Ein Festival der schönsten Stimmen erleben und zugleich die Arbeit der Deutschen Aids-Stiftung unterstützen – dazu lädt alljährlich im Spätherbst die Deutsche Oper Berlin ein. Wer keine Gelegenheit hatte, 2016 die festliche Operngala mitzuerleben, der kann sich nun den Live-Mitschnitt dieser Veranstaltung anhören. Die 23. Operngala, dokumentiert einmal mehr bei Naxos, kann immer noch überraschen. So gelingt es Max Raabe in seiner Moderation, Opernhandlungen in Kürzestform zusammmenzufassen – mit bewährt staubtrockenem Humor. Er setzt damit eine Tradition fort, die sein hochverehrter Amtsvorgänger Vicco von Bülow, bekannter unter seinem Künstlernamen Loriot, einst begründet hat.
Große Stars sind in diesem Jahr nicht unter den Mitwirkenden; man muss aber feststellen, dass die Sängerinnen und Sänger wirklich gut sind. Und unter den ausgewählten Arien findet sich Populäres, wie die berühmte Auftrittsarie des Figaro aus dem Barbier von Sevilla, gesungen von Mattia Olivieri, neben weniger Bekanntem, wie dem Duett Au fond du temple saint aus Georges Bizets Oper Die Perlenfischer, vorgetragen von Michael Spyres und Edwin Crossley-Mercer. Zu hören sind zudem Lise Davidson, Maria Kataeva, Teresa Iervolino und Patrizia Ciofi, Levy Sekgapane, Gezim Myshketa und Stefano La Colla. Generell dominieren die Männerstimmen diesmal in dem sorgfältig zusammengestellten Programm.
Das Orchester der Deutschen Oper unter Leitung von Ivan Repušić eröffnet die Gala mit einer Ouvertüre von Ferdinand Hérold – eine Entdeckung; zwar ist die Ballettmusik des elsässischen Komponisten zu La Fille mal gardée heute noch sehr präsent, aber seine einst sehr erfolgreiche Oper Zampa gehört mittlerweile zumindest auf deutschen Bühnen zu den Rari- täten. Das Finale gestaltet traditionell der Chor der Deutschen Oper – mit Carl Orffs Carmina Burana endet die Operngala einmal mehr mitreißend. Das Programm insgesamt ist so umfangreich, dass es nicht auf eine CD passte. Und wer die Doppel-CD erwirbt, der erhöht damit zugleich die Spendensumme, die auf der Veranstaltung eingeworben wurde. Eine gute Gelegenheit also, gute Musik zu hören, und damit zugleich Gutes zu tun.
Dienstag, 21. Februar 2017
Montag, 20. Februar 2017
Sølvguttenes favoritter (Lawo)
Der Sølvguttene
Knabenchor aus Oslo wurde 1940 durch Torstein Grythe gegründet und
von ihm auch viele Jahre erfolgreich musikalisch vorangebracht. Seit
2004 ist Fredrik Otterstad der Leiter des renommierten Ensembles, das
zum norwegischen Medienhaus NRK gehört. Derzeit gehören etwa 130
Jungs und junge Männer dem Knabenchor an; etwa
90 von ihnen singen im Konzertchor. Sagenhafte 150 Auftritte bestreiten die Burschen alljährlich.
Sølvguttene geht regelmäßig auf Konzertreisen im In- und Ausland, und hat zahlreiche CD eingespielt. „Vi har ofte fått spørsmål fra publikum etter konserter om hvorvidt vi har kveldens repertoar på CD, og alt for ofte har svaret vært nei. Men nå er den her: Sølvguttenes egne favoritter. God fornøyelse!“, schreibt der Chor im Geleitwort zu seinem jüngsten Album.
Zu diesen Favoriten, die der Chor gern in seinen Programmen singt, gehö- ren neben Werken norwegischer Komponisten geistliche und weltliche Chorsätze aus aller Welt, beispielsweise das berühmte Ave verum corpus von Wolfgang Amadeus Mozart, Jesus bleibet meine Freude von Johann Sebastian Bach, das Cantique de Jean Racine von Gabriel Fauré oder der grandiose Hallelujah-Chor aus dem Messias von Georg Friedrich Händel.
Die jungen Choristen singen mit Elan. Allerdings erscheint die Chorleistung derzeit, nun ja, ausbaufähig. Lautstärke ist halt nicht alles. Dynamik bedarf auch einer gewissen Flexibilität, einer schnellen Reaktion auf die Vorgaben des Dirigenten; in diesem Falle vermisst man nicht zuletzt ein gepflegtes Piano. Und bei schnellen Passagen leidet die Homo- genität. Außerdem fällt neben den schönen Stimmen leider auf, dass die Intonation zum Ende so mancher Phrase hin abrutscht. Ein Genuss ist das nicht, schade!
90 von ihnen singen im Konzertchor. Sagenhafte 150 Auftritte bestreiten die Burschen alljährlich.
Sølvguttene geht regelmäßig auf Konzertreisen im In- und Ausland, und hat zahlreiche CD eingespielt. „Vi har ofte fått spørsmål fra publikum etter konserter om hvorvidt vi har kveldens repertoar på CD, og alt for ofte har svaret vært nei. Men nå er den her: Sølvguttenes egne favoritter. God fornøyelse!“, schreibt der Chor im Geleitwort zu seinem jüngsten Album.
Zu diesen Favoriten, die der Chor gern in seinen Programmen singt, gehö- ren neben Werken norwegischer Komponisten geistliche und weltliche Chorsätze aus aller Welt, beispielsweise das berühmte Ave verum corpus von Wolfgang Amadeus Mozart, Jesus bleibet meine Freude von Johann Sebastian Bach, das Cantique de Jean Racine von Gabriel Fauré oder der grandiose Hallelujah-Chor aus dem Messias von Georg Friedrich Händel.
Die jungen Choristen singen mit Elan. Allerdings erscheint die Chorleistung derzeit, nun ja, ausbaufähig. Lautstärke ist halt nicht alles. Dynamik bedarf auch einer gewissen Flexibilität, einer schnellen Reaktion auf die Vorgaben des Dirigenten; in diesem Falle vermisst man nicht zuletzt ein gepflegtes Piano. Und bei schnellen Passagen leidet die Homo- genität. Außerdem fällt neben den schönen Stimmen leider auf, dass die Intonation zum Ende so mancher Phrase hin abrutscht. Ein Genuss ist das nicht, schade!
Sonntag, 19. Februar 2017
Nigel Kennedy - My World (Neue Meister)
Im Dezember 2016 wurde Nigel Kennedy 60 Jahre alt – und als ganz besonderes Geburtstagsgeschenk veröffentlichte der Geiger wenig später ein neues Album. Er spielt eigene Kompositionen, und nimmt das Publikum mit in seine ganz eigene musikalische Welt. Dort hat Klassik ebenso ihren Platz wie Jazz; und die Freunde vom Oxford Philharmonic Orchestra unter Leitung von Yuri Zhislin musizieren gemeinsam mit einer Band. Zu hören sind rings um Geiger Nigel Kennedy also auch Joseph Sanders, Oboe, Bartek Glowacki, Akkordeon, Doug „Allergic“ Boyle, Julian „Das Kid“ Buschberger und Rolf „Die Kobra“ Bussalb, Gitarre, Tomasz „Insomnia“ Kupiec, Bass, Adam „Golonka“ Czerwinski, Drums und Orphy Robinson, Vibraphon und Percussion.
Stilistisch sind alle Beteiligten erstaunlich flexibel. Das ist gut so, denn Nigel Kennedy interessiert sich nicht für Genre-Grenzen. Vielleicht spielt er gerade deshalb seit Jahren vor ausverkauften Häusern; seine Musik begeistert Jugendliche ebenso wie das „klassische“ Klassikpublikum. Seine Einspielung von Vivaldis Vier Jahreszeiten aus dem Jahre 1989 war das meistverkaufte Klassikalbum aller Zeiten, und auch Kennedy plays Bach, erschienen im Jahre 2000, hat dazu beigetragen, Hörgewohnheiten zu hinterfragen und zu verändern.
„My world“ kann man als eine erste Bilanz seiner künstlerischen Lauf- bahn lesen: Mit seinen Werken berichtet der Geiger über Begegnungen, die ihn als Musiker geprägt, und Vorbilder, die ihn beeinflusst haben. Tief verneigt er sich beispielsweise vor Yehudi Menuhin, der ihm nicht nur den Weg zur Musik von Johann Sebastian Bach gewiesen habe: „He also paid for my education at his school so without hin I would probably not be playing classical music at all. One should add that his idealism and believe, that all people were equal, set him apart from many of his contemporaries.“ Weitere Stücke widmet Kennedy Isaac Stern, Stéphane Grapelli, dem mittlerweile verstorbenen Jazzgitarristen Jarek Śmietana und Mark O'Connor, „one of the most important violinists alive“. Wie sie ihn jeweils inspiriert haben, das zeigt auf unverwechselbare Art und Weise Kennedys Musik. Komplettiert wird das Album durch eine Suite zum Bühnenstück Die Drei Schwestern von Anton Tschechow, die Kennedy für eine Inszenierung seiner Frau Agnieszka geschrieben hat.
