine Auswahl selten gespielter Werke vorgelegt. Man habe versucht, "möglichst viele unbekannte Stücke" in das Programm aufzunehmen, erklärt Van Heyghen in dem sehr informativen Beiheft, "so dass sieben Stücke hier vermutlich zum ersten Mal seit dem 18. Jahrhundert erklingen."
Es muss in der Tat nicht immer Händel sein - der "Londoner" Sammar- tini überzeugt durch Noblesse, Klangpracht und Einfallsreichtum. Und Les Muffati gefallen in ihrer Spielfreude und ihrem überlegenen Können. Meine Empfehlung!
Donnerstag, 28. Juli 2011
Joseph Triebensee - The Art of Arrangement (Accent)
1782 gründete Joseph II. in Wien die Kaiserliche und königliche Harmonie. Schon bald musizierten auch in vielen anderen Adelspalä- sten derartige Bläserensembles. Sie waren nicht nur en vogue, sondern erwiesen sich auch als außeror- dentlich praktisch, da vielseitig und gut auch im Freien einsetzbar. Obendrein halfen sie dem chro- nisch klammen Adel sparen, da sie mit ihrem farbenreichen Klang ein Orchester gut ersetzen konnten, aber lediglich mit je zwei Oboen, Klarinetten, Fagotten und Hörnern besetzt waren.
Und so mühten sich vielerorts die Lakaien, der Herrschaft aufzuspie- len. Bei Hofe freilich und in den vermögenden Adelshäusern wurde die Harmoniemusik von erstklassigen Musikern geblasen. Joseph II. hatte berühmte Virtuosen engagiert, wie den Klarinettisten Anton Stadler. Und die Kapelle Johanns I. von Liechtenstein leitete der renommierte Oboist Josef Triebensee (1772 bis 1846). Ausgebildet von seinem Vater Georg, der Ersten Oboisten der Kaiserlichen Har- monie, und von Johann Georg Albrechtsberger, einem der gefragte- sten Kompositionslehrer seiner Zeit, spielte er schon als 17jähriger im Bläserensemble der von Liechtensteins, später wurde er zum Fürstlichen Kammer und Theater-Kapellmeister ernannt und damit der Leiter dieser Harmoniemusik. Sie spielte in erster Linie zu Bällen, zur Begleitung von Schauspielen und im Konzert. Entsprechend an- spruchsvoll sind die Werke Triebensees.
Auf dieser CD sind zwei Arrangements nach Opern von Luigi Cheru- bini und Wolfgang Amadeus Mozart sowie eine überaus geschickte Bearbeitung von Joseph Haydns Oxford-Sinfonie zu finden, sowie Variationen über Gott erhalte Franz den Kaiser nach Haydn - und wenn diese nicht übermäßig umfangreiche Version auch möglicher- weise nicht von Triebensee stammt, so ist sie doch hochvirtuos, sehr gelungen, und stimmt zudem perfekt auf Haydns Sinfonie ein.
Das Amphion Bläseroktett spielt die schwierigen Stücke auf Instru- menten aus der Zeit um 1800 oder originalgetreuen Kopien davon. So vermitteln die Bläser, die durchweg exzellent sind, einen guten Ein- druck davon, wie diese Werke einst geklungen haben mögen. Es ist zudem sehr verdienstvoll, dass sich das Bläserensemble auch weniger bekannten Bereichen des Repertoires zuwendet, und so das Publikum auf Werke von Komponisten wie Triebensee oder Franz Krommer aufmerksam macht.
Und so mühten sich vielerorts die Lakaien, der Herrschaft aufzuspie- len. Bei Hofe freilich und in den vermögenden Adelshäusern wurde die Harmoniemusik von erstklassigen Musikern geblasen. Joseph II. hatte berühmte Virtuosen engagiert, wie den Klarinettisten Anton Stadler. Und die Kapelle Johanns I. von Liechtenstein leitete der renommierte Oboist Josef Triebensee (1772 bis 1846). Ausgebildet von seinem Vater Georg, der Ersten Oboisten der Kaiserlichen Har- monie, und von Johann Georg Albrechtsberger, einem der gefragte- sten Kompositionslehrer seiner Zeit, spielte er schon als 17jähriger im Bläserensemble der von Liechtensteins, später wurde er zum Fürstlichen Kammer und Theater-Kapellmeister ernannt und damit der Leiter dieser Harmoniemusik. Sie spielte in erster Linie zu Bällen, zur Begleitung von Schauspielen und im Konzert. Entsprechend an- spruchsvoll sind die Werke Triebensees.
Auf dieser CD sind zwei Arrangements nach Opern von Luigi Cheru- bini und Wolfgang Amadeus Mozart sowie eine überaus geschickte Bearbeitung von Joseph Haydns Oxford-Sinfonie zu finden, sowie Variationen über Gott erhalte Franz den Kaiser nach Haydn - und wenn diese nicht übermäßig umfangreiche Version auch möglicher- weise nicht von Triebensee stammt, so ist sie doch hochvirtuos, sehr gelungen, und stimmt zudem perfekt auf Haydns Sinfonie ein.
Das Amphion Bläseroktett spielt die schwierigen Stücke auf Instru- menten aus der Zeit um 1800 oder originalgetreuen Kopien davon. So vermitteln die Bläser, die durchweg exzellent sind, einen guten Ein- druck davon, wie diese Werke einst geklungen haben mögen. Es ist zudem sehr verdienstvoll, dass sich das Bläserensemble auch weniger bekannten Bereichen des Repertoires zuwendet, und so das Publikum auf Werke von Komponisten wie Triebensee oder Franz Krommer aufmerksam macht.
Sonntag, 24. Juli 2011
The Queen's Music (BIS Records)
Und da wir gerade bei Emma Kirkby waren - auch auf dieser CD ist sie zu hören, gemeinsam mit Susanne Rydén, und zwar diesmal mit Musik aus Schweden. Dort traf 1652 eine Gruppe italienischer Musiker und Instrumentenbauer ein, die der Bassist Alessandro Cecconi im Auftrag von Königin Kristina angeworben hatte.
Wer wissen will, was sie am Hof in Uppsala vorgetragen haben, dem geben zwei Handschriften Aus- kunft. Eine davon befindet sich heute in der Bibliothek des Christ Church College in Oxford. Sie kam dorthin über den englischen Botschafter Bulstrode Whitelocke. Er berichtet in seinem Tagebuch am 27. März 1654, wie er die Kapelle der Königin besuchte, um ihre italienischen Musiker zu hören. Einige von ihnen dinierten mit dem Gesandten, sie sangen für ihn - und schenkten ihm einen Notenband. Er enthält die modernste Musik der damaligen Zeit: Arien und Kantaten für zwei und drei Sänger von den damals führenden italienischen Komponisten Luigi Rossi, Antonio Cesti und Giacomo Carissimi - gehobene Unterhaltung, die raffiniert mit den althergebrachten Floskeln der höfischen Liebe spielt.
Die Sopranistinnen Emma Kirkby und Susanne Rydén sowie Counter- tenor Mikael Bellini und Bariton Peter Harvey singen einige dieser hübschen, hochvirtuosen Werke, begleitet von Mime Yamahiro Brinkmann am Violoncello und Lars Ulrik Mortensen, Cembalo. Und weil Abwechslung erfreut, wurde die Musica del Signor Angelo Micheli / Uno de Musici della Capella / de Reyna di Swecia um einige Instrumentalstücke von Girolamo Frescobaldi ergänzt. Perfekt!
Wer wissen will, was sie am Hof in Uppsala vorgetragen haben, dem geben zwei Handschriften Aus- kunft. Eine davon befindet sich heute in der Bibliothek des Christ Church College in Oxford. Sie kam dorthin über den englischen Botschafter Bulstrode Whitelocke. Er berichtet in seinem Tagebuch am 27. März 1654, wie er die Kapelle der Königin besuchte, um ihre italienischen Musiker zu hören. Einige von ihnen dinierten mit dem Gesandten, sie sangen für ihn - und schenkten ihm einen Notenband. Er enthält die modernste Musik der damaligen Zeit: Arien und Kantaten für zwei und drei Sänger von den damals führenden italienischen Komponisten Luigi Rossi, Antonio Cesti und Giacomo Carissimi - gehobene Unterhaltung, die raffiniert mit den althergebrachten Floskeln der höfischen Liebe spielt.
Die Sopranistinnen Emma Kirkby und Susanne Rydén sowie Counter- tenor Mikael Bellini und Bariton Peter Harvey singen einige dieser hübschen, hochvirtuosen Werke, begleitet von Mime Yamahiro Brinkmann am Violoncello und Lars Ulrik Mortensen, Cembalo. Und weil Abwechslung erfreut, wurde die Musica del Signor Angelo Micheli / Uno de Musici della Capella / de Reyna di Swecia um einige Instrumentalstücke von Girolamo Frescobaldi ergänzt. Perfekt!
Donnerstag, 21. Juli 2011
Salzburg Barock (Berlin Classics)
Diese schöne CD mit der Soprani- stin Emma Kirkby und dem En- semble Bell'arte Salzburg unter Annegret Siedel spürt der groß- artigen musikalischen Vergangen- heit der Stadt nach. In der einsti- gen fürsterzbischöflichen Residenz wirkten zur Zeit des Barock heraus- ragende Musiker, wie die Hofka- pellmeister Steffano Bernardi - der eigens für die Weihe des Salzbur- ger Domes 1628 herrliche mehr- chörige Kompositionen schuf -, Abraham Megerle und Andreas Hofer. Bis zum heutigen Tage berühmt sind Hofkapellmeister Heinrich Ignaz Franz Biber und Hoforganist Georg Muffat; auch sie trugen dazu bei, dass Salzburg als "Rom nördlich der Alpen" galt.
Nach Bibers Tod übernahm Matthias Siegmund Biechteler sein Amt; ihm folgte Carl Heinrich Biber nach. Wenig bekannt ist allerdings, dass Töchter dieser Kapellmeister in das Benediktinerinnenstift Nonnberg eingetreten sind, wo ebenfalls auf höchstem Niveau musiziert wurde. So wirkte die älteste Tochter Bibers dort 13 Jahre lang als Kapell- meisterin und Regens chori. Diese CD bietet gleich zwei Kostproben ihrer Kunst - und natürlich eine dramaturgisch geschickt zusammen- gestellte Auswahl von Werken der oben benannten Komponisten.
Sie werden von Emma Kirkby und den Musikern von Bell'arte Salz- burg in der erwarteten Qualität vorgetragen. Wer sich für - überwie- gend geistliche - Barockmusik begeistern kann, der sollte sich das Album unbedingt besorgen.
Nach Bibers Tod übernahm Matthias Siegmund Biechteler sein Amt; ihm folgte Carl Heinrich Biber nach. Wenig bekannt ist allerdings, dass Töchter dieser Kapellmeister in das Benediktinerinnenstift Nonnberg eingetreten sind, wo ebenfalls auf höchstem Niveau musiziert wurde. So wirkte die älteste Tochter Bibers dort 13 Jahre lang als Kapell- meisterin und Regens chori. Diese CD bietet gleich zwei Kostproben ihrer Kunst - und natürlich eine dramaturgisch geschickt zusammen- gestellte Auswahl von Werken der oben benannten Komponisten.
Sie werden von Emma Kirkby und den Musikern von Bell'arte Salz- burg in der erwarteten Qualität vorgetragen. Wer sich für - überwie- gend geistliche - Barockmusik begeistern kann, der sollte sich das Album unbedingt besorgen.
