Dienstag, 27. Juli 2021

Carl Loewe und die Orgel (Querstand)


 Johann Carl Gottfried Loewe (1796 bis 1869) ist heutzutage nahezu ausschließlich als Meister der Ballade bekannt. Dass der „norddeutsche Schubert“ auch brillant Orgel spielte, liegt nahe – immerhin war Loewe 46 Jahre lang als Kantor und Organist an der Stettiner Jakobikirche tätig. Wie wichtig dem Musiker dieses Instrument war, wird auch daraus ersichtlich, dass er in seinem Testament verfügte, sein Herz solle bei seiner Orgel ruhen. 

Mit dem Orgelklang wuchs Loewe auf – sein Vater wirkte als Kantor und Organist in dem Städtchen Löbejün, nördlich von Halle/Saale, und er war auch der erste Lehrer des Knaben. Die Orgel aber, die auf diesem Album zu hören ist, hat Carl Loewe selbst nicht gespielt, denn sie wurde erst 1901 von der Orgelbauanstalt Wilhelm Rühlmann aus Zörbig in der Stadtkirche St. Petri errichtet. Sie ersetzte das Renaissance-Instrument von David Beck aus dem Jahre 1591, an dem Loewe einst seinen ersten Orgelunterricht erhielt. 

Die Rühlmann-Orgel verfügt über insgesamt 22 Register auf zwei Manualen und Pedal, mit einer pneumatischen Traktur auf Kegelladen. Sie zeichnet sich durch einen warmen, grundtönigen Klang aus, und folgt in ihrer Disposition den Idealen der Spätromantik. 2018 wurde das Instrument saniert. So erweist sich die Orgel in Loewes Geburtsort Löbejün als der perfekte Instrument für diese Einspielung. 

Irénée Peyrot, Kantor und Organist an der Marktkirche Halle/Saale – wo Loewe einst seine Ausbildung an der Latina, beim städtischen Musikdirektor Daniel Gottlob Türk und im Stadtsingechor fortsetzte – stellt auf diesem Album Orgelwerke vor, die uns den Organisten Loewe greifbar machen. Viel ist es leider nicht, was an Originalen überliefert worden ist; es finden sich lediglich einige wenige Choralvorspiele, die Loewe im „Musikalischen Gottesdienst“ einst als Übungsstücke und Vorbilder für seine Schüler notierte. 

Das Orgelspiel Loewes, von Zeitgenossen gerühmt, ist ansonsten verklungen, ohne dass Stücke notiert wurden. Um das Bild abzurunden, hat Peyrot für dieses Album daher auch Klaviermusik, einige Balladen sowie Chorsätze aus Oratorien mit herangezogen, und für Orgel bearbeitet. Er präsentiert Loewes Musik sehr ansprechend, und erstellt zugleich mit viel Feingefühl ein Porträt der Rühlmann-Orgel. Instrument und Repertoire harmonieren ausgezeichnet. Das Ergebnis ist für mich eine der schönsten Orgel-CD des Jahres. Unbedingt anhören, lohnt sich! 

Montag, 26. Juli 2021

Handel: Messiah (Accentus)


 Noch immer gehört Händels Messias zu den Hits des Repertoires. Das Oratorium erfreut sich beim Publikum und bei Musikern weltweit nach wie vor einer ungebrochenen Popularität; auch Einspielungen gibt es davon massenhaft. Dennoch hat Hans-Christoph Rademann mit Chor und Orchester der Gaechinger Cantorey der langen Reihe von Schallplatten und CD eine eigene Interpretation hinzugefügt. Anders als heute gebräuchlich, entschied sich der Dirigent für die Version des vielfach umgearbeiteten Werkes, die einst 1742 bei der Uraufführung in Dublin erklungen ist. 

Die großen Chöre Georg Friedrich Händels lässt er von einer kleinen Besetzung singen – gerade einmal fünf Sängerinnen und Sänger gehören jeder Stimmgruppe der Gaechinger Cantorey an; nur beim Bass, dem Fundament des Chorklanges, sind es sieben. Statt Wucht haben die Chöre bei Rademann ganz klare Strukturen. Jede Verzierung ist sauber ausgeführt, und auch die rasantesten Koloraturen fließen synchron, dass man nur staunen kann. Die Tempi sind zumeist flott, und auch die Rhythmen sind klar herausgearbeitet, was mitunter beinahe tänzerisch wirkt. 

Für die Arien konnte Rademann ein ebenso exzellentes Solistenquartett aufbieten. Es singen Dorothee Mields, Benno Schachtner, Benedikt Kristjánsson und Tobias Berndt. Auch hier ist nichts dem Zufall überlassen; Rademanns Interpretation steht dem Belcanto allerdings wahrscheinlich näher, als das Puristen der „Alten“ Musik gefallen wird. Mich überzeugt seine Lesart. So erscheinen die Arien oftmals von großer Innigkeit, was mich sehr berührt hat. Diese Aufnahme ist insgesamt ausgesprochen hörenswert, meine unbedingte Empfehlung! 