Stilistisch sind alle Beteiligten erstaunlich flexibel. Das ist gut so, denn Nigel Kennedy interessiert sich nicht für Genre-Grenzen. Vielleicht spielt er gerade deshalb seit Jahren vor ausverkauften Häusern; seine Musik begeistert Jugendliche ebenso wie das „klassische“ Klassikpublikum. Seine Einspielung von Vivaldis Vier Jahreszeiten aus dem Jahre 1989 war das meistverkaufte Klassikalbum aller Zeiten, und auch Kennedy plays Bach, erschienen im Jahre 2000, hat dazu beigetragen, Hörgewohnheiten zu hinterfragen und zu verändern.
„My world“ kann man als eine erste Bilanz seiner künstlerischen Lauf- bahn lesen: Mit seinen Werken berichtet der Geiger über Begegnungen, die ihn als Musiker geprägt, und Vorbilder, die ihn beeinflusst haben. Tief verneigt er sich beispielsweise vor Yehudi Menuhin, der ihm nicht nur den Weg zur Musik von Johann Sebastian Bach gewiesen habe: „He also paid for my education at his school so without hin I would probably not be playing classical music at all. One should add that his idealism and believe, that all people were equal, set him apart from many of his contemporaries.“ Weitere Stücke widmet Kennedy Isaac Stern, Stéphane Grapelli, dem mittlerweile verstorbenen Jazzgitarristen Jarek Śmietana und Mark O'Connor, „one of the most important violinists alive“. Wie sie ihn jeweils inspiriert haben, das zeigt auf unverwechselbare Art und Weise Kennedys Musik. Komplettiert wird das Album durch eine Suite zum Bühnenstück Die Drei Schwestern von Anton Tschechow, die Kennedy für eine Inszenierung seiner Frau Agnieszka geschrieben hat.
Haydn: Piano Sonatas; Becker (Avi-Music)
„Seit meiner Kindheit begeistern mich Haydns Klaviersonaten“, schreibt Markus Becker. Der Pianist, der als Professor an der Hochschule für Mu- sik, Theater und Medien Hannover lehrt, kommt aus dem Schwärmen nicht heraus, wenn er über diese scheinbar doch so unkomplizierten Werke von Joseph Haydn nachdenkt. „Es ist nicht Beethovens Kraft und Dramatik, auch nicht Mozarts traumwandlerische Schönheit. Haydn schreibt zutiefst menschliche Musik mit einer Grundhaltung, die dem romantischen Humorbegriff sehr nahekommt: ein Abbild unseres Lebens mit allen Schönheiten, Abgründen, Hoffnungen, Verlusten, Dramen, Freuden – getragen von Leidenschaft und Ironie.“
Und auch wenn das Notenbild auf den ersten Blick wenig geheimnisvoll ausschaut, mahnt Markus Becker, seien diese Sonaten doch keineswegs einfach zu spielen. Haydns Sonaten, bedauert der Professor, „wurden reduziert auf die Funktion als geistreicher Unterrichtsstoff. Dabei wurde völlig überhört, wie differenziert und nuancenreich Haydn zu Werke geht.“
Becker hat die Sonaten deshalb mit großer Sorgfalt gearbeitet. Das lohnt sich: Wenn man diese CD anhört, wird man Haydn neu entdecken – humorvoll, ideenreich, einen Komponisten, der ebenso durch exquisite Melodien begeistert wie durch unerwartete Wendungen und musikalische Überraschungen. „Vielleicht ist Haydn mehr noch als die großen Kollegen auf gute Interpreten angewiesen: ohne Klangfantasie, Gespür für musika- lische Rhetorik und Phrasenbildung ist diese Musik nicht zu gestalten“, meint der Pianist. „Vor allem die Fähigkeit, das Klangbild von einem Mo- ment auf den anderen zu verändern, das Stimmverhältnis neu zu balancie- ren, wird vom Haydn-Spieler verlangt.“ Markus Becker demonstriert am klingenden Beispiel, wie er sich das vorstellt, und man möchte diesen frischen, so gar nicht musealen Haydn immer wieder hören - und, bitte, bald mehr davon!
Und auch wenn das Notenbild auf den ersten Blick wenig geheimnisvoll ausschaut, mahnt Markus Becker, seien diese Sonaten doch keineswegs einfach zu spielen. Haydns Sonaten, bedauert der Professor, „wurden reduziert auf die Funktion als geistreicher Unterrichtsstoff. Dabei wurde völlig überhört, wie differenziert und nuancenreich Haydn zu Werke geht.“
Becker hat die Sonaten deshalb mit großer Sorgfalt gearbeitet. Das lohnt sich: Wenn man diese CD anhört, wird man Haydn neu entdecken – humorvoll, ideenreich, einen Komponisten, der ebenso durch exquisite Melodien begeistert wie durch unerwartete Wendungen und musikalische Überraschungen. „Vielleicht ist Haydn mehr noch als die großen Kollegen auf gute Interpreten angewiesen: ohne Klangfantasie, Gespür für musika- lische Rhetorik und Phrasenbildung ist diese Musik nicht zu gestalten“, meint der Pianist. „Vor allem die Fähigkeit, das Klangbild von einem Mo- ment auf den anderen zu verändern, das Stimmverhältnis neu zu balancie- ren, wird vom Haydn-Spieler verlangt.“ Markus Becker demonstriert am klingenden Beispiel, wie er sich das vorstellt, und man möchte diesen frischen, so gar nicht musealen Haydn immer wieder hören - und, bitte, bald mehr davon!
Dienstag, 14. Februar 2017
Da Pacem - Echo der Reformation (Deutsche Harmonia Mundi)
Zum 500. Jubiläum der Reformation ist nun eine ganz besondere CD erschienen. Der Rias Kammerchor hat sich dazu mit der Capelle de la Torre zusammengetan; es dirigiert Florian Helgath, ein erfahrener und etablierter Chorleiter. Er hat auch mit dem Rias Kammerchor bereits mehrfach zusammengearbeitet, und ist daher mit dem leistungsstarken Ensemble bestens vertraut – was nicht schaden kann, wenn man sich einem Repertoire zuwendet, das zwar prächtig klingt, aber seine Tücken hat. Denn zum einen liegt Musik aus dem 16. Jahrhundert üblicherweise nicht besonders häufig auf dem Pult eines Profi-Chorsängers. Zum anderen lebt das mehrchörige Musizieren nicht zuletzt von der Präzision, mit der alle Beteiligten zusammenwirken. Helgath freilich navigiert mit sicherer Hand durch die Klangfluten beispielsweise der Magnificat-Kompositionen von Giovanni Gabrieli und Michael Preatorius.
Der Rias Kammerchor singt hinreißend, so als wäre er auf „Alte“ Musik spezialisiert. Und die Sängerinnen und Sänger gestalten auch die Soli bestens – man höre nur das Kleine geistliche Konzert SWV 285 von Heinrich Schütz, das von der Sopranistin Anja Petersen wunderbar vor- gestellt wird. Die Musiker der Capelle de la Torre um Katharina Bäuml leisten ebenfalls einen beeindruckenden Beitrag zur Klangpracht.
Die ausgewählten Werke bedeutender Komponisten, wie Orlando di Lasso, Heinrich Schütz, Claudio Monteverdi oder Luca Marenzio verdeutlichen, dass auch nach der Reformation eigentlich die Gemeinsamkeiten deutlich stärker waren als das Trennende. Ob italienische oder deutsche Musiker, ob katholisch oder evangelisch – auf die Noten wirken sich diese Unter- schiede kaum aus. Wie prophetisch und dringlich die Bitte der Sänger um Frieden an der Schwelle zum 17. Jahrhundert war, das zeigte sich leider sehr bald. Denn mit dem Prager Fenstersturz im Jahre 1618 begann ein verheerender Krieg, der 30 Jahre dauerte, und ganz Mitteleuropa ver- wüstete.
Der Rias Kammerchor singt hinreißend, so als wäre er auf „Alte“ Musik spezialisiert. Und die Sängerinnen und Sänger gestalten auch die Soli bestens – man höre nur das Kleine geistliche Konzert SWV 285 von Heinrich Schütz, das von der Sopranistin Anja Petersen wunderbar vor- gestellt wird. Die Musiker der Capelle de la Torre um Katharina Bäuml leisten ebenfalls einen beeindruckenden Beitrag zur Klangpracht.
Die ausgewählten Werke bedeutender Komponisten, wie Orlando di Lasso, Heinrich Schütz, Claudio Monteverdi oder Luca Marenzio verdeutlichen, dass auch nach der Reformation eigentlich die Gemeinsamkeiten deutlich stärker waren als das Trennende. Ob italienische oder deutsche Musiker, ob katholisch oder evangelisch – auf die Noten wirken sich diese Unter- schiede kaum aus. Wie prophetisch und dringlich die Bitte der Sänger um Frieden an der Schwelle zum 17. Jahrhundert war, das zeigte sich leider sehr bald. Denn mit dem Prager Fenstersturz im Jahre 1618 begann ein verheerender Krieg, der 30 Jahre dauerte, und ganz Mitteleuropa ver- wüstete.