Rossi: Cleopatra (Naxos)
Lauro Rossi (1812 bis 1885) gehört zur großen Schar jener italieni- schen Opernkomponisten, die im Laufe der Jahre dem Vergessen anheimgefallen sind. Er hat in Nea- pel studiert. Zwei seiner Lehrer, Niccolò Zingarelli und Giovanni Furno, waren damals populäre Komponisten; zu ihren Schülern gehört unter anderem Vincenzo Bellini. Auch Girolamo Crescentini, ein weltberühmter Kastraten- sopran, Gesangslehrer und Kom- ponist, war einer seiner Lehrer.
1830 schuf Rossi seine erste Oper. Bald wurde Gaetano Donizetti auf den jungen Musiker aufmerksam, und verhalf ihm zu einer Kapell- meisterstelle am Teatro Valle in Rom. Rossis zehnte Oper, La casa disabitata, wurde 1834 an der Mailänder Scala uraufgeführt. 1850 wurde Rossi Direktor des Mailänder Konservatoriums. Insgesamt komponierte er 29 Opern; zu seinen Lebzeiten war er geachtet, be- liebt und erfolgreich.
In Cleopatra, seiner vorletzten Oper, erstmals aufgeführt 1876, bringt Rossi nicht zufällig das alte Ägypten auf die Bühne. Die exoti- sche Kultur jenes Landes, die schon die Römer fasziniert hatte, regte etliche Komponisten zu Werken an - man denke nur an Verdis Aida, fünf Jahre zuvor entstanden. Exotische Klänge wird man in Rossis Oper allerdings vergebens suchen. Musik und Bühnengeschehen sind so italienisch, wie es eine romantische Oper in der Tradition des Belcanto nur sein kann; allerdings erreicht Rossi nicht das dramati- sche Ausdrucksvermögen Verdis. Cleopatra wurde in Turin und in Neapel gespielt, und dann vergessen.
2008 brachte Pier Luigi Pizzi das Werk wieder auf die Bühne. Es erklang zum Sferisterio Opera Festival in Macerata, dem Geburtsort Rossis, und liegt nun im Mitschnitt bei Naxos vor. Die Aufführung hat einige sehr schöne Momente, aber auch Stellen, wo man sich an das Stadttheater erinnert fühlt. Musiziert und gesungen wird routiniert, aber nicht überragend. Wer sich für italienische Oper interessiert, sollte diese CD dennoch unbedingt seiner Sammlung hinzufügen; ich glaube nicht, dass Rossis Oper dauerhaft zurück auf die Bühne finden wird.
1830 schuf Rossi seine erste Oper. Bald wurde Gaetano Donizetti auf den jungen Musiker aufmerksam, und verhalf ihm zu einer Kapell- meisterstelle am Teatro Valle in Rom. Rossis zehnte Oper, La casa disabitata, wurde 1834 an der Mailänder Scala uraufgeführt. 1850 wurde Rossi Direktor des Mailänder Konservatoriums. Insgesamt komponierte er 29 Opern; zu seinen Lebzeiten war er geachtet, be- liebt und erfolgreich.
In Cleopatra, seiner vorletzten Oper, erstmals aufgeführt 1876, bringt Rossi nicht zufällig das alte Ägypten auf die Bühne. Die exoti- sche Kultur jenes Landes, die schon die Römer fasziniert hatte, regte etliche Komponisten zu Werken an - man denke nur an Verdis Aida, fünf Jahre zuvor entstanden. Exotische Klänge wird man in Rossis Oper allerdings vergebens suchen. Musik und Bühnengeschehen sind so italienisch, wie es eine romantische Oper in der Tradition des Belcanto nur sein kann; allerdings erreicht Rossi nicht das dramati- sche Ausdrucksvermögen Verdis. Cleopatra wurde in Turin und in Neapel gespielt, und dann vergessen.
2008 brachte Pier Luigi Pizzi das Werk wieder auf die Bühne. Es erklang zum Sferisterio Opera Festival in Macerata, dem Geburtsort Rossis, und liegt nun im Mitschnitt bei Naxos vor. Die Aufführung hat einige sehr schöne Momente, aber auch Stellen, wo man sich an das Stadttheater erinnert fühlt. Musiziert und gesungen wird routiniert, aber nicht überragend. Wer sich für italienische Oper interessiert, sollte diese CD dennoch unbedingt seiner Sammlung hinzufügen; ich glaube nicht, dass Rossis Oper dauerhaft zurück auf die Bühne finden wird.
Mittwoch, 20. Juli 2011
Evgeny Sviridov (Genuin)
Der Bach-Preisträger 2010? Jew- geni Swiridow, ausgebildet am St. Petersburger Konservatorium - da erwartet man russische Geigen- schule, romantische Tradition, sattes Vibrato, flinke Finger und exakte Tempi, wie mit dem Metro- nom gezogen. Doch schon die ersten Takte lassen aufhorchen. Das klingt, als spielte Reinhard Goebel höchstpersönlich - oder? Beim genaueren Hinhören stellt man dann aber fest, dass Swiridow durchaus eigene Akzente setzt.
Auf dieser CD spielt der junge russische Geiger gemeinsam mit der lettischen Cembalistin Zita Mikijanska Werke von Johann Sebastian Bach und Heinrich Ignaz Franz Biber. Swiridow bewältigt sie alle mit Schwung und mit einer Leichtigkeit, die begeistert. Seine Interpreta- tion ist ein Ereignis. Da ist nicht ein Bogenstrich unkontrolliert oder unreflektiert. Jeder Akzent, jede Klangfarbe erweist sich als wohl- überlegt und präzise gesetzt.
Diese Kombination aus technischer Brillanz und musikalischem Ver- ständnis macht insbesondere auch die beiden Violinsonaten Bibers zu einem Hörgenuss. Seine Sonate IV in D-Dur setzt vom ersten bis zum letzten Takt auf die Scordatura - und Swiridow lässt sie teilweise klingen, als wäre sie improvisiert. Sein Vortrag wirkt derart frisch und lustvoll, das man sich umgehend die anderen sieben Sonaten Bibers dazu wünscht. Doch Virtuosität lässt sich immer noch steigern; ein Beispiel dafür gibt Bibers Sonate VIII in A-Dur. Der Komponist hat sie für zwei Violinen notiert, aber dabei vermerkt, sie sei auf einem Instrument auszuführen. Swiridow gelingt es, dieses Paradestück so zu spielen, dass jede Stimme einen individuellen Charakter behält.
Zita Mikijanska spielt dazu sehr delikat ein klangschönes Cembalo aus der Werkstatt des Leipziger Cembalobauers Michael Schwabe nach einem Instrument von Giovanni Battista Giusti, Rom 1681. Das Ori- ginal befindet sich in der Sammlung des Germanischen National- museums Nürnberg. Für die Bach-Sonaten wählte sie ein zwei- manualiges Instrument von Schwabe nach einem Cembalo von Pascal Taskin, Paris 1763, das heute in St. Cecilia's Hall in Edinburgh steht.
Swiridow spielt sowohl die Sonate für Violine und obligates Cembalo Nr. 3 in E-Dur BWV 1016 als auch die Sonate für Violine und Basso continuo in G-Dur BWV 1021 im steten Dialog mit der Cembalistin. Ein letzter Höhepunkt dieser CD ist dann die Partita für Violine solo Nr. 3 in E-Dur BWV 1006. Auch hier lässt sich der junge Solist sehr souverän vernehmen, und gefällt mit einer ausgesprochen rhyth- misch-tänzerischen Variante.
Den Internationalen Johann-Sebastian-Bach-Wettbewerb 2010 hat Swiridow mit einer solchen Leistung zu Recht gewonnen. Sein Lehrer Pawel Popow in St. Petersburg, dem er seine Reise nach Leipzig nachträglich beichten musste, wird ihm diesen Ausflug ins barocke Repertoire ganz sicher nachsehen. Doch zumindest bis zum Examen wird Swiridow wohl auch auf traditionelle Art weiter üben - was dem jungen Musiker bislang keineswegs geschadet hat.
Auf dieser CD spielt der junge russische Geiger gemeinsam mit der lettischen Cembalistin Zita Mikijanska Werke von Johann Sebastian Bach und Heinrich Ignaz Franz Biber. Swiridow bewältigt sie alle mit Schwung und mit einer Leichtigkeit, die begeistert. Seine Interpreta- tion ist ein Ereignis. Da ist nicht ein Bogenstrich unkontrolliert oder unreflektiert. Jeder Akzent, jede Klangfarbe erweist sich als wohl- überlegt und präzise gesetzt.
Diese Kombination aus technischer Brillanz und musikalischem Ver- ständnis macht insbesondere auch die beiden Violinsonaten Bibers zu einem Hörgenuss. Seine Sonate IV in D-Dur setzt vom ersten bis zum letzten Takt auf die Scordatura - und Swiridow lässt sie teilweise klingen, als wäre sie improvisiert. Sein Vortrag wirkt derart frisch und lustvoll, das man sich umgehend die anderen sieben Sonaten Bibers dazu wünscht. Doch Virtuosität lässt sich immer noch steigern; ein Beispiel dafür gibt Bibers Sonate VIII in A-Dur. Der Komponist hat sie für zwei Violinen notiert, aber dabei vermerkt, sie sei auf einem Instrument auszuführen. Swiridow gelingt es, dieses Paradestück so zu spielen, dass jede Stimme einen individuellen Charakter behält.
Zita Mikijanska spielt dazu sehr delikat ein klangschönes Cembalo aus der Werkstatt des Leipziger Cembalobauers Michael Schwabe nach einem Instrument von Giovanni Battista Giusti, Rom 1681. Das Ori- ginal befindet sich in der Sammlung des Germanischen National- museums Nürnberg. Für die Bach-Sonaten wählte sie ein zwei- manualiges Instrument von Schwabe nach einem Cembalo von Pascal Taskin, Paris 1763, das heute in St. Cecilia's Hall in Edinburgh steht.
Swiridow spielt sowohl die Sonate für Violine und obligates Cembalo Nr. 3 in E-Dur BWV 1016 als auch die Sonate für Violine und Basso continuo in G-Dur BWV 1021 im steten Dialog mit der Cembalistin. Ein letzter Höhepunkt dieser CD ist dann die Partita für Violine solo Nr. 3 in E-Dur BWV 1006. Auch hier lässt sich der junge Solist sehr souverän vernehmen, und gefällt mit einer ausgesprochen rhyth- misch-tänzerischen Variante.
Den Internationalen Johann-Sebastian-Bach-Wettbewerb 2010 hat Swiridow mit einer solchen Leistung zu Recht gewonnen. Sein Lehrer Pawel Popow in St. Petersburg, dem er seine Reise nach Leipzig nachträglich beichten musste, wird ihm diesen Ausflug ins barocke Repertoire ganz sicher nachsehen. Doch zumindest bis zum Examen wird Swiridow wohl auch auf traditionelle Art weiter üben - was dem jungen Musiker bislang keineswegs geschadet hat.
Dienstag, 19. Juli 2011
August Zirner und das Spardosen-Terzett - Diagnose: Jazz (Edel)
Ist Jazz eine Krankheit? Wenn August Zirner Geschichten aus dem Leben der Jazzlegenden Thelonious Monk, Charles Mingus und Rahsaan Roland Kirk vorliest, dann jedenfalls lässt das manchmal schmunzeln.
Ich muss jedoch gestehen, dass mir der musikalische Teil dieses Programms, das live in der Bar jeder Vernunft, Berlin, mitge- schnitten wurde, mehr Vergnügen bereitet. Das Essener Spardosen-Terzett - Rainer Lipski, Piano, Kai Struwe, Kontrabass, Mickey Neher, Schlagzeug - und Grimme-Preis- träger August Zirner, Lesung und Querflöte, präsentieren Klassiker des Modern Jazz. Sehr bodenständig, freundlich und handwerklich versiert - unbedingt reinhören!