Sonntag, 25. Juli 2021

Markus Becker - Solitude. Haydn Piano Works II (Avi-Music)


 Zum zweiten Male hat sich Markus Becker dem Werk von Joseph Haydn zugewandt. Dieses Album zeigt uns den Musiker erneut in einer geradezu philosophischen Tiefe. Dazu hat sicherlich auch die lang andauernde Generalpause angesichts des Corona-Virus mit beigetragen: „Die Zeit ohne Konzerte in den Wochen vor der Aufnahme, der Lockdown über halb Europa, das Verschwinden des öffentlichen Lebens und der Rückzug ins Private – das hat die Sinne geschärfte für Nuancen und kleinste Farbstufen, für das Hören nach Innen.“ 

Für das Album hat Becker die Sonaten in c-Moll und in g-Moll, Hob. XVI:20 und 44, sowie die 12 Variationen Es-Dur Hob. XVII:3 und das Andante con variazioni Hob. XVII:6 ausgewählt, die besonders die ruhig-introvertierte Seite des Komponisten zeigen. Das freilich ist nur die Fassade, hinter der es durchaus sehr lebendig und vor allem auch farbenreich zugeht. 

In seiner Abgeschiedenheit („Solitude“), fernab von Wien, hat Haydn ein ganzes Kaleidoskop von Ausdrucksmöglichkeiten gefunden. „Ganz allgemein gesagt ist Haydn für mich der Komponist der Möglichkeiten, des Konjunktivs“, erläutert Becker: „Seine Musik kann ruhig fließen und gleichzeitig dramatisch sein, komisch und ernst, vorwärtsdrängend und rückblickend. Es sind Melancholie, Humor und Ambivalenzen, die seine Musik für mich zum Lebensmodell machen.“ 

Diese Nähe hört man auch. Niemand sonst spielt diese Werke derart feinsinnig und luzide. Es ist faszinierend; ich freue mich schon jetzt auf eine Fortsetzung. 


Samstag, 24. Juli 2021

Mendelssohn Bartholdy: Te Deum (Hänssler Classic)

 


Was für ein Chorklang! Wenn Frieder Bernius mit dem Kammerchor Stuttgart das Te Deum von Felix Mendelssohn Bartholdy aufführt, dann ist man beinahe geneigt zu vergessen, dass diese Vokalmusik einst nicht für einige wenige professionell trainierte Sänger, sondern für stimmgewaltige Massen von Amateuren komponiert worden ist. 

Dass diese Werke seinerzeit nicht von Profis, sondern von ambitionierten Laien – die Singakademie Berlin hatte zu Mendelssohns Zeiten mehr als 200 Mitglieder! – gesungen worden sind, lässt uns heute nur noch staunen. Dennoch entscheidet sich Bernius gegen einen derartigen Riesenchor; er vertraut nicht nur das Te Deum, sondern auch noch Mendelssohns Hora est und Ave Maria „seinem“ Kammerchor Stuttgart an. 

Eine gute Entscheidung, denn die kleine Besetzung lässt die Polyphonie dieser selten aufgeführten geistlichen Werke in einer Klarheit hervortreten, die begeistert. Es ist herrliche Musik, und sie wird hier in geradezu transzendenter Schönheit zelebriert. Ich habe jede Sekunde dieser Aufnahme genossen. Unbedingt anhören, lohnt sich! 


Freitag, 23. Juli 2021

Händel: Orlando (Pan Classics)


 Zahlreiche Opernkomponisten inspirierte einstmals das Versepos „Orlando furioso“ von Ludovico Ariosto. Georg Friedrich Händel schrieb sogar gleich drei Opern, die darauf basieren. 
Orlando schildert die Geschichte um den Ritter Roland, den seine Liebe zur chinesischen Prinzessin Angelica um den Verstand bringt. Denn sie zieht es nicht zu ihm, sondern zu dem maurischen Prinzen Medoro. In diesen wiederum ist die Schäferin Dorinda verliebt – man ahnt schon, das gibt Kuddelmuddel, und nur der Zauberer Zoroastro vermag ein böses Ende zu verhindern. 
Die unkonventionellen musikalischen Lösungen, mit denen der Komponist die aus den Fugen geratene Welt des Titelhelden darstellt, faszinieren heute sowohl das Publikum als auch die Sänger. Das Londoner Publikum hingegen und der Kastrat Senesino, der bei der Uraufführung 1733 die Titelrolle gesungen hat, zeigten sich irritiert. 
Denn der Komponist hat für seinen Bühnenstar zwar eine irrwitzige Wahnsinnsszene geschrieben. Aber Senesino wird darüber nicht sehr erfreut gewesen sein; er wird sicherlich Gelegenheiten vermisst haben, in den üblichen Da-capo-Arien eines primo uomo mit kreativen Variationen und Auszierungen seine Virtuosität zu demonstrieren. Generell folgt Händel in seinem Werk nur sehr bedingt den Konventionen der Opera seria. 
Seine Experimentierlust allerdings bereitet auch heute noch Freude: Diese Einspielung mit dem Ensemble La Grand Écurie et la Chambre du Roy unter Leitung von Jean-Claude Malgoire aus dem Jahr 2008 hat enorm viel Schwung, und interpretiert Händels hinreißende Arien mit gebührender Theatralik. 

Montag, 12. Juli 2021

Rinck: Chamber Music (MDG)


 Es muss nicht immer Beethoven sein: Auch Johann Christian Heinrich Rinck (1770 bis 1846) gehörte im vergangenen Jahr zu den Jubilaren. Dieser Name freilich wird heute kaum noch jemandem etwas sagen. Chorsängern wird vielleicht das Lied Abend wird es wieder einfallen, das Rinck nach einem Text Hoffmann von Fallerslebens geschrieben hat. Organisten kennen möglicherweise seine sechsbändige Praktische Orgelschule op. 55, die weltweit verbreitet und sehr populär war. 

Das Trio Parnassus hat sich nun Rincks Kammermusik zugewandt, und die erste CD, die bei Dabringhaus und Grimm veröffentlicht worden ist, macht deutlich, dass der Komponist aus gutem Grunde zu Lebzeiten hochgeschätzt war. Johann Christian Heinrich Rinck stammte aus dem thüringischen Elgersburg bei Ilmenau, und wurde 1786 in Erfurt Schüler von Johann Christian Kittel. 1790 trat er seine erste Anstellung an als Stadtorganist in Gießen; 1803 wurde er dort Universitätsmusikdirektor. 1805 wechselte er nach Darmstadt, wo er zunächst als Stadtorganist, Kantor und Musiklehrer am Gymnasium wirkte. 

Schon bald wurde er zudem Mitglied der Hofkapelle, 1813 Hoforganist und 1817 Kammermusikus des Großherzogs Ludwig I. von Hessen-Darmstadt. Rinck galt als einer der bedeutenden Orgelvirtuosen seiner Zeit, und auch als Orgelsachverständiger und Komponist gehörte er zu den herausragenden Persönlichkeiten der Kirchenmusikgeschichte des 19. Jahrhunderts. 

Als Enkelschüler von Johann Sebastian Bach verstand er sich selbstverständlich auf die Traditionen der barocken Polyphonie, und er verschmolz sie mit der Eleganz der Klassik und der Individualität der Frühromantik. Damit schuf er einen beeindruckenden persönlichen Stil – auch wenn er seine Werke bescheiden als Kompositionen „für meine Schüler“ ansah. 

Das Trio Parnassus präsentiert nun Rincks Kammermusik. Die Stücke, die sehr unterschiedlich sind, werden von Julia Galić, Violine, Michael Groß, Violoncello und Johann Blanchard, Piano, elegant und stilsicher vorgestellt. Es sind nicht durchweg Triosonaten. So gibt es auf Volume 1 eine Sonate très facile für Violine und Piano. Volume 2 enthält auch ein Trio für Flöte, Violoncello und Klavier, was die Musiker gemeinsam mit der fabelhaften Helen Dabringhaus an der Flöte klangschön vortragen. 

Die Aufnahmen, wie stets bei MDG auch von erstklassiger technischer Qualität, machen sehr neugierig auf jenes Repertoire, das von Musikhistorikern lange als „minderwertig“ aussortiert worden ist. Es ist immer wieder erfreulich, welche Trouvaillen zum Vorschein kommen, wenn engagierte Musiker sich nicht von Vorurteilen blenden lassen, sondern aufmerksam in die alten Noten schauen. Mehr davon, und: Bravi! 


Samstag, 10. Juli 2021

Telemann: Miriways (Pentatone)


 Für seine Oper Miriways (1728) wählte Georg Philipp Telemann (1681 bis 1767) als Schauplatz die Provinz Kandahar. Sie gehörte einst zu Persien, was aber 1722 auf einem Schlachtfeld bei Isfahan von den Afghanen besiegt worden war. Zeitungen in ganz Europa berichteten darüber, und die Leser zeigten sich fasziniert. 

Der Orient erschien verlockend, und das Exotische war in Mode – also wurde es auch auf die Opernbühne gebracht. Johann Samuel Müller, eigentlich Lehrer, aber auch ein gefragter Textdichter, nutzte das Geschehen im fernen Osten als Grundlage für ein Libretto, und Telemann schuf dazu eine Musik, die so fernöstlich klingt, wie es seinerzeit in Hamburg die Phantasie hergab. 

Auch Bühne und Kostüme waren sicherlich dementsprechend gestaltet – und Telemanns Oper um Miriways, den Fürsten von Candahar, Sophi, den Sohn des abgesetzten Schahs, und allerlei Intrigen, Ränke und Liebschaften am Hofe war damals ganz sicher ein Erfolg. Heute ist das Werk selten zu hören, was eigentlich schade ist, denn es hat schöne Melodien zu bieten, dazu interessante Charaktere, und die Handlung, in der es um Liebe, Pflicht und Wahrhaftigkeit geht, kann auch heute noch den Geist der Aufklärung verbreiten – denn darum geht es, und mag das Gewand noch so exotisch sein. 