Sonntag, 12. Februar 2017
Anna Netrebko - Verismo (Deutsche Grammophon)
Mit ihrem neuen Album „Verismo“ geht Anna Netrebko ihren Weg hin zum dramatischen Sopran ein Stück weiter. Musikalische Unterstützung erhält die Sängerin dabei von Chor und Orchester der Accademia Nazionale di Santa Cecilia unter Leitung von Antonio Pappano sowie von ihrem Ehemann, dem Tenor Yusif Eyvazov. Letzterer ist insbesondere im vierten Akt von Puccinis Oper Manon Lescaut in aller Breite zu hören – was nicht entzückt, ganz ehrlich; als Sänger ist er jedenfalls nicht Oberliga.
Opern von Giacomo Puccini (1858 bis 1924) stehen im Zentrum dieses Albums. Anna Netrebko singt Un bel di vedremo aus Madame Butterfly, Vissi d'arte, vissi d'amore aus Tosca, In quelle trine morbide sowie den kompletten vierten Akt aus Manon Lescaut, und zwei Arien aus Puccinis letzter Oper Turandot. Damit gibt die Sängerin zwei unterschiedlichen Figuren Gestalt: Liù, eine Sklavin, die den Tatarenherrscher Timur auf der Flucht begleitet – und seinen Sohn Kalaf liebt. Und Turandot, eine chinesische Prinzessin, die sich ganz dem Andenken an ihre Ahnfrau verschrieben hat, die vor Jahrhunderten von den Tataren verschleppt und getötet worden ist. Um sie zu rächen, will die junge Dame jeden Mann hinrichten lassen, der es wagt, um ihre Hand zu werben.
Liù, erfüllt von Demut und Liebe, und Turandot, voll Hass und Hochmut – gegensätzlicher können Opernheldinnen kaum sein. Das würde man gern hören, doch in diesem Punkt wird man enttäuscht. Ausdruck ist nicht die Stärke von Anna Netrebko. Ihre Stimme hat sich entwickelt; sie ist dunkler und schwerer geworden. Aber das Titelbild, das die Sopranistin mit einer unglaublich kitschigen Talmi-Krone und mit verlaufenen Konturen porträtiert, erweist sich in diesem Falle leider als prophetisch. Die einzige Partie aus dieser Auswahl, die die Sängerin auf der Bühne bereits gesungen hat, ist die der Manon. Ob man sich wirklich darauf freuen kann, sie eines Tages als Tosca oder als Nedda zu hören, das wird die Zukunft zeigen.
Wer es hören mag – ergänzt wird diese CD durch Arien aus Adriana Lecouvreur von Francesco Cilea, Andrea Chénier von Umberto Giordano, Pagliacci von Ruggero Leoncavallo, La Wally von Alfredo Catalani. Mefistofele von Arrigo Boito und La Gioconda von Amilcare Ponchielli. Verkaufen wird sich das Album ohnehin, denn Anna Netrebko hat enorm viele Fans. Und wer sich Karten in Salzburg leisten kann, der kauft viel- leicht auch die Luxus-Edition, mit Seidentüchlein von Chopard.
Opern von Giacomo Puccini (1858 bis 1924) stehen im Zentrum dieses Albums. Anna Netrebko singt Un bel di vedremo aus Madame Butterfly, Vissi d'arte, vissi d'amore aus Tosca, In quelle trine morbide sowie den kompletten vierten Akt aus Manon Lescaut, und zwei Arien aus Puccinis letzter Oper Turandot. Damit gibt die Sängerin zwei unterschiedlichen Figuren Gestalt: Liù, eine Sklavin, die den Tatarenherrscher Timur auf der Flucht begleitet – und seinen Sohn Kalaf liebt. Und Turandot, eine chinesische Prinzessin, die sich ganz dem Andenken an ihre Ahnfrau verschrieben hat, die vor Jahrhunderten von den Tataren verschleppt und getötet worden ist. Um sie zu rächen, will die junge Dame jeden Mann hinrichten lassen, der es wagt, um ihre Hand zu werben.
Liù, erfüllt von Demut und Liebe, und Turandot, voll Hass und Hochmut – gegensätzlicher können Opernheldinnen kaum sein. Das würde man gern hören, doch in diesem Punkt wird man enttäuscht. Ausdruck ist nicht die Stärke von Anna Netrebko. Ihre Stimme hat sich entwickelt; sie ist dunkler und schwerer geworden. Aber das Titelbild, das die Sopranistin mit einer unglaublich kitschigen Talmi-Krone und mit verlaufenen Konturen porträtiert, erweist sich in diesem Falle leider als prophetisch. Die einzige Partie aus dieser Auswahl, die die Sängerin auf der Bühne bereits gesungen hat, ist die der Manon. Ob man sich wirklich darauf freuen kann, sie eines Tages als Tosca oder als Nedda zu hören, das wird die Zukunft zeigen.
Wer es hören mag – ergänzt wird diese CD durch Arien aus Adriana Lecouvreur von Francesco Cilea, Andrea Chénier von Umberto Giordano, Pagliacci von Ruggero Leoncavallo, La Wally von Alfredo Catalani. Mefistofele von Arrigo Boito und La Gioconda von Amilcare Ponchielli. Verkaufen wird sich das Album ohnehin, denn Anna Netrebko hat enorm viele Fans. Und wer sich Karten in Salzburg leisten kann, der kauft viel- leicht auch die Luxus-Edition, mit Seidentüchlein von Chopard.
Samstag, 11. Februar 2017
Vivaldi: The Four Seasons; Standage (CRD)
Eine schöne alte
Aufnahme aus dem Jahre 1978 ist nun wieder zugäng- lich: Das Ensemble
The English Concert spielt mit seinem Konzert- meister Simon Standage
unter Leitung von Trevor Pinnock Konzerte von Antonio Vivaldi. Zu
hören sind Die vier Jahreszeiten, sowie La Tempesta di Mare RV 253 –
eigentlich ein Flötenkonzert – und das Konzert RV 180, Il Piacere.
Gegründet 1972, gehörte The English Concert
zu den Pionieren der historischen Aufführungspraxis, die auf „alten“
Instrumenten musizierten und versuchten, dabei auch längst
vergessene Spieltechniken wieder zu rekonstruieren.
Trevor Pinnock, noch immer aktiv als Cembalist und Dirigent, feierte
im Dezember 2016 seinen 70. Geburtstag – wir gratulieren noch
nachträglich!
Freitag, 10. Februar 2017
Liszt: Hungarian Rhapsodies (Piano Classics)
Vincenzo Maltempo, ein Pianist mit besonderem Faible für technisch anspruchsvolle romantische Klavier- werke abseits des Mainstreams, präsentiert auf dieser Doppel-CD die Ungarischen Rhapsodien von Franz Liszt (1811 bis 1886). Sie stehen in dem Ruf, musikalische Zirkus- nummern zu sein, die der Virtuose nur geschrieben hat, um eben diese Virtuosität zur Schau zu stellen.
Mit seiner Interpretation hinterfragt Maltempo dieses Urteil; er liest die Ungarischen Rhapsodien als Werke eines sensiblen Romantikers und so spielt er sie auch – sehr ernsthaft, sehr sorgfältig, und für meinen Geschmack fast ein wenig zu technisch. Der Ausdruck kommt mir hier zu kurz. Schade.
Mit seiner Interpretation hinterfragt Maltempo dieses Urteil; er liest die Ungarischen Rhapsodien als Werke eines sensiblen Romantikers und so spielt er sie auch – sehr ernsthaft, sehr sorgfältig, und für meinen Geschmack fast ein wenig zu technisch. Der Ausdruck kommt mir hier zu kurz. Schade.
Donnerstag, 9. Februar 2017
Kozeluch: Piano Concertos Nos 1, 5 & 6 (Hyperion)
Wenn es die Reihe Das klassische Klavierkonzert bei Hyperion nicht gäbe, dann müsste man sie erfinden. Howard Shelley, Spiritus rector dieses Projektes, hat dafür mittler- weile so einige vergessene, aber durchaus hörenswerte Musikstücke aus der Zeit der Wiener Klassik aufgespürt und eingespielt. Zunehmend wird deutlich, dass nicht nur zur Zeit Beethovens und Mozarts, sondern auch in den darauffolgenden Jahrzehnten etliche Komponisten durchaus Beachtliches geschaffen haben. Diese Musik, die im Schatten der großen Heroen vollkommen aus dem Blick verschwunden war, wieder ans Licht und vor allem auch vors Publikum zu bringen, das hat sich Shelley zum Ziel gesetzt – beteiligt ist er auch an der Schwesterreihe Das romantische Klavierkonzert, die mittlerweile immerhin 70 (!) Veröffent- lichungen umfasst.