Ich muss jedoch gestehen, dass mir der musikalische Teil dieses Programms, das live in der Bar jeder Vernunft, Berlin, mitge- schnitten wurde, mehr Vergnügen bereitet. Das Essener Spardosen-Terzett - Rainer Lipski, Piano, Kai Struwe, Kontrabass, Mickey Neher, Schlagzeug - und Grimme-Preis- träger August Zirner, Lesung und Querflöte, präsentieren Klassiker des Modern Jazz. Sehr bodenständig, freundlich und handwerklich versiert - unbedingt reinhören!
Händel: Aci, Galatea e Polifemo (Dynamic)
Die Geschichte um die Nereide Galatea, ihren Liebsten, den Hirten Acis, und den Kyklopen Polyphem, der ebenfalls in die Nymphe ver- liebt ist und ihr ebenso unbeholfen wie ausdauernd nachstellt, findet sich in Ovids Metamorphosen. Georg Friedrich Händel (1685 bis 1759) hat 1708 daraus im Auftrag von Donna Aurora di Sanseverino, Herzogin von Laurenzano, ein Werk geschaffen, das die treue Liebe lobpreist, und zur Hochzeit der Nichte der Herzogin erstmals aufgeführt wurde.
Als Händel Aci, Galatea e Polifemo komponierte, war il Sassone in Italien bereits eine Berühmtheit. Stilistisch folgt er in diesem Werk dem Vorbild Scarlattis, der mit seinen Serenaden geradezu ein Muster für diese Art der gehobenen musikalischen Unterhaltung geschaffen hatte. Allerdings stand Händel offenbar ein ziemlich umfangreiches Orchester zur Verfügung, so dass er zur Begleitung der Sänger nicht nur Continuo und Streicher, sondern darüber hinaus auch Flöten, Oboen und Trompeten einsetzen konnte.
Die Partien der Sänger sind anspruchsvoll. Insbesondere der Riese Polyphem poltert und tobt überaus kunstvoll, was hohe Anforde- rungen sowohl an den Stimmumfang als auch an die Geläufigkeit und Beweglichkeit der Stimme stellt. Bassist Antonio Abete bewältigt diese Herausforderung mit vernehmbarer Spielfreude. Sara Mingardo - mit einem schönen, sinnlichen Mezzosopran - und Ruth Rosique, Sopran, sind als Galatea und Acis zu hören, begleitet vom Barock- orchester Cappella della Pietà de' Turchini unter Antonio Florio. Die Aufnahme ist solide, aber nicht überragend, und sie schließt eine Lücke im Repertoire: Wesentlich häufiger erklingt die später in Eng- land nach einem Text von John Gay entstandene Fassung Acis and Galatea.
Als Händel Aci, Galatea e Polifemo komponierte, war il Sassone in Italien bereits eine Berühmtheit. Stilistisch folgt er in diesem Werk dem Vorbild Scarlattis, der mit seinen Serenaden geradezu ein Muster für diese Art der gehobenen musikalischen Unterhaltung geschaffen hatte. Allerdings stand Händel offenbar ein ziemlich umfangreiches Orchester zur Verfügung, so dass er zur Begleitung der Sänger nicht nur Continuo und Streicher, sondern darüber hinaus auch Flöten, Oboen und Trompeten einsetzen konnte.
Die Partien der Sänger sind anspruchsvoll. Insbesondere der Riese Polyphem poltert und tobt überaus kunstvoll, was hohe Anforde- rungen sowohl an den Stimmumfang als auch an die Geläufigkeit und Beweglichkeit der Stimme stellt. Bassist Antonio Abete bewältigt diese Herausforderung mit vernehmbarer Spielfreude. Sara Mingardo - mit einem schönen, sinnlichen Mezzosopran - und Ruth Rosique, Sopran, sind als Galatea und Acis zu hören, begleitet vom Barock- orchester Cappella della Pietà de' Turchini unter Antonio Florio. Die Aufnahme ist solide, aber nicht überragend, und sie schließt eine Lücke im Repertoire: Wesentlich häufiger erklingt die später in Eng- land nach einem Text von John Gay entstandene Fassung Acis and Galatea.
Montag, 18. Juli 2011
Piatti: 12 Caprices for Cello (Naxos)
Alfredo Piatti (1822 bis 1901) gehörte zu den führenden Violoncello-Virtuosen des
19. Jahrhunderts. Ersten Musik- unterricht erhielt er von seinem Vater, dann lernte er bei seinem Großonkel Gaetano Zanetti das Cello-Spiel. Schon mit acht Jahren half er im Orchester des Theaters in seiner Heimatstadt Bergamo aus. Mit zehn Jahren bewarb er sich am Konservatorium in Mailand - und durfte bei Vincenco Merighi studieren.
1834 gab er in Mailand sein Debüt; 1838 ging Piatti gemeinsam mit seinem Vater auf eine erste Europa-Konzertreise. Es wird berichtet, dass diese finanziell in einem ziemlichen Desaster endete: Piatti er- krankte, und geriet derart in Geldnot, dass das Cello verkauft werden musste. Die Heimreise nach Bergamo bezahlte dem jungen Virtuosen ein Freund.
Ein gemeinsames Konzert mit Franz Liszt, zu dem der berühmte Musiker den jungen Kollegen eingeladen hatte, spielte Piatti wenig später auf einem geborgten Instrument. Liszt gab Piatti daraufhin ein Cello von Nicolò Amati, und er ermunterte ihn, nach Paris zu gehen. Dort gab er ein Jahr später, 1844, sein Debüt - und gleich darauf auch in London, wo er mehrfach gemeinsam mit Felix Mendelssohn Bartholdy auftrat.
Auch wenn Piatti von 1859 bis 1898 Erster Cellist und Solist der Pa- riser Samstags- und Montagskonzerte war, wurde dennoch die bri- tische Hauptstadt sein Lebensmittelpunkt. Dort war er als Cellist wie als Musikpädagoge hochangesehen. Er spielte unter anderem in dem Londoner Popular Concerts sowie mit Joseph Joachim, Louis Ries und Ludwig Strauss bei der Beethoven Quartet Society. Piatti unter- richtete an der Royal Academy of Music; zu seinen Schülern gehörten unter anderem Robert Hausmann, William Edward Whitehouse und Hugo Becker.
Piatti hat für sein Instrument etliche Werke komponiert; auf dieser CD hat die koreanisch-kanadische Cellistin Soo Bae das Capriccio sopra un tema della Niobe di Pacini, op. 22 und die Dodici Capricci, op. 25 eingespielt. Sämtliche Capricen stellen höchste Anforderungen an Fingerfertigkeit wie Musikalität des Solisten - man stelle sich die Paganini-Capricen vor, nur eben eine Generation später, und für den großen Bruder der Violine geschrieben. Nun sind Partien für das Violoncello üblicherweise etwas behäbiger - diese hier freilich sind es nicht, und sie klingen stellenweise, als wollte Piatti ein ganzes Orche- ster imitieren.
Nahezu alles, was es an technischen Schwierigkeiten gibt, findet sich in diesen zwölf Stücken vereint. Soo Bae schlägt sich wacker. Man hört ihrer Interpretation aber an, dass es hier um Höchstschwierig- keiten geht. Ob es derzeit einen Solisten gibt, der in der Lage ist, diese Werke mit spielerischer Leichtigkeit vorzutragen, das ist eine interessanten Frage.
19. Jahrhunderts. Ersten Musik- unterricht erhielt er von seinem Vater, dann lernte er bei seinem Großonkel Gaetano Zanetti das Cello-Spiel. Schon mit acht Jahren half er im Orchester des Theaters in seiner Heimatstadt Bergamo aus. Mit zehn Jahren bewarb er sich am Konservatorium in Mailand - und durfte bei Vincenco Merighi studieren.
1834 gab er in Mailand sein Debüt; 1838 ging Piatti gemeinsam mit seinem Vater auf eine erste Europa-Konzertreise. Es wird berichtet, dass diese finanziell in einem ziemlichen Desaster endete: Piatti er- krankte, und geriet derart in Geldnot, dass das Cello verkauft werden musste. Die Heimreise nach Bergamo bezahlte dem jungen Virtuosen ein Freund.
Ein gemeinsames Konzert mit Franz Liszt, zu dem der berühmte Musiker den jungen Kollegen eingeladen hatte, spielte Piatti wenig später auf einem geborgten Instrument. Liszt gab Piatti daraufhin ein Cello von Nicolò Amati, und er ermunterte ihn, nach Paris zu gehen. Dort gab er ein Jahr später, 1844, sein Debüt - und gleich darauf auch in London, wo er mehrfach gemeinsam mit Felix Mendelssohn Bartholdy auftrat.
Auch wenn Piatti von 1859 bis 1898 Erster Cellist und Solist der Pa- riser Samstags- und Montagskonzerte war, wurde dennoch die bri- tische Hauptstadt sein Lebensmittelpunkt. Dort war er als Cellist wie als Musikpädagoge hochangesehen. Er spielte unter anderem in dem Londoner Popular Concerts sowie mit Joseph Joachim, Louis Ries und Ludwig Strauss bei der Beethoven Quartet Society. Piatti unter- richtete an der Royal Academy of Music; zu seinen Schülern gehörten unter anderem Robert Hausmann, William Edward Whitehouse und Hugo Becker.
Piatti hat für sein Instrument etliche Werke komponiert; auf dieser CD hat die koreanisch-kanadische Cellistin Soo Bae das Capriccio sopra un tema della Niobe di Pacini, op. 22 und die Dodici Capricci, op. 25 eingespielt. Sämtliche Capricen stellen höchste Anforderungen an Fingerfertigkeit wie Musikalität des Solisten - man stelle sich die Paganini-Capricen vor, nur eben eine Generation später, und für den großen Bruder der Violine geschrieben. Nun sind Partien für das Violoncello üblicherweise etwas behäbiger - diese hier freilich sind es nicht, und sie klingen stellenweise, als wollte Piatti ein ganzes Orche- ster imitieren.
Nahezu alles, was es an technischen Schwierigkeiten gibt, findet sich in diesen zwölf Stücken vereint. Soo Bae schlägt sich wacker. Man hört ihrer Interpretation aber an, dass es hier um Höchstschwierig- keiten geht. Ob es derzeit einen Solisten gibt, der in der Lage ist, diese Werke mit spielerischer Leichtigkeit vorzutragen, das ist eine interessanten Frage.
Mittwoch, 13. Juli 2011
Schütz: Musicalische Exequien (Ricercar)
Die Künstler und die Gelehrten sind es, die ein Gedächtnis stiften. So auch in diesem Falle: Heinrich Reuß Posthumus (1572 bis 1635), Herr zu Gera, Lobenstein und kurzzeitig auch Kranichfeld, hat sich in unruhiger Zeit um sein kleines Land große Verdienste erworben. Er schuf nicht nur die Voraussetzungen für eine jahr- hundertelang anhaltende wirt- schaftliche Blüte der ganzen Re- gion - als die reußische Residenz- stadt Gera 1920 Bestandteil von Thüringen wurde, war sie die größte Stadt des Landes. Er gilt zudem als Freund und Förderer der Künste, insbesondere der Musik, führte die allgemeine Schulpflicht ein und gründete in Gera ein Gymnasium illustre, das übrigens bis zum heuti- gen Tage besteht. Der Komponist Heinrich Schütz, Sohn eines Gast- wirtes aus dem der Residenz benachbarten Bad Köstritz, war sein Patenkind. Und auch wenn Schütz seine musikalische Ausbildung Landgraf Moritz von Hessen-Kassel verdankt, kreuzten sich doch die Wege des Landesherrn und des Musikers spätestens 1615 wieder, als Heinrich Schütz seinen Dienst in der Dresdner Hofkapelle antrat.