Zum Telemann Festival Hamburg 2017 wurde Telemanns Werk in der Elbmetropole aufgeführt. Auf zwei CD präsentiert Pentatone nun einen Mitschnitt des Konzertes mit der Akademie für Alte Musik Berlin unter der Leitung von Bernard Labadie, aufgezeichnet durch den NDR in der Laeiszhalle. Es muss ein Ereignis gewesen sein; denn das Ensemble beeindruckt mit farbenreichem, ausdrucksstarkem Musizieren, und die Sänger sind ebenfalls hervorragend. Zu hören sind unter anderem André Morsch (Miriways), Robin Johannsen (Sophi), Sophie Karthäuser (Bemira), Lydia Teuscher (Nisibis) und Michael Nagy (Murzah). Vom ersten bis zum letzten Ton barockes Hörvergnügen, grandios! Bravi! 


Serenades (Deutsche Grammophon)

 

Das Zürcher Kammerorchester aus Anlass seines 75jährigen Bestehens eine Auswahl von beliebten Meisterwerken für kleine Orchesterbesetzung zusammengestellt. Hervorgegangen ist es aus einer losen Formation von Musikfreunden um den Musikstudenten Edmond de Stoutz, die sich in den 40er Jahren trafen, um gemeinsam ihrer Leidenschaft für Kammermusik zu frönen. 

Schließlich wurde daraus ein Kammerorchester, das 1945 in Zürich sein erstes öffentliches Konzert gab. Seit 2016 leitet Daniel Hope das Orchester. Seitdem spielen die Musiker zumeist ohne Dirigenten; Hope leitet das Ensemble, als primus inter pares, quasi vom Konzertmeisterpult aus. 

Das kollegiale Musizieren prägt auch diese Aufnahme mit drei weltberühmten Streicherserenaden: Die Serenade für Streicher C-Dur von Pjotr Iljitsch Tschaikowski, die Serenade für Streicher e-Moll von Edward Elgar, und Mozarts berühmte Kleine Nachtmusik sind ein schönes Geschenk an das Publikum zum Orchesterjubiläum. 


Bach: Eternity / Praise (Deutsche Harmonia Mundi)

 


Nach den Lutherkantaten, denen sich Christoph Spering mit seinen Ensembles Chorus Musicus Köln und Das Neue Orchester zum Reformationsjahr 2017 zugewandt hatte, sind mittlerweile bei der Deutschen Harmonia Mundi die beiden nächsten Doppel-CD mit Kompositionen Johann Sebastian Bachs aus dem Choralkantaten-Jahrgang 1724/25 erschienen. 

Eternity enthält O Ewigkeit, du Donnerwort BWV 20, Wer nur den lieben Gott lässt walten BWV 93, Ach Gott, wie manches Herzeleid BWV 3, Meine Seele erhebt den Herrn BWV 10, Du Friedefürst, Herr Jesu Christ BWV 116 und Meinen Jesum lass ich nicht BWV124. Das neuere Album mit dem Titel Praise fasst auf ebenfalls zwei CD die Kantaten Lobe den Herren, den mächtigen König BWV 137, Wachet auf, ruft uns die Stimme BWV 140, Ach wie flüchtig, ach wie nichtig BWV 26, Jesu, nun sei gepreiset BWV 41, Mache dich, mein Geist bereit BWV 115, und Christus, der ist mein Leben BWV 95 zusammen. 

Bach-Einspielungen gibt es viele. Diese hier kann mit exzellenten Solisten begeistern. Zu hören sind Dorothee Mields, Sopran, Olivia Vermeulen, Alt, Georg Poplutz und Benedikt Kristjánsson, Tenor, sowie Daniel Ochoa und Tobias Berndt, Bass. Textausdeutung ist allerdings nicht die Stärke dieser Aufnahme; Spering verzichtet darauf, die rhetorischen Qualitäten der Musik herauszuarbeiten. Ich hatte mir mehr erhofft; schade! 


Freitag, 9. Juli 2021

Paul Badura-Skoda - Franz Schubert (Arcana)

 


Sämtliche Klaviersonaten von Franz Schubert (1787 bis 1828), eingespielt von Paul Badura-Skoda (1927 bis 2019), bringt eine schön gestaltete CD-Box des Labels Arcana dem Klassikfreund ins Haus. Man ist beinahe geneigt, dies als musikalisches Vermächtnis des legendären Tastenkönners zu betrachten. Denn diese Aufnahmen aus den Jahren 1991 bis 1996 sind einzigartig, ja, magisch; niemand spielt Schubert so sensibel wie Badura-Skoda. 

Es gibt ohnehin kaum einen anderen Pianisten, der sich so vehement für das Werk von Franz Schubert eingesetzt hat. Der österreichische Klaviervirtuose war Schuberts Musik zeitlebens besonders verbunden. Immer wieder hat er sich intensiv mit den Kompositionen seines Landsmannes auseinandergesetzt. 

Dazu hat Badura-Skoda die verfügbaren Quellen mit Sorgfalt studiert; Einblick in seine Erkenntnisse gibt der Pianist in dem umfangreichen und hochinteressanten Beiheft zu dieser CD-Box (Texte leider ausschließlich in Englisch). Denn er schrieb zu jeder Sonate Anmerkungen nieder, die neben vielen Fakten immer auch seine ganz persönliche Sicht auf das Werk spiegeln. Seine Expertise und sein Mut waren so groß, dass er es wagte, einige fragmentarisch hinterlassene Sonatensätze zu komplettieren. Über das Ergebnis kann man nur staunen. 

Außerdem legte Paul Badura-Skoda großen Wert darauf, mit seinen Interpretationen die Klangwelt zu erschließen, die Schubert seinerzeit umgab. Deshalb nutzte er für diese Gesamteinspielung ausschließlich Instrumente, die der Komponist gekannt und geschätzt hat – zu hören sind Hammerklaviere von Donath Schöfftos (Wien, um 1810), Georg Hasska (Wien, um 1815), Conrad Graf (Wien, 1823/1826) sowie Johann Michael Schweighofer (Wien, um 1846). Das besondere Klangbild der historischen „Fortepianos“ lässt Schuberts Werke ungewohnt und neu klingen. 

So wirken beispielsweise die Bässe viel klarer, und Details werden hörbar, die der moderne Konzertflügel mit seinem ausgeglichenen Klang weit weniger deutlich werden lässt. Eine Offenbarung! Denn bei aller Noblesse haben Badura-Skodas Interpretationen stets auch Tiefe. Schubert bleibt selbst in größter Heiterkeit und Ausgelassenheit seltsam melancholisch; inmitten all der beschwingten Ländler und der schönen Melodien lauert finster der Abgrund. Wenn ich mich für eine Einspielung entscheiden müsste, dann wäre es ganz klar diese. 


Dienstag, 6. Juli 2021

Legnani: Guitar Works (Naxos)


 Luigi Rinaldo Legnani (1790 bis 1877) war nicht nur ein bedeutender Gitarrenvirtuose und Instrumentenbauer. Auch seine Kompositionen haben Maßstäbe gesetzt. 

Der Musiker, der aus Ferrara stammte, begann seine Karriere als Opernsänger. Doch schon bald konzentrierte er sich auf die Gitarre – und er gab Konzerte in vielen Musikmetropolen, ähnlich wie sein Kollege Paganini, mit dem er befreundet war. Die beiden Musiker sind sogar gemeinsam aufgetreten. Seinen Abschied als reisender Virtuose gab Legnani schließlich im Jahre 1850, und zog sich nach Ravenna zurück, wo er noch 27 Jahre lang kreativ Instrumente baute. 

Luigi Legnani hat ca. 260 Werke komponiert. Sie sind technisch meist sehr anspruchsvoll. Der italienische Gitarrist Marcello Fantoni präsentiert bei Naxos eine Auswahl daraus; verblüffenderweise als Weltersteinspielungen. Dabei haben es Stücke wie Terremoto con variazioni op. 1 (in der Tat, „Erdbeben mit Variationen“!), das virtuose Gran Capriccio op. 6 oder das Rondeau pour la guitarre op. 11 mit seinem herrlichen Thema durchaus nicht verdient, im Notenschrank zu verstauben. Marcello Fantoni zeigt, dass es sich um faszinierende Gitarrenmusik handelt, die wieder ihren Platz im Repertoire bekommen sollte. Der Gitarrist musiziert brillant, es ist eine Freude, ihm zuzuhören. 


Venturini: Concerti (Audite)


 Italienische und französische Stilelemente kombinierte Francesco Venturini (um 1675 bis 1745) in seiner Musik. Seine Concerti sind eine echte Entdeckung – voll Anmut und Eleganz, virtuos und farbenreich. Der Komponist, der wohl aus Brüssel stammte, wurde 1698 als Violinist Mitglied der kurfürstlichen Kapelle in Hannover. 1713 wurde er maestro dei concerti, und schließlich Hofkapellmeister. 
Venturinis Wirken in Hannover, wo die Dienstherrschaft größten Wert auf eine repräsentative Hofmusik legte, wurde lediglich 1718/19 kurz unterbrochen, weil ihn Herzog Friedrich II. mit der Neuaufstellung der Gothaer Hofkapelle beauftragte. Dass Venturini zu Lebzeiten hohes Renommee genoss, zeigt sich auch daran, dass seine zwölf Concerti op. 1 von dem bedeutenden Musikverleger Estienne Roger in Amsterdam gedruckt worden sind. 
Für diese CD hat das Ensemble La festa musicale drei dieser Concerti di camera ausgewählt. Komplettiert wird dieses reizvolle Programm durch eine Ouverture à 5 in e-Moll und ein Concerto à 6 in A-Dur aus schwedischen Sammlungen; letztere sowie das Concerto op. 1/2 erklingen in Weltersteinspielungen. Venturinis anspruchsvolle Musik dürfte nicht nur den Zuhörenden, sondern auch den Ausführenden Vergnügen bereiten. 
Barockmusik ist oftmals rhythmisch beschwingt und kreativ besetzt. So verwendet Venturini als konzertierende Soloinstrumente nicht nur jeweils ein oder zwei Oboen, Blockflöten und Violinen, sondern auch zwei Fagotte und zwei Celli oder auch Oboe, zwei Blockflöten und Violine. Außerdem bieten die Stücke viel Abwechslung. 
Das sorgt bei den Musikern für Spielfreude – und das norddeutsche Barockensemble La festa musicale zeigt Temperament. Durch den Einsatz zusätzlicher Instrumente steigern die Musiker den Farbenreichtum noch. Das war zu Venturinis Zeiten üblich; eine Partitur aus der Barockzeit ähnelt ohnehin eher einer Skizze, die jeweils von den Interpreten individuell ausgestaltet wird. Aufgefallen ist mir besonders der berückend schöne Ton der Holzbläser. 
La festa musicale spielt munter und lebendig, doch dies geht nicht zu Lasten der Präzision. Es wird durchweg sauber phrasiert, und perfekt artikuliert. „Wir sind alle in der historischen Aufführungspraxis ausgebildet“, meint Christoph Harer, Cellist und Ensemblesprecher, „aber wir wollen trotzdem keine Musik fürs Museum machen.“ Das gelingt bei dieser Produktion vorzüglich – was für ein Fest! 

Sonntag, 4. Juli 2021

Beethoven Unknown (Berlin Classics)


 Es ist immer wieder faszinierend, was geschehen kann, wenn große Künstler auf Entdeckungen aus sind, und sich abseits vom Standardrepertoire mit wenig bekannten Werken auseinandersetzen. So hat sich Matthias Kirschnereit zum Beethoven-Jubiläum nicht etwa die Hammerklaviersonate, sondern die Miniaturen des Komponisten auf das Notenpult gestellt. 

Das erweist sich als ein durchaus lohnendes Unterfangen, wie diese Aufnahme zeigt, die ich die Ehre habe, im 3.000 Notat in diesem Blog vorzustellen: „Es geht mir bei diesem Album darum, Werke von Beethoven, die vielfach nicht im allgemeinen Fokus stehen, in (hoffentlich!) neuem Glanze erscheinen zu lassen. Darunter auch Stücke, die nicht unbedingt zum Ziel haben, die Welt zu verändern“, schreibt der Pianist. „Ich bin kein Archäologe, der auf Dachböden stöbert oder in Bibliotheken und Archiven noch nicht Veröffentlichtes sucht und findet. Alles ist längst verlegt; das habe ich durch meine intensive Zusammenarbeit mit dem Henle-Verlag und der Wiener Urtext Edition bestätigt gefunden. Dann habe ich mich an die Zusammenstellung gemacht – und kam aus dem Staunen nicht heraus.“ 

Denn auch kleine Stücke können Meisterwerke sein. Kirschnereit interpretiert sie mit Sorgfalt, und er zeigt so, wieviel Poesie in ihnen steckt. Die Anmerkungen machen deutlich, dass in diesen kurzen Stücken auch sehr viel privater Beethoven aufzufinden ist. Hochspannend! Ich finde, dies ist eine der schönsten Einspielungen zum Beethovenjahr. 


Mozart - Albrecht Mayer (Deutsche Grammophon)

 

Albrecht Mayer spielt Mozart – und mit dieser CD erfüllt er sich einen Herzenswunsch, der ihn schon etliche Jahre begleitet. Dennoch hat er sich mit dieser Aufnahme ganz bewusst Zeit gelassen, berichtet der Oboist: „Obwohl ich die meisten der Stücke auf diesem Album schon seit meiner frühen Jugend in mir trage, fühle ich mich doch erst jetzt wirklich reif für ihre absolute Gefühlstiefe.“ 

Aus dem großen Schatz der Melodien des Komponisten hat Mayer seine Favoriten mit Sorgfalt ausgewählt, und präsentiert auf dieser CD nun sechs Arrangements für Oboe, Oboe d’amore oder Englischhorn sowie eine eigens in Auftrag gegebene vervollständigte Version des Oboenkonzerts in F-Dur KV 293. 

An dieses Experiment wagte er sich gemeinsam mit dem befreundeten Schweizer Komponisten Gotthard Odermatt, der das im Original lediglich 61 Takte umfassende Fragment – 50 Takte Orchester, und elf Takte Solostimme – ergänzt und so ein gut elfminütiges Konzertstück im Stile Mozarts sensibel nachempfunden hat.

Auch Matthias Spindler hat mit seinen Bearbeitungen dazu beigetragen, das Oboen-Repertoire kreativ zu erweitern. So sind neben dem bekannten Ave verum corpus KV 618 und der Solo-Motette Exsultate, jubilate KV 165 auch zwei Konzertarien Mozarts in neuen Arrangements zu hören. Das Konzert für Flöte und Harfe in C-Dur KV 299 wurde zu einem Konzert für Oboe und Cembalo in B-Dur, und das Rondo in C-Dur KV 373, ursprünglich für Violine und Orchester, komplettiert das Programm, das Albrecht Mayer gemeinsam mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen und Vital Julian Frey, Cembalo/Orgel/Hammerflügel, eingespielt hat. 