Das klassische Klavierkonzert hat erst die vierte Ausgabe erreicht. Nach Johann Ludwig Dussek, Daniel Steibelt, Franz Xaver Mozart und Muzio Clementi wendet sich Shelley diesmal den Klavierwerken Leopold Antonín Koželuchs (1747 bis 1818) zu. Sein Name ist heute nur noch Musikhisto- rikern bekannt – und doch waren sich einst die Zeitgenossen einig: „Leopold Kozeluch ist ohne Widerrede, bey jung und alt, der allgemein beliebteste, unter unsern itzt lebenden Komponisten und das mit allem Recht“, so urteilte beispielsweise Ernst Gerber im Lexikon der Tonkünstler.
Der Musiker, der aus Böhmen stammte, besuchte das Gymnasium in Prag und studierte anschließend Jura – ohne freilich seine musikalische Ausbildung zu vernachlässigen. Unterricht erhielt er unter anderem bei seinem Cousin Jan Antonín Koželuh und bei Franz Xaver Dussek. Nachdem es ihm gelungen war, sich mit ersten Werken für das Prager Nationaltheater einen Namen zu machen, gab er das Studium auf. 1778 zog Koželuch nach Wien, wo er vom Adel als Virtuose, Komponist und als Klavierlehrer geschätzt wurde. Innerhalb kürzester Zeit war er etabliert; 1781 lehnte er ohne Zögern das Angebot ab, als Nachfolger Mozarts Hoforganist in Salzburg zu werden.
Koželuchs berühmteste Schülerinnen waren Erzherzogin Maria Elisabeth, eine Tochter der Kaiserin, und Maria Theresia Paradis (1759 bis 1824), eine blinde Pianistin, für die auch Mozart komponierte. Der Hof schätzte den Musiker: 1792 wurde Koželuch zum Kammerkapellmeister und Hofkomponisten auf Lebenszeit ernannt. Geschaffen hat er etwa 400 Kompositionen, darunter mehr als 40 Klavierkonzerte, 30 Sinfonien und eine Vielzahl von Sonaten. Nicht wenige davon veröffentlichte er im eigenen Musikverlag.
Wer auf die Idee gekommen ist, ihn deshalb einen Vielschreiber zu schelten, der hat nicht erkannt, dass die Musik des Böhmen, mitunter verspielt und galant, teilweise aber auch an Werke Beethovens und Schuberts erinnernd, ausgesprochen reizvoll ist. „Den Charakter seiner Werke bezeichnen Munterkeit und Grazie, die edelste Melodie mit der reinsten Verbindung und gefälligsten Ordnung in Absicht der Rhytmik und Modulation“, so schrieb Gerber.
Howard Shelley zelebriert die bezaubernden Melodielinien Koželuchs ebenfalls mit Munterkeit und Grazie; der Pianist spielt einfach hinreißend. Etwas weniger begeistern mich die London Mozart Players, die bei dieser Aufnahme den Orchesterpart übernommen haben. Sie könnten durchaus pointierter, präziser und inspirierter musizieren. Aber insgesamt lohnt sich die Aufnahme sehr. Hyperion ist doch immer wieder für eine Überraschung gut.
Das klassische Klavierkonzert hat erst die vierte Ausgabe erreicht. Nach Johann Ludwig Dussek, Daniel Steibelt, Franz Xaver Mozart und Muzio Clementi wendet sich Shelley diesmal den Klavierwerken Leopold Antonín Koželuchs (1747 bis 1818) zu. Sein Name ist heute nur noch Musikhisto- rikern bekannt – und doch waren sich einst die Zeitgenossen einig: „Leopold Kozeluch ist ohne Widerrede, bey jung und alt, der allgemein beliebteste, unter unsern itzt lebenden Komponisten und das mit allem Recht“, so urteilte beispielsweise Ernst Gerber im Lexikon der Tonkünstler.
Der Musiker, der aus Böhmen stammte, besuchte das Gymnasium in Prag und studierte anschließend Jura – ohne freilich seine musikalische Ausbildung zu vernachlässigen. Unterricht erhielt er unter anderem bei seinem Cousin Jan Antonín Koželuh und bei Franz Xaver Dussek. Nachdem es ihm gelungen war, sich mit ersten Werken für das Prager Nationaltheater einen Namen zu machen, gab er das Studium auf. 1778 zog Koželuch nach Wien, wo er vom Adel als Virtuose, Komponist und als Klavierlehrer geschätzt wurde. Innerhalb kürzester Zeit war er etabliert; 1781 lehnte er ohne Zögern das Angebot ab, als Nachfolger Mozarts Hoforganist in Salzburg zu werden.
Koželuchs berühmteste Schülerinnen waren Erzherzogin Maria Elisabeth, eine Tochter der Kaiserin, und Maria Theresia Paradis (1759 bis 1824), eine blinde Pianistin, für die auch Mozart komponierte. Der Hof schätzte den Musiker: 1792 wurde Koželuch zum Kammerkapellmeister und Hofkomponisten auf Lebenszeit ernannt. Geschaffen hat er etwa 400 Kompositionen, darunter mehr als 40 Klavierkonzerte, 30 Sinfonien und eine Vielzahl von Sonaten. Nicht wenige davon veröffentlichte er im eigenen Musikverlag.
Wer auf die Idee gekommen ist, ihn deshalb einen Vielschreiber zu schelten, der hat nicht erkannt, dass die Musik des Böhmen, mitunter verspielt und galant, teilweise aber auch an Werke Beethovens und Schuberts erinnernd, ausgesprochen reizvoll ist. „Den Charakter seiner Werke bezeichnen Munterkeit und Grazie, die edelste Melodie mit der reinsten Verbindung und gefälligsten Ordnung in Absicht der Rhytmik und Modulation“, so schrieb Gerber.
Howard Shelley zelebriert die bezaubernden Melodielinien Koželuchs ebenfalls mit Munterkeit und Grazie; der Pianist spielt einfach hinreißend. Etwas weniger begeistern mich die London Mozart Players, die bei dieser Aufnahme den Orchesterpart übernommen haben. Sie könnten durchaus pointierter, präziser und inspirierter musizieren. Aber insgesamt lohnt sich die Aufnahme sehr. Hyperion ist doch immer wieder für eine Überraschung gut.
Mittwoch, 8. Februar 2017
An Italian in Vienna (Sono Luminus)
Als Mauro Giuliani (1781 bis 1829), ein italienischer Gitarrenvirtuose, erkannte, dass in seiner opernverrück- ten Heimat das Publikum nicht für sein Instrument zu begeistern ist, ging er uns Ausland: 1806 ließ er sich in Wien nieder, wo er mit großem Erfolg Konzerte gab, und bald auch als Gitarrenlehrer und als Komponist sehr gefragt war. Giuliani war mit vielen Musikerkollegen befreundet; aller- dings musste er 1819 Wien Hals über Kopf verlassen. Er hinterließ einen Haufen Schulden, und kehrte zurück nach Italien.
Doch weder in Venedig noch in Rom fand er dieselbe Beachtung wie in Wien. Schließlich orientierte er sich nach Neapel, wo die Bourbonen residierten (und wo er sich um seinen schwer erkrankten Vater kümmern musste). Dort starb er, viel zu früh. Er schuf etwa 150 Werke, überwiegend für die Gitarre, darunter drei Gitarrenkonzerte.
Seine Musik kombiniert Wiener Klassik und mediterrane Anmut. Wie stark ihn seine Wahlheimat inspiriert hat, das zeigen Louise Schulman und Bill Zito auf der vorliegenden CD. Zu hören sind das Grand Duo Concertante in A-Dur, op. 85, die Serenade in G-Dur, op. 127, die Grande Sérénade in D-Dur, op. 82 und das Gran Duetto Concertante in A-Dur, op. 52. Diese Werke sind eigentlich für Flöte und Gitarre entstanden. Sie werden hier auf Bratsche und Gitarre vorgetragen, wobei mir diese Variante am besten dort gefällt, wo Louise Schulman nicht versucht, eine Violine zu imitieren, sondern ganz bewusst den tieferen und sonoren Klang ihres Instrumentes einsetzt. Wirklich reizvoll!
Doch weder in Venedig noch in Rom fand er dieselbe Beachtung wie in Wien. Schließlich orientierte er sich nach Neapel, wo die Bourbonen residierten (und wo er sich um seinen schwer erkrankten Vater kümmern musste). Dort starb er, viel zu früh. Er schuf etwa 150 Werke, überwiegend für die Gitarre, darunter drei Gitarrenkonzerte.
Seine Musik kombiniert Wiener Klassik und mediterrane Anmut. Wie stark ihn seine Wahlheimat inspiriert hat, das zeigen Louise Schulman und Bill Zito auf der vorliegenden CD. Zu hören sind das Grand Duo Concertante in A-Dur, op. 85, die Serenade in G-Dur, op. 127, die Grande Sérénade in D-Dur, op. 82 und das Gran Duetto Concertante in A-Dur, op. 52. Diese Werke sind eigentlich für Flöte und Gitarre entstanden. Sie werden hier auf Bratsche und Gitarre vorgetragen, wobei mir diese Variante am besten dort gefällt, wo Louise Schulman nicht versucht, eine Violine zu imitieren, sondern ganz bewusst den tieferen und sonoren Klang ihres Instrumentes einsetzt. Wirklich reizvoll!
Paul Badura-Skoda plays Franz Schubert (Genuin)
Erneut sind beeindruckende Einspielungen von Klassikern des Klavierrepertoires durch Paul Badura-Skoda bei Genuin erschienen. Die erste Doppel-CD, die hier vorgestellt werden soll, gilt dem Schaffen Ludwig van Beethovens (1770 bis 1827). Sie vereint die drei letzten Klaviersonaten des Komponisten, in einer Aufnahme, die 2013 im Joseph-Haydn-Konservatorium Eisenstadt entstanden ist, und die Große Sonate für das Hammerklavier op. 106 in einem Konzertmitschnitt, der im Juni 1976 in der Filharmonia Narodowa in Warschau aufgezeichnet wurde.
Eine weitere CD, es ist die jüngste der drei, porträtiert den heiteren Franz Schubert (1797 bis 1828). Wir erleben den Musiker in der Sommerfrische: „Dir die Lieblichkeit dieses Tals zu beschreiben, ist beinahe unmöglich“, so begeistert schilderte Schubert 1825 sein Feriendomizil in einem Brief an seinen Bruder Ferdinand. „Denke Dir einen Garten, der mehrere Meilen im Umfange hat, in diesem unzählige Schlösser und Güter, die aus den Bäumen heraus oder durchschauen, denke Dir einen Fluß, der sich auf die mannigfaltigste Weise durchschlängelt, denke Dir Wiesen und Äcker, wie eben viele Teppiche von den schönsten Farben, dann die Straßen, die sich wie Bänder um die herumschlingen, und endlich stundenlange Alleen von ungeheuren Bäumen, dieses Alles von einer unabsehbaren Reihe von den höchsten Bergen umschlossen, als wären sie die Wächter deses himmlischen Tals, denke Dir dieses, so hast Du einen schwachen Begriff von seiner unaussprechlichen Schönheit.“ Während seines Aufenthaltes in diesem Paradies, in Bad Gastein, komponierte Schubert die D-Dur-Sonate D 850; fast scheint es, dass er die Freude an dieser idyllischen Landschaft in eine Freude an Klängen und Harmonien übersetzt hat. Paul Badura-Skoda musiziert, indem er einerseits die Werke beinahe philosophisch ausdeutet; er unterlegt Themen gern sogar Liedtexte. Er liest zudem den Notentext ausgesprochen aufmerksam, und gestaltet sorgsam, bis ins kleinste Detail.
Die Aufnahme der Gastein-Sonate ist 2015 bei Bösendorfer in Wien entstanden. Ergänzt wird sie durch die Drei Klavierstücke D 946 aus Schuberts Todesjahr 1828, eingespielt 2014 in Eisenstadt. Wie bei allen seinen Aufnahmen, hat Paul Badura-Skoda auch in diesem Falle einen sehr lesenswerten Kommentar zum Werk verfasst, der im Beiheft abgedruckt ist.
Die Anmerkungen des Pianisten vermitteln Hintergrundinformationen zu den jeweiligen Musikstücken, und sie erläutern kurz und knapp seine Auffasssungen zu Deutung und Interpretation. Wozu er sich in diesen Texten nicht äußert, das ist die Auswahl des Instrumentes. Diesem Thema hat Badura-Skoda aber eine weitere Doppel-CD gewidmet – und dort sind die Drei Klavierstücke D 946 noch einmal zu hören, interpretiert diesmal nicht aus einem Steinway D, wie in der Eisenstädter Aufnahme, sondern auf einem Hammerflügel von Conrad Graf, angefertigt um 1826. Er befindet sich in der Sammlung der Irnberger Foundation in Salzburg, wo diese Aufnahme 2011 entstanden ist. Auf diesem Instrument hat der Pianist auch die Sonate B-Dur D 960 eingespielt. Sie erklingt noch zwei Mal, zum Vergleich – gespielt von Paul Badura-Skoda auf einem modernen Steinway und auf einem älteren Bösendorfer Imperial, die sich in seinem Besitz befinden. Warum gleich drei Versionen? „Weil dieses Werk so unauslotbar ist, dass auch das vollkommenste Klavier ihm nicht ganz gerecht wird“, erklärt der Pianist im Beiheft. „In jeder der drei neuen Aufnahmen kommen verschiedene Facetten zum Ausdruck, die dem jeweiligen Instrument ent- lockt werden konnten, wie etwa der farbenreiche Klang des Hammerflü- gels, der edle Klang des Steinways, der samtene Ton des Bösendorfers.“
Eine weitere CD, es ist die jüngste der drei, porträtiert den heiteren Franz Schubert (1797 bis 1828). Wir erleben den Musiker in der Sommerfrische: „Dir die Lieblichkeit dieses Tals zu beschreiben, ist beinahe unmöglich“, so begeistert schilderte Schubert 1825 sein Feriendomizil in einem Brief an seinen Bruder Ferdinand. „Denke Dir einen Garten, der mehrere Meilen im Umfange hat, in diesem unzählige Schlösser und Güter, die aus den Bäumen heraus oder durchschauen, denke Dir einen Fluß, der sich auf die mannigfaltigste Weise durchschlängelt, denke Dir Wiesen und Äcker, wie eben viele Teppiche von den schönsten Farben, dann die Straßen, die sich wie Bänder um die herumschlingen, und endlich stundenlange Alleen von ungeheuren Bäumen, dieses Alles von einer unabsehbaren Reihe von den höchsten Bergen umschlossen, als wären sie die Wächter deses himmlischen Tals, denke Dir dieses, so hast Du einen schwachen Begriff von seiner unaussprechlichen Schönheit.“ Während seines Aufenthaltes in diesem Paradies, in Bad Gastein, komponierte Schubert die D-Dur-Sonate D 850; fast scheint es, dass er die Freude an dieser idyllischen Landschaft in eine Freude an Klängen und Harmonien übersetzt hat. Paul Badura-Skoda musiziert, indem er einerseits die Werke beinahe philosophisch ausdeutet; er unterlegt Themen gern sogar Liedtexte. Er liest zudem den Notentext ausgesprochen aufmerksam, und gestaltet sorgsam, bis ins kleinste Detail.
Die Aufnahme der Gastein-Sonate ist 2015 bei Bösendorfer in Wien entstanden. Ergänzt wird sie durch die Drei Klavierstücke D 946 aus Schuberts Todesjahr 1828, eingespielt 2014 in Eisenstadt. Wie bei allen seinen Aufnahmen, hat Paul Badura-Skoda auch in diesem Falle einen sehr lesenswerten Kommentar zum Werk verfasst, der im Beiheft abgedruckt ist.
Die Anmerkungen des Pianisten vermitteln Hintergrundinformationen zu den jeweiligen Musikstücken, und sie erläutern kurz und knapp seine Auffasssungen zu Deutung und Interpretation. Wozu er sich in diesen Texten nicht äußert, das ist die Auswahl des Instrumentes. Diesem Thema hat Badura-Skoda aber eine weitere Doppel-CD gewidmet – und dort sind die Drei Klavierstücke D 946 noch einmal zu hören, interpretiert diesmal nicht aus einem Steinway D, wie in der Eisenstädter Aufnahme, sondern auf einem Hammerflügel von Conrad Graf, angefertigt um 1826. Er befindet sich in der Sammlung der Irnberger Foundation in Salzburg, wo diese Aufnahme 2011 entstanden ist. Auf diesem Instrument hat der Pianist auch die Sonate B-Dur D 960 eingespielt. Sie erklingt noch zwei Mal, zum Vergleich – gespielt von Paul Badura-Skoda auf einem modernen Steinway und auf einem älteren Bösendorfer Imperial, die sich in seinem Besitz befinden. Warum gleich drei Versionen? „Weil dieses Werk so unauslotbar ist, dass auch das vollkommenste Klavier ihm nicht ganz gerecht wird“, erklärt der Pianist im Beiheft. „In jeder der drei neuen Aufnahmen kommen verschiedene Facetten zum Ausdruck, die dem jeweiligen Instrument ent- lockt werden konnten, wie etwa der farbenreiche Klang des Hammerflü- gels, der edle Klang des Steinways, der samtene Ton des Bösendorfers.“
Sonntag, 5. Februar 2017
Smetana: Piano works (Supraphon)
Auf insgesamt sieben CD hat Jitka Čechová die komplette Klaviermusik von Bedřich Smetana (1824 bis 1884) eingespielt – wenig bekannt, aber dennoch der umfangreichste Teil seines Gesamtwerkes.
Diese CD stellt uns die Anfänge vor – es sind die frühesten Stücke des Kom- ponisten, aus Kindheit und Jugend- zeit, die überliefert sind. Den Galopp D-Dur beispielweise improvisierte er als Kind; notiert wurde das Stück von einem Lehrer. Auch Werke aus Gymnasiastentagen sowie aus Smetanas Studienzeit sind zu hören, wie die Louisen-Polka, Aus dem Studentenleben oder Erinnerung an Pilsen. Die acht kurzen Bagatellen und Impromptus aus dem Jahre 1844 sind wohl mit die ersten „richtigen“ Werke des jungen Mannes, entstanden während eines Aufenthaltes in der Sommerresidenz des Grafen Thun-Hohenstein, bei dem Smetana als Musiklehrer angestellt war – was ihm die Möglichkeit gab, bei Joseph Proksch Komposition zu studieren. Aber damit beginnt schon wieder ein anderes Kapitel.
Jitka Čechová gestaltet alle Stücke gleichermaßen sorgfältig. Unter ihren Händen wird noch der trivialste Lauf Musik – und mit ihrer liebevollen Interpretation macht sie aus den Tänzen und aus jenen Werken, die man heute üblicherweise, naserümpfend, als „Salonmusik“ beiseite legen würde, ein Hörvergnügen. Sehr gelungen!
Diese CD stellt uns die Anfänge vor – es sind die frühesten Stücke des Kom- ponisten, aus Kindheit und Jugend- zeit, die überliefert sind. Den Galopp D-Dur beispielweise improvisierte er als Kind; notiert wurde das Stück von einem Lehrer. Auch Werke aus Gymnasiastentagen sowie aus Smetanas Studienzeit sind zu hören, wie die Louisen-Polka, Aus dem Studentenleben oder Erinnerung an Pilsen. Die acht kurzen Bagatellen und Impromptus aus dem Jahre 1844 sind wohl mit die ersten „richtigen“ Werke des jungen Mannes, entstanden während eines Aufenthaltes in der Sommerresidenz des Grafen Thun-Hohenstein, bei dem Smetana als Musiklehrer angestellt war – was ihm die Möglichkeit gab, bei Joseph Proksch Komposition zu studieren. Aber damit beginnt schon wieder ein anderes Kapitel.
Jitka Čechová gestaltet alle Stücke gleichermaßen sorgfältig. Unter ihren Händen wird noch der trivialste Lauf Musik – und mit ihrer liebevollen Interpretation macht sie aus den Tänzen und aus jenen Werken, die man heute üblicherweise, naserümpfend, als „Salonmusik“ beiseite legen würde, ein Hörvergnügen. Sehr gelungen!
Platti: 6 Trio Sonatas for violin, violoncello and continuo (MDG)
Giovanni Benedetto Platti (1697? bis 1763) komponierte die sechs Trioso- naten auf dieser CD für Violine, Violoncello und Basso continuo – was eine Besonderheit ist, denn normalerweise hatte das Cello seinerzeit seinen Platz im Continuo, nicht aber unter den Melodie- instrumenten. Der Grund dafür liegt in der Person des Auftraggebers: Graf Rudolf Franz Erwein von Schönborn-Wiesentheid war ein leidenschaft- licher Cellist. Seine umfangreiche Musikaliensammlung ist im Schlossarchiv überliefert. Sie enthält 60 Werke Plattis, aber auch Kompositionen von Vivaldi und vielen anderen.
Platti stammte aus Padua, und er absolvierte eine umfangreiche musika- lische Ausbildung, vom Gesang über das Musizieren auf Oboe und Violine bis hin zur Komposition. Noch in Italien lernte er das damals neue und spektakuläre Hammerklavier kennen, und schrieb speziell dafür Sonaten.
1722 ging Platti nach Würzburg, wo er als oboista in der Hofkapelle des Fürstbischofs Johann Philipp Franz von Schönborn musizierte. Dieser spielte selbst Geige, und hatte in Rom die italienische Musik kennen und schätzen gelernt. Allerdings starb er bereits 1724. Sein Nachfolger Franz von Hutten hatte keinerlei musikalische Ambitionen. Trotz Kündigung blieb Platti in Würzburg; er war mit einer Hofsängerin verheiratet, und fand offenbar eine alternative Beschäftigung als musikalischer Berater und Hauskomponist des Grafen Rudolf Franz Erwein, einem Bruder des verstorbenen Fürstbischofs.
Auch Franz von Hutten starb bald; ab 1729 spielte Platti in der Hofkapelle seines Nachfolgers Friedrich Carl von Schönborn Oboe und Geige, und war zugleich für die Ausbildung der Sänger zuständig. Ob er für den Fürst- bischof auch komponiert hat, das lässt sich heute nicht mehr feststellen; das bischöfliche Archiv wurde im Zweiten Weltkrieg ein Raub der Flam- men – und damit sind auch die Notenbestände der Hofkapelle verloren.
Um so erfreulicher ist es, dass die Musikaliensammlung des Grafen Rudolf Franz Erwein erhalten geblieben ist. In den letzten Jahren haben bereits einige Musiker begonnen, die Schätze, die im Wiesentheider Notenschrank schlummern, dem Publikum vorzustellen. Sechs von Plattis 20 Triosonaten wurden 1995 als Faksimile veröffentlicht – und nun vom Ensemble Armo- nioso bei Dabringhaus und Grimm eingespielt. Zu hören sind Francesco Ferrato, Violine, Stefano Ferrato, Violoncello, Marco Demaria, Continuo-Cello, Michele Barchi, Cembalo und Daniele Feretti, Truhenorgel.
Platti stammte aus Padua, und er absolvierte eine umfangreiche musika- lische Ausbildung, vom Gesang über das Musizieren auf Oboe und Violine bis hin zur Komposition. Noch in Italien lernte er das damals neue und spektakuläre Hammerklavier kennen, und schrieb speziell dafür Sonaten.
1722 ging Platti nach Würzburg, wo er als oboista in der Hofkapelle des Fürstbischofs Johann Philipp Franz von Schönborn musizierte. Dieser spielte selbst Geige, und hatte in Rom die italienische Musik kennen und schätzen gelernt. Allerdings starb er bereits 1724. Sein Nachfolger Franz von Hutten hatte keinerlei musikalische Ambitionen. Trotz Kündigung blieb Platti in Würzburg; er war mit einer Hofsängerin verheiratet, und fand offenbar eine alternative Beschäftigung als musikalischer Berater und Hauskomponist des Grafen Rudolf Franz Erwein, einem Bruder des verstorbenen Fürstbischofs.
Auch Franz von Hutten starb bald; ab 1729 spielte Platti in der Hofkapelle seines Nachfolgers Friedrich Carl von Schönborn Oboe und Geige, und war zugleich für die Ausbildung der Sänger zuständig. Ob er für den Fürst- bischof auch komponiert hat, das lässt sich heute nicht mehr feststellen; das bischöfliche Archiv wurde im Zweiten Weltkrieg ein Raub der Flam- men – und damit sind auch die Notenbestände der Hofkapelle verloren.
Um so erfreulicher ist es, dass die Musikaliensammlung des Grafen Rudolf Franz Erwein erhalten geblieben ist. In den letzten Jahren haben bereits einige Musiker begonnen, die Schätze, die im Wiesentheider Notenschrank schlummern, dem Publikum vorzustellen. Sechs von Plattis 20 Triosonaten wurden 1995 als Faksimile veröffentlicht – und nun vom Ensemble Armo- nioso bei Dabringhaus und Grimm eingespielt. Zu hören sind Francesco Ferrato, Violine, Stefano Ferrato, Violoncello, Marco Demaria, Continuo-Cello, Michele Barchi, Cembalo und Daniele Feretti, Truhenorgel.
Samstag, 4. Februar 2017
Biber: Missa Alleluja (Accent)
Warum sich Gunar Letzbor mit sei- nem Ensemble Ars Antiqua Austria immer wieder der Musik von Heinrich Ignaz Franz Biber (1644 bis 1704) zuwendet, das erklärt der Geiger im Beiheft zu dieser CD – kurz und bündig: „Ein Genie, dessen Lebens- geschichte noch größtenteils unerforscht ist, ein Violinvirtuose, der die Technik des Geigenspiels in Österreich auf eine unglaublich hohe Entwicklungsstufe emporgehoben hat, ein Mensch mit unglaublicher Fantasiefähigkeit und Mut zur Abstraktion.“
Biber wirkte erst in Kremsier und dann in Salzburg in der bischöflichen Hofkapelle. Über seinen Lebensweg wurde in diesem Blog bereits mehrfach berichtet; wer sich dafür interessiert, der findet die entsprechenden Texte am schnellsten durch Klicken auf das Schlagwort „Biber“. Auf der vorlie- genden CD kombiniert Letzbor einmal mehr Vokalmusik des Komponisten mit einem seiner hinreißenden Werke für die Geige.
Das Glanzstück dieser Einspielung ist, ohne Zweifel, die Missa Alleluja a 36 voci, eine groß besetzte Messe, mehrchörig und ausgesprochen pracht- voll, mit Pauken und Trompeten. Warum allerdings die Sängerbesetzung auf die Hälfte reduziert wurde, das ist mir ein Rätsel – Biber schreibt ausdrücklich 8 voci concerti, 8 voci ripieni, hier sind aber insgesamt nur neun Vokalisten zugange, die gegen die Instrumentalchöre oftmals leider etwas schwächlich klingen.
Zu loben sind allerdings die drei Sopranisten; Josef Pascal Auer, Simon Paul Bernhard und Daniel Mandl von den St. Florianer Sängerknaben können mit ihren strahlenden Knabenstimmen überzeugen. Alois Mühlbacher, der vor dem Stimmbruch mehrere Solo-CD mit teilweise abenteuerlichem Repertoire veröffentlicht hat – was er aber grandios bewältigte, unterstützt durch Chorleiter Franz Farnberger – ist nunmehr offensichtlich ins Countertenor-Fach gewechselt. Gemeinsam mit Markus Forster singt Mühlbacher Altus. Dazu gesellen sich die Tenöre Markus Miesenberger und Bernd Lambauer sowie Gerhard Kenda und Ulfried Staber, Bass. Es musiziert das Ensemble Ars Antiqua Austria, diesmal gleich mit zwei Orgelpositiven sowie mit einer ebenso brillanten wie kopfstarken Bläsergruppe. Sechs (!) Trompeten, drei Posaunen und zwei Zinke – das ist wirklich eine Luxusbesetzung; die Sänger haben aber leider ihre Not, sich gegen die beiden Bläserchöre zu behaupten.
Die beiden wundervollen Solokantaten Nisi Dominus und Hic est panis singt Gerhard Kenda, und man freut sich, endlich einmal wieder einen richtigen Bass zu hören; im Dialog mit Letzbors Violine sowie mit Erich Traxler, Orgel und beim Nisi Dominus auch mit Hubert Hoffmann, Theorbe. Eine Pastorella Bibers, von Letzbor aufgespürt in den legendären Notenbeständen des Wiener Minoritenklosters, führt den Zuhörer zudem direkt in das Weihnachtsgeschehen. Wir erleben, wie der Engel seine Botschaft verkündet, und wir treten mit den Hirten zur Krippe, die die Geburt Jesu ausgelassen feiern – natürlich vor dem Stall; das Kind soll ja nicht erschrecken.
Biber wirkte erst in Kremsier und dann in Salzburg in der bischöflichen Hofkapelle. Über seinen Lebensweg wurde in diesem Blog bereits mehrfach berichtet; wer sich dafür interessiert, der findet die entsprechenden Texte am schnellsten durch Klicken auf das Schlagwort „Biber“. Auf der vorlie- genden CD kombiniert Letzbor einmal mehr Vokalmusik des Komponisten mit einem seiner hinreißenden Werke für die Geige.
Das Glanzstück dieser Einspielung ist, ohne Zweifel, die Missa Alleluja a 36 voci, eine groß besetzte Messe, mehrchörig und ausgesprochen pracht- voll, mit Pauken und Trompeten. Warum allerdings die Sängerbesetzung auf die Hälfte reduziert wurde, das ist mir ein Rätsel – Biber schreibt ausdrücklich 8 voci concerti, 8 voci ripieni, hier sind aber insgesamt nur neun Vokalisten zugange, die gegen die Instrumentalchöre oftmals leider etwas schwächlich klingen.
Zu loben sind allerdings die drei Sopranisten; Josef Pascal Auer, Simon Paul Bernhard und Daniel Mandl von den St. Florianer Sängerknaben können mit ihren strahlenden Knabenstimmen überzeugen. Alois Mühlbacher, der vor dem Stimmbruch mehrere Solo-CD mit teilweise abenteuerlichem Repertoire veröffentlicht hat – was er aber grandios bewältigte, unterstützt durch Chorleiter Franz Farnberger – ist nunmehr offensichtlich ins Countertenor-Fach gewechselt. Gemeinsam mit Markus Forster singt Mühlbacher Altus. Dazu gesellen sich die Tenöre Markus Miesenberger und Bernd Lambauer sowie Gerhard Kenda und Ulfried Staber, Bass. Es musiziert das Ensemble Ars Antiqua Austria, diesmal gleich mit zwei Orgelpositiven sowie mit einer ebenso brillanten wie kopfstarken Bläsergruppe. Sechs (!) Trompeten, drei Posaunen und zwei Zinke – das ist wirklich eine Luxusbesetzung; die Sänger haben aber leider ihre Not, sich gegen die beiden Bläserchöre zu behaupten.
Die beiden wundervollen Solokantaten Nisi Dominus und Hic est panis singt Gerhard Kenda, und man freut sich, endlich einmal wieder einen richtigen Bass zu hören; im Dialog mit Letzbors Violine sowie mit Erich Traxler, Orgel und beim Nisi Dominus auch mit Hubert Hoffmann, Theorbe. Eine Pastorella Bibers, von Letzbor aufgespürt in den legendären Notenbeständen des Wiener Minoritenklosters, führt den Zuhörer zudem direkt in das Weihnachtsgeschehen. Wir erleben, wie der Engel seine Botschaft verkündet, und wir treten mit den Hirten zur Krippe, die die Geburt Jesu ausgelassen feiern – natürlich vor dem Stall; das Kind soll ja nicht erschrecken.
Mittwoch, 1. Februar 2017
Bach: Das wohltemperierte Klavier 1; Schlüter (Hänssler Classic)
„Bach ist mein Herzenskomponist, weil er seine Werke, über tausend davon, bewusst mit Soli Deo Gloria versah: Allein Gott die Ehre, dies mit Leidenschaft, Fleiß, Konsequenz und Hartnäckigkeit“, schreibt Ann-Helena Schlüter in ihrem Geleitwort zu dieser CD. Die junge Pianistin, Tochter und Schülerin des Pianisten und Klavierpädagogen Karl-Heinz Schlüter, promoviert derzeit an der Universität Leipzig über Die Kunst der Fuge. Auf CD hat sie, unter anderem, bereits dieses Werk sowie die Goldberg-Variationen eingespielt. Nun lässt sie den ersten Band des Wohltemperierten Klaviers folgen.
Ann-Helena Schlüter musiziert virtuos, heiter, schwungvoll. Für meinen Geschmack ist diese Einspielung aber ein wenig zu fröhlich, und nicht differenziert genug. Die Fans wird das nicht stören. Und davon hat die Deutsch-Schwedin, liest man beispielsweise ihre Bewertungen bei Amazon, eine Menge. Das liegt nicht zuletzt mit an ihrer Vielseitigkeit: Die junge Musikerin verbindet ihre Karriere als Konzertpianistin mit einer Laufbahn als Singer-/Songwriterin und als Lyrikerin. Sie hat in beiden Disziplinen Wettbewerbe gewonnen und Preise errungen – schaut man genauer hin, wird man allerdings feststellen, dass es nicht die großen sind. Ihre Gedichte haben Verlage veröffentlicht, die nicht zu den bedeutenden gehören, und ihre Aufnahmen sind bislang bei Labels erschienen, die ich, ehrlich gestanden, nicht einmal dem Namen nach kannte.
Die Texte, in denen sie knapp erläutert, wie sie das Wohltemperierte Kla- vier deutet, sind leider prägnanter als Ihre Interpretationen. Hochbegabt und ein Mehrfachtalent zu sein, das ist wunderbar – aber es ist auch mit der Gefahr verbunden, oberflächlich an die Dinge heranzugehen, zu schnell zu viel zu wollen, und dann feststellen zu müssen, dass die Kraft am Ende nicht ausgereicht hat.
Bach ist mehr, als man dem Notenbild auf den ersten Blick entnehmen kann. Sein Werk hat eine spirituelle Ebene, die Schlüter selbst anspricht, wenn sie sein Soli Deo Gloria lobt, die sie aber derzeit in ihrem Klavierspiel noch nicht hörbar machen kann. Man darf gespannt sein, wie sich die Pianistin weiterentwickelt – Ann-Helena Schlüter ist zweifellos eine große Begabung, aber man hat das Gefühl, dass sie noch auf der Suche ist.
Ann-Helena Schlüter musiziert virtuos, heiter, schwungvoll. Für meinen Geschmack ist diese Einspielung aber ein wenig zu fröhlich, und nicht differenziert genug. Die Fans wird das nicht stören. Und davon hat die Deutsch-Schwedin, liest man beispielsweise ihre Bewertungen bei Amazon, eine Menge. Das liegt nicht zuletzt mit an ihrer Vielseitigkeit: Die junge Musikerin verbindet ihre Karriere als Konzertpianistin mit einer Laufbahn als Singer-/Songwriterin und als Lyrikerin. Sie hat in beiden Disziplinen Wettbewerbe gewonnen und Preise errungen – schaut man genauer hin, wird man allerdings feststellen, dass es nicht die großen sind. Ihre Gedichte haben Verlage veröffentlicht, die nicht zu den bedeutenden gehören, und ihre Aufnahmen sind bislang bei Labels erschienen, die ich, ehrlich gestanden, nicht einmal dem Namen nach kannte.