Immer wieder sind sich Heinrich Posthumus und Heinrich Schütz begegnet; und schließlich, nach dem Tode seines Landesherrn, komponierte Schütz die Trauermusik zu seiner Beisetzung - die Musikalischen Exequien nach Bibelversen und Choralstrophen, die der Verstorbene noch zu Lebzeiten zusammengestellt hatte. Damit sollte auch sein Sarg beschriftet werden. Diese CD ist insofern ein Novum, als sie erstmals auch Abbildungen dieses Sarges zeigt. So vermag der Zuhörer das Gesamtkunstwerk zumindest teilweise nachzuvollziehen.
Dem Ensemble Vox Luminis unter Lionel Meunier gelingt dazu eine Hochglanz-Interpretation, wie sie schöner kaum denkbar ist. Und weil noch mehr Musik auf eine CD passt, haben die Sänger und Musi- ker gleich auch noch die anderen Trauermotetten des berühmten Dresdner Hofkapellmeisters mit eingespielt. Lediglich die eingefügte Credo-Vertonung von Samuel Scheidt, eine ältere Aufnahme mit Bernard Foccroulle, passt dazu nicht wirklich.
Immer wieder sind sich Heinrich Posthumus und Heinrich Schütz begegnet; und schließlich, nach dem Tode seines Landesherrn, komponierte Schütz die Trauermusik zu seiner Beisetzung - die Musikalischen Exequien nach Bibelversen und Choralstrophen, die der Verstorbene noch zu Lebzeiten zusammengestellt hatte. Damit sollte auch sein Sarg beschriftet werden. Diese CD ist insofern ein Novum, als sie erstmals auch Abbildungen dieses Sarges zeigt. So vermag der Zuhörer das Gesamtkunstwerk zumindest teilweise nachzuvollziehen.
Dem Ensemble Vox Luminis unter Lionel Meunier gelingt dazu eine Hochglanz-Interpretation, wie sie schöner kaum denkbar ist. Und weil noch mehr Musik auf eine CD passt, haben die Sänger und Musi- ker gleich auch noch die anderen Trauermotetten des berühmten Dresdner Hofkapellmeisters mit eingespielt. Lediglich die eingefügte Credo-Vertonung von Samuel Scheidt, eine ältere Aufnahme mit Bernard Foccroulle, passt dazu nicht wirklich.
Dienstag, 12. Juli 2011
Vivaldi / Dallapiccola: Cello Sonatas (Musicaphon)
"Die Beschäftigung mit der Musik des Barock war im Italien des beginnenden 20. Jahrhunderts unter Komponisten sehr verbrei- tet", berichtet Pianist Till Alexan- der Körber im Beiheft zu dieser CD. Das lag nicht zuletzt daran, dass dort über mehr als hundert Jahre die Oper derart stark die vorherr- schende Gattung war, dass die Italiener in der Instrumentalmusik ziemlich weit in der Musikgeschich- te zurückschauen mussten, wenn sie an musikalische Traditionen anknüpfen wollten. Dabei hat insbesondere Luigi Dallapiccola (1904 bis 1975) ein originelles Werk hinterlassen, wie man es ähnlich nur von den deutschen Romantikern kennt.
Er hat 1955 die Sechs Sonaten für Violoncello F. XIV, 1-6 von Anto- nio Vivaldi herausgegeben - und merkt bescheiden an: Revision and realization of the Figured Bass by Luigi Dallapiccola. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn Dallapiccola hat nicht nur den Gene- ralbass aus Ziffern, die heutzutage kaum noch jemand flüssig abspie- len kann, in Noten umgeschrieben. Er hat obendrein für die rechte Hand des Pianisten einen Part erschaffen, der in den Dialog zur Cellostimme tritt. "Der heutige Interpret sieht sich angesichts dieser Werke vor eine doppelte Herausforderung gestellt", so Körber: "Einerseits steht die Dallapiccolasche Bearbeitung des Öfteren im Widerspruch zu unserem Wissen um Aufführungspraxis des Barock. Zugleich verwirklicht diese Bearbeitung genau das, wozu dieses Wissen verhelfen soll: Die authentische Aneignung und Umsetzung von Musik längst vergangener Epochen. Andererseits ist die Bearbei- tung auch selbst wiederum Ausdruck der Zeit, in welcher sie ent- stand: die Art der Artikulation des Cellopartes, die im Großen und Ganzen pedallose Klanglichkeit des Klaviers sowie die strukturbe- tonte Durchsichtigkeit und damit auch reizvolle harmonische Sprödigkeit des Satzes."
Der Cellist Martin Rummel und Till Alexander Körber am Konzert- flügel kombinieren bei ihrer Einspielung Elemente der historischen Aufführungspraxis, wie spontane Verzierungen in den Wieder- holungen, mit großem Respekt vor Dallapiccolas "Bearbeitung". Das Ergebnis überrascht durch seinen schönen, satten Ton und eine beeindruckende Eleganz. Was für eine herrliche, harmonische Aufnahme!
Den Vergleich mit einer musikhistorisch korrekten Version soll eine zweite CD ermöglichen, auf der Rummel gemeinsam mit dem Cem- balisten James Tibbles musiziert. Allerdings distanziert sich Tibbles schon im Beiheft von Puristen, die auf eine Interpretation mit historischen Instrumenten und dementsprechender Spieltechnik setzen. Sie bemühten sich, "die Absichten des Komponisten zu verstehen und dadurch so nah wie möglich an die damaligen Erwartungen an eine Aufführung zu kommen".
Das Ziel von Rummel und Tibbles hingegen sei es, "eine Interpreta- tion des 21. Jahrhunderts zu erreichen". Anders als Dallapiccola, der ein Werk des 18. Jahrhunderts in die Sprache des 20. Jahrhunderts übersetzt habe, wollen sie versuchen, "den Geist des Komponisten zu erfassen". Ebenso schwammig wie diese Absichtserklärung erscheint die Version, die daraus hervorgegangen ist. Rummel spielt hier mit schlankerem, mitunter etwas ruppigerem Ton. Doch von barocker Spiellust und von den damals geläufigen virtuosen Verzierungen findet sich nicht die geringste Spur.
Das freilich ist mir zu viel 21. Jahrhundert, und deutlich zu wenig Vivaldi. Wer keine Lust hat, sich durch "ein tiefes Verständnis von Regelbüchern" die Grundlagen für eine angemessene Interpretation zu erarbeiten, der soll doch bitte nicht so tun, als ließe sich allein durch die Verwendung eines Cembalos nebst einer Version aus dem Paris des 18. Jahrhunderts, die Vivaldis unbezifferten Bass beziffert, Barockmusik simulieren. Ich jedenfalls nenne das Ignoranz - und die ist eigentlich für die Musiker des 21. Jahrhunderts nicht typisch.
Er hat 1955 die Sechs Sonaten für Violoncello F. XIV, 1-6 von Anto- nio Vivaldi herausgegeben - und merkt bescheiden an: Revision and realization of the Figured Bass by Luigi Dallapiccola. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn Dallapiccola hat nicht nur den Gene- ralbass aus Ziffern, die heutzutage kaum noch jemand flüssig abspie- len kann, in Noten umgeschrieben. Er hat obendrein für die rechte Hand des Pianisten einen Part erschaffen, der in den Dialog zur Cellostimme tritt. "Der heutige Interpret sieht sich angesichts dieser Werke vor eine doppelte Herausforderung gestellt", so Körber: "Einerseits steht die Dallapiccolasche Bearbeitung des Öfteren im Widerspruch zu unserem Wissen um Aufführungspraxis des Barock. Zugleich verwirklicht diese Bearbeitung genau das, wozu dieses Wissen verhelfen soll: Die authentische Aneignung und Umsetzung von Musik längst vergangener Epochen. Andererseits ist die Bearbei- tung auch selbst wiederum Ausdruck der Zeit, in welcher sie ent- stand: die Art der Artikulation des Cellopartes, die im Großen und Ganzen pedallose Klanglichkeit des Klaviers sowie die strukturbe- tonte Durchsichtigkeit und damit auch reizvolle harmonische Sprödigkeit des Satzes."
Der Cellist Martin Rummel und Till Alexander Körber am Konzert- flügel kombinieren bei ihrer Einspielung Elemente der historischen Aufführungspraxis, wie spontane Verzierungen in den Wieder- holungen, mit großem Respekt vor Dallapiccolas "Bearbeitung". Das Ergebnis überrascht durch seinen schönen, satten Ton und eine beeindruckende Eleganz. Was für eine herrliche, harmonische Aufnahme!
Den Vergleich mit einer musikhistorisch korrekten Version soll eine zweite CD ermöglichen, auf der Rummel gemeinsam mit dem Cem- balisten James Tibbles musiziert. Allerdings distanziert sich Tibbles schon im Beiheft von Puristen, die auf eine Interpretation mit historischen Instrumenten und dementsprechender Spieltechnik setzen. Sie bemühten sich, "die Absichten des Komponisten zu verstehen und dadurch so nah wie möglich an die damaligen Erwartungen an eine Aufführung zu kommen".
Das Ziel von Rummel und Tibbles hingegen sei es, "eine Interpreta- tion des 21. Jahrhunderts zu erreichen". Anders als Dallapiccola, der ein Werk des 18. Jahrhunderts in die Sprache des 20. Jahrhunderts übersetzt habe, wollen sie versuchen, "den Geist des Komponisten zu erfassen". Ebenso schwammig wie diese Absichtserklärung erscheint die Version, die daraus hervorgegangen ist. Rummel spielt hier mit schlankerem, mitunter etwas ruppigerem Ton. Doch von barocker Spiellust und von den damals geläufigen virtuosen Verzierungen findet sich nicht die geringste Spur.
Das freilich ist mir zu viel 21. Jahrhundert, und deutlich zu wenig Vivaldi. Wer keine Lust hat, sich durch "ein tiefes Verständnis von Regelbüchern" die Grundlagen für eine angemessene Interpretation zu erarbeiten, der soll doch bitte nicht so tun, als ließe sich allein durch die Verwendung eines Cembalos nebst einer Version aus dem Paris des 18. Jahrhunderts, die Vivaldis unbezifferten Bass beziffert, Barockmusik simulieren. Ich jedenfalls nenne das Ignoranz - und die ist eigentlich für die Musiker des 21. Jahrhunderts nicht typisch.
Le Divin Arcadelt: Candlemas in Renaissance Rome
Diese CD ist ein musikalischer Spaziergang durch das Rom des
16. Jahrhunderts. Man stelle sich vor, man öffnet dort an einem
2. Februar - zum Fest Mariae Reinigung - Kirchentüren, und tritt in das Gotteshaus, um der Kirchen- musik zu lauschen. Zu hören sind Werke von drei führenden Kompo- nisten dieser Zeit, die alle an der Sixtinischen Kapelle beschäftigt waren.
Über Andreas de Silva weiß man fast nichts; bekannt ist, dass er für kurze Zeit als cantor et compositor in Rom wirkte. Ansonsten war er wohl auch in Florenz tätig; fünf seiner Motetten sollen im Medici-Codex enthalten sein. Auf dieser CD erklingen die Motetten Ave, regina caelorum und Inviolata, integra et casta es Maria - über- liefert in Rom und in Bologna.
Jacques Arcadelt, in den päpstlichen Rechnungsbüchern geführt als Jacobus Flandrus, war zur Zeit von Papst Paul III. unter anderem als Magister capellae der Sixtinischen Kapelle tätig. Musikhistoriker vermuten, dass er nach 1500 irgendwo in den Niederlanden zur Welt gekommen und 1568 in Paris gestorben ist. Giovanni Pierluigi da Palestrina (um 1525 bis 1594) wurde im September 1551 am päpst- lichen Hof sein Nachfolger.