Einmal mehr begeistert der Oboist durch musikalisches Feingefühl, technische Perfektion, enormes Ausdrucksvermögen und durch einen herrlichen, beseelten Ton. Er gestaltet wunderbare Melodiebögen, und findet nicht nur in den Kadenzen Gelegenheit, auch seine Virtuosität unter Beweis zu stellen. Bravi! 


Samstag, 3. Juli 2021

Starry night (Berlin Classics)


 Klänge von überirdischer Schönheit – das ist für das Signum Saxophone Quartet offenbar musikalischer Alltag. Gemeinsam mit dem Schlagzeuger Alexej Gerassimez erkunden die vier Bläser den Kosmos – und sie entdecken dabei höchst interessante Werke, von Claude Debussys Clair de Lune über Gustav Holsts Die Planeten bis hin zu Melodien von John Williams. Auch zwei gänzlich neue Stücke, Rebirth von Alexej Gerassimez und Connectome von John Psathas, loten Möglichkeiten aus, die sich aus der Kombination von Percussion und Saxophon-Sound ergeben. Great! 


Light for the World (Decca)

 

Sie tragen Habit und Schleier, und sie haben sich einem Leben in Armut, Demut und Kontemplation verschrieben – The Poor Clares of Arundel gehören zum Orden der Klarissen, gegründet einst von der heiligen Klara von Assisi. 

Der Konvent besteht aus ca. 20 Nonnen, die abgeschieden auf dem Land in der Grafschaft Sussex leben. Ihren Lebensunterhalt verdienen sie sich, indem sie Ikonen malen, Holz gestalten, Kerzen herstellen oder liturgische Gewänder. 

Diese freundlichen, zumeist älteren Damen haben nun bei Decca ein Album mit Melodien veröffentlicht, die ihren Alltag begleiten. "As you listen, we hope the words and music will linger in your hearts and minds, and be a source of blessing", schreiben sie im Beiheft. Danke, das ist wirklich sehr nett. Warum man allerdings immer wieder versuchen muss, gregorianische Gesänge „dezent mit atmosphärischen Klängen“ zu unterlegen, ist mir ein Rätsel. 


Buxtehude: Early Organ Works (MDG)

 

Harald Vogel, Professor an der Hochschule für Künste Bremen, ist mit der norddeutschen Orgelmusik und auch mit der Orgellandschaft vertraut wie kaum ein anderer. Er hat zahlreiche Aufnahmen eingespielt, Orgelwerke wichtiger Komponisten ediert, als Orgelsachverständiger Kirchgemeinden bei der Erhaltung und Restaurierung ihrer Instrumente unterstützt, Neubauprojekte begleitet, und vieles mehr. Die Liste seiner Schüler ist lang und 2018 ehrte die Hansestadt Lübeck Harald Vogel mit dem Buxtehude-Preis – eine Auszeichnung mit Symbolkraft, denn in jenem Jahr jährt sich der Dienstantritt Dieterich Buxtehudes an der Lübecker Marienkirche zum 350. Male. 

In der Tat hat sich Harald Vogel wie kein zweiter um das historische Orgelspiel und ganz speziell um das Werk Buxtehudes verdient gemacht. So hat er für MDG auf 17 historischen Orgeln eine Gesamtaufnahme der Kompositionen des großen norddeutschen Organisten eingespielt. 

Die frühesten Überlieferungen der Orgelwerke Buxtehudes finden sich im Codex E. B., entstanden 1688 in Dresden. Diese Handschrift enthält sowohl Werke aus der italienisch-süddeutschen als auch der norddeutschen Orgeltradition. MDG fasste, passend zur Preisverleihung, seinerzeit sämtliche Buxtehude-Werke aus dem Codex auf einer CD zusammen. Dabei erklingt, als Rarität, die Ersteinspielung einer Sonate mit obligater Gambe, entstanden als Musik zur Kommunion. Sie wird von dem renommierten Gambisten Thomas Fritzsch gemeinsam mit Vogel gespielt. 

Das eigentlich spannende aber an dieser Neuedition ist die Vielfalt der Orgeln: Nacheinander erklingen Instrumente, die Buxtehude selbst gespielt hat, wie die Orgeln in Torrlösa, Helsingör, Hamburg-St. Jacobi und Lübeck-St. Jacobi, sowie weitere Orgeln, die Buxtehude möglicherweise besucht hat, im Dom zu Roskilde sowie in Pilsum, Norden-St. Ludgeri und die rekonstruierte Orgel im Herrenhaus Damp. Zu erleben sind die unterschiedlichsten Stimmungen und Register. Damit vermittelt die CD einen Eindruck von der farbenreichen Klangwelt, in der sich Buxtehude einst bewegte. Hochinteressant! 


Freitag, 2. Juli 2021

Ensemble Nobiles - vollxlied (Discors)


 Es kommt selten vor, aber es gibt Vokalformationen, die sind wie ein guter Wein: Mit jedem Jahr werden sie besser. Dieses Phänomen jedenfalls ist bei dem Leipziger Ensemble Nobiles zu beobachten. Ihr neues Album heißt „vollxlied – Made in Germany“, und es ist, soviel sei gleich verraten, dem Herrenquintett gut gelungen. 

Zwar distanzieren die Gesangsprofis sich mit dem Titel, ein wenig ironisch, von dem Repertoire, das sie für ihr jüngstes Album ausgewählt haben. Doch musikalisch haben Paul Heller, Countertenor, Christian Pohlers, Tenor, Benjamin Mahns-Mardy, Bariton, Lukas Lomtscher, Bassbariton und Lucas Heller, Bass, einmal mehr viel zu bieten. 

Das beginnt bei der stimmlichen Qualität und auch Bandbreite, die den fünf Herren zur Verfügung steht. Und es endet noch nicht bei der Liedauswahl, die dramaturgisch geschickt aufeinander folgt und zudem viel Abwechslung bietet. Denn die Chorsätze reichen von Friedrich Silcher bis Max Reger, und auch die Ensemblemitglieder selbst haben mit schöner Stilsicherheit (und manchmal auch Witz) so manche Bearbeitung beigetragen. Sehr hörenswert! 


Schubert: Works for Piano Duo (Genuin)

 


Musik von Franz Schubert (1797 bis 1828) präsentiert das Duo Lontano auf dieser CD. Babette Hierholzer und Jürgen Appell haben dafür ein hochinteressantes Programm zusammengestellt. Kurioserweise ist nur das letzte Stück, die Fantasie f-Moll D 940 original für Klavierduo entstanden. Es ist ein großartiges Werk, das zu den schönsten Stücken gehört, die jemals für Klavier zu vier Händen entstanden sind. 

Ein berühmtes Streichquartett steht am Anfang und auch im Mittelpunkt dieses Albums: Das d-Moll-Quartett D 810 Der Tod und das Mädchen hat kein geringerer als Robert Franz (1815 bis 1892) für Klavierduo bearbeitet. Die Transkription lässt erkennen, wie sehr Schubert beim Komponieren vom Klavier aus gedacht hat – und die beiden Pianisten musizieren mit dem gebührenden Ausdruck. Sehr beeindruckend. 

Zwischen diesen beiden Großwerken erklingt das Notturno Es-Dur D 897, wahrscheinlich ursprünglich ein Bestandteil des Klaviertrios D 898. Die Version für Klavier vierhändig, die das Duo Lontano für diese Einspielung ausgewählt hat, stammt von Josef von Gahy (1793 bis 1864). Der Wiener Hofbeamte war mit Schubert befreundet, und musizierte gemeinsam mit ihm als sein Klavierpartner auf den „Schubertiaden“. Bei seiner Transkription integrierte er die beiden Streicher auf geniale Weise in den Klavierpart, den er dafür neu strukturierte. 

Indem er sich streng an Schuberts Original orientierte, schuf er ein eigenständiges Werk, das dem Vorbild aufs Schönste gerecht wird. Vielen Dank an das Duo Lontano, das auch auf dieser CD wieder mit seinen Entdeckungen begeistert. 


Donnerstag, 1. Juli 2021

Carnival of the Animals (Decca)


 Der britische Cellist Sheku Kanneh-Mason sowie seine Schwester Isata Kanneh-Mason, eine exzellente Pianistin, sind bereits mit Solo-Alben präsent. Nun laden die beiden jungen Musiker gemeinsam mit ihren ebenfalls sehr talentierten Geschwistern zum Karneval der Tiere ein. 

The Kanneh-Masons sind ein Phänomen; alle sieben Kinder musizieren sehr hörenswert: Animata und Braimah spielen Violine, Mariatu und Sheku Violoncello, Isata, Jeneba und Konya Klavier. Die fünf älteren Kanneh-Mason-Geschwister bilden zusammen mit Gastmusikern das Karneval-der-Tiere-Ensemble. Für die Aufnahme wurde dieses Familienorchester noch durch einige Profis verstärkt – das bringt neben Viola und Kontrabass auch so exotische Klänge wie Xylophon und Glasharmonika mit ins Spiel, was schöne Klangeffekte ermöglicht. 

Michael Morpurgo hat zu der beliebten Musik von Camille Saint-Saëns launige Verse geschrieben, die er gemeinsam mit der Schauspielerin Olivia Colman auch gleich selbst vorgetragen hat. Und weil’s so schön war, folgt auf der CD noch eine zweite Geschichte für alle Kinder, die im Englisch-Unterricht sehr gut aufgepasst haben: Morpurgos Grandpa Christmas, begleitet durch populäre klassische Musik wie Rimski-Korsakows Hummelflug, Tschaikowskis Tanz der Zuckerfee oder Eric Whitacres The Seal Lullaby, das in einer neuen Bearbeitung von allen sieben Kanneh-Mason-Geschwistern gespielt wird. 

Die Rolle des Großvaters spricht erneut der Autor selbst, und er klingt wirklich sehr sympathisch-großväterlich; als Enkelin ist Mariatu Kanneh-Mason zu hören, mit elf Jahren die jüngste der Geschwister. Sie können aber nicht nur klassisch-brav, wie Bob Marleys Redemption Song beweist, den The Kanneh-Masons zum Abschluss als Bonus in einem eigenen Arrangement spielen. Aufgenommen wurde das Album in den Londoner Abbey Road Studios.