Die Texte, in denen sie knapp erläutert, wie sie das Wohltemperierte Kla- vier deutet, sind leider prägnanter als Ihre Interpretationen. Hochbegabt und ein Mehrfachtalent zu sein, das ist wunderbar – aber es ist auch mit der Gefahr verbunden, oberflächlich an die Dinge heranzugehen, zu schnell zu viel zu wollen, und dann feststellen zu müssen, dass die Kraft am Ende nicht ausgereicht hat.
Bach ist mehr, als man dem Notenbild auf den ersten Blick entnehmen kann. Sein Werk hat eine spirituelle Ebene, die Schlüter selbst anspricht, wenn sie sein Soli Deo Gloria lobt, die sie aber derzeit in ihrem Klavierspiel noch nicht hörbar machen kann. Man darf gespannt sein, wie sich die Pianistin weiterentwickelt – Ann-Helena Schlüter ist zweifellos eine große Begabung, aber man hat das Gefühl, dass sie noch auf der Suche ist.
The Complete Organ Works of Olivier Messiaen (Loft)
Das Orgelwerk von Olivier Eugène Prosper Messiaen (1908 bis 1992), jedenfalls soweit es veröffentlicht ist, hat Colin Andrews für Loft eingespielt. Die einzelnen Aufnahmen, die über mehrere Jahre hinweg erschienen sind, hat das Label nun mit einer – leider wenig praktischen, da unten offenen – Banderole zu einer Gesamtaufnahme zusammengefasst.
Messiaen war der Sohn eines Englisch- lehrers, der viele Jahre seines Lebens damit verbrachte, Shakespeare zu übersetzen, und einer Dichterin. So wuchs er „in einem Klima von Poesie und Märchen“ auf, wie er später berichtete. Literatur blieb für den Komponisten eine bedeutende Inspirationsquelle; die meisten Texte zu seinen Vokal- werken schrieb er selbst, und auch seiner Instrumentalmusik gab er gern ein Gedicht als Geleitwort mit.
Eine weitere wichtige Quelle seines Schaffens war der katholische Glauben. 1931 wurde Messiaen Organist an der Kirche La Trinité in Paris, und er hatte dieses Amt mehr als 60 Jahre lang inne. Die Gemeinde freilich hatte wohl einige Probleme mit der Musik ihres Organisten, der für seine Improvisationen und Meditationen eine ebenso moderne wie individuelle Klangwelt kreierte, und seiner Frömmigkeit gelegentlich auch etwas entrückt Ausdruck verlieh. Dabei verwendete Messiaen beispielsweise Techniken der seriellen Musik, und er studierte Gregorianik ebenso wie Hindu-Klänge. Er beschäftigte sich mit Zahlenmystik – und mit dem Vogelgesang, der auch immer wieder durch seine Klaviermusik zwitschert.
Von 1941 bis 1978 lehrte Messiaen zudem am Conservatoire in Paris; in seinem Unterricht haben Generationen von Komponisten ihren Weg gefunden.Die Musik aber von Pierre Boulez, Karlheinz Stockhausen oder Yannis Xenakis unterscheidet sich deutlich von dem, was ihr Lehrer erschaffen hat. Die Werke von Messiaen haben einen typischen Klang, ganz eigene Strukturen, unverwechselbar.
Colin Andrews spielt sie an zwei Orgeln der Firma C.B. Fisk aus Massa- chusetts: Opus 126, in der St. Paul's Episcopal Church Greenville/North Carolina, wurde 2005 fertiggestellt. Es handelt sich dabei um ein Instrument in der Tradition von Aristide Cavaillé-Coll, am Spätwerk des französischen Orgelbauers orientiert. Die Orgel wird vor allem zur Ausbildung von Organisten genutzt.
Dazu dient auch Opus 135; diese Orgel befindet sich in Auer Hall, einem großen Konzertsaal der Indiana University, Bloomington/Indiana, und wurde im April 2010 eingeweiht. Für die Orgelbauer war dieses Projekt eine besondere Herausforderung, da das Unternehmen ein halbfertiges Instrument zu Ende bauen sollte. Die Jacobs School of Music wünschte sich eine Orgel, die sich an französischen Vorbildern aus dem 19. Jahr- hundert orientiert, aber flexibel genug ist, dass sich auch andere Orgel- literatur daran spielen lässt.
Besonders dieses Instrument ist Colin Andrews bestens vertraut. Denn der Organist lehrt derzeit als Orgel-Professor an der Indiana University. Andrews stammt aus Bristol; er studierte an der renommierten Royal Academy of Music in London sowie in Genf bei Lionel Rogg, und gewann wichtige Wettbewerbe. Er ist als Konzertorganist weltweit sehr gefragt. Die Orgelwerke Messiaens interpretiert er sehr ausgewogen, und sehr auf Klangflächen orientiert. Neben all die berühmten Kompositionen – vom Livre d'Orgue bis zu den Méditations sur le mystère de la Sainte Trinité und vom Livre du Saint Sacrement bis zur L'Ascension hat er die Hommage à Messiaen von Lionel Rogg geschmuggelt. Sie erklingt vor La Nativité du Seigneur – eine charmante Verneigung vor seinem einstigen Lehrer.
Messiaen war der Sohn eines Englisch- lehrers, der viele Jahre seines Lebens damit verbrachte, Shakespeare zu übersetzen, und einer Dichterin. So wuchs er „in einem Klima von Poesie und Märchen“ auf, wie er später berichtete. Literatur blieb für den Komponisten eine bedeutende Inspirationsquelle; die meisten Texte zu seinen Vokal- werken schrieb er selbst, und auch seiner Instrumentalmusik gab er gern ein Gedicht als Geleitwort mit.
Eine weitere wichtige Quelle seines Schaffens war der katholische Glauben. 1931 wurde Messiaen Organist an der Kirche La Trinité in Paris, und er hatte dieses Amt mehr als 60 Jahre lang inne. Die Gemeinde freilich hatte wohl einige Probleme mit der Musik ihres Organisten, der für seine Improvisationen und Meditationen eine ebenso moderne wie individuelle Klangwelt kreierte, und seiner Frömmigkeit gelegentlich auch etwas entrückt Ausdruck verlieh. Dabei verwendete Messiaen beispielsweise Techniken der seriellen Musik, und er studierte Gregorianik ebenso wie Hindu-Klänge. Er beschäftigte sich mit Zahlenmystik – und mit dem Vogelgesang, der auch immer wieder durch seine Klaviermusik zwitschert.
Von 1941 bis 1978 lehrte Messiaen zudem am Conservatoire in Paris; in seinem Unterricht haben Generationen von Komponisten ihren Weg gefunden.Die Musik aber von Pierre Boulez, Karlheinz Stockhausen oder Yannis Xenakis unterscheidet sich deutlich von dem, was ihr Lehrer erschaffen hat. Die Werke von Messiaen haben einen typischen Klang, ganz eigene Strukturen, unverwechselbar.
Colin Andrews spielt sie an zwei Orgeln der Firma C.B. Fisk aus Massa- chusetts: Opus 126, in der St. Paul's Episcopal Church Greenville/North Carolina, wurde 2005 fertiggestellt. Es handelt sich dabei um ein Instrument in der Tradition von Aristide Cavaillé-Coll, am Spätwerk des französischen Orgelbauers orientiert. Die Orgel wird vor allem zur Ausbildung von Organisten genutzt.
Dazu dient auch Opus 135; diese Orgel befindet sich in Auer Hall, einem großen Konzertsaal der Indiana University, Bloomington/Indiana, und wurde im April 2010 eingeweiht. Für die Orgelbauer war dieses Projekt eine besondere Herausforderung, da das Unternehmen ein halbfertiges Instrument zu Ende bauen sollte. Die Jacobs School of Music wünschte sich eine Orgel, die sich an französischen Vorbildern aus dem 19. Jahr- hundert orientiert, aber flexibel genug ist, dass sich auch andere Orgel- literatur daran spielen lässt.
Besonders dieses Instrument ist Colin Andrews bestens vertraut. Denn der Organist lehrt derzeit als Orgel-Professor an der Indiana University. Andrews stammt aus Bristol; er studierte an der renommierten Royal Academy of Music in London sowie in Genf bei Lionel Rogg, und gewann wichtige Wettbewerbe. Er ist als Konzertorganist weltweit sehr gefragt. Die Orgelwerke Messiaens interpretiert er sehr ausgewogen, und sehr auf Klangflächen orientiert. Neben all die berühmten Kompositionen – vom Livre d'Orgue bis zu den Méditations sur le mystère de la Sainte Trinité und vom Livre du Saint Sacrement bis zur L'Ascension hat er die Hommage à Messiaen von Lionel Rogg geschmuggelt. Sie erklingt vor La Nativité du Seigneur – eine charmante Verneigung vor seinem einstigen Lehrer.
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