Was ist ein Euphonium? Ein tiefes Blechblasinstrument aus der Familie der Bügelhörner – erfunden wurde es Mitte der 1843, und seine Heimat ist die Brass Band. Auch im Sinfonie- orchester wird es mitunter benötigt. Sein Name bedeutet „wohlklingend“, und es hat einen Tonumfang von vier bis fünf Oktaven – „depending on who is playing it“, merkt David Childs an, der Solist dieser Auf- nahme. Allerdings hat das Eupho- nium, ähnlich wie die Tuba, selten Gelegenheit, zu zeigen, wie samt- weich und melodisch es klingen kann, wie facettenreich und wie berückend.
Dem lässt sich abhelfen: Auf dieser CD stellt David Childs, Euphonist in dritter Generation und wie sein Vater Robert und sein Onkel Nicolas ein herausragender Virtuose auf diesem Instrument, vier Konzerte vor, in denen sich das Euphonium sehr eindrucksvoll präsentiert. Sie stammen von Joseph Horovitz (*1926), Philip Wilby (*1949), Alun Hoddinott (1929 bis 2008) und Karl Jenkins (*1944). David Childs musiziert gemeinsam mit dem BBC National Orchestra of Wales unter Leitung von Bramwell Tovey.
Montag, 30. Januar 2017
Works for Double Bass and Piano (Genuin)
„Sento o Signori, di stonare, ma quando saprò dove posare le dita, allora non stonerò più!“, mit diesen legendären Worten soll sich Giovanni Bottesini (1821 bis 1889) einst bei der Jury des Konservatoriums in Mailand dafür entschuldigt haben, dass es seinem Vorspiel an Perfektion mangelte. Der Jugendliche, noch keine 14 Jahre alt, hätte viel lieber Geige studiert. Doch seine Eltern waren arm, und ein Stipendium gab es nur in den Fächern Fagott und Kontrabass. Bottesini entschied sich für den Kontrabass – und wurde einer der berühmtesten Virtuosen auf diesem Instrument.
Nabil Shehata, Gewinner des ARD-Musikwettbewerbs 2003 und Professor an der Münchner Musikhochschule, hat für sein Genuin-Debüt allerdings Musik eines anderen Kontrabassisten ausgewählt: Serge Koussevitzky (1874 bis 1951) galt als der Nachfolger Bottesinis. Er teilt mit diesem übrigens die pragmatische Entscheidungsfindung, denn auch er war als mittelloser Student auf ein Stipendium angewiesen; allerdings hatte Koussevitzky die Auswahl zwischen Fagott, Posaune und Kontrabass.
Mit seinem Bruder Karim Shehata als Klavierpartner hat Nabil Shehata zwei Musikstücke aus dem nicht besonders umfangreichen Schaffen des russischen Kontrabassvirtuosen eingespielt. Koussevitzky war eng befreundet mit Reinhold Glière (1875 bis 1956), der eigens für ihn auch komponierte – die Deux Pièces pour contrebasse et piano op. 32 und die Deux Morceaux pour contrebasse et piano op. 9 erklingen ebenfalls auf dieser CD. Komplettiert wird das Programm durch das berühmte Kol Nidrei von Max Bruch (1838 bis 1920) und durch die Violoncellosonate in e-Moll op 38 von Johannes Brahms (1833 bis 1897), beides bearbeitet für Kontra- bass und Klavier.
Nabil Shehata spielt atemberaubend, er beeindruckt mit perfekt geformtem, nuancenreichen Ton, Noblesse und Ausdrucksstärke. Man höre nur die Brahms-Sonate – ein himmlischer Gesang, zugleich herb und erdverbun- den, und sehr poetisch. Karim Shehata erweist sich als der perfekte Klavierbegleiter, aufmerksam, brillant, aber nie im Vordergrund, sondern immer im Dialog mit seinem Bruder. Wirklich großartig!
Nabil Shehata, Gewinner des ARD-Musikwettbewerbs 2003 und Professor an der Münchner Musikhochschule, hat für sein Genuin-Debüt allerdings Musik eines anderen Kontrabassisten ausgewählt: Serge Koussevitzky (1874 bis 1951) galt als der Nachfolger Bottesinis. Er teilt mit diesem übrigens die pragmatische Entscheidungsfindung, denn auch er war als mittelloser Student auf ein Stipendium angewiesen; allerdings hatte Koussevitzky die Auswahl zwischen Fagott, Posaune und Kontrabass.
Mit seinem Bruder Karim Shehata als Klavierpartner hat Nabil Shehata zwei Musikstücke aus dem nicht besonders umfangreichen Schaffen des russischen Kontrabassvirtuosen eingespielt. Koussevitzky war eng befreundet mit Reinhold Glière (1875 bis 1956), der eigens für ihn auch komponierte – die Deux Pièces pour contrebasse et piano op. 32 und die Deux Morceaux pour contrebasse et piano op. 9 erklingen ebenfalls auf dieser CD. Komplettiert wird das Programm durch das berühmte Kol Nidrei von Max Bruch (1838 bis 1920) und durch die Violoncellosonate in e-Moll op 38 von Johannes Brahms (1833 bis 1897), beides bearbeitet für Kontra- bass und Klavier.
Nabil Shehata spielt atemberaubend, er beeindruckt mit perfekt geformtem, nuancenreichen Ton, Noblesse und Ausdrucksstärke. Man höre nur die Brahms-Sonate – ein himmlischer Gesang, zugleich herb und erdverbun- den, und sehr poetisch. Karim Shehata erweist sich als der perfekte Klavierbegleiter, aufmerksam, brillant, aber nie im Vordergrund, sondern immer im Dialog mit seinem Bruder. Wirklich großartig!
Donnerstag, 26. Januar 2017
The Romantic Flute (Hänssler Classic)
Die Silberflöte mit zylindrischer Bohrung, entwickelt von Theobald Böhm (1794 bis 1881), ist heute das Standardinstrument, das Flötisten weltweit nutzen. Doch bevor es soweit war, gab es eine lange Übergangszeit, in der Flöten in erstaunlich vielen verschiedenen Bauweisen gespielt worden sind.
Die alten Traversflöten – die aller- dings bereits Klappen hatten – wurden von führenden Flötisten der damaligen Zeit nur ungern aufge- geben. Sie schätzten die klanglichen Differenzierungsmöglichkeiten, die ihnen diese Instrumente boten. Für jeden Ton existierten zahlreiche unterschiedliche Griff-Versionen, die von den Virtuosen zur Nuancierung eingesetzt wurden. Anton Bernhard Fürstenau (11792 bis 1852), Erster Flötist der Dresdner Hofkapelle, schrieb 1833: „Die Töne der Böhm-Flöte sind schön gleichmäßig, die Arpeggios sind rein und der Ton spricht leicht und mit ungewöhlicher Stärke an. Aber eben diese Ausgeglichenheit zerstört den Charakter der Flöte.“ Er meinte damit die frühe Böhm-Flöte, eine konische Ringklappenflöte. Sie wurde in einzelnen Orchestern bis in die 30er Jahre gespielt, und dürfte somit die Flöte der Romantik sein.
Auch wenn sie heute wenig bekannt sind – aber in dieser Zeit entstanden Werke für die Flöte in ganz enormer Zahl. Eine Auswahl davon präsen- tieren Dorothea Seel und Christoph Hammer auf diesem Album – stilecht vorgetragen auf einer konischen Ringklappenflöte von Julius Max Bürger, angefertigt um 1890 nach Böhms Modell von 1832, und auf einem Ham- merklavier aus der Werkstatt von Johann Baptist Streicher, entstanden um 1870.
Er erklingen die Sonate Undine für Flöte und Klavier op. 167 von Carl Reinecke, die Variations sur une valse de Schubert op. 21 von Theobald Böhm, Introduktion, Thema und Variationen von Richard Strauss, die Rhapsodie für Flöte und Pianoforte op. 27 von Josef Rheinberger sowie die bekannte Fantasie pastorale hongroise op. 26 von Albert Franz Doppler. Nicht nur das Repertoire, auch der Klang bietet so manche Überraschung.
Die alten Traversflöten – die aller- dings bereits Klappen hatten – wurden von führenden Flötisten der damaligen Zeit nur ungern aufge- geben. Sie schätzten die klanglichen Differenzierungsmöglichkeiten, die ihnen diese Instrumente boten. Für jeden Ton existierten zahlreiche unterschiedliche Griff-Versionen, die von den Virtuosen zur Nuancierung eingesetzt wurden. Anton Bernhard Fürstenau (11792 bis 1852), Erster Flötist der Dresdner Hofkapelle, schrieb 1833: „Die Töne der Böhm-Flöte sind schön gleichmäßig, die Arpeggios sind rein und der Ton spricht leicht und mit ungewöhlicher Stärke an. Aber eben diese Ausgeglichenheit zerstört den Charakter der Flöte.“ Er meinte damit die frühe Böhm-Flöte, eine konische Ringklappenflöte. Sie wurde in einzelnen Orchestern bis in die 30er Jahre gespielt, und dürfte somit die Flöte der Romantik sein.
Auch wenn sie heute wenig bekannt sind – aber in dieser Zeit entstanden Werke für die Flöte in ganz enormer Zahl. Eine Auswahl davon präsen- tieren Dorothea Seel und Christoph Hammer auf diesem Album – stilecht vorgetragen auf einer konischen Ringklappenflöte von Julius Max Bürger, angefertigt um 1890 nach Böhms Modell von 1832, und auf einem Ham- merklavier aus der Werkstatt von Johann Baptist Streicher, entstanden um 1870.
Er erklingen die Sonate Undine für Flöte und Klavier op. 167 von Carl Reinecke, die Variations sur une valse de Schubert op. 21 von Theobald Böhm, Introduktion, Thema und Variationen von Richard Strauss, die Rhapsodie für Flöte und Pianoforte op. 27 von Josef Rheinberger sowie die bekannte Fantasie pastorale hongroise op. 26 von Albert Franz Doppler. Nicht nur das Repertoire, auch der Klang bietet so manche Überraschung.
Paganini: 24 Capricci (Dynamic)
Als Robert Schumann (1810 bis 1856) am Ostersonntag 1830 in Frankfurt das Geigenspiel des berühmten Nicolò Paganini (1782 bis 1840) hörte, war dies ein Erlebnis, das sein Leben änderte: Wenig später schrieb der Jurastudent aus Heidelberg an seine Mutter, dass er nun doch beabsichtige, Musiker zu werden. Er kehrte nach Leipzig zurück, um bei Friedrich Wieck zu studieren. Und auch wenn er sich vom Auftreten des „Teufelsgeigers“ eher abgestoßen fühlte, so verrät doch sein Lebenswerk, dass Schumann sich immer wieder mit der Musik des Virtuosen auseinandergesetzt hat.
Noch in seinen letzten Jahren arbeitete er an einer Klavierbegleitung zu den Violin-Capricen, für seinen Freund Joseph Joachim. Vollendet hat er sie 1855, in der Psychiatrie. Betrachtet man Schumanns Klavierpart, so wird man feststellen, dass sich der Komponist nicht damit begnügte, die Capricen mit Akkorden zu unterfüttern. Schumann tritt in den Dialog mit Paganinis Melodien, die er mitunter ergänzt oder aber weiterführt. So ist Schumanns Musik das Zeugnis seiner sehr persönlichen Begegnung mit dem Geigenvirtuosen, die ihn vom Anbeginn seiner Laufbahn an und bis zu ihrem Ende beschäftigt haben muss.
Auch wenn Clara Schumann dieses Werk ihres Mannes, dass sie nach seinem Tode in seinen Papieren vorgefunden hat, niemals veröffentlichte – kurioserweise wurde es rasch Mode, Paganinis Capricen mit Klavierbeglei- tung zu spielen. Der „nackte“ Klang der Violine war den Romantikern offenbar suspekt; selbst Geiger schufen Klavierversionen. Und das blieb die Norm, bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Die junge Geigerin Maristella Patuzzi hat diese Tradition jetzt aufgegriffen, und gemeinsam mit ihren Vater, dem Pianisten Mario Patuzzi, Paganinis 24 Capricen mit der Klavierbegleitung von Robert Schumann eingespielt. So weit, so gut – die Aufnahme ist solide, aber unspektakulär. Stücke, die Geiger üblicherweise als Etüden nutzen, so vorzutragen, dass das auch für den Hörer ein Gewinn ist, das scheint ziemlich schwierig zu sein.
Noch in seinen letzten Jahren arbeitete er an einer Klavierbegleitung zu den Violin-Capricen, für seinen Freund Joseph Joachim. Vollendet hat er sie 1855, in der Psychiatrie. Betrachtet man Schumanns Klavierpart, so wird man feststellen, dass sich der Komponist nicht damit begnügte, die Capricen mit Akkorden zu unterfüttern. Schumann tritt in den Dialog mit Paganinis Melodien, die er mitunter ergänzt oder aber weiterführt. So ist Schumanns Musik das Zeugnis seiner sehr persönlichen Begegnung mit dem Geigenvirtuosen, die ihn vom Anbeginn seiner Laufbahn an und bis zu ihrem Ende beschäftigt haben muss.
