Donnerstag, 31. Dezember 2020

Beethoven: Complete Symphonies (Naxos)


 Kurz vor dem Jahresende möchte ich unbedingt noch auf eine faszinierende Aufnahme sämtlicher Sinfonien von Ludwig van Beethoven (1770 bis 1827) hinweisen, mit dem das Label Naxos den Jubilar aufs Würdigste geehrt hat. Eingespielt wurde sie von Ádám Fischer mit dem Dänischen Kammerorchester. 

Der Dirigent baut damit auf zwei anderen Großprojekten auf: In den Jahren 1987 bis 2001 erarbeitete er mit der Österreichisch-Ungarischen Haydn-Philharmonie alle 104 Sinfonien von Joseph Haydn, und ab 2006 wandte er sich dann mit dem Dänischen Kammerorchester den Sinfonien Wolfgang Amadeus Mozarts zu. 

Das Dänische Kammerorchester freilich hieß damals noch Nationales Kammerorchester Dänemarks, und war ein Ensemble des dänischen Rundfunks. Allerdings setzte sich 2014 die Kulturministerin des Landes über eine Empfehlung des Parlaments hinweg und ordnete die Auflösung des damals bereits seit 75 Jahre bestehenden Orchesters an. Dank einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne konnte dies jedoch verhindert werden: Seit 2015 ist der Klangkörper unabhängig, und trägt den Namen Dänisches Kammerorchester. 

Aus der Perspektive dieser beiden Aufnahmeprojekte heraus hat Ádám Fischer einen ganz besonderen Zugang zu Beethovens Sinfonien gefunden: Er ordnet diese Kompositionen in den musikhistorischen Kontext ein, und interpretiert sie aus diesem heraus. Erkennbar wird dabei, dass Beethoven mit den Konventionen seiner Zeit bestens vertraut war – und sich mit Wucht darüber hinwegsetzte, wo immer er sich dadurch eingeengt fühlte. 

Fischer arbeitet mit den Musikern des Dänischen Kammerorchesters Strukturen und Details gleichermaßen plastisch heraus. Es ist phänomenal, aber diese Musiker lassen uns mit ihrem virtuosen Spiel und ihrer präzisen Artikulation Beethovens Sinfonien vollkommen neu entdecken. Es ist, als hörte man diese Werke zu ersten Mal. 

So erweist sich beispielsweise Beethovens Achte, im Konzert eher selten zu hören, urplötzlich als Sinfonie von Format, hochinteressant. Und die Pastorale, derart lebendig vorgetragen, zeigt auf einmal, dass sie keineswegs nur ein Landidyll abbildet. Fischer macht auch die Naturgewalten hörbar – die Sturm-Szene beispielsweise lässt er bedrohlich brausen und toben; seine Interpretation fegt außerdem so manches Vorurteil hinweg. Der Heros wird wieder zum Komponisten; statt einer Gipsbüste, die nur noch zur Deko taugt, zeigt uns Fischer hier einen Menschen mit vielerlei Leidenschaften. 

Seine Beethoven-Einspielungen bieten statt Klangbrei und Pathos jede Menge Akzente und feinste Nuancen. Man hört Stimmverläufe, die bislang noch nie aufgefallen sind. Und auch die gewählten Tempi tragen zur Sogwirkung dieser Aufnahmen zweifelsohne mit bei. 

Fischer hat sich mit den umstrittenen Vorgaben des Komponisten intensiv auseinandergesetzt. „Zu meiner Studentenzeit glaubte man noch allgemein, dass Beethovens Metronom fehlerhaft sei, mit der Begründung, dass die Tempi zu schnell und unspielbar seien“, meint der Dirigent. „Ich glaube, dass weder ein unvorsichtiger Ansatz, der Beethovens Metronomangaben ignoriert, noch ein unerbittliches Festhalten an ihnen der Musik gerecht werden kann.“ 

Die Musiker des Dänischen Kammerorchesters haben keine Schwierigkeiten damit, Fischers Tempovorgaben zu folgen. Der Dirigent kann somit eine brillante, mitreißende Interpretation verwirklichen, die gerade durch die kammermusikalische Präzision eine beeindruckende Dynamik entfaltet. Chapeau! 

Strauss: Tondichtungen (Oehms Classics)


 Mit dieser Box, die sämtliche sinfonischen Dichtungen von Richard Strauss (1864 bis 1949) zusammenfasst, ist dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter Leitung von Sebastian Weigle ein großer Wurf geglückt. Das Orchester, mehrfach vom Fachmagazin Opernwelt als „Orchester des Jahres“ ausgezeichnet, findet unter Leitung seines Generalmusikdirektors für jedes dieser sehr unterschiedlichen Werke einen überzeugenden Zugang. Von Ein Heldenleben op. 40 bis zu Don Quixote op. 35 (mit Isang Enders, Violoncello, und Thomas Rössel, Viola) – die Aufnahmen erfreuen, denn sie verbinden Präzision, Differenziertheit und Durchhörbarkeit mit Spielfreude und Klangschönheit. Welch ein Erlebnis! 