Auch von diesen beiden Komponisten finden sich Werke auf dieser CD, vorgetragen durch die Sänger von Musica Contexta, unterstützt durch das English Cornett and Sackbut Ensemble. Hervorzuheben ist die enorme Klangpracht der Aufnahme; die Sänger, insbesondere auch die Bässe, sind eine Wucht, und die Bläser aus London und ihr versiertes Spiel zu loben, das hieße wohl Eulen nach Athen tragen.
16. Jahrhunderts. Man stelle sich vor, man öffnet dort an einem
2. Februar - zum Fest Mariae Reinigung - Kirchentüren, und tritt in das Gotteshaus, um der Kirchen- musik zu lauschen. Zu hören sind Werke von drei führenden Kompo- nisten dieser Zeit, die alle an der Sixtinischen Kapelle beschäftigt waren.
Über Andreas de Silva weiß man fast nichts; bekannt ist, dass er für kurze Zeit als cantor et compositor in Rom wirkte. Ansonsten war er wohl auch in Florenz tätig; fünf seiner Motetten sollen im Medici-Codex enthalten sein. Auf dieser CD erklingen die Motetten Ave, regina caelorum und Inviolata, integra et casta es Maria - über- liefert in Rom und in Bologna.
Jacques Arcadelt, in den päpstlichen Rechnungsbüchern geführt als Jacobus Flandrus, war zur Zeit von Papst Paul III. unter anderem als Magister capellae der Sixtinischen Kapelle tätig. Musikhistoriker vermuten, dass er nach 1500 irgendwo in den Niederlanden zur Welt gekommen und 1568 in Paris gestorben ist. Giovanni Pierluigi da Palestrina (um 1525 bis 1594) wurde im September 1551 am päpst- lichen Hof sein Nachfolger.
Auch von diesen beiden Komponisten finden sich Werke auf dieser CD, vorgetragen durch die Sänger von Musica Contexta, unterstützt durch das English Cornett and Sackbut Ensemble. Hervorzuheben ist die enorme Klangpracht der Aufnahme; die Sänger, insbesondere auch die Bässe, sind eine Wucht, und die Bläser aus London und ihr versiertes Spiel zu loben, das hieße wohl Eulen nach Athen tragen.
Bach: Goldberg Variations; Angelich (Virgin Classics)
Eigentlich wollte ich über diese Aufnahme von Bachs Goldberg-Variationen nichts schreiben. Denn sie beginnt als ein Ärgernis. Nicholas Angelich schert sich, so scheint es, nicht im Geringsten um alle Erkenntnisse der musikhisto- rischen Forschung. Seine Werkauf- fassung ist zutiefst romantisch. Und während der ersten Varia- tionen meint man, eine weitere Einspielung des berühmten Werkes vor sich zu haben, wie es schon viel zu viele gibt.
Doch spätestens bei der Variatio 6 Canone all Unisuono a 1 clav. lauscht man gebannt. Denn diese CD erweist sich als atemberaubend gut durchdacht. Angelichs Interpretation setzt ganz auf Ruhe und Gelassenheit, auf Bachs Strukturen, und selbst dort, wo er ein zügiges Tempo wählt, wirken die Variationen nicht rasant, gehetzt und gequält, sondern spielerisch, tänzerisch. Alles entsteht aus Bachs Notentext heraus - Dynamik, Klangfarben, Nuancen, nichts erscheint aufgesetzt, willkürlich, als schmückendes Beiwerk. Jeder Ton, jedes Detail passt in den unerhörten Spannungsbogen, den Angelich hier aufbaut. Zugleich erfasst der Pianist Bachs Musik in einer Tiefe, die weit über alles hinausgeht, was der Markt üblicherweise bietet. Obwohl er einen modernen Konzertflügel spielt, hütet er sich davor, aufzuzeigen, was man mit diesem Instrument heute aus Bach machen könnte - im Gegenteil, er stellt den Bechstein ganz in den Dienst dieser Musik, und nutzt bewusst nur einen Teil der verfügbaren Klangmög- lichkeiten. So gelingt es ihm, Strukturen und Beziehungen hörbar zu machen, wie man das sonst nur bei wirklich guten Einspielungen an einem Cembalo erlebt. Angelich gestaltet seinen Bach nicht nur spannungsreich, sondern auch glasklar durchhörbar. Seine Inter- pretation mag romantisch sein - aber sie ist in sich jederzeit stimmig, und ungemein kurzweilig.
Doch spätestens bei der Variatio 6 Canone all Unisuono a 1 clav. lauscht man gebannt. Denn diese CD erweist sich als atemberaubend gut durchdacht. Angelichs Interpretation setzt ganz auf Ruhe und Gelassenheit, auf Bachs Strukturen, und selbst dort, wo er ein zügiges Tempo wählt, wirken die Variationen nicht rasant, gehetzt und gequält, sondern spielerisch, tänzerisch. Alles entsteht aus Bachs Notentext heraus - Dynamik, Klangfarben, Nuancen, nichts erscheint aufgesetzt, willkürlich, als schmückendes Beiwerk. Jeder Ton, jedes Detail passt in den unerhörten Spannungsbogen, den Angelich hier aufbaut. Zugleich erfasst der Pianist Bachs Musik in einer Tiefe, die weit über alles hinausgeht, was der Markt üblicherweise bietet. Obwohl er einen modernen Konzertflügel spielt, hütet er sich davor, aufzuzeigen, was man mit diesem Instrument heute aus Bach machen könnte - im Gegenteil, er stellt den Bechstein ganz in den Dienst dieser Musik, und nutzt bewusst nur einen Teil der verfügbaren Klangmög- lichkeiten. So gelingt es ihm, Strukturen und Beziehungen hörbar zu machen, wie man das sonst nur bei wirklich guten Einspielungen an einem Cembalo erlebt. Angelich gestaltet seinen Bach nicht nur spannungsreich, sondern auch glasklar durchhörbar. Seine Inter- pretation mag romantisch sein - aber sie ist in sich jederzeit stimmig, und ungemein kurzweilig.
Leibniz Trio (Genuin)
Mit dieser CD stellt sich das Leibniz Trio aus Hannover vor, Preisträger des Deutschen Musikwettbewerbs 2010. Hwa-Won Pyun, Violine, Lena Wignjosaputro, Violoncello und Nicholas Rimmer, Klavier, haben für ihr Debüt ein abwechs- lungsreiches Programm zusam- mengestellt: Ein Trio nach irischen Volksweisen von Frank Martin (1890 bis 1974), das Trio in f-Moll op. 65 von Antonín Dvorák, und ein Klaviertrio von Joseph Finlay, Jahrgang 1981. "Die Auswahl der Werke haben wir gemeinsam vorgenommen. Das erste Werk, das feststand, war das große Trio von Dvorák", berichtet Pyun. "Wir wollten gern etwas Ungewöhnliches aufnehmen, Das Trio in f-Moll ist längst nicht so bekannt wie etwa das ,Dumky'-Trio. Wir haben es in den letzten zwei Jahren sehr oft gespielt und intensiv daran gearbeitet - aber es ist auch ein Werk, an dem man ein Leben lang arbeitet."
In das Trio von Frank Martin sind mehrere irische Volkslieder ein- geflossen. "Martin findet einen für damalige Verhältnisse ganz neuen und überzeugenden Weg, alte Melodien in eine andere, nämlich kammermusikalische Form zu gießen", erläutert Rimmer. So löst er sich von den traditionellen Strukturen, wie der Sonatenhauptsatz- form, und setzt beispielsweise im ersten Satz ganz auf die Beschleu- nigung: Jeder neue Abschnitt erklingt schneller. "Es hat Spaß gemacht, uns mit der irischen Musik vertraut zu machen", sagt die Geigerin. "Wir haben uns im Vorfeld etliche Aufnahmen mit irischem Folk angehört und uns auch Rat und Inspiration bei einem echten Fiddler geholt."
Joseph Finlay hat gemeinsam mit Nicholas Rimmer in Cambridge studiert. "Sein Klaviertrio entstand in dem Jahr, in dem sich auch unser Trio formierte", meint der Pianist. "Da lag meine Frage an ihn ziemlich nahe, ob er mir nicht sein neues Trio schicken könne. Die Uraufführung spielten wir dann schon 2006 in London. da es noch nicht aufgenommen wurde und bislang auch von niemandem sonst gespielt wurde, war die Entscheidung schnell gefällt, es mit auf die CD zu nehmen." Das spannende Werk wirkt wie improvisiert; es bringt die Gegenwart mit ihren Auseinandersetzungen, Klängen und Träumen mit ins Spiel.
Das Leibniz Trio begeistert nicht nur durch die Professionalität, sondern vor allem auch durch die Frische und Lebendigkeit, mit der es musiziert. Die Spielfreude der drei jungen Musiker ist überwälti- gend - diese CD sollte man unbedingt anhören! Es lohnt sich.
In das Trio von Frank Martin sind mehrere irische Volkslieder ein- geflossen. "Martin findet einen für damalige Verhältnisse ganz neuen und überzeugenden Weg, alte Melodien in eine andere, nämlich kammermusikalische Form zu gießen", erläutert Rimmer. So löst er sich von den traditionellen Strukturen, wie der Sonatenhauptsatz- form, und setzt beispielsweise im ersten Satz ganz auf die Beschleu- nigung: Jeder neue Abschnitt erklingt schneller. "Es hat Spaß gemacht, uns mit der irischen Musik vertraut zu machen", sagt die Geigerin. "Wir haben uns im Vorfeld etliche Aufnahmen mit irischem Folk angehört und uns auch Rat und Inspiration bei einem echten Fiddler geholt."
Joseph Finlay hat gemeinsam mit Nicholas Rimmer in Cambridge studiert. "Sein Klaviertrio entstand in dem Jahr, in dem sich auch unser Trio formierte", meint der Pianist. "Da lag meine Frage an ihn ziemlich nahe, ob er mir nicht sein neues Trio schicken könne. Die Uraufführung spielten wir dann schon 2006 in London. da es noch nicht aufgenommen wurde und bislang auch von niemandem sonst gespielt wurde, war die Entscheidung schnell gefällt, es mit auf die CD zu nehmen." Das spannende Werk wirkt wie improvisiert; es bringt die Gegenwart mit ihren Auseinandersetzungen, Klängen und Träumen mit ins Spiel.
Das Leibniz Trio begeistert nicht nur durch die Professionalität, sondern vor allem auch durch die Frische und Lebendigkeit, mit der es musiziert. Die Spielfreude der drei jungen Musiker ist überwälti- gend - diese CD sollte man unbedingt anhören! Es lohnt sich.
Montag, 11. Juli 2011
Telemann: Ich hoffete aufs Licht (cpo)
"Meine Harfe ist eine Klage wor- den, und meine Pfeiffe ein Weinen" - dieses Bibelwort, das Bestandteil des umfangreichen Textes ist, be- schreibt die Gedanken der Ham- burger bei der Nachricht vom Ableben von Kaiser Karl VII. Der Wittelsbacher, dessen Wirken mit dem zeitgenössischen Bonmot "et Caesar et nihil" ziemlich gut cha- rakterisiert ist, war am 20. Januar 1745 in München an der Gicht ge- storben.
Im Lande tobte der Österreichi- sche Erbfolgekrieg, mit dem gleich mehrere deutsche Fürsten Maria Theresia das Erbe des Hauses Habsburg streitig machen wollten, nachdem ihr Vater, Kaiser Karl VI., ohne einen männlichen Nach- kommen verstorben war. Zwar waren die Hamburger bislang von Kämpfen verschont geblieben. Doch fürchtete die Hansestadt, die als Freie Reichsstadt unmittelbar dem Kaiser unterstand, das Machtstre- ben des dänischen Königshauses, das die reichen Kaufleute nur zu gern zu Untertanen gehabt hätte.