Auch wenn Clara Schumann dieses Werk ihres Mannes, dass sie nach seinem Tode in seinen Papieren vorgefunden hat, niemals veröffentlichte – kurioserweise wurde es rasch Mode, Paganinis Capricen mit Klavierbeglei- tung zu spielen. Der „nackte“ Klang der Violine war den Romantikern offenbar suspekt; selbst Geiger schufen Klavierversionen. Und das blieb die Norm, bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Die junge Geigerin Maristella Patuzzi hat diese Tradition jetzt aufgegriffen, und gemeinsam mit ihren Vater, dem Pianisten Mario Patuzzi, Paganinis 24 Capricen mit der Klavierbegleitung von Robert Schumann eingespielt. So weit, so gut – die Aufnahme ist solide, aber unspektakulär. Stücke, die Geiger üblicherweise als Etüden nutzen, so vorzutragen, dass das auch für den Hörer ein Gewinn ist, das scheint ziemlich schwierig zu sein.
Montag, 23. Januar 2017
Haydn . Mozart (Querstand)
Joseph Haydn (1732 bis 1809) hat erstaunlich wenige Solo-Konzerte geschrieben; entstanden sind sie üblicherweise als Gelegenheitswerke, für befreundete Musiker. Norbert Anger lässt auf dieser CD gemeinsam mit den Dresdner Kapellsolisten unter Leitung von Helmut Branny jene bei- den Violoncello-Konzerte erklingen, bei denen die Autorschaft Haydns gesichert ist, weil Autographen auf- gespürt worden sind.
Das erste Cellokonzert in C-Dur Hob VIIb:1 komponierte Haydn vermutlich um 1765 für seinen Freund Joseph Franz Weigl, Erster Cellist der Hofkapelle beim Fürsten Esterházy. Es wirkt noch ziemlich barock – ganz anders als das zweite Cellokonzert in D-Dur aus dem Jahre 1783. Es entstand für Anton Kraft, der von 1778 bis 1790 in der Eisenstädter Hofkapelle musizierte, und um 1800, wie auch sein Sohn Nikolaus, als der beste Cellist in Wien galt. Dieses zweite Konzert wiede- rum kann sowohl in seiner Struktur als auch in seiner Melodik und Har- monik als das Musterbeispiel eines klassischen Konzertes gelten.
Ergänzt wird das Programm durch das Konzert D-Dur für Violoncello und Orchester von Wolfgang Amadeus Mozart. Kenner der Materie werden nun stutzen und darauf hinweisen, dass Mozart doch gar kein Cellokonzert geschrieben hat. Cellisten haben das immer bedauert, und deshalb gab es etliche Versuche, andere Konzerte des Komponisten für das tiefe Streich- instrument umzuarbeiten. So hat der Spanier Gaspar Cassadó Moreu (1897 bis 1966) Mozarts Hornkonzert Es-Dur KV 447 adaptiert. Er hat dazu nicht nur die Tonart geändert, sondern mit Kürzungen und Hinzufügungen auch in die Substanz eingegriffen. Cassadó hat dieses Werk 1930 in Bukarest zum ersten Male gespielt, und es danach in sein Konzertrepertoire aufgenommen.
Bekannt sind alle drei Konzerte. Dem Label Querstand kann man zu dieser Einspielung mit Norbert Anger und den von Helmut Branny geleiteten Dresdner Kapellsolisten nur gratulieren – denn diese gelungene CD wird ganz sicher ihre Käufer finden; sie hätte ohne Zweifel auch bei den „Platz- hirschen“ der Branche gut ins Programm gepasst.
Norbert Anger ist seit 2013 Konzertmeister der Violoncelli der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Er ist Preisträger vieler renommierter internationa- ler Wettbewerbe, darunter der Tschaikowski-Wettbewerb in Moskau, der Concours Rostropovich in Paris oder der Deutsche Musikwettbewerb. Der Dresdner Cellist musiziert sehr souverän und klangschön, mit edlem, wie von innen erstrahlenden Ton – was besonders Haydns zweites Cellokon- zert zu einem Erlebnis werden lässt. Die Dresdner Kapellsolisten, gegrün- det 1994, sind ihm dabei kompetente Partner. Bravi!
Das erste Cellokonzert in C-Dur Hob VIIb:1 komponierte Haydn vermutlich um 1765 für seinen Freund Joseph Franz Weigl, Erster Cellist der Hofkapelle beim Fürsten Esterházy. Es wirkt noch ziemlich barock – ganz anders als das zweite Cellokonzert in D-Dur aus dem Jahre 1783. Es entstand für Anton Kraft, der von 1778 bis 1790 in der Eisenstädter Hofkapelle musizierte, und um 1800, wie auch sein Sohn Nikolaus, als der beste Cellist in Wien galt. Dieses zweite Konzert wiede- rum kann sowohl in seiner Struktur als auch in seiner Melodik und Har- monik als das Musterbeispiel eines klassischen Konzertes gelten.
Ergänzt wird das Programm durch das Konzert D-Dur für Violoncello und Orchester von Wolfgang Amadeus Mozart. Kenner der Materie werden nun stutzen und darauf hinweisen, dass Mozart doch gar kein Cellokonzert geschrieben hat. Cellisten haben das immer bedauert, und deshalb gab es etliche Versuche, andere Konzerte des Komponisten für das tiefe Streich- instrument umzuarbeiten. So hat der Spanier Gaspar Cassadó Moreu (1897 bis 1966) Mozarts Hornkonzert Es-Dur KV 447 adaptiert. Er hat dazu nicht nur die Tonart geändert, sondern mit Kürzungen und Hinzufügungen auch in die Substanz eingegriffen. Cassadó hat dieses Werk 1930 in Bukarest zum ersten Male gespielt, und es danach in sein Konzertrepertoire aufgenommen.
Bekannt sind alle drei Konzerte. Dem Label Querstand kann man zu dieser Einspielung mit Norbert Anger und den von Helmut Branny geleiteten Dresdner Kapellsolisten nur gratulieren – denn diese gelungene CD wird ganz sicher ihre Käufer finden; sie hätte ohne Zweifel auch bei den „Platz- hirschen“ der Branche gut ins Programm gepasst.
Norbert Anger ist seit 2013 Konzertmeister der Violoncelli der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Er ist Preisträger vieler renommierter internationa- ler Wettbewerbe, darunter der Tschaikowski-Wettbewerb in Moskau, der Concours Rostropovich in Paris oder der Deutsche Musikwettbewerb. Der Dresdner Cellist musiziert sehr souverän und klangschön, mit edlem, wie von innen erstrahlenden Ton – was besonders Haydns zweites Cellokon- zert zu einem Erlebnis werden lässt. Die Dresdner Kapellsolisten, gegrün- det 1994, sind ihm dabei kompetente Partner. Bravi!
Sonntag, 22. Januar 2017
Reger: Repräsentative Orgelwerke 5: 1913-1916 (Toccata Records)
Repräsentative Orgelwerke Max Regers (1873 bis 1916) präsentiert Cor van Wageningen auf einer Reihe von CD bei Toccata Classics. Die fünfte und letzte dieser Veröffentlichungen gilt den Jahren 1913 bis 1916; der niederländische Organist sieht diesen letzten Lebensabschnitt Regers durch zwei Orgelwerke charakterisiert.
Das sind zum einen Phantasie und Fuge d-Moll op. 135b, „ein Orgelwerk größten Styls, aber nicht zu lang“, wie der Komponist seinerzeit schrieb. Es ist 1914 entstanden, und „Meister Richard Strauß in besonderer Verehrung“ gewidmet. Wer dieses Opus spielen will, der sollte nicht nur ein ausgesprochen versierter Organist sein. Er muss sich zudem mit der Frage herumschlagen, welche Fassung er spielen will: Im Nachlass des Dirigenten Fritz Busch, der mit Reger eng befreundet war, fand sich der Korrekturabzug mit etlichen kleinen Änderungen und vor allem auch recht umfangreichen Kürzungen, die Reger vor dem Druck festlegte.
Es wird spekuliert, der Komponist habe die Striche vorgenommen, weil dem Verleger Simrock das Werk noch immer zu lang gewesen sei – oder weil ihn sein Freund Karl Straube dazu gedrängt habe. Van Wageningen jeden- falls kann dieser Version nichts abgewinnen: „Het is dus raadselachtig waarom deze verslechteringen zijn doorgevoerd“, rätselt der Organist im Beiheft, nachdem er sich mit den Änderungen auseinandergesetzt hat. Und der Zuhörer wird eine ganze Weile rätseln, welche Version auf der CD erklingt, so er nicht Noten zum Mitlesen hat. Das Beiheft jedenfalls verrät es nicht.
Das zweite Werk, das van Wageningen ausgewählt hat, sind die Neun Stücke für Orgel op. 129. Reger schrieb sie 1913 im Sommerurlaub, in Kolberg an der Ostsee. Sie sind kurz, konzentriert und elegant – und, anders als Phantasie und Fuge d-Moll, vollkommen frei von Pathos. Präludium und Fuge h-Moll, am Ende der Neun Stücke für Orgel, sind eher klagend, schmerzerfüllt, resignierend.
Van Wageningen spielt an der monumentalen Walcker-Orgel der Grote of Martinikerk in Doesburg. Dieses Instrument mit pneumatischer Traktur und 75 Registern auf insgesamt vier Manualen und Pedal wurde von der Ludwigsburger Orgelbauanstalt als Opus 1855 ursprünglich für die Nieuwe Zuiderkerk zu Rotterdam angefertigt, und erklang dort von 1916 bis zur Schließung der Kirche 1968. Nachfolgend wurde das Instrument verkauft, und dann bis 1972 durch die Firma Jos. Vermeulen, Alkmaar, nach Doesburg umgesetzt. In jüngster Zeit hat Flentrop Orgelbouw, Zaandam, an dem zum Denkmal erklärten Instrument etliche Restaurierungsarbeiten vorgenommen. Damit ist diese Orgel das einzige erhaltene spätromanti- sche Werk von Oscar Walcker, das heute noch ahnen lässt, wie seine Monumentalorgeln einst geklungen haben, so der Orgelbauer Gerhard Walcker-Mayer.
Das sind zum einen Phantasie und Fuge d-Moll op. 135b, „ein Orgelwerk größten Styls, aber nicht zu lang“, wie der Komponist seinerzeit schrieb. Es ist 1914 entstanden, und „Meister Richard Strauß in besonderer Verehrung“ gewidmet. Wer dieses Opus spielen will, der sollte nicht nur ein ausgesprochen versierter Organist sein. Er muss sich zudem mit der Frage herumschlagen, welche Fassung er spielen will: Im Nachlass des Dirigenten Fritz Busch, der mit Reger eng befreundet war, fand sich der Korrekturabzug mit etlichen kleinen Änderungen und vor allem auch recht umfangreichen Kürzungen, die Reger vor dem Druck festlegte.
Es wird spekuliert, der Komponist habe die Striche vorgenommen, weil dem Verleger Simrock das Werk noch immer zu lang gewesen sei – oder weil ihn sein Freund Karl Straube dazu gedrängt habe. Van Wageningen jeden- falls kann dieser Version nichts abgewinnen: „Het is dus raadselachtig waarom deze verslechteringen zijn doorgevoerd“, rätselt der Organist im Beiheft, nachdem er sich mit den Änderungen auseinandergesetzt hat. Und der Zuhörer wird eine ganze Weile rätseln, welche Version auf der CD erklingt, so er nicht Noten zum Mitlesen hat. Das Beiheft jedenfalls verrät es nicht.
Das zweite Werk, das van Wageningen ausgewählt hat, sind die Neun Stücke für Orgel op. 129. Reger schrieb sie 1913 im Sommerurlaub, in Kolberg an der Ostsee. Sie sind kurz, konzentriert und elegant – und, anders als Phantasie und Fuge d-Moll, vollkommen frei von Pathos. Präludium und Fuge h-Moll, am Ende der Neun Stücke für Orgel, sind eher klagend, schmerzerfüllt, resignierend.
Van Wageningen spielt an der monumentalen Walcker-Orgel der Grote of Martinikerk in Doesburg. Dieses Instrument mit pneumatischer Traktur und 75 Registern auf insgesamt vier Manualen und Pedal wurde von der Ludwigsburger Orgelbauanstalt als Opus 1855 ursprünglich für die Nieuwe Zuiderkerk zu Rotterdam angefertigt, und erklang dort von 1916 bis zur Schließung der Kirche 1968. Nachfolgend wurde das Instrument verkauft, und dann bis 1972 durch die Firma Jos. Vermeulen, Alkmaar, nach Doesburg umgesetzt. In jüngster Zeit hat Flentrop Orgelbouw, Zaandam, an dem zum Denkmal erklärten Instrument etliche Restaurierungsarbeiten vorgenommen. Damit ist diese Orgel das einzige erhaltene spätromanti- sche Werk von Oscar Walcker, das heute noch ahnen lässt, wie seine Monumentalorgeln einst geklungen haben, so der Orgelbauer Gerhard Walcker-Mayer.
Samstag, 21. Januar 2017
Telemann: Ein' feste Burg ist unser Gott. Festliche Kantaten zur Reformation (Christophorus)
Seine ersten Kirchenkantaten komponierte Georg Philipp Telemann (1681 bis 1767) wohl spätestens in Leipzig, wo er ab 1701 Jura studierte. Auch in Eisenach, in Frankfurt/Main sowie in Hamburg, wo er dann als Cantor Johannei und Director Musices für die Kirchenmusik an den fünf Hauptkirchen verantwortlich war, gehörte das Schreiben von Kantaten zu seinen Dienstpflichten.
Da dürfte so mancher Kantatenjahr- gang zusammengekommen sein – reichlich Material also für Entdeckungen im Telemann-Jubiläumsjahr. So hat jüngst der Kammerchor der Erlöserkirche Bad Homburg gemeinsam mit dem Johann Rosenmüller Ensemble eine Auswahl festlicher Kantaten des Komponisten zum Reformationstag und zum Michaelisfest veröffent- licht. An der Einspielung unter Gesamtleitung von Susanne Rohn haben zudem die Gesangssolisten Simone Schwark, Johanna Krell, Hans Jörg Mammel, Markus Flaig und Wolfgang Weiß mitgewirkt.
Die Kantaten sind, dem Anlass entsprechend, zumeist aufwendig gestaltet und üppig besetzt. Eine Ausnahme ist die einzige Solo-Kantate auf dieser CD, Ein' feste Burg ist unser Gott, für Bass, Violine und Basso continuo, wobei in der zweiten Strophe auch ein obligates Violoncello zu hören ist. Sie ist zugleich, so erfährt man aus dem Beiheft, die früheste Komposition dieser Auswahl.
Mit Ausnahme der ersten Kantate, Wertes Zion sei getrost, erklingen die fünf ausgewählten Werke sämtlich in Weltersteinspielungen. Mein persönlicher Favorit ist die letzte Kantate auf der CD, Welch' Getümmel erschüttert den Himmel, entstanden für das Michaelisfest im Jahre 1757. Sie bietet insbesondere den Musikern des Johann Rosenmüller Ensembles Gelegenheit, zu glänzen – seien es die Trompeter, die teilweise irrwitzige Partien bewältigen müssen, seien es die Violinen, die den Höllensturz des Satans und den Einzug des siegreichen Christus musikalisch rasant illustrieren. Auch der Bass hat in seinen drei Stücken, die Telemann an des Beginn der Kantate gesetzt hat, und die das Getümmel im Himmel mit drastischen Mitteln verdeutlichen, eine wahre Höllenpartie. Die Einspie- lung insgesamt ist geschickt konzipiert, ein würdiger Beitrag sowohl zum Reformationsjubiläum als auch zum 250. Todestag des bedeutenden deutschen Barockkomponisten.
Da dürfte so mancher Kantatenjahr- gang zusammengekommen sein – reichlich Material also für Entdeckungen im Telemann-Jubiläumsjahr. So hat jüngst der Kammerchor der Erlöserkirche Bad Homburg gemeinsam mit dem Johann Rosenmüller Ensemble eine Auswahl festlicher Kantaten des Komponisten zum Reformationstag und zum Michaelisfest veröffent- licht. An der Einspielung unter Gesamtleitung von Susanne Rohn haben zudem die Gesangssolisten Simone Schwark, Johanna Krell, Hans Jörg Mammel, Markus Flaig und Wolfgang Weiß mitgewirkt.
Die Kantaten sind, dem Anlass entsprechend, zumeist aufwendig gestaltet und üppig besetzt. Eine Ausnahme ist die einzige Solo-Kantate auf dieser CD, Ein' feste Burg ist unser Gott, für Bass, Violine und Basso continuo, wobei in der zweiten Strophe auch ein obligates Violoncello zu hören ist. Sie ist zugleich, so erfährt man aus dem Beiheft, die früheste Komposition dieser Auswahl.
Mit Ausnahme der ersten Kantate, Wertes Zion sei getrost, erklingen die fünf ausgewählten Werke sämtlich in Weltersteinspielungen. Mein persönlicher Favorit ist die letzte Kantate auf der CD, Welch' Getümmel erschüttert den Himmel, entstanden für das Michaelisfest im Jahre 1757. Sie bietet insbesondere den Musikern des Johann Rosenmüller Ensembles Gelegenheit, zu glänzen – seien es die Trompeter, die teilweise irrwitzige Partien bewältigen müssen, seien es die Violinen, die den Höllensturz des Satans und den Einzug des siegreichen Christus musikalisch rasant illustrieren. Auch der Bass hat in seinen drei Stücken, die Telemann an des Beginn der Kantate gesetzt hat, und die das Getümmel im Himmel mit drastischen Mitteln verdeutlichen, eine wahre Höllenpartie. Die Einspie- lung insgesamt ist geschickt konzipiert, ein würdiger Beitrag sowohl zum Reformationsjubiläum als auch zum 250. Todestag des bedeutenden deutschen Barockkomponisten.
Freitag, 20. Januar 2017
Michael Haydn: Complete Wind Concertos Vol. 1 (cpo)
Nach den Divertimenti und den kompletten Sinfonien von Johann Michael Haydn (1737 bis 1806) wendet sich cpo nunmehr den Bläserkonzerten des „Salzburger Haydn“ zu. Der jüngere Bruder von Joseph Haydn begann seine Ausbildung ebenfalls als Chorknabe am Wiener Stephansdom. Er wirkte dann zunächst als Geiger und ab 1760 als Kapellmeister am Hofe des Bischofs in Großwardein, heute Oradea in Rumänien. 1763 wurde er Konzertmeister beim Salzburger Fürstbischof; 1782 wurde er als Nachfolger von Wolfgang Amadeus Mozart Hof- und Domorganist. Er komponierte eine Vielzahl von Werken, von der geistlichen Musik bis zum Lied und von der Kammermusik für den Fürstbischof bis hin zur Tanz- musik für die Bürgerschaft.
Seine Bläserkonzerte sind, mit wenigen Ausnahmen, eigentlich einzelne Sätze für konzertierende Instrumente aus Serenaden. Diese Concertinos wurden aber schon zu Haydns Zeiten nicht nur in diesem ursprünglichen Zusammenhang aufgeführt, sondern auch aus diesem Kontext gelöst. So kommt es, dass mitunter die Serenade verloren gegangen und nur das Concertino überliefert ist.
Im ersten Teil der Gesamteinspielung präsentiert die Salzburger Hofmusik unter Wolfgang Brunner Bläserkonzerte für Klarinette, Horn, Altposaune und Trompete, die aus Serenaden stammen, sowie ein „echtes“ Flöten- konzert. Als Solisten musizieren Ernst Schlader, klassische Klarinette, Johannes Hinterholzer, Naturhorn, Norbert Salvenmoser, klassische Altposaune, Franz Landlinger, Naturtrompete, und Linde Brunmayr-Tutz, Traversflöte. Die Musikstücke zeugen vom Witz und von der Experimentier- lust des Komponisten – für jeden der Solisten ließ er sich etwas Besonderes einfallen. So notierte er für den Trompeter eine Partie, die bis zum a''' hin- aufreicht – ein absoluter Rekord; kein anderes Stück dieser Zeit verlangt vom Solisten derartige Höhen.
Haydns Bläserkonzerte sind virtuos, abwechslungsreich und ansprechend. Für das Publikum halten sie ein wahres Füllhorn an schönen Melodien bereit – und wenn so gekonnt musiziert wird, wie in diesem Falle, dann sind sie ein großer Genuss. Auf die nächsten Folgen darf man also schon gespannt sein.
Seine Bläserkonzerte sind, mit wenigen Ausnahmen, eigentlich einzelne Sätze für konzertierende Instrumente aus Serenaden. Diese Concertinos wurden aber schon zu Haydns Zeiten nicht nur in diesem ursprünglichen Zusammenhang aufgeführt, sondern auch aus diesem Kontext gelöst. So kommt es, dass mitunter die Serenade verloren gegangen und nur das Concertino überliefert ist.
Im ersten Teil der Gesamteinspielung präsentiert die Salzburger Hofmusik unter Wolfgang Brunner Bläserkonzerte für Klarinette, Horn, Altposaune und Trompete, die aus Serenaden stammen, sowie ein „echtes“ Flöten- konzert. Als Solisten musizieren Ernst Schlader, klassische Klarinette, Johannes Hinterholzer, Naturhorn, Norbert Salvenmoser, klassische Altposaune, Franz Landlinger, Naturtrompete, und Linde Brunmayr-Tutz, Traversflöte. Die Musikstücke zeugen vom Witz und von der Experimentier- lust des Komponisten – für jeden der Solisten ließ er sich etwas Besonderes einfallen. So notierte er für den Trompeter eine Partie, die bis zum a''' hin- aufreicht – ein absoluter Rekord; kein anderes Stück dieser Zeit verlangt vom Solisten derartige Höhen.
Haydns Bläserkonzerte sind virtuos, abwechslungsreich und ansprechend. Für das Publikum halten sie ein wahres Füllhorn an schönen Melodien bereit – und wenn so gekonnt musiziert wird, wie in diesem Falle, dann sind sie ein großer Genuss. Auf die nächsten Folgen darf man also schon gespannt sein.
Donnerstag, 19. Januar 2017
Rügheimer Jagdmusik (MDG)
Zum 80. Geburtstag gratuliert MDG seinem Künstler und Freund Michael Höltzel mit einer Wiederveröffent- lichung der Rügheimer Jagdmusik. Das ist möglicherweise das schönste Geschenk, um einen derart vielseiti- gen Musiker zu ehren, der nicht zuletzt viele Jahre lang an der Hochschule für Musik Detmold als Professor gelehrt und Generationen von Hornisten ausgebildet hat. Mehr als 80 seiner ehemaligen Schüler reisten übrigens im Oktober 2016 aus aller Welt an, um in einem Festkon- zert gemeinsam mit ihrem früheren Lehrer noch einmal die Hubertusmesse sowie das Rügheimer Requiem zu spielen – wie einst, in der Stadtkirche zu Horn, unweit von Detmold.
Über das Horn kam Höltzel einst zur Jagd: In den 60er Jahren, als er noch Solohornist der Bamberger Symphoniker war, verhalf er dem Kronacher Jagdhorn-Corps mehrfach zu Meisterehren. Höltzel begeisterte sich aber nicht nur für die Jagdmusik; er wurde auch selbst zum passionierten Jäger.
Und so ließ er es sich auch nicht nehmen, mit den von ihm gegründeten und geleiteten Detmolder Hornisten alljährlich am St. Hubertustag zu musizieren. Dieses Ensemble verwendet nicht nur das übliche Ventilhorn, es ist auch für sein makelloses Spiel auf dem Parforcehorn weithin berühmt.
Speziell für „seine“ Detmolder Hornisten komponierte Höltzel auch die drei Werke, die auf dieser CD zu hören sind. Den Anlass dafür bot eine tradi- tionsreiche Schleppjagd, zu der sich alljährlich im Jagdhof „Hohe Pfalz“ im unterfränkischen Rügheim eine Woche lang nicht nur etliche Meuten, sondern auch zahlreiche Reiter versammelten. Und so entstanden die „Hohe Pfalz“-Fanfare, festlich und sehr virtuos, der St. Georgs-Hymnus, eine Reitermesse, und das bewegende Rügheimer Requiem, wohl das einzige für Parforcehörner geschriebene Werk dieser Art. Besonderes letzteres steckt voller Zitate und Anspielungen. So wird im Agnus Dei der amerikanische Zapfenstreich durch das Große Halali abgelöst, das wiederum im Glockengeläut verklingt. In den Glockenklang mischt sich das Christe, du Lamm Gottes; das letzte Wort haben dann wieder die Glocken. Zu erleben ist auf dieser CD eine Einspielung aus dem Jahre 1983.
Über das Horn kam Höltzel einst zur Jagd: In den 60er Jahren, als er noch Solohornist der Bamberger Symphoniker war, verhalf er dem Kronacher Jagdhorn-Corps mehrfach zu Meisterehren. Höltzel begeisterte sich aber nicht nur für die Jagdmusik; er wurde auch selbst zum passionierten Jäger.
Und so ließ er es sich auch nicht nehmen, mit den von ihm gegründeten und geleiteten Detmolder Hornisten alljährlich am St. Hubertustag zu musizieren. Dieses Ensemble verwendet nicht nur das übliche Ventilhorn, es ist auch für sein makelloses Spiel auf dem Parforcehorn weithin berühmt.
Speziell für „seine“ Detmolder Hornisten komponierte Höltzel auch die drei Werke, die auf dieser CD zu hören sind. Den Anlass dafür bot eine tradi- tionsreiche Schleppjagd, zu der sich alljährlich im Jagdhof „Hohe Pfalz“ im unterfränkischen Rügheim eine Woche lang nicht nur etliche Meuten, sondern auch zahlreiche Reiter versammelten. Und so entstanden die „Hohe Pfalz“-Fanfare, festlich und sehr virtuos, der St. Georgs-Hymnus, eine Reitermesse, und das bewegende Rügheimer Requiem, wohl das einzige für Parforcehörner geschriebene Werk dieser Art. Besonderes letzteres steckt voller Zitate und Anspielungen. So wird im Agnus Dei der amerikanische Zapfenstreich durch das Große Halali abgelöst, das wiederum im Glockengeläut verklingt. In den Glockenklang mischt sich das Christe, du Lamm Gottes; das letzte Wort haben dann wieder die Glocken. Zu erleben ist auf dieser CD eine Einspielung aus dem Jahre 1983.
Die Bruckner-Orgel im Alten Dom zu Linz (Spektral)
Ein einzigartiges Instrument steht im Mittelpunkt dieser Einspielung: Bernhard Prammer, seit 2007 Titu- larorganist und Kustos der Bruckner- orgel im Alten Dom zu Linz, musiziert an jener Orgel, die einst Anton Bruckner (1824 bis 1896) nach seinen Vorstellungen umbauen und überar- beiten ließ. Bruckner wirkte von 1855 bis 1868 in Linz als Domorganist.
Entstanden ist die Brucknerorgel ursprünglich für einen ganz anderen Raum: Sie wurde um 1765 von Franz Xaver Chrismann (1726 bis 1795) für die Stiftskirche von Engelszell angefertigt. Nach der Aufhebung des Stiftes durch Kaiser Joseph II. im Jahre 1786 wurde sie aber nicht mehr benötigt, so dass sie 1790 abgebaut und nach Linz umgesetzt wurde. Dort ersetzte diese Orgel einen defekten Vorgänger in der Jesuitenkirche St. Ignatius, die 1785 zum Dom der neu gegründeten Diözese Linz erhoben worden war.
Diese Orgel ist das einzige von Anton Bruckner gespielte Instrument, das in der nachfolgenden Zeit nicht verändert wurde und so original den Klang bewahren konnte, den Bruckner seinerzeit mit geformt hat. Gleich nach seinem Amtsantritt veranlasste der Organist seinerzeit erste Reparaturen, die durch den Orgelbauer Josef Breinbauer (1807 bis 1882) ausgeführt wurden. Er hat dann auch das Instrument nach Bruckners Vorgaben schrittweise umgebaut.
Da die dreimanualige Orgel mit einem relativ kleinen Pedalwerk und kurzer Oktave ausgestattet ist, sind nicht alle Töne vorhanden, die eigentlich benötigt würden, um Orgelwerke aus dem 19. und 20. Jahrhundert zu spielen. Prammer hat aus der Not eine Tugend gemacht, und für diese CD Musik von Komponisten ausgewählt, die zumeist selbst als Organisten im Alten Dom tätig und daher mit dem Instrument vertraut waren: Johann Baptist Schiedermayr (1779 bis 1840) war einer der Amtsvorgänger Bruckners, Karl Borromäus Waldeck (1841 bis 1905) einer seiner Schüler, Franz Karl Neuhofer (1870 bis 1949) wiederum war der Amtsnachfolger Waldecks. Die Werke von Rupert Gottfried Frieberger (*1951) und Erwin Horn (*1940) entstanden eigens für die Brucknerorgel, wobei die Auswahl von sechs der Elf Engelszellen Horns die klanglichen Möglichkeiten des Instrumentes besonders schön aufzeigt.
Entstanden ist die Brucknerorgel ursprünglich für einen ganz anderen Raum: Sie wurde um 1765 von Franz Xaver Chrismann (1726 bis 1795) für die Stiftskirche von Engelszell angefertigt. Nach der Aufhebung des Stiftes durch Kaiser Joseph II. im Jahre 1786 wurde sie aber nicht mehr benötigt, so dass sie 1790 abgebaut und nach Linz umgesetzt wurde. Dort ersetzte diese Orgel einen defekten Vorgänger in der Jesuitenkirche St. Ignatius, die 1785 zum Dom der neu gegründeten Diözese Linz erhoben worden war.
Diese Orgel ist das einzige von Anton Bruckner gespielte Instrument, das in der nachfolgenden Zeit nicht verändert wurde und so original den Klang bewahren konnte, den Bruckner seinerzeit mit geformt hat. Gleich nach seinem Amtsantritt veranlasste der Organist seinerzeit erste Reparaturen, die durch den Orgelbauer Josef Breinbauer (1807 bis 1882) ausgeführt wurden. Er hat dann auch das Instrument nach Bruckners Vorgaben schrittweise umgebaut.
Da die dreimanualige Orgel mit einem relativ kleinen Pedalwerk und kurzer Oktave ausgestattet ist, sind nicht alle Töne vorhanden, die eigentlich benötigt würden, um Orgelwerke aus dem 19. und 20. Jahrhundert zu spielen. Prammer hat aus der Not eine Tugend gemacht, und für diese CD Musik von Komponisten ausgewählt, die zumeist selbst als Organisten im Alten Dom tätig und daher mit dem Instrument vertraut waren: Johann Baptist Schiedermayr (1779 bis 1840) war einer der Amtsvorgänger Bruckners, Karl Borromäus Waldeck (1841 bis 1905) einer seiner Schüler, Franz Karl Neuhofer (1870 bis 1949) wiederum war der Amtsnachfolger Waldecks. Die Werke von Rupert Gottfried Frieberger (*1951) und Erwin Horn (*1940) entstanden eigens für die Brucknerorgel, wobei die Auswahl von sechs der Elf Engelszellen Horns die klanglichen Möglichkeiten des Instrumentes besonders schön aufzeigt.
Rossini: Complete Ouvertures (Naxos)
Da wir gerade bei Gioachino Rossini waren – eine vollständige Einspie- lung seiner Ouvertüren ist bei Naxos erschienen. Nur noch einige wenige dieser Werke erinnern daran, dass die Oper neapolitanischer Prägung einst durch eine Sinfonia eröffnet wurde – dreiteilig, und mit einem möglichst prägnanten Kopfsatz, der das Publi- kum überraschen und dazu veranlas- sen sollte, die Gespräche einzustellen und sich auf die Musik zu konzentrie- ren.
Rossinis Ouvertüren gehen darüber deutlich hinaus: Sie sind wie ein Fenster, das schon einmal den Blick freigibt auf die Handlung der jewei- ligen Oper, bevor sich dann der Vorhang hebt. Sie sind witzig, sie sind dramatisch, und sie sind unverwechselbar – jede einzelne Ouvertüre ist ein Meisterwerk. Und auf vier (CD) sind sie hier alle versammelt, von La gazza ladra bis zu Bianca e Falliero und von La Cenerentola bis zu Il barbiere di Siviglia, eingespielt vom Prague Sinfonia Orchestra unter Christian Benda. Das Orchester, eigentlich das Prague Chamber Orchestra in erweiterter Besetzung, musiziert präzise und ausgesprochen dynamisch. Und Benda arbeitet den jeweiligen Charakter der Ouvertüre klar heraus, was Rossinis musikalische Einfälle bestens zur Geltung bringt. Sehr gelungen!
Rossinis Ouvertüren gehen darüber deutlich hinaus: Sie sind wie ein Fenster, das schon einmal den Blick freigibt auf die Handlung der jewei- ligen Oper, bevor sich dann der Vorhang hebt. Sie sind witzig, sie sind dramatisch, und sie sind unverwechselbar – jede einzelne Ouvertüre ist ein Meisterwerk. Und auf vier (CD) sind sie hier alle versammelt, von La gazza ladra bis zu Bianca e Falliero und von La Cenerentola bis zu Il barbiere di Siviglia, eingespielt vom Prague Sinfonia Orchestra unter Christian Benda. Das Orchester, eigentlich das Prague Chamber Orchestra in erweiterter Besetzung, musiziert präzise und ausgesprochen dynamisch. Und Benda arbeitet den jeweiligen Charakter der Ouvertüre klar heraus, was Rossinis musikalische Einfälle bestens zur Geltung bringt. Sehr gelungen!
Franco Fagioli - Rossini (Deutsche Grammophon)
Kuriose Zustände: Zur Zeit des Barock sangen Männer Frauenrollen, weil der Papst im Kirchenstaat grundsätz- lich keine Damen auf der Bühne duldete. Nachdem aber die letzten Kastraten von der Bühne ab- und in den Ruhestand getreten waren, über- nahmen Sängerinnen ihre Partien – Verliebte, Helden und Könige wurden die Domäne von Mezzosopranistin- nen und Altistinnen, bis dann im
19. Jahrhundert der Tenor diese Rollen bekam. Doch das ist schon wieder eine andere Geschichte.
Gioachino Rossini (1792 bis 1868) jedenfalls schätzte die „Reinheit und wunderbare Beweglichkeit“ der hohen Männerstimmen sehr. Er komponierte noch zwei Partien für Giambattista Velluti, den letzten berühmten Opern-Kastraten – doch bei den meisten seiner Opern entwarf er wichtige männliche Figuren von vornherein als Hosenrolle, also für eine Sängerin.
Diese CD nun kehrt das subtile Spiel erneut um: Franco Fagioli, der erste Countertenor, den die Deutsche Grammophon exklusiv unter Vertrag genommen hat, präsentiert auf seinem Solo-Debütalbum eine Auswahl solcher Arien. Begleitet wird der Sänger von der Armonia Atenea unter George Petrou.
Fagiolis voluminöser, warmer und beweglicher Mezzosopran passt zu Rossinis Werken ganz ausgezeichnet. Zu hören sind Ausschnitte aus Demetrio e Polibio, Matilde di Shabran, Adelaide di Borgogna, Tancredi, Semiramide und Eduardo e Cristina. Besonders reizvoll sind dabei jene Stücke, in denen der Komponist der Singstimme ein Solo-Instrument quasi als Dialogpartner zugeordnet hat. Hier brillieren, gemeinsam mit dem Sänger, Costas Siskos, Horn, Sergiu Nastasa, Violine, und Dimitris Vamvas, Englischhorn. Auch der Chor der Armonia Atenea erhält Gelegenheit, zu glänzen.
19. Jahrhundert der Tenor diese Rollen bekam. Doch das ist schon wieder eine andere Geschichte.
Gioachino Rossini (1792 bis 1868) jedenfalls schätzte die „Reinheit und wunderbare Beweglichkeit“ der hohen Männerstimmen sehr. Er komponierte noch zwei Partien für Giambattista Velluti, den letzten berühmten Opern-Kastraten – doch bei den meisten seiner Opern entwarf er wichtige männliche Figuren von vornherein als Hosenrolle, also für eine Sängerin.
Diese CD nun kehrt das subtile Spiel erneut um: Franco Fagioli, der erste Countertenor, den die Deutsche Grammophon exklusiv unter Vertrag genommen hat, präsentiert auf seinem Solo-Debütalbum eine Auswahl solcher Arien. Begleitet wird der Sänger von der Armonia Atenea unter George Petrou.
Fagiolis voluminöser, warmer und beweglicher Mezzosopran passt zu Rossinis Werken ganz ausgezeichnet. Zu hören sind Ausschnitte aus Demetrio e Polibio, Matilde di Shabran, Adelaide di Borgogna, Tancredi, Semiramide und Eduardo e Cristina. Besonders reizvoll sind dabei jene Stücke, in denen der Komponist der Singstimme ein Solo-Instrument quasi als Dialogpartner zugeordnet hat. Hier brillieren, gemeinsam mit dem Sänger, Costas Siskos, Horn, Sergiu Nastasa, Violine, und Dimitris Vamvas, Englischhorn. Auch der Chor der Armonia Atenea erhält Gelegenheit, zu glänzen.
Dienstag, 17. Januar 2017
Bach: The Art of Fugue (Channel Classics)
Warum Johann Sebastian Bach am Ende seines Lebens Die Kunst der Fuge schrieb, darüber diskutieren Musikwissenschaftler bis heute. Ob dieses komplexe und außerordentlich gelehrte, unvollendete Werk über- haupt dazu gedacht war, gespielt zu werden, oder ob es nicht vielmehr so etwas wie „Augenmusik“, künstleri- sches Vermächtnis des Komponisten, war – das wird sich wohl nicht mehr klären lassen.