Dienstag, 29. Dezember 2020

Leclair: Concerti per Violino (Glossa)


 Jean-Marie Leclair (1697 bis 1764) gilt als Gründer der französischen Violinschule. Wie kaum ein anderer wusste er italienische Virtuosität mit kantablem Spiel und dem Streben nach schönem Ton, ganz nach französischem Geschmack, zu verbinden. Über den Lebensweg des Musikers, der eigentlich Korbmacher hätte werden sollen, wurde in diesem Blog bereits an anderer Stelle berichtet. Als Geiger muss er ein Ereignis gewesen sein; in seinen Werken lässt sich noch heute nachvollziehen, dass er über eine exzellente Technik verfügte. 

Auf dieser CD mit dem La Cetra Barockorchester Basel stellt sich Leila Schayegh den spieltechnischen Herausforderungen in den Konzerten Leclairs. Die Schweizer Barockgeigerin beeindruckt durch ihre ebenso temperamentvolle wie klangschöne Interpretation. Mit ihrer Einspielung, die inzwischen in einer weiteren CD eine Fortsetzung fand, zeigt Leila Schayegh, wie reizvoll und hörenswert doch Leclairs Violinkonzerte sind. Musiziert wird mit fundiertem historischen Wissen ebenso wie mit Spielfreude und einer gehörigen Portion Eleganz. Bravi!

Englishman in Tyrol (Querstand)


 Der Gambist William Young gehörte zu den Superstars des 17. Jahrhunderts. Er wurde als neuer Orpheus gefeiert. Kaiser und Könige ehrten ihn, und noch Jahrzehnte nach seinem Tod galt er als eine Legende. 

Juliane Laake, die sich für Leben und Werk des Musikers interessierte, musste allerdings feststellen, dass die Spurensuche gar nicht so einfach ist: „William Young scheint vom Himmel gefallen zu sein, als er 1652 in Innsbruck als Gambist und Kammerdiener am Hof des Erzherzogs Ferdinand Karl aus dem Hause Habsburg erstmals nachweisbar ist“, schreibt die Gambistin im Beiheft. „Nichts wissen wir über seine frühen Jahre in England und wo er von wem wie ausgebildet wurde – ja, nicht einmal sein Geburtsjahr steht fest.“ 

Seine Musik allerdings zeigt, dass er mit den Traditionen ebenso wie mit den unterschiedlichen Stilen und Entwicklungen seiner Zeit bestens vertraut war. In seine Werke hat er das Erbe der altenglischen Consort-Musik ebenso souverän integriert wie die damals ganz neue italienische Sonate. Gefällige Tanzmelodien und eingängige Rhythmen stehen neben kühner Harmonik und strenger Polyphonie. 

Bekannt ist, dass Young 1652 mit seinem Dienstherrn und dessen Ehefrau Anna de’Medici eine längere Reise durch Italien absolviert hat. Ein Jahr später ließ er in Innsbruck einen Notenband drucken. Die Sonate à 3, 4 e 5 blieben seine einzige Veröffentlichung; wer Musik von William Young heute spielen will, der muss sich seine Stücke in ganz Europa aus Handschriften heraussuchen. 

Doch der Aufwand lohnt, wie diese CD beweist. Youngs Sonaten, Fantasies und Tanzsätze sind die Wiederentdeckung des Jahres – außergewöhnlich versiert wechselt dieser Musiker zwischen den Welten. Und fast jedes Stück, das Juliane Laake hier gekonnt mit ihrem Ensemble Art d’Echo vorstellt, erklingt in Weltersteinspielung. Unbedingt anhören, großartig! 


Montag, 28. Dezember 2020

Messiaen: Catalogue d'Oiseaux (Pentatone)


 Olivier Messiaen (1908 bis 1992) war nicht nur ein Komponist, sondern auch ein passionierter Ornithologe. Diese Leidenschaft hat sich auch in einem großartigen Werk manifestiert: „Mit seinem radikalen Naturalismus bildet der Catalogue d’Oiseuax eine Ausnahme innerhalb der Klavierliteratur“, schreibt Pierre-Laurent Aimard. „Es ist die große Hymne an die Natur von einem Mann, der nie damit aufgehört hat, sich über die Schönheit der Landschaft oder den Zauber des Vogelgesangs zu erstaunen.“ 

Geschrieben hat Messiaen die Stücke für seine Frau, die Pianistin Yvonne Loriod. Mit beiden war Aimard eng befreundet. So erscheint es nur konsequent, wenn er sich nach seinem Wechsel von der Deutschen Grammophon zu Pentatone bei dem neuen Label, dem er nunmehr als Exklusivkünstler verbunden ist, Messiaens eher selten gespielten Zyklus zuwendet. 

Die Box beeindruckt schon beim Auspacken durch ihre liebevolle Gestaltung. Neben den drei CD enthält sie eine hochinteressante Bonