Kurz vor dem Jahresende möchte ich unbedingt noch auf eine faszinierende Aufnahme sämtlicher Sinfonien von Ludwig van Beethoven (1770 bis 1827) hinweisen, mit dem das Label Naxos den Jubilar aufs Würdigste geehrt hat. Eingespielt wurde sie von Ádám Fischer mit dem Dänischen Kammerorchester.
Der Dirigent baut damit auf zwei anderen Großprojekten auf: In den Jahren 1987 bis 2001 erarbeitete er mit der Österreichisch-Ungarischen Haydn-Philharmonie alle 104 Sinfonien von Joseph Haydn, und ab 2006 wandte er sich dann mit dem Dänischen Kammerorchester den Sinfonien Wolfgang Amadeus Mozarts zu.
Das Dänische Kammerorchester freilich hieß damals noch Nationales Kammerorchester Dänemarks, und war ein Ensemble des dänischen Rundfunks. Allerdings setzte sich 2014 die Kulturministerin des Landes über eine Empfehlung des Parlaments hinweg und ordnete die Auflösung des damals bereits seit 75 Jahre bestehenden Orchesters an. Dank einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne konnte dies jedoch verhindert werden: Seit 2015 ist der Klangkörper unabhängig, und trägt den Namen Dänisches Kammerorchester.
Aus der Perspektive dieser beiden Aufnahmeprojekte heraus hat Ádám Fischer einen ganz besonderen Zugang zu Beethovens Sinfonien gefunden: Er ordnet diese Kompositionen in den musikhistorischen Kontext ein, und interpretiert sie aus diesem heraus. Erkennbar wird dabei, dass Beethoven mit den Konventionen seiner Zeit bestens vertraut war – und sich mit Wucht darüber hinwegsetzte, wo immer er sich dadurch eingeengt fühlte.
Fischer arbeitet mit den Musikern des Dänischen Kammerorchesters Strukturen und Details gleichermaßen plastisch heraus. Es ist phänomenal, aber diese Musiker lassen uns mit ihrem virtuosen Spiel und ihrer präzisen Artikulation Beethovens Sinfonien vollkommen neu entdecken. Es ist, als hörte man diese Werke zu ersten Mal.
So erweist sich beispielsweise Beethovens Achte, im Konzert eher selten zu hören, urplötzlich als Sinfonie von Format, hochinteressant. Und die Pastorale, derart lebendig vorgetragen, zeigt auf einmal, dass sie keineswegs nur ein Landidyll abbildet. Fischer macht auch die Naturgewalten hörbar – die Sturm-Szene beispielsweise lässt er bedrohlich brausen und toben; seine Interpretation fegt außerdem so manches Vorurteil hinweg. Der Heros wird wieder zum Komponisten; statt einer Gipsbüste, die nur noch zur Deko taugt, zeigt uns Fischer hier einen Menschen mit vielerlei Leidenschaften.
Seine Beethoven-Einspielungen bieten statt Klangbrei und Pathos jede Menge Akzente und feinste Nuancen. Man hört Stimmverläufe, die bislang noch nie aufgefallen sind. Und auch die gewählten Tempi tragen zur Sogwirkung dieser Aufnahmen zweifelsohne mit bei.
Fischer hat sich mit den umstrittenen Vorgaben des Komponisten intensiv auseinandergesetzt. „Zu meiner Studentenzeit glaubte man noch allgemein, dass Beethovens Metronom fehlerhaft sei, mit der Begründung, dass die Tempi zu schnell und unspielbar seien“, meint der Dirigent. „Ich glaube, dass weder ein unvorsichtiger Ansatz, der Beethovens Metronomangaben ignoriert, noch ein unerbittliches Festhalten an ihnen der Musik gerecht werden kann.“
Die Musiker des Dänischen Kammerorchesters haben keine Schwierigkeiten damit, Fischers Tempovorgaben zu folgen. Der Dirigent kann somit eine brillante, mitreißende Interpretation verwirklichen, die gerade durch die kammermusikalische Präzision eine beeindruckende Dynamik entfaltet. Chapeau!