Rachel Podger hat sich mit Brecon Baroque an den berühmten Fugenzyklus gewagt. Das Ensemble musiziert in einer „klassischen“ Streichquartettbesetzung, wobei Johannes Pram- sohler gelegentlich die zweite Geige beiseite legt und zur Bratsche greift; zu hören sind zudem neben Rachel Podger, Violine, noch Jane Rogers, Viola, Alison McGillivray, Violoncello, und, leider sehr oft, auch Marcin Świąt- kiewics am Cembalo – was durchaus nicht als Kritik an seinem Cembalo- spiel zu verstehen ist. Aber das Cembalo „mitlaufen“ zu lassen, was ja bei Barockmusik durchaus üblich ist, das macht aus einer Fuge, in der eigentlich alle Stimmen gleich bedeutsam sind, ein Werk quasi für Melodiestimmen und Basso continuo. Bei allem Respekt – so dürfte Bach das ganz sicher nicht gemeint haben. Und der Transparenz ist eine solche Lesart auch nicht gerade zuträglich. Schade!
Rachel Podger hat sich mit Brecon Baroque an den berühmten Fugenzyklus gewagt. Das Ensemble musiziert in einer „klassischen“ Streichquartettbesetzung, wobei Johannes Pram- sohler gelegentlich die zweite Geige beiseite legt und zur Bratsche greift; zu hören sind zudem neben Rachel Podger, Violine, noch Jane Rogers, Viola, Alison McGillivray, Violoncello, und, leider sehr oft, auch Marcin Świąt- kiewics am Cembalo – was durchaus nicht als Kritik an seinem Cembalo- spiel zu verstehen ist. Aber das Cembalo „mitlaufen“ zu lassen, was ja bei Barockmusik durchaus üblich ist, das macht aus einer Fuge, in der eigentlich alle Stimmen gleich bedeutsam sind, ein Werk quasi für Melodiestimmen und Basso continuo. Bei allem Respekt – so dürfte Bach das ganz sicher nicht gemeint haben. Und der Transparenz ist eine solche Lesart auch nicht gerade zuträglich. Schade!
Le Théâtre musical de Telemann (Alpha)
Mit großer Neugier
und Offenheit hat Georg Philipp Telemann (1681 bis 1767) anderen
Musikern zugehört – egal, ob diese „gelehrt“ oder eher
rustikal, bei Hofe oder aber auf dem Dorfplatz zum Tanz aufspielten.
Er selbst berichtet, während seiner Zeit in Sorau habe er „sowohl
daselbst, als in Krakau, die polnische und hanakische Musik, in ihrer
wahren barbarischen Schönheit“ kennenge- lernt. Der junge Telemann
zeigte
sich fasziniert: „Ein Aufmerckender könnte von ihnen, in 8. Tagen, Gedancken für ein gantzes Leben er- schnappen.“
Was Telemann in Polen „erschnappt“ hat, das präsentieren Olivier Fortin und sein Ensemble Masques auf dieser CD: Das Concerto poloniosy TWV 43:G7 ist in dieser Hinsicht sogar für die experimentierfreudige Barock- musik ein Solitär. Zwar haben auch andere Komponisten seinerzeit Werke geschrieben, die – stilisiert – Anklänge an andere Länder bieten. Selbst Bach hat in seinen Werken hier und da ein Volkslied zitiert. Doch Anlei- hen bei der Volksmusik in diesem Umfang finden sich in der Musikge- schichte erst wieder bei Haydn und Beethoven.
Die CD startet allerdings ganz konventionell mit der Ouverture – Suite in A-Dur TWV 55:A1. In der Ouverture – Suite TWV 55:B5 Les Nations, die traditionell französisch beginnt, geht die Reise dann bis in die Türkei. Vertreten sind auch die Moskowiter, mit einer sehr kuriosen Melodie, sowie die Schweizer in Form von singenden und tanzenden Sennern. Nach einem fröhlichen Zwischenstop in Portugal kommen dann zum Schluss Les Boiteux und Les Coureurs in den Genuss der Telemannschen Charak- terisierungskunst, die Lahmen und die Läufer, was nach einer Fußreise entlang einer solchen Strecke durchaus nachvollziehbar erscheint.
Ähnlich witzig ist die Ouverture – Suite TWV 55:G10 Burlesque de Quixotte, in der man den Helden bei einigen seiner Abenteuer erleben kann; so beim Kampf mit den Windmühlen oder aber beim Galopp auf seiner Rosinante – wirklich sehr komisch! – gefolgt von Sancho Pansa auf dem Esel. Die Musiker um Olivier Fortin tragen diese Klänge zwar entsprechend ausdrucksstark vor, aber immer nobel, nie karikierend. Mit dieser Einspielung ist dem Ensemble Masques ein würdiger Auftakt zum Telemann-Jahr 2017 gelungen – und man darf schon gespannt sein, welche Entdeckungen aus dem überaus umfangreichen Oeuvre des Kompo- nisten das Jubiläum noch mit sich bringt.
sich fasziniert: „Ein Aufmerckender könnte von ihnen, in 8. Tagen, Gedancken für ein gantzes Leben er- schnappen.“
Was Telemann in Polen „erschnappt“ hat, das präsentieren Olivier Fortin und sein Ensemble Masques auf dieser CD: Das Concerto poloniosy TWV 43:G7 ist in dieser Hinsicht sogar für die experimentierfreudige Barock- musik ein Solitär. Zwar haben auch andere Komponisten seinerzeit Werke geschrieben, die – stilisiert – Anklänge an andere Länder bieten. Selbst Bach hat in seinen Werken hier und da ein Volkslied zitiert. Doch Anlei- hen bei der Volksmusik in diesem Umfang finden sich in der Musikge- schichte erst wieder bei Haydn und Beethoven.
Die CD startet allerdings ganz konventionell mit der Ouverture – Suite in A-Dur TWV 55:A1. In der Ouverture – Suite TWV 55:B5 Les Nations, die traditionell französisch beginnt, geht die Reise dann bis in die Türkei. Vertreten sind auch die Moskowiter, mit einer sehr kuriosen Melodie, sowie die Schweizer in Form von singenden und tanzenden Sennern. Nach einem fröhlichen Zwischenstop in Portugal kommen dann zum Schluss Les Boiteux und Les Coureurs in den Genuss der Telemannschen Charak- terisierungskunst, die Lahmen und die Läufer, was nach einer Fußreise entlang einer solchen Strecke durchaus nachvollziehbar erscheint.
Ähnlich witzig ist die Ouverture – Suite TWV 55:G10 Burlesque de Quixotte, in der man den Helden bei einigen seiner Abenteuer erleben kann; so beim Kampf mit den Windmühlen oder aber beim Galopp auf seiner Rosinante – wirklich sehr komisch! – gefolgt von Sancho Pansa auf dem Esel. Die Musiker um Olivier Fortin tragen diese Klänge zwar entsprechend ausdrucksstark vor, aber immer nobel, nie karikierend. Mit dieser Einspielung ist dem Ensemble Masques ein würdiger Auftakt zum Telemann-Jahr 2017 gelungen – und man darf schon gespannt sein, welche Entdeckungen aus dem überaus umfangreichen Oeuvre des Kompo- nisten das Jubiläum noch mit sich bringt.
Sonntag, 15. Januar 2017
Virtuose Hornkonzerte (Naxos)
Virtuose Hornkonzerte hat das Label Naxos aus seinen reichen Archivbe- ständen herausgesucht und auf drei CD in dieser Box zusammengefasst. Nicht fehlen dürfen da natürlich die Hornkonzerte sowie das Rondo von Wolfgang Amadeus Mozart; das Solo-Horn spielt auf dieser CD Miloš Števove. Tschechische Hornkonzerte, für zwei Hörner, haben Zdeněk und Bedřich Tylšar vorgestellt – zu hören sind Werke von Josef Fiala und František Xaver Pokorny sowie zwei Konzerte von František Antonin Rosetti.
Die Brüder sind, gemeinsam mit Zdeněk Divorký und Jindřich Petráš, ebenfalls Solo-Hornisten der Tschechischen Philharmonie Prag, auch auf der dritten CD zu hören. In Leopold Mozarts Sinfonia da Caccia für vier Hörner und Streicher kommt das gesamte Quartett hervorragend zur Geltung. Anspruchsvolle Aufgaben bieten aber auch Telemanns Konzert in D-Dur für drei Corni da Caccia und Streicher, Vivaldis Konzert in F-Dur für zwei Hörner und Streicher RV 539 und Händels Konzert in F-Dur für zwei Bläsergruppen und Streicher.
Eingespielt wurden sämtliche Werke in den Jahren 1988/89 durch die Cappella Istropolitana, das Kammerorchester der Stadt Bratislava, unter Leitung von Jozef Kopelman bzw. František Vajnar.
Die Brüder sind, gemeinsam mit Zdeněk Divorký und Jindřich Petráš, ebenfalls Solo-Hornisten der Tschechischen Philharmonie Prag, auch auf der dritten CD zu hören. In Leopold Mozarts Sinfonia da Caccia für vier Hörner und Streicher kommt das gesamte Quartett hervorragend zur Geltung. Anspruchsvolle Aufgaben bieten aber auch Telemanns Konzert in D-Dur für drei Corni da Caccia und Streicher, Vivaldis Konzert in F-Dur für zwei Hörner und Streicher RV 539 und Händels Konzert in F-Dur für zwei Bläsergruppen und Streicher.
Eingespielt wurden sämtliche Werke in den Jahren 1988/89 durch die Cappella Istropolitana, das Kammerorchester der Stadt Bratislava, unter Leitung von Jozef Kopelman bzw. František Vajnar.
Samstag, 14. Januar 2017
Das Husumer Orgelbuch von 1758 (Brilliant Classics)
Zwei phantastische Orgeln und dazu passende Orgelmusik, faszinierend und von einem ganz eigenen Charak- ter, stellt der italienische Organist und Cembalist Manuel Tomadin auf dieser Doppel-CD vor. Es ist Orgelmusik aus Norddeutschland, handschriftlich zusammengetragen im Jahre 1758 in einem Sammelband von Bendix Friedrich Zinck (1715 bis 1799). Eigentlich lautet der Titel der Kollektion Praeludien, Fugen und Concerten für die Orgel mit Pedal; wer daraus dann das Husumer Orgelbuch machte, das kann wohl nur der Carus Verlag verraten, wo die Notenedition erschienen ist. Das Original jedenfalls befindet sich in der königlichen Bibliothek von Kopenhagen.
Zinck stammte aus Schwabstedt – wie Nicolaus Bruhns. 1742 wurde er Organist in Husum; 1771 erhielt er das Amt des Domorganisten in Schleswig, welches er dann bis zu seinem Tode inne hatte. In der Familie hatte es offenbar etliche Musiker gegeben; das Husumer Orgelbuch über- liefert neben einem Adagio von Nicolaus Bruhns (1665 bis 1697) auch einige Werke von Hinrich Zinck (1677 bis 1751), dem Bruder von Bendix' Vater Aegidius Zinck (1680 bis 1715) – sie waren beide Organisten.
Das Erstaunliche am Husumer Orgelbuch ist aber die Tatsache, dass es vor allem Konzerte enthält. Diese orientieren sich zwar am italienischen Vorbild, aber es sind Originalkompositionen für Orgel solo, und keine Transkriptionen, wie beispielsweise die Orgelkonzerte von Johann Sebastian Bach oder Johann Walther. Das ist neu und spektakulär, denn die meisten bislang bekannten Werke dieser Art sind Bearbeitungen von Orchestermusiken.
Vier der Konzerte stammen von Christoph Wolfgang Druckenmüller (1687 bis 1741), drei von Marx Philipp Zeyhold (1704 bis 1760); sie waren Organisten in Jork und in Drochtersen, elbabwärts gelegen unweit von Hamburg, im Alten und im Kehdinger Land. Die verbleibenden fünf Konzerte sind anonym überliefert.
Manuel Tomadin hat das Husumer Orgelbuch von 1758 an der Arp Schnitger-Orgel der Sint-Michaelskerk Zwolle, erbaut 1721, und an der Albertus Anthoni Hinsz-Orgel der Petruskerk in Leens, einem Instrument aus dem Jahre 1733, eingespielt.
Zinck stammte aus Schwabstedt – wie Nicolaus Bruhns. 1742 wurde er Organist in Husum; 1771 erhielt er das Amt des Domorganisten in Schleswig, welches er dann bis zu seinem Tode inne hatte. In der Familie hatte es offenbar etliche Musiker gegeben; das Husumer Orgelbuch über- liefert neben einem Adagio von Nicolaus Bruhns (1665 bis 1697) auch einige Werke von Hinrich Zinck (1677 bis 1751), dem Bruder von Bendix' Vater Aegidius Zinck (1680 bis 1715) – sie waren beide Organisten.
Das Erstaunliche am Husumer Orgelbuch ist aber die Tatsache, dass es vor allem Konzerte enthält. Diese orientieren sich zwar am italienischen Vorbild, aber es sind Originalkompositionen für Orgel solo, und keine Transkriptionen, wie beispielsweise die Orgelkonzerte von Johann Sebastian Bach oder Johann Walther. Das ist neu und spektakulär, denn die meisten bislang bekannten Werke dieser Art sind Bearbeitungen von Orchestermusiken.