So kam die Trauer um den Kaiser in Hamburg, das Instabilität fürch- tete, durchaus von Herzen. Die Hansestadt setzte eine vierwöchige Landestrauer an, und beauftragte Georg Philipp Telemann, den städti- schen Director Musices, eine Trauermusik zu komponieren. Das war ein schwieriges Unterfangen, denn dieses Werk sollte in allen fünf Hauptkirchen der Stadt gleichzeitig aufgeführt werden. Der Hambur- ger Chorus musicus aber verfügte maximal über acht Sänger und
18 Instrumentalisten, verrät das sehr informative Beiheft zu dieser CD. Aus diesem Grunde wurden für den Trauergottesdienst zahlreiche Musiker aus der Umgebung herangeholt. Telemanns Unterlagen zei- gen, dass in jeder Kirche vier Sänger und ein 14- bis16köpfiges Orche- ster musizierten - die gedämpften Trompeten, Pauken und Streicher nebst Continuo wirken in dieser schmalen Besetzung erst recht wie der Nachhall einstiger kaiserlicher Pracht.
Auch Telemanns Werk selbst ist erstaunlich schlicht und geradlinig. Selbst die Arien verzichten weitgehend auf Koloraturen; die Sing- stimme folgt dem Sprachmetrum. Diese herbe Musik klagt erstaunlich wenig und tröstet nicht, und kurz vor Schluss spricht der Text aus, was die Gemeinde viel mehr beschäftigt als das Hinscheiden des wenig glücklichen Kaisers: "Verbinde, Höchster, nun einmahl / des Teut- schen Reichs bisher entzweyte Hüter / zur holden Eintracht der Gemüther, / und zu beglückter Kayserwahl."
Mit einer Besetzung, wie sie Telemann bei einer Aufführung unter normalen Umständen zur Verfügung gestanden hätte, hat Michael Schneider mit seinem Ensemble La Stagione Frankfurt Ich hoffete aufs Licht im vergangenen Jahr zu den Telemann-Festtagen in Magdeburg vorgestellt. Wie die "Orchester"musiker, sind auch die acht Sänger ausgewiesene Experten in Sachen Alte Musik. Zu hören sind Gabriele Hierdeis und Annegret Kleindopf, Sopran, Dmitri Jegorow und Ulrike Andersen, Alt, Georg Poplutz und Benjamin Kirchner, Tenor sowie Nils Cooper und Stephan Schreckenberger, Bass. Die CD präsentiert den Mitschnitt des Konzertes vom 20. März 2010 - und man hört sie gern. Denn hier wird ebenso fundiert wie solide musiziert. Die Solisten teilen sich in Arien und Chöre; alles klingt ausgewogen, gut durchdacht und sorgsam abgestimmt. Bravi!
Im Lande tobte der Österreichi- sche Erbfolgekrieg, mit dem gleich mehrere deutsche Fürsten Maria Theresia das Erbe des Hauses Habsburg streitig machen wollten, nachdem ihr Vater, Kaiser Karl VI., ohne einen männlichen Nach- kommen verstorben war. Zwar waren die Hamburger bislang von Kämpfen verschont geblieben. Doch fürchtete die Hansestadt, die als Freie Reichsstadt unmittelbar dem Kaiser unterstand, das Machtstre- ben des dänischen Königshauses, das die reichen Kaufleute nur zu gern zu Untertanen gehabt hätte.
So kam die Trauer um den Kaiser in Hamburg, das Instabilität fürch- tete, durchaus von Herzen. Die Hansestadt setzte eine vierwöchige Landestrauer an, und beauftragte Georg Philipp Telemann, den städti- schen Director Musices, eine Trauermusik zu komponieren. Das war ein schwieriges Unterfangen, denn dieses Werk sollte in allen fünf Hauptkirchen der Stadt gleichzeitig aufgeführt werden. Der Hambur- ger Chorus musicus aber verfügte maximal über acht Sänger und
18 Instrumentalisten, verrät das sehr informative Beiheft zu dieser CD. Aus diesem Grunde wurden für den Trauergottesdienst zahlreiche Musiker aus der Umgebung herangeholt. Telemanns Unterlagen zei- gen, dass in jeder Kirche vier Sänger und ein 14- bis16köpfiges Orche- ster musizierten - die gedämpften Trompeten, Pauken und Streicher nebst Continuo wirken in dieser schmalen Besetzung erst recht wie der Nachhall einstiger kaiserlicher Pracht.
Auch Telemanns Werk selbst ist erstaunlich schlicht und geradlinig. Selbst die Arien verzichten weitgehend auf Koloraturen; die Sing- stimme folgt dem Sprachmetrum. Diese herbe Musik klagt erstaunlich wenig und tröstet nicht, und kurz vor Schluss spricht der Text aus, was die Gemeinde viel mehr beschäftigt als das Hinscheiden des wenig glücklichen Kaisers: "Verbinde, Höchster, nun einmahl / des Teut- schen Reichs bisher entzweyte Hüter / zur holden Eintracht der Gemüther, / und zu beglückter Kayserwahl."
Mit einer Besetzung, wie sie Telemann bei einer Aufführung unter normalen Umständen zur Verfügung gestanden hätte, hat Michael Schneider mit seinem Ensemble La Stagione Frankfurt Ich hoffete aufs Licht im vergangenen Jahr zu den Telemann-Festtagen in Magdeburg vorgestellt. Wie die "Orchester"musiker, sind auch die acht Sänger ausgewiesene Experten in Sachen Alte Musik. Zu hören sind Gabriele Hierdeis und Annegret Kleindopf, Sopran, Dmitri Jegorow und Ulrike Andersen, Alt, Georg Poplutz und Benjamin Kirchner, Tenor sowie Nils Cooper und Stephan Schreckenberger, Bass. Die CD präsentiert den Mitschnitt des Konzertes vom 20. März 2010 - und man hört sie gern. Denn hier wird ebenso fundiert wie solide musiziert. Die Solisten teilen sich in Arien und Chöre; alles klingt ausgewogen, gut durchdacht und sorgsam abgestimmt. Bravi!
Spohr: Der Alchymist (Oehms Classics)
Spohr als Opernkomponist? Ro- mantische Oper - aus Kassel? Das lässt staunen, denn Louis Spohr (1784 bis 1859), der dort als Hofkapellmeister wirkte, ist in erster Linie als Violinvirtuose, sehr erfolgreicher Musikpädagoge und als Schöpfer wunderschöner Violinkonzerte bekannt. Christian Fröhlich hat sich nun in Braun- schweig für die Wiederentdeckung von Spohrs Oper Der Alchymist eingesetzt - um "ihm Gerechtigkeit zu verschaffen", so der Dirigent: "Wer hat sich nicht alles auf Mozart berufen? Spohr hat ihn weiter- geführt, in seiner Leichtigkeit, die bekanntlich ja das Schwerste ist. (...) Ein Abglanz von Mozart findet sich bei Spohr fast in jedem Takt. Ich hoffe, Spohr wird es so ergehen wie einst Franz Schubert, dessen Musik auch lange als belanglos galt und völlig missverstanden wurde. Bei ihm hat es hundert Jahre gedauert, bis erkannt wurde, dass seine Musik eben nicht biedermeierlich-muffig ist, sondern Ab- gründe hat und Tiefen, die es auszuloten lohnt."
Spohr hat zehn Opern geschrieben; im Spohr-Archiv liegen neben Der Alchymist auch Faust - leider nicht auf der Grundlage von Goethes Drama -, Jessonda, Der Berggeist und Die Kreuzfahrer. Der Alchymist sei, so Fröhlich, "eindeutig" die stärkste davon. Die Geschichte ist nicht besonders originell, ein junger Librettist namens Carl Pfeiffer hat die Handlung nach der Novelle The student of Salamanca von Washington Irving mehr oder minder geschickt in Verse gebracht: Ein Jüngling, der viel zu oft betont, dass er ein edler Ritter sei, hat sich in ein Mädchen verguckt und möchte sie gern gewinnen. Dummerweise will sie von ihm nichts wissen, denn sie ist einem anderen zugetan. Deshalb heuert der Möchtegernbräutigam allerlei Gesindel an, um zunächst mit Sang und Klang, und schließlich mit immer handfesteren Methoden zu überzeugen. Denn als alles Geturtel nicht verfängt, entführt er die Angebetete, und verpetzt ihren Vater bei der Inquisition. Die Patres haben da wenig Humor; doch zum Glück hat sich der Übeltäter eine raffinierte Frau zum Feind gemacht: Die Sklavin Paola, seine verlassene Geliebte, verhilft Inez zur Flucht. So kann sie gemeinsam mit dem Liebsten ihren Vater, den Alchymi- sten, in letzter Sekunde vor dem Scheiterhaufen retten.
Viel spannender als diese Geschichte ist die Musik, die der Komponist dazu schuf. Sie klingt ein wenig nach Wagner, ein wenig auch nach Otto Nicolai - und ist ansonsten ganz Spohr, wie ihn jeder Geigen- schüler kennt. Das Staatstheater Braunschweig hat die Oper versiert auf die Bühne gebracht; doch die Mitwirkenden stehen nicht wirklich über den Dingen, und so gerät die Weltersteinspielung des Werkes unfreiwillig doch ein bisschen biedermeierlich-museal.
Leider bringt der Live-Mitschnitt klanglich gewisse Verluste mit sich. Und auch die Besetzung vermag nicht durchweg zu begeistern. Insbe- sondere Bernd Weikl macht seinen Don Felix zu einer Knallcharge. Und Jan Zinkler nuschelt sich durch die Partie des Schurken Don Ramiro, dass es einen graust. Susanne Pütters ringt mit der Partie der Paola, die sich als umfangreich und technisch erstaunlich anspruchs- voll erweist. Moran Abouloff mit ihrem hellen, lyrischen Sopran überzeugt in der Rolle der Inez, und auch Jörg Dürmüllers strahlen- der Evangelisten-Tenor passt sehr gut zur Partie des Don Alonzo. Das Braunschweiger Staatsorchester und der Chor des Staatstheaters zeigen sich routiniert; insgesamt hatte man sich von einer Weltpre- miere aber mehr erhofft.
Spohr hat zehn Opern geschrieben; im Spohr-Archiv liegen neben Der Alchymist auch Faust - leider nicht auf der Grundlage von Goethes Drama -, Jessonda, Der Berggeist und Die Kreuzfahrer. Der Alchymist sei, so Fröhlich, "eindeutig" die stärkste davon. Die Geschichte ist nicht besonders originell, ein junger Librettist namens Carl Pfeiffer hat die Handlung nach der Novelle The student of Salamanca von Washington Irving mehr oder minder geschickt in Verse gebracht: Ein Jüngling, der viel zu oft betont, dass er ein edler Ritter sei, hat sich in ein Mädchen verguckt und möchte sie gern gewinnen. Dummerweise will sie von ihm nichts wissen, denn sie ist einem anderen zugetan. Deshalb heuert der Möchtegernbräutigam allerlei Gesindel an, um zunächst mit Sang und Klang, und schließlich mit immer handfesteren Methoden zu überzeugen. Denn als alles Geturtel nicht verfängt, entführt er die Angebetete, und verpetzt ihren Vater bei der Inquisition. Die Patres haben da wenig Humor; doch zum Glück hat sich der Übeltäter eine raffinierte Frau zum Feind gemacht: Die Sklavin Paola, seine verlassene Geliebte, verhilft Inez zur Flucht. So kann sie gemeinsam mit dem Liebsten ihren Vater, den Alchymi- sten, in letzter Sekunde vor dem Scheiterhaufen retten.
Viel spannender als diese Geschichte ist die Musik, die der Komponist dazu schuf. Sie klingt ein wenig nach Wagner, ein wenig auch nach Otto Nicolai - und ist ansonsten ganz Spohr, wie ihn jeder Geigen- schüler kennt. Das Staatstheater Braunschweig hat die Oper versiert auf die Bühne gebracht; doch die Mitwirkenden stehen nicht wirklich über den Dingen, und so gerät die Weltersteinspielung des Werkes unfreiwillig doch ein bisschen biedermeierlich-museal.
Leider bringt der Live-Mitschnitt klanglich gewisse Verluste mit sich. Und auch die Besetzung vermag nicht durchweg zu begeistern. Insbe- sondere Bernd Weikl macht seinen Don Felix zu einer Knallcharge. Und Jan Zinkler nuschelt sich durch die Partie des Schurken Don Ramiro, dass es einen graust. Susanne Pütters ringt mit der Partie der Paola, die sich als umfangreich und technisch erstaunlich anspruchs- voll erweist. Moran Abouloff mit ihrem hellen, lyrischen Sopran überzeugt in der Rolle der Inez, und auch Jörg Dürmüllers strahlen- der Evangelisten-Tenor passt sehr gut zur Partie des Don Alonzo. Das Braunschweiger Staatsorchester und der Chor des Staatstheaters zeigen sich routiniert; insgesamt hatte man sich von einer Weltpre- miere aber mehr erhofft.
Samstag, 9. Juli 2011
Martucci: Piano Concerto No. 2 (Crystal Classics)
Herr Martucci habe sich als als exzellenter Pianist erwiesen, schrieb das Giornale di Napoli am 6. Juni 1874: "Er ist sehr jung und verspricht zu größter Berühmtheit zu gelangen. Liszt war im Saal und zeigte sich sehr zufrieden." Ein Biograph berichtete später, der junge Pianist sei fast in Ohnmacht gefallen, als er den berühmten Kollegen im Saal sitzen sah. Dass Giuseppe Martucci (1856 bis 1909) seinen Schreck schnell überwand und die Aufregung professionell meisterte, mag mit daran liegen, dass er bereits seit seinem achten Lebensjahr öffentlich auftrat.
Sein Vater, ein Trompeter und Militärkapellmeister, gab ihm ersten Unterricht; später studierte Martucci am Konservatorium San Pietro a Maiella in Neapel Klavier und Komposition. Ab 1871 konzertierte er als Pianist in Italien, England, Irland und Frankreich, oftmals gemein- sam mit dem Cellisten Alfredo Piatti. 1880 kehrte Martucci nach Nea- pel zurück. Er wurde Professor für Klavierspiel am Konservatorium und dirigierte zudem die Società Orchestrale di Napoli, die erst kurz zuvor gegründet worden war. Von 1886 bis 1902 leitete er das Liceo Musicale in Bologna, inklusive Orchester. Er setzte sich insbesondere für Brahms und Wagner ein, und dirigierte 1888 die italienische Erstaufführung von Wagners Oper Tristan und Isolde.
In erster Linie aber bereicherte er das Musikleben im auf Opern ver- sessenen Italien um etliche Werke, in denen überhaupt nicht gesun- gen wird. Martucci komponierte vor allem für Orchester, und zudem für die Kammermusik. Diese CD beweist, dass er sowohl am Klavier als auch auf dem Notenpapier ein Virtuose im besten Wortsinne war. Im Mittelpunkt dieser Aufnahme steht ohne Zweifel das Klavierkonzert Nr. 2 b-Moll op. 66 - ein groß angelegtes, vor Temperament geradezu überschäumendes und technisch zudem extrem anspruchsvolles Werk. Als Arturo Toscanini 1899 dieses Konzert mit Martucci am Klavier einstudierte, meinte er vor Beginn der Proben: "Ich bin gespannt, ob er mit all den Problemen, die er selbst geschrieben hat, zurechtkommt."
Pietro Massa jedenfalls, der das Konzert für Crystal Classics gemein- sam mit der Neubrandenburger Philharmonie unter Stefan Malzew eingespielt hat, kommt damit gut zurecht. Er spielt wirklich brillant, und so lässt sich auch mancher nicht so perfekte Ton aus dem Orche- ster aushalten. Schließlich handelt es sich um einen Live-Mitschnitt, da kann das durchaus passieren. Spannend ist die Aufnahme auch deshalb, weil sie das Notturno op. 70 Nr. 1 sowohl in der Orchester- als auch in der Klavierfassung enthält. Dieses Werk macht noch ein- mal deutlich, wie virtuos Martucci zu orchestrieren verstand, und wie souverän uns sensibel er mit Klangfarben arbeitete. Tema e variazio- ni op. 58 fällt dagegen insgesamt ein wenig ab. Aber grundsätzlich gehört Martucci in die erste Reihe der Virtuosen-Komponisten des ausklingenden 19. Jahrhunderts. Eine Entdeckung!
Sein Vater, ein Trompeter und Militärkapellmeister, gab ihm ersten Unterricht; später studierte Martucci am Konservatorium San Pietro a Maiella in Neapel Klavier und Komposition. Ab 1871 konzertierte er als Pianist in Italien, England, Irland und Frankreich, oftmals gemein- sam mit dem Cellisten Alfredo Piatti. 1880 kehrte Martucci nach Nea- pel zurück. Er wurde Professor für Klavierspiel am Konservatorium und dirigierte zudem die Società Orchestrale di Napoli, die erst kurz zuvor gegründet worden war. Von 1886 bis 1902 leitete er das Liceo Musicale in Bologna, inklusive Orchester. Er setzte sich insbesondere für Brahms und Wagner ein, und dirigierte 1888 die italienische Erstaufführung von Wagners Oper Tristan und Isolde.
In erster Linie aber bereicherte er das Musikleben im auf Opern ver- sessenen Italien um etliche Werke, in denen überhaupt nicht gesun- gen wird. Martucci komponierte vor allem für Orchester, und zudem für die Kammermusik. Diese CD beweist, dass er sowohl am Klavier als auch auf dem Notenpapier ein Virtuose im besten Wortsinne war. Im Mittelpunkt dieser Aufnahme steht ohne Zweifel das Klavierkonzert Nr. 2 b-Moll op. 66 - ein groß angelegtes, vor Temperament geradezu überschäumendes und technisch zudem extrem anspruchsvolles Werk. Als Arturo Toscanini 1899 dieses Konzert mit Martucci am Klavier einstudierte, meinte er vor Beginn der Proben: "Ich bin gespannt, ob er mit all den Problemen, die er selbst geschrieben hat, zurechtkommt."
Pietro Massa jedenfalls, der das Konzert für Crystal Classics gemein- sam mit der Neubrandenburger Philharmonie unter Stefan Malzew eingespielt hat, kommt damit gut zurecht. Er spielt wirklich brillant, und so lässt sich auch mancher nicht so perfekte Ton aus dem Orche- ster aushalten. Schließlich handelt es sich um einen Live-Mitschnitt, da kann das durchaus passieren. Spannend ist die Aufnahme auch deshalb, weil sie das Notturno op. 70 Nr. 1 sowohl in der Orchester- als auch in der Klavierfassung enthält. Dieses Werk macht noch ein- mal deutlich, wie virtuos Martucci zu orchestrieren verstand, und wie souverän uns sensibel er mit Klangfarben arbeitete. Tema e variazio- ni op. 58 fällt dagegen insgesamt ein wenig ab. Aber grundsätzlich gehört Martucci in die erste Reihe der Virtuosen-Komponisten des ausklingenden 19. Jahrhunderts. Eine Entdeckung!
ClarinArt Ensemble (Gallo)
"Ach, wenn wir nur clarinetti hätten", schrieb Wolfgang Ama- deus Mozart 1778 an seinen Vater. Er hatte in Mannheim Sinfonien von Carl Stamitz gehört, und war begeistert: "- sie glauben nicht was eine sinfonie mit flauten, oboen und clarinetten für einen herrlichen Effect macht!"
Vor Mozart hatte sich auch schon Georg Friedrich Händel für das damals neue Instrument interes- siert. 1748/49 komponierte er eine Ouvertüre für zwei Klarinet- ten und Jagdhorn. Das ClarinArt Ensemble beginnt damit diese CD - und ersetzt konsequenterweise das Horn durch ein Bassetthorn.
Dieses Mitglied der Klarinettenfamilie liebte bekanntlich auch Mozart sehr; ihn würdigt das ClarinArt Ensemble daher mit dem Divertimen- to nach der Oper Die Hochzeit des Figaro in einer Bearbeitung für drei Bassetthörner. Die Arie Là ci darem la mano aus Mozarts Don Gio- vanni wiederum inspirierte Ludwig van Beethoven zu reizvollen Variationen für zwei Klarinetten und Bassetthorn. Sie entstanden, nachdem der Komponist das Trio von Johann Wenth gehört hatte. Der böhmische Musiker, seinerzeit einer der besten europäischen Oboisten und Englischhornbläser, hat auch selbst komponiert - und seine Petite Serenade concertante, hier in einer Version für drei Klarinetten, erklingt im Finale dieser CD.
Das ClarinArt Ensemble spielt exzellent; das Trio gefällt durch sein ausgewogenes, harmonisches Klangbild ebenso wie durch die Vir- tuosität der drei Mitwirkenden - Sven Bachmann, Eveline Eichen- berger und Wenzel Grund. Wenn die Musiker ihren Vortrag nun noch durch etwas Humor würzen würden, dann wäre das ziemlich perfekt.
Vor Mozart hatte sich auch schon Georg Friedrich Händel für das damals neue Instrument interes- siert. 1748/49 komponierte er eine Ouvertüre für zwei Klarinet- ten und Jagdhorn. Das ClarinArt Ensemble beginnt damit diese CD - und ersetzt konsequenterweise das Horn durch ein Bassetthorn.
Dieses Mitglied der Klarinettenfamilie liebte bekanntlich auch Mozart sehr; ihn würdigt das ClarinArt Ensemble daher mit dem Divertimen- to nach der Oper Die Hochzeit des Figaro in einer Bearbeitung für drei Bassetthörner. Die Arie Là ci darem la mano aus Mozarts Don Gio- vanni wiederum inspirierte Ludwig van Beethoven zu reizvollen Variationen für zwei Klarinetten und Bassetthorn. Sie entstanden, nachdem der Komponist das Trio von Johann Wenth gehört hatte. Der böhmische Musiker, seinerzeit einer der besten europäischen Oboisten und Englischhornbläser, hat auch selbst komponiert - und seine Petite Serenade concertante, hier in einer Version für drei Klarinetten, erklingt im Finale dieser CD.
Das ClarinArt Ensemble spielt exzellent; das Trio gefällt durch sein ausgewogenes, harmonisches Klangbild ebenso wie durch die Vir- tuosität der drei Mitwirkenden - Sven Bachmann, Eveline Eichen- berger und Wenzel Grund. Wenn die Musiker ihren Vortrag nun noch durch etwas Humor würzen würden, dann wäre das ziemlich perfekt.
Freitag, 8. Juli 2011
Brahms: Piano Concerto No. 2, Klavierstücke op. 76; Angelich (Virgin Classics)
"Und er ist gekommen, ein junges Blut, an dessen Wiege Grazien und Helden Wache hielten. Er heißt Johannes Brahms, kam von Ham- burg, dort in dunkler Stille schaffend, aber von einem treff- lichen und begeistert zutragenden Lehrer gebildet in schwierigen Setzungen der Kunst, mir kurz vorher von einem verehrten be- kannten Meister empfohlen. Er trug, auch im Äußeren, alle Anzei- chen an sich, die uns ankündigen: Das ist ein Berufener", schwärmte Robert Schumann 1853 in seiner Neuen Zeitschrift für Musik über den jungen Musiker, der sich kurz zuvor den Schumanns vorgestellt hatte.
Von "Grazien und Helden" freilich dürfte Johannes Brahms (1833 bis 1897) in seiner Jugend wenig gespürt haben. Sein Vater spielte in Hamburger Lokalen zum Tanz auf. Schon früh erkannte er, dass sein Filius ebenfalls musikalisch war, und so erhielt Brahms ab seinem siebenten Lebensjahr Klavierunterricht. Er begann seine Pianisten- laufbahn in Matrosenkneipen und Tanzlokalen.
Das Klavier sollte zeitlebens das von ihm bevorzugte Instrument bleiben. Bienenfleißig studierte Brahms die Werke der Kollegen - vor allem auch der bereits verstorbenen - und glich so aus, was ihm an Ausbildung versagt geblieben war. Als er sich an die ersten Orche- sterwerke wagte, suchte er den Rat erfahrener Kollegen und lernte von ihnen. Wer allerdings Brahms' Klavierwerke mit ihrer mitunter geradezu orchestralen Textur kennt, der wird sich das Zögern des Komponisten am ehesten mit seinem hohen Anspruch erklären.
Das Klavier sollte zeitlebens das von ihm bevorzugte Instrument bleiben. Bienenfleißig studierte Brahms die Werke der Kollegen - vor allem auch der bereits verstorbenen - und glich so aus, was ihm an Ausbildung versagt geblieben war. Als er sich an die ersten Orche- sterwerke wagte, suchte er den Rat erfahrener Kollegen und lernte von ihnen. Wer allerdings Brahms' Klavierwerke mit ihrer mitunter geradezu orchestralen Textur kennt, der wird sich das Zögern des Komponisten am ehesten mit seinem hohen Anspruch erklären.
Die beiden Werke auf dieser CD zeigen den reifen Brahms - die Klavierstücke op. 76 entstanden 1870, das Konzert für Klavier Nr. 2 in B-Dur 1882. Nicholas Angelich spielt das Klavierkonzert im Dialog mit dem Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks unter Paavo Järvi - betont romantisch, sehr gediegen und reich an Klangfarben und Schattierungen. Ausgesprochen differenziert erklingen auch die Klavierstücke op. 76, vier extravagante Capricci nebst vier aus- drucksstarken Intermezzi. Angelich hat hörbar Vergnügen an diesen vertrackten Rhythmen und alles andere als simplen harmonischen Ideen. Man lauscht mit wachsender Begeisterung - eine Ausnahme-Aufnahme mit Tiefe und Kraft, wie man sie selten findet.
Montag, 4. Juli 2011
Bach: Chromatic Fantasia and Fugue (Naxos)
In Colmar, im Musée d'Unterlin- den, befindet sich ein ganz besonderes Cembalo. Es wurde 1624 in Antwerpen von Johannes Rückers gebaut, und, ganz im Stile der damaligen Zeit, prachtvoll bemalt. So befinden sich auf dem Deckel wundervolle Verzierungen mit Blumen, Früchten und Insek- ten. Das Gemälde auf dem Unter- deckel zeigt den Wettstreit zwischen Apollo und Pan mit König Midas als Richter.
Es wird vermutet, dass dieses Instrument bereits vor 1680 nach Frankreich gelangte, wo es mehrfach modifiziert und so an die Ansprüche der musikalischen Praxis angepasst wurde. Das Cembalo befand sich lange Zeit im Schloss von Condé-en-Brie, und wurde 1980 von dem Museum erworben.
Es ist vorzüglich erhalten, und klingt noch immer hervorragend, wie auch diese Aufnahme beweist, bei der die amerikanische Cembalistin Lisa Goode Crawford das wertvolle Instrument spielen durfte. Die Musikerin lehrte lange am Oberlin Konservatorium, und gehört zu den Pionieren der Alten Musik in den Vereinigten Staaten. Mittler- weile ist sie Emerita, lebt in Paris und Oberlin, Ohio/USA, und musi- ziert noch immer - mit enormer Spielfreude und einem ausgeprägten Sinn für Strukturen. Diese CD enthält Bachs Chromatische Fantasie und Fuge in d-Moll, BWV 903, die Partita Nr. 4 in D-Dur BWV 828 und die Englische Suite Nr. 3 in g-Moll, BWV 808, jeweils mit einem sehr individuellen Charakter und hinreißend vorgetragen.
Es wird vermutet, dass dieses Instrument bereits vor 1680 nach Frankreich gelangte, wo es mehrfach modifiziert und so an die Ansprüche der musikalischen Praxis angepasst wurde. Das Cembalo befand sich lange Zeit im Schloss von Condé-en-Brie, und wurde 1980 von dem Museum erworben.
Es ist vorzüglich erhalten, und klingt noch immer hervorragend, wie auch diese Aufnahme beweist, bei der die amerikanische Cembalistin Lisa Goode Crawford das wertvolle Instrument spielen durfte. Die Musikerin lehrte lange am Oberlin Konservatorium, und gehört zu den Pionieren der Alten Musik in den Vereinigten Staaten. Mittler- weile ist sie Emerita, lebt in Paris und Oberlin, Ohio/USA, und musi- ziert noch immer - mit enormer Spielfreude und einem ausgeprägten Sinn für Strukturen. Diese CD enthält Bachs Chromatische Fantasie und Fuge in d-Moll, BWV 903, die Partita Nr. 4 in D-Dur BWV 828 und die Englische Suite Nr. 3 in g-Moll, BWV 808, jeweils mit einem sehr individuellen Charakter und hinreißend vorgetragen.
Kirsten Flagstad (Audite)
Kaum zu glauben - aber diese Aufnahme ist ein Live-Mitschnitt aus dem Jahre 1952, entstanden wenige Wochen vor dem 57. Ge- burtstag von Kirsten Flagstad. Man lauscht erstaunt, und wundert sich darüber, welche Töne die berühm- te norwegische Sopranistin zu diesem Zeitpunkt noch produ- zieren konnte. Dass sie mitunter Höhe nur noch mit Kraft stemmen kann - geschenkt! denn wie beein- druckend klingt ihr geheimnisvoll-dunkel timbrierter Sopran, und wie gestaltet sie insbesondere die langen Töne, die großen Bögen. Das ist ganz große Gesangskunst. Man ahnt, wie diese Stimme einst geklungen haben mag, am Beginn einer Sängerlaufbahn, die hier nach mehr als drei Jahrzehnten schon ihrem Ende entgegengeht. Dennoch verfügt Flagstad noch hier über stimmliche Mittel, die auch in den nachfol- genden Generationen wohl so mancher Opernstar auch sehr gern gehabt hätte. Eine Gesangskarriere von einer solchen Dauer erscheint zudem heute, wo Sänger vielfach wie eine Wegwerfware verschlissen und verbraucht werden, wie ein Wunder.
Die vorliegenden Mono-Mitschnitte der beiden Konzerte aus dem Berliner Titania-Palast mit dem Orchester der Städtischen Oper unter Georges Sebastian wurden von Audite phantastisch remastert. Sie enthalten Wagners Wesendonck-Lieder, die Flagstad mit Gänsehaut erzeugender Intensität vorträgt, Schlüsselszenen aus Wagners Tristan und Isolde sowie Brünnhildes Schlussgesang aus der Götterdämme- rung, ergänzt um den Monolog der Elektra aus Strauss gleichnamiger Oper sowie um drei seiner Vier letzten Lieder. Kirsten Flagstad hatte dieses Werk von Richard Strauss 1950 auf Wunsch des Komponisten uraufgeführt. Wenn die Sängerin in Kenntnis ihrer stimmlichen Re- serven auf das vierte Lied hier verzichtet, dann ist man geneigt, das klug zu finden; es bleibt auch so noch genug Substanz übrig, und der Klang dieser Stimme - unvergleichlich, faszinierend.
Sonntag, 3. Juli 2011
Bach: Motetten; Collegium Vocale Gent, Herreweghe (Phi)
Das Collegium Vocale Gent, ins Leben gerufen und bis zum heuti- gen Tage geleitet von Christoph Herreweghe, hat Bachs Motetten erneut eingespielt - und unter- streicht damit, dass es auch mehr als 40 Jahre nach seiner Gründung noch immer zu den besten Ensem- bles weltweit gehört. Je nach Projekt finden sich in Chor und Orchester handverlesene Profis zusammen, die auf die jeweilige Epoche spezialisiert und zudem exzellent aufeinander eingespielt sind - diese Aufnahme zeugt davon.
Dabei vertritt Herreweghe keineswegs revolutionäre Positionen. In der aktuellen Auseinandersetzung um die Besetzung beispielsweise, in der Bachs Werke zu Lebzeiten des Thomaskantors aufgeführt worden sind, plädiert er für diejenige Lösung, die Bachs Musik jeweils am besten zur Geltung bringt. Das kann eine sehr kleine Besetzung sein, aber auch eine relativ große, zusätzlich verstärkt durch Instrumenta- listen, die die Stimmen der Sänger colla parte verdoppeln, um "die Sänger zur unterstützen, den Klang zu verstärken, die Palette an Klangfarben und die Dynamik zu bereichern, und damit den tiefen Sinn des Werkes noch mehr hervorzuheben", schreibt Herreweghe in dem sehr informativen Beiheft.
"Man kann sich leicht in den Windungen der vokalen Virtuosität ver- lieren, im Ästhetizismus, in willkürlich überzeichneten Rhythmen, 'Verspieltheit' oder künstlichen Ausdrucksformen", so der Kapell- meister. "Wir haben versucht, uns an eine einzige Richtlinie zu halten: die Partitur singen und spielen in der Art eines 'inspirierten und jungen Predigers', der mit dem Vortrag dieses Textes das Ziel hätte, seine Gemeinde zu berühren und damit zu überzeugen - denn die Emotion ist es, die die Kraft der Überzeugung stärkt."
Entstanden ist so eine der besten derzeit verfügbaren Aufnahmen; ich finde sie in sich stimmig, sehr sensibel und ausgesprochen dicht an Bachs Notentext. Man darf gespannt bleiben, was Herreweghe mit seinem Label Phi, das er im vergangenen Jahr gegründet hat, als nächstes unternimmt. Mahler, Brahms und Bach - die bisherige Aus- wahl lässt die Ambitionen der Musiker ahnen.
Dabei vertritt Herreweghe keineswegs revolutionäre Positionen. In der aktuellen Auseinandersetzung um die Besetzung beispielsweise, in der Bachs Werke zu Lebzeiten des Thomaskantors aufgeführt worden sind, plädiert er für diejenige Lösung, die Bachs Musik jeweils am besten zur Geltung bringt. Das kann eine sehr kleine Besetzung sein, aber auch eine relativ große, zusätzlich verstärkt durch Instrumenta- listen, die die Stimmen der Sänger colla parte verdoppeln, um "die Sänger zur unterstützen, den Klang zu verstärken, die Palette an Klangfarben und die Dynamik zu bereichern, und damit den tiefen Sinn des Werkes noch mehr hervorzuheben", schreibt Herreweghe in dem sehr informativen Beiheft.
"Man kann sich leicht in den Windungen der vokalen Virtuosität ver- lieren, im Ästhetizismus, in willkürlich überzeichneten Rhythmen, 'Verspieltheit' oder künstlichen Ausdrucksformen", so der Kapell- meister. "Wir haben versucht, uns an eine einzige Richtlinie zu halten: die Partitur singen und spielen in der Art eines 'inspirierten und jungen Predigers', der mit dem Vortrag dieses Textes das Ziel hätte, seine Gemeinde zu berühren und damit zu überzeugen - denn die Emotion ist es, die die Kraft der Überzeugung stärkt."
Entstanden ist so eine der besten derzeit verfügbaren Aufnahmen; ich finde sie in sich stimmig, sehr sensibel und ausgesprochen dicht an Bachs Notentext. Man darf gespannt bleiben, was Herreweghe mit seinem Label Phi, das er im vergangenen Jahr gegründet hat, als nächstes unternimmt. Mahler, Brahms und Bach - die bisherige Aus- wahl lässt die Ambitionen der Musiker ahnen.
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