Vier der Konzerte stammen von Christoph Wolfgang Druckenmüller (1687 bis 1741), drei von Marx Philipp Zeyhold (1704 bis 1760); sie waren Organisten in Jork und in Drochtersen, elbabwärts gelegen unweit von Hamburg, im Alten und im Kehdinger Land. Die verbleibenden fünf Konzerte sind anonym überliefert.
Manuel Tomadin hat das Husumer Orgelbuch von 1758 an der Arp Schnitger-Orgel der Sint-Michaelskerk Zwolle, erbaut 1721, und an der Albertus Anthoni Hinsz-Orgel der Petruskerk in Leens, einem Instrument aus dem Jahre 1733, eingespielt.
Donnerstag, 12. Januar 2017
Schubert (Raumklang)
„Denn es ziemt, des Tags Vollendung mit Genießern zu genießen“, möchte man Amarcord zustimmen, beim Anhören dieser CD. Das Leipziger Vokalensemble hat aus der großen Anzahl mehrstimmiger Gesänge, die Franz Schubert im Laufe seines Lebens erschaffen hat, für diese Einspielung eine kleine, aber feine Auswahl zusammengestellt.
Schon als Sängerknabe, im Kompo- sitionsunterricht bei Antonio Salieri, schrieb Schubert seine ersten Chor- sätze; es sind sogar solche frühen Arbeiten überliefert, die der Lehrer korrigiert hat. Auch seine Mitstudenten und in späteren Jahren dann der Freundeskreis schätzten seine Werke, ebenso wie die geselligen Runden, die sich zum gemeinsamen Singen neuer Kompositionen versammelten.
Auch die Verleger schätzten Schuberts Männerquartette; sie waren offenbar sehr gefragt und verkauften sich gut. Hört man die Aufnahme, ahnt man, warum: Vom Weckruf für eine eingeschlummerte Freundin über die Beschwörung der Natur als Spiegel der eigenen Stimmungen bis hin zum empfindsamen Lobpreis der Liebe und zum pathetischen Trinklied findet sich in dieser musikalischen Schatztruhe so ziemlich alles.
Amarcord lädt ein zu einer Reise in die phantasievolle Welt des 19. Jahr- hunderts. Begleitet wird das Quintett bei manchen Liedern von dem Pianisten Eric Schneider, der sich als ein hervorragender Klavierpartner präsentiert. Die ehemaligen Thomaner lassen sich einmal mehr perfekt aufeinander abgestimmt hören; besonders erfreulich finde ich, dass auch die Textverständlichkeit durchweg exzellent ist.
Schon als Sängerknabe, im Kompo- sitionsunterricht bei Antonio Salieri, schrieb Schubert seine ersten Chor- sätze; es sind sogar solche frühen Arbeiten überliefert, die der Lehrer korrigiert hat. Auch seine Mitstudenten und in späteren Jahren dann der Freundeskreis schätzten seine Werke, ebenso wie die geselligen Runden, die sich zum gemeinsamen Singen neuer Kompositionen versammelten.
Auch die Verleger schätzten Schuberts Männerquartette; sie waren offenbar sehr gefragt und verkauften sich gut. Hört man die Aufnahme, ahnt man, warum: Vom Weckruf für eine eingeschlummerte Freundin über die Beschwörung der Natur als Spiegel der eigenen Stimmungen bis hin zum empfindsamen Lobpreis der Liebe und zum pathetischen Trinklied findet sich in dieser musikalischen Schatztruhe so ziemlich alles.
Amarcord lädt ein zu einer Reise in die phantasievolle Welt des 19. Jahr- hunderts. Begleitet wird das Quintett bei manchen Liedern von dem Pianisten Eric Schneider, der sich als ein hervorragender Klavierpartner präsentiert. Die ehemaligen Thomaner lassen sich einmal mehr perfekt aufeinander abgestimmt hören; besonders erfreulich finde ich, dass auch die Textverständlichkeit durchweg exzellent ist.
Mittwoch, 11. Januar 2017
Reusner: Lute Music (Carpe Diem)
„Diese Stücke sind nicht für großes Bühnenlicht und darstellerisches Virtuosentum geschrieben“, schreibt Toyohiko Satoh über die Neuen Lauten-Früchte des Esaias Reusner (1636 bis 1679). In seinem ersten Lautenbuch, Delitiae Testudinis Oder Erfreuliche Lauten-Lust, veröffent- licht 1667, seien die Kompositionen wesentlich komplexer, repräsentati- ver. Warum Reusner dann bei seinen Neuen Lauten-Früchten, erschienen 1676, „mit einem Minimum an Noten bzw. Klängen nach einem Maximum von Ausdruck suchte“, wissen wir nicht.
Toyohiko Satoh verweist aber darauf, dass Reusner Zeitgenosse eines bedeutenden Haiku-Dichters war – Matsuo Bashō (1644 bis 1694) gehört zu den großen Meistern jener traditionellen japanischen Gedichte, die sich ebenfalls durch Knappheit und Prägnanz auszeichnen.
Reusner war der Sohn eines Lautenisten. Über seinen Lebensweg ist erstaunlich viel herauszufinden; er wirkte als Lautenist an verschiedenen Höfen, bevor er dann 1674 zum Kammerlautenisten des Brandenburger Kurfürsten Friedrich Wilhelm ernannt wurde. Möglicherweise sind diese kurzen und sehr klaren Stücke am Hofe des Großen Kurfürsten entstanden.
Wie bei allen seinen Aufnahmen, spiegelt Toyohiko Satoh auch hier die Ideen des Komponisten an der japanischen Kultur. Er begreift das Musi- zieren als eine Form der Meditation; der Lautenist spielt nicht, um zu beeindrucken, er spürt den Tönen nach und lässt sie in Ruhe wirken. Diese Gelassenheit und Abgeklärtheit bekommt der Musik von Esaias Reusner ganz ausgezeichnet – eine herausragende Aufnahme, die ich nicht nur Freunden der Lautenmusik empfehlen möchte.
Toyohiko Satoh verweist aber darauf, dass Reusner Zeitgenosse eines bedeutenden Haiku-Dichters war – Matsuo Bashō (1644 bis 1694) gehört zu den großen Meistern jener traditionellen japanischen Gedichte, die sich ebenfalls durch Knappheit und Prägnanz auszeichnen.
Reusner war der Sohn eines Lautenisten. Über seinen Lebensweg ist erstaunlich viel herauszufinden; er wirkte als Lautenist an verschiedenen Höfen, bevor er dann 1674 zum Kammerlautenisten des Brandenburger Kurfürsten Friedrich Wilhelm ernannt wurde. Möglicherweise sind diese kurzen und sehr klaren Stücke am Hofe des Großen Kurfürsten entstanden.
Wie bei allen seinen Aufnahmen, spiegelt Toyohiko Satoh auch hier die Ideen des Komponisten an der japanischen Kultur. Er begreift das Musi- zieren als eine Form der Meditation; der Lautenist spielt nicht, um zu beeindrucken, er spürt den Tönen nach und lässt sie in Ruhe wirken. Diese Gelassenheit und Abgeklärtheit bekommt der Musik von Esaias Reusner ganz ausgezeichnet – eine herausragende Aufnahme, die ich nicht nur Freunden der Lautenmusik empfehlen möchte.
Dienstag, 10. Januar 2017
Laura Young plays Max Reger (Gramola)
Kann man Musik von Max Reger (1873 bis 1916) auch auf der Gitarre spielen? Laura Young hat dieses Experiment gewagt – und kann mit ihrer Einspielung bei Gramola ebenso verblüffen wie überzeugen. „Als ich im Jahr 2000 zum ersten Mal Max Regers Cello-Suiten hörte, war das der Beginn einer großen Liebesaffäre mit seinen Solowerken“, berichtet die junge Virtuosin im Beiheft. „Bereits beim ersten Hören begann ich über die Wiedergabe seiner Musik auf der klassischen Gitarre nachzudenken. (..) Ich fühlte beim Hören das Vibrieren der Töne in meinen Fingern, verbunden mit dem Wunsch, dieses relativ wenig bekannte, aber brillante Repertoire weiter zu erforschen.“
Neben den Werken für Solo-Violoncello hat sich Young auch das Repertoi- re für Solo-Violine gründlich angesehen: „Ich wählte sorgfältig die Stücke, die originalgetreu auf meinem Instrument aufgeführt werden können, aus – Werke, deren essentieller Charakter von meiner Interpretation unbe- einträchtigt bleiben würden, die aber trotzdem neue interpretatorische Dimensionen und Horizonte boten.“
Zu hören sind nun Präludium und Fuge für Violine solo in e-Moll op. 117 Nr. 3 und in G-Dur op. 131a Nr. 3, sowie die Sonate d-Moll für Violine solo op. 42 Nr. 1 und zwei Suiten für Violoncello solo in a-Moll und in G-Dur, op. 131c Nr 3 und Nr. 1. Und der Hörer staunt, wie nah verwandt sich doch Bach und Reger sind – in der Gitarrentranskription wird dies besonders offensichtlich. Reger klingt mitunter beinahe barock; doch ahmt er Bach nicht nach, er findet eigene Wege. Hochinteressant, ein spannender Beitrag zum Reger-Jahr!
Neben den Werken für Solo-Violoncello hat sich Young auch das Repertoi- re für Solo-Violine gründlich angesehen: „Ich wählte sorgfältig die Stücke, die originalgetreu auf meinem Instrument aufgeführt werden können, aus – Werke, deren essentieller Charakter von meiner Interpretation unbe- einträchtigt bleiben würden, die aber trotzdem neue interpretatorische Dimensionen und Horizonte boten.“
Zu hören sind nun Präludium und Fuge für Violine solo in e-Moll op. 117 Nr. 3 und in G-Dur op. 131a Nr. 3, sowie die Sonate d-Moll für Violine solo op. 42 Nr. 1 und zwei Suiten für Violoncello solo in a-Moll und in G-Dur, op. 131c Nr 3 und Nr. 1. Und der Hörer staunt, wie nah verwandt sich doch Bach und Reger sind – in der Gitarrentranskription wird dies besonders offensichtlich. Reger klingt mitunter beinahe barock; doch ahmt er Bach nicht nach, er findet eigene Wege. Hochinteressant, ein spannender Beitrag zum Reger-Jahr!
Mittwoch, 4. Januar 2017
Vinci: Catone in Utica (Decca)
Als die Oper Catone in Utica von Leonardo Vinci nach einem Libretto von Pietro Metastasio 1728 in Rom am Teatro delle Dame erstmals erklang, standen ausschließlich Männer auf der Bühne. Frauen durften in der Stadt, in der der Papst residierte, nicht auftreten. Und so wurden nicht nur die heroischen männlichen Rollen dieser Oper – Cesare, Fulvio und Arbace – sondern auch die beiden weiblichen Rollen, Marzia und Emilia, von Kastraten gesungen. Tiefere Männerstimmen waren seinerzeit nur in den Partien der Bösewichte und der Senioren zu hören. So war auch hier der betagte Titelheld mit einem Tenor besetzt.
Bei der Uraufführung waren gleich drei große Stars zu hören: Cesare, der Eroberer, der Catone, den letzten aufrechten Verfechter der römischen Republik, belagert, wurde von Giovanni Carestini gesungen. Die Partie der Marzia, der Tochter Catones, die Cesare liebt, aber aus politischen Gründen Arbace heiraten soll, komponierte Vinci für Giacinto Fontana, einen Sänger, der Frauenrollen so erfolgreich verkörperte, dass ihn das Publikum Farfallino – „kleiner Schmetterling – nannte. Und der Arbace, König von Numidien und ein treuer Verbündeter Catones, wurde von Giovanni Minelli gesungen.
Die Oper bietet große Gefühle, grandiose Szenen, ganz erstaunliche Musik, und am Ende eine herbe Enttäuschung – denn Catone tötet sich selbst, er stirbt quälend langsam auf offener Bühne, und Cesare verflucht seinen Sieg und wirft den Lorbeer weg. Niemand bekommt, was er wollte; auch die Verliebten finden nicht zueinander. Bei den Römern ist diese Oper wohl durchgefallen, denn die fanden das Finale gar nicht witzig. Metastasio jedenfalls änderte später das Libretto; er ließ von Catones Tod nur noch berichten, und den Liebespaaren verpasste er das gewohnte lieto fine.
Gleich vier Countertenöre konnte Decca für diese Einspielung von Catone in Utica aufbieten: Valer Sabadus ist als Marzia zu hören und Vince Yi als Emilia, Franco Fagioli sang den Cesare, und Max Emanuel Cencic den Arbace. Die Partie des Catone übernahm Tenor Juan Sancho, und als Fulvio ist der Tenor Martin Mitterrutzner zu hören. Das Ensemble Il Pomo d’Oro musiziert gewohnt gekonnt unter Leitung von Riccardo Minasi. Die Aufnahme ist ein leidenschaftliches Plädoyer für die Auseinandersetzung mit noch immer in den Archiven schlummernden barocken Opernschät- zen; sie wurde zu Recht 2016 mit einem Echo Klassik ausgezeichnet.
Bei der Uraufführung waren gleich drei große Stars zu hören: Cesare, der Eroberer, der Catone, den letzten aufrechten Verfechter der römischen Republik, belagert, wurde von Giovanni Carestini gesungen. Die Partie der Marzia, der Tochter Catones, die Cesare liebt, aber aus politischen Gründen Arbace heiraten soll, komponierte Vinci für Giacinto Fontana, einen Sänger, der Frauenrollen so erfolgreich verkörperte, dass ihn das Publikum Farfallino – „kleiner Schmetterling – nannte. Und der Arbace, König von Numidien und ein treuer Verbündeter Catones, wurde von Giovanni Minelli gesungen.
Die Oper bietet große Gefühle, grandiose Szenen, ganz erstaunliche Musik, und am Ende eine herbe Enttäuschung – denn Catone tötet sich selbst, er stirbt quälend langsam auf offener Bühne, und Cesare verflucht seinen Sieg und wirft den Lorbeer weg. Niemand bekommt, was er wollte; auch die Verliebten finden nicht zueinander. Bei den Römern ist diese Oper wohl durchgefallen, denn die fanden das Finale gar nicht witzig. Metastasio jedenfalls änderte später das Libretto; er ließ von Catones Tod nur noch berichten, und den Liebespaaren verpasste er das gewohnte lieto fine.
Gleich vier Countertenöre konnte Decca für diese Einspielung von Catone in Utica aufbieten: Valer Sabadus ist als Marzia zu hören und Vince Yi als Emilia, Franco Fagioli sang den Cesare, und Max Emanuel Cencic den Arbace. Die Partie des Catone übernahm Tenor Juan Sancho, und als Fulvio ist der Tenor Martin Mitterrutzner zu hören. Das Ensemble Il Pomo d’Oro musiziert gewohnt gekonnt unter Leitung von Riccardo Minasi. Die Aufnahme ist ein leidenschaftliches Plädoyer für die Auseinandersetzung mit noch immer in den Archiven schlummernden barocken Opernschät- zen; sie wurde zu Recht 2016 mit einem Echo Klassik ausgezeichnet.
Bruckner: Sämtliche Sinfonien; Young (Oehms Classics)
Anton Bruckner (1824 bis 1896) ge- hört zu den wichtigsten Komponisten seiner Zeit. Erkannt wurde das allerdings erst spät; seine Laufbahn begann Bruckner als Schulgehilfe. Ein Jahrzehnt verbrachte er im Stift St. Florian, wo er einst auch selbst als Sängerknabe gelernt hatte. Dort widmete er sich mit derselben Ernsthaftigkeit, mit der er dank Weiterbildung den Aufstieg vom Hilfslehrer ins Lehramt auch für die höheren Klassen meisterte, der Ver- vollkommnung seines Orgelspiels, was ihm zunächst das Amt des Stiftsorganisten einbrachte. 1855 wurde Bruckner zum Linzer Domorgani- sten gewählt.
Doch auch in dieser Position lehnte er sich nicht etwa zufrieden zurück; Bruckner studierte weiter intensiv Musiktheorie und Komposition, und er übte sich im Dirigieren. Nach dem Erfolg seiner ersten Sinfonie wagte der Musiker schließlich den Schritt nach Wien, wo er nicht nur Hoforganist, sondern zudem auch Professor für Musiktheorie am Konservatorium wurde.
Mit seinen Sinfonien geriet der Komponist dann allerdings in eine Fehde zwischen den „Wagnerianern“ und den „Brahmsianern“, wobei die An- hänger der Tradition wortgewaltig unterstützt wurden durch den Kritiker Eduard Hanslick. Bruckner hatte seine dritte Sinfonie Wagner gewidmet – was ihm viel Ärger einbrachte. Insgesamt schuf Bruckner elf Sinfonien; neun davon akzeptierte er, die allererste aus dem Jahre 1863 gilt als „Studiensinfonie“, eine weitere, komponiert 1869, wurde annulliert und kam so als „Nullte“ ins Werkverzeichnis. Und die Neunte konnte er nicht mehr vollenden; der vierte Satz blieb Fragment.
Bruckner, der zeitlebens katholisch fromm, sehr bescheiden und wohl auch unsicher und neurotisch gewesen sein soll, war mit seinen Sinfonien nie recht zufrieden. Er hat daher etliche seiner Werke überarbeitet, und dabei etliches geglättet und gestrafft. Simone Young wählte für ihren Bruckner-Zyklus mit den Philharmonikern Hamburg allerdings durchweg, wenn vorhanden, die Urfassung. Sie gilt als „unmittelbarer“, soll aber Orchester- musiker zu Bruckners Zeiten wohl vor Probleme gestellt haben. Die Auf- nahmen, die bei Oehms Classics veröffentlicht wurden, sind durchweg Live-Mitschnitte.
Über Bruckner als Erneuerer der Gattung Sinfonie sind dicke Bücher geschrieben worden; hörbar wird hier, dass die elf Sinfonien eigentlich die Fortsetzung von Orgelmusik mit den Mittel eines großen Orchesters sind. Bruckner verwendet Instrumentengruppen und Klangfarben, wie man Register ziehen würde. Und so steht auch Laut und Leise des öfteren kontrastierend nebeneinander.
Simone Young gestaltet Bruckners Sinfonien mit den Philharmonikern Hamburg frisch und energiegeladen, kontrastreich und fein austariert, von keck bis dramatisch. Kein Wunder, dass Publikum und Kritik gleicher- maßen euphorisch reagierten. Der komplette Bruckner-Zyklus mit Simone Young ist nun in einer 12-CD-Box erhältlich.
Doch auch in dieser Position lehnte er sich nicht etwa zufrieden zurück; Bruckner studierte weiter intensiv Musiktheorie und Komposition, und er übte sich im Dirigieren. Nach dem Erfolg seiner ersten Sinfonie wagte der Musiker schließlich den Schritt nach Wien, wo er nicht nur Hoforganist, sondern zudem auch Professor für Musiktheorie am Konservatorium wurde.
Mit seinen Sinfonien geriet der Komponist dann allerdings in eine Fehde zwischen den „Wagnerianern“ und den „Brahmsianern“, wobei die An- hänger der Tradition wortgewaltig unterstützt wurden durch den Kritiker Eduard Hanslick. Bruckner hatte seine dritte Sinfonie Wagner gewidmet – was ihm viel Ärger einbrachte. Insgesamt schuf Bruckner elf Sinfonien; neun davon akzeptierte er, die allererste aus dem Jahre 1863 gilt als „Studiensinfonie“, eine weitere, komponiert 1869, wurde annulliert und kam so als „Nullte“ ins Werkverzeichnis. Und die Neunte konnte er nicht mehr vollenden; der vierte Satz blieb Fragment.
Bruckner, der zeitlebens katholisch fromm, sehr bescheiden und wohl auch unsicher und neurotisch gewesen sein soll, war mit seinen Sinfonien nie recht zufrieden. Er hat daher etliche seiner Werke überarbeitet, und dabei etliches geglättet und gestrafft. Simone Young wählte für ihren Bruckner-Zyklus mit den Philharmonikern Hamburg allerdings durchweg, wenn vorhanden, die Urfassung. Sie gilt als „unmittelbarer“, soll aber Orchester- musiker zu Bruckners Zeiten wohl vor Probleme gestellt haben. Die Auf- nahmen, die bei Oehms Classics veröffentlicht wurden, sind durchweg Live-Mitschnitte.
Über Bruckner als Erneuerer der Gattung Sinfonie sind dicke Bücher geschrieben worden; hörbar wird hier, dass die elf Sinfonien eigentlich die Fortsetzung von Orgelmusik mit den Mittel eines großen Orchesters sind. Bruckner verwendet Instrumentengruppen und Klangfarben, wie man Register ziehen würde. Und so steht auch Laut und Leise des öfteren kontrastierend nebeneinander.
Simone Young gestaltet Bruckners Sinfonien mit den Philharmonikern Hamburg frisch und energiegeladen, kontrastreich und fein austariert, von keck bis dramatisch. Kein Wunder, dass Publikum und Kritik gleicher- maßen euphorisch reagierten. Der komplette Bruckner-Zyklus mit Simone Young ist nun in einer 12-CD-Box erhältlich.
Dienstag, 3. Januar 2017
buxtehude_21 (GP Arts)
Dieterich Buxtehude hat sowohl mit seinem Orgelspiel als auch mit den Abendmusiken, die er von seinem Vorgänger Franz Tunder übernahm und zu einer groß dimensionierten Konzertreihe ausbaute, europäische Musikgeschichte geschrieben. Nicht umsonst ist der junge Johann Sebastian Bach im November (!) bei Wind und Wetter zu Fuß von Arnstadt nach Lübeck gereist, und im Januar, bei sicherlich auch nicht gerade kuschligen Temperaturen, dieselbe Strecke wieder retour. Denn die Abendmusiken fanden an den fünf Sonntagen vor Weihnachten statt, und auch Bachs Orgelwerke bezeugen, wie tief ihn Buxtehude beeindruckt hat.
Bernd Ruf und Franz Danksagmüller spüren auf dieser CD dem nach, was das Werk Buxtehudes bis in die Gegenwart geprägt hat. Der Titel „buxtehude_21 On the bridge“ ist allerdings kurios, zumal das Bild auf dem Cover einen langen Anlegesteg zeigt, der quasi ins Nichts führt. Wenig anfangen kann ich auch mit der Ausdeutung der barocken Werke durch die beiden Lübecker Musikprofessoren. Dazu heißt es auf der CD: „DANKSAGMÜLLER_RUF spielen und forschen mit der Intention, die Wirkung von Barockmusik in der Gegenwart erfahrbar zu machen. Ihre Mittel sind Improvisation, Rekomposition, Live-Elektronik, Historische Aufführungspraxis und Elemente der Neuen Musik. Damit begegnen sie der Original-Partitur, befreien sie von ihrer Patina, offenbaren ihren Kern und setzen sie neu zusammen. Es entsteht ein klangliches Destillat, welches zeitepochales Denken auflöst.“
Fragmente nach Buxtehude, Händel und Tunder, dazu stückweise auch Bach in wabernde Klangwolken zu hüllen und eine Melodiestimme mit dem hier immer weich säuselnden Klang des Sopransaxophons zu versehen, das löst allerdings zunehmend auch meine Entdeckerfreude auf – sie verflüchtigt sich, geschockt von zuviel New Age und zu wenig erkennbarer Restsubstanz. Wenn sich die barocke Musica Poetica in postromantische Musica Empathica wandelt, dann halte ich das für ein großes Missverständnis. Sorry.
Bernd Ruf und Franz Danksagmüller spüren auf dieser CD dem nach, was das Werk Buxtehudes bis in die Gegenwart geprägt hat. Der Titel „buxtehude_21 On the bridge“ ist allerdings kurios, zumal das Bild auf dem Cover einen langen Anlegesteg zeigt, der quasi ins Nichts führt. Wenig anfangen kann ich auch mit der Ausdeutung der barocken Werke durch die beiden Lübecker Musikprofessoren. Dazu heißt es auf der CD: „DANKSAGMÜLLER_RUF spielen und forschen mit der Intention, die Wirkung von Barockmusik in der Gegenwart erfahrbar zu machen. Ihre Mittel sind Improvisation, Rekomposition, Live-Elektronik, Historische Aufführungspraxis und Elemente der Neuen Musik. Damit begegnen sie der Original-Partitur, befreien sie von ihrer Patina, offenbaren ihren Kern und setzen sie neu zusammen. Es entsteht ein klangliches Destillat, welches zeitepochales Denken auflöst.“
Fragmente nach Buxtehude, Händel und Tunder, dazu stückweise auch Bach in wabernde Klangwolken zu hüllen und eine Melodiestimme mit dem hier immer weich säuselnden Klang des Sopransaxophons zu versehen, das löst allerdings zunehmend auch meine Entdeckerfreude auf – sie verflüchtigt sich, geschockt von zuviel New Age und zu wenig erkennbarer Restsubstanz. Wenn sich die barocke Musica Poetica in postromantische Musica Empathica wandelt, dann halte ich das für ein großes Missverständnis. Sorry.
Shield: Laurel & Hardy - The original piano music (Aevea)
Er schuf die Musik zu Die kleinen Strolche und zu sämtlichen Laurel-und-Hardy-Filmen: Leroy Shield (1893 bis 1962), eigentlich hieß er Leroy Bernard Shields, gab sein Debüt als Konzertpianist bereits im Alter von zwölf Jahren. Er begleitete unter anderem Éva Gauthier, von der Presse gefeiert als the high priestess of modern song, bei ihren frühen Konzertreisen in Amerika.
In den Jahren 1923 bis 1931 arbeitete er hauptsächlich als Arrangeur, Dirigent und Produzent für die Victor Talking Machine Company bzw. RCA Victor. Die Discography of American Historical Recordings nennt ihn als Leiter von 750 Aufnahmen, als Pianisten bei 393 Aufnahmen, Dirigenten von 488 Aufnahmen und Produzenten von 353 Aufnahmen. Die Hal Roach Studios betrat er sozusagen durch die Hintertür: Als Victor 1929 engagiert wurde, in den Hal Roach Studios das Sound Equipment zu installieren, kam Shield mit Lastwagen voller Kabel und Mikrophone. Bis 1938 kom- ponierte er dann obendrein Musik für mehr als 180 Filme; im Abspann genannt wurde er allerdings nur zwei Mal, und auch Noteneditionen seiner Filmmusiken gibt es nicht.
Zeit ist beim Film bekanntlich Geld; die Filmmusik wurde schon damals in der Regel durch ein Studio-Orchester eingespielt. Dabei wurde eher zügig als sorgfältig gearbeitet: Die Musik läuft nicht immer synchron zum Film, und die Tempi schwanken. Hal Roach war das egal. Der Unternehmer war mit seinen Kurzfilmen seinerzeit sehr erfolgreich; sein Studio wurde aus gutem Grund als Hollywoods Lachfabrik bezeichnet, denn das Komische war sein Metier. Die kleinen Strolche, die berühmten Komödien mit Stan Laurel und Oliver Hardy, und viele weitere, die heute nicht mehr so be- kannt sind, wurden in den Hal Roach Studios gedreht.
Alessandro Simonetto hat nun am Klavier einige der Filmmusiken einge- spielt, die Leroy Shield für Hal Roach geschrieben hat. Nur ganz selten existierten Klaviernoten. In einigen Filmen ist Shield sogar am Piano zu hören; Símonetto hat sich alles mit Sorgfalt angehört und aus den wenigen erhaltenen Orchesterpartituren, Skizzen und Leadsheets Klavierarrange- ments geschaffen. Einiges musste er sogar von den Originalaufnahmen transkribieren. An einer exakten Kopie der Filmmusik war der italienische Pianist allerdings nicht interessiert, wie er im Beiheft zu dieser CD erklärt: „I have to play pianistically“, so Simonetto, „the music can never be played exactly like brass and woodwinds do, nor would it make sense. There's no point in attempting another copy!“ Die Klavierstücke, die nun letztendlich auf dieser CD erklingen, sind ebenso virtuos wie ausdrucks- stark – nicht nur die Freunde von Laurel und Hardy werden ihr Vergnügen daran haben.
In den Jahren 1923 bis 1931 arbeitete er hauptsächlich als Arrangeur, Dirigent und Produzent für die Victor Talking Machine Company bzw. RCA Victor. Die Discography of American Historical Recordings nennt ihn als Leiter von 750 Aufnahmen, als Pianisten bei 393 Aufnahmen, Dirigenten von 488 Aufnahmen und Produzenten von 353 Aufnahmen. Die Hal Roach Studios betrat er sozusagen durch die Hintertür: Als Victor 1929 engagiert wurde, in den Hal Roach Studios das Sound Equipment zu installieren, kam Shield mit Lastwagen voller Kabel und Mikrophone. Bis 1938 kom- ponierte er dann obendrein Musik für mehr als 180 Filme; im Abspann genannt wurde er allerdings nur zwei Mal, und auch Noteneditionen seiner Filmmusiken gibt es nicht.
Zeit ist beim Film bekanntlich Geld; die Filmmusik wurde schon damals in der Regel durch ein Studio-Orchester eingespielt. Dabei wurde eher zügig als sorgfältig gearbeitet: Die Musik läuft nicht immer synchron zum Film, und die Tempi schwanken. Hal Roach war das egal. Der Unternehmer war mit seinen Kurzfilmen seinerzeit sehr erfolgreich; sein Studio wurde aus gutem Grund als Hollywoods Lachfabrik bezeichnet, denn das Komische war sein Metier. Die kleinen Strolche, die berühmten Komödien mit Stan Laurel und Oliver Hardy, und viele weitere, die heute nicht mehr so be- kannt sind, wurden in den Hal Roach Studios gedreht.
Alessandro Simonetto hat nun am Klavier einige der Filmmusiken einge- spielt, die Leroy Shield für Hal Roach geschrieben hat. Nur ganz selten existierten Klaviernoten. In einigen Filmen ist Shield sogar am Piano zu hören; Símonetto hat sich alles mit Sorgfalt angehört und aus den wenigen erhaltenen Orchesterpartituren, Skizzen und Leadsheets Klavierarrange- ments geschaffen. Einiges musste er sogar von den Originalaufnahmen transkribieren. An einer exakten Kopie der Filmmusik war der italienische Pianist allerdings nicht interessiert, wie er im Beiheft zu dieser CD erklärt: „I have to play pianistically“, so Simonetto, „the music can never be played exactly like brass and woodwinds do, nor would it make sense. There's no point in attempting another copy!“ Die Klavierstücke, die nun letztendlich auf dieser CD erklingen, sind ebenso virtuos wie ausdrucks- stark – nicht nur die Freunde von Laurel und Hardy werden ihr Vergnügen daran haben.
Montag, 2. Januar 2017
Röntgen: Alle Lust will Ewigkeit (Challenge Classics)
Julius Röntgen (1855 bis 1932), entfernt verwandt mit dem berühmten Physiker, kam in Leipzig zur Welt. Sein Vater war Konzertmeister am Gewandhaus, und seine Mutter, eine Pianistin, entstammte der Musiker- dynastie Klengel – kein Wunder also, dass das Kind ebenfalls schon früh die Musikerlaufbahn einschlug.
Neben Eltern, Großeltern und Haus- lehrern unterrichtete den kleinen Julius kein geringerer als Carl Reinecke, Leiter des Gewandhaus- orchesters sowie Lehrer am Leipziger Konservatorium. Röntgen studierte schließlich in München Klavier bei Franz Lachner, einem Freund Franz Schuberts. Nach einigen Jahren, die er zumeist auf Konzertreisen verbracht haben dürfte, überlegte Röntgen dann, ob er sich in Wien oder in den Niederlanden niederlassen sollte.
Schließlich entschied er sich 1878 für eine Stelle als Klavierlehrer an einer privaten Musikschule in Amsterdam – womit er aber dauerhaft nicht zufrie- den war, da er die Qualität der Schüler ungenügend fand. 1884 gründete er daher gemeinsam mit Frans Coenen und Daniel de Lange das Amster- damsch Conservatorium. Er spielte Konzerte, und er wirkte auch an der Planung des Concertgebouws mit; die Leitung des Orchesters aber traute man ihm dann nicht zu. Und so komponierte er weiter Kammermusik, unterrichtete seine Schüler – und musizierte. Röntgen war unter anderem Klavierbegleiter des Sängers Julius Stockhausen und dessen Schülers Johannes Messchaert, des berühmten Geigers Carl Flesch, und des noch viel bekannteren Cellisten Pablo Casals.
Reisen führten ihn quer durch Europa; so spielte der Pianist regelmäßig in Wien, aber auch nach Nordeuropa zog es Röntgen. Im norwegischen Bergen besuchte er seinen Freund Edvard Grieg, und in Dänemark machte er gern Urlaub und pflegte etliche Freundschaften. 1920 wurde der Musiker niederländischer Staatsbürger. 1924 ging Röntgen in den Ruhestand, und zog sich nach Bilthoven bei Utrecht zurück, wo ihm einer seiner Söhne einen schicken Landsitz errichtete. Das Haus macht seinem Namen Gaudeamus alle Ehre. Dort schuf Röntgen noch eine Vielzahl von Kom- positionen, vom Lied bis zur Sinfonie, und er wurde von zahlreichen Musikerkollegen besucht.
In den letzten Jahren wurden, insbesondere durch das Engagement des Labels cpo, die Sinfonien von Julius Röntgen wiederentdeckt. Eine Auswahl aus seinem (ebenfalls sehr umfangreichen) Liedschaffen haben nun Robbert Muuse und Micha van Weers bei Challenge Classics vorge- stellt. Der Bariton und die Pianistin pflegen in ihrer langjährigen musika- lischen Partnerschaft nicht nur das gängige Liedrepertoire; sie suchen auch ständig nach weniger bekannten Werken, die aufführenswert sind.
Die Lieder von Julius Röntgen sind auf den Punkt gefasste Textvertonungen mit einem ausgesprochen sprechenden Klavierpart – und einige von ihnen sind sogar überaus witzig. Den Komponisten inspirierten nicht nur Klassiker wie Goethe und Nietzsche, sondern auch alte nieder- ländische Volkslieder, asiatische Texte oder aber der schräge Humor von Christian Morgenstern. Auf dieser CD sind unter anderem einige Galgen- lieder und Palmström-Lieder zu hören – Robbert Muuse und Micha van Weers scheinen besonders die ironische Seite an Röntgen zu schätzen, der aber alles auszudrücken verstand, vom Pathos bis zum wilden Gelächter. In diesem Werk gibt es ohne Zweifel noch viel zu entdecken; mit dieser Aufnahme haben Robbert Muuse und Micha van Weers eine Türe geöffnet, hinter der noch so mancher Schatz schlummert. Grandios!
Neben Eltern, Großeltern und Haus- lehrern unterrichtete den kleinen Julius kein geringerer als Carl Reinecke, Leiter des Gewandhaus- orchesters sowie Lehrer am Leipziger Konservatorium. Röntgen studierte schließlich in München Klavier bei Franz Lachner, einem Freund Franz Schuberts. Nach einigen Jahren, die er zumeist auf Konzertreisen verbracht haben dürfte, überlegte Röntgen dann, ob er sich in Wien oder in den Niederlanden niederlassen sollte.
Schließlich entschied er sich 1878 für eine Stelle als Klavierlehrer an einer privaten Musikschule in Amsterdam – womit er aber dauerhaft nicht zufrie- den war, da er die Qualität der Schüler ungenügend fand. 1884 gründete er daher gemeinsam mit Frans Coenen und Daniel de Lange das Amster- damsch Conservatorium. Er spielte Konzerte, und er wirkte auch an der Planung des Concertgebouws mit; die Leitung des Orchesters aber traute man ihm dann nicht zu. Und so komponierte er weiter Kammermusik, unterrichtete seine Schüler – und musizierte. Röntgen war unter anderem Klavierbegleiter des Sängers Julius Stockhausen und dessen Schülers Johannes Messchaert, des berühmten Geigers Carl Flesch, und des noch viel bekannteren Cellisten Pablo Casals.
Reisen führten ihn quer durch Europa; so spielte der Pianist regelmäßig in Wien, aber auch nach Nordeuropa zog es Röntgen. Im norwegischen Bergen besuchte er seinen Freund Edvard Grieg, und in Dänemark machte er gern Urlaub und pflegte etliche Freundschaften. 1920 wurde der Musiker niederländischer Staatsbürger. 1924 ging Röntgen in den Ruhestand, und zog sich nach Bilthoven bei Utrecht zurück, wo ihm einer seiner Söhne einen schicken Landsitz errichtete. Das Haus macht seinem Namen Gaudeamus alle Ehre. Dort schuf Röntgen noch eine Vielzahl von Kom- positionen, vom Lied bis zur Sinfonie, und er wurde von zahlreichen Musikerkollegen besucht.
In den letzten Jahren wurden, insbesondere durch das Engagement des Labels cpo, die Sinfonien von Julius Röntgen wiederentdeckt. Eine Auswahl aus seinem (ebenfalls sehr umfangreichen) Liedschaffen haben nun Robbert Muuse und Micha van Weers bei Challenge Classics vorge- stellt. Der Bariton und die Pianistin pflegen in ihrer langjährigen musika- lischen Partnerschaft nicht nur das gängige Liedrepertoire; sie suchen auch ständig nach weniger bekannten Werken, die aufführenswert sind.
Die Lieder von Julius Röntgen sind auf den Punkt gefasste Textvertonungen mit einem ausgesprochen sprechenden Klavierpart – und einige von ihnen sind sogar überaus witzig. Den Komponisten inspirierten nicht nur Klassiker wie Goethe und Nietzsche, sondern auch alte nieder- ländische Volkslieder, asiatische Texte oder aber der schräge Humor von Christian Morgenstern. Auf dieser CD sind unter anderem einige Galgen- lieder und Palmström-Lieder zu hören – Robbert Muuse und Micha van Weers scheinen besonders die ironische Seite an Röntgen zu schätzen, der aber alles auszudrücken verstand, vom Pathos bis zum wilden Gelächter. In diesem Werk gibt es ohne Zweifel noch viel zu entdecken; mit dieser Aufnahme haben Robbert Muuse und Micha van Weers eine Türe geöffnet, hinter der noch so mancher Schatz schlummert. Grandios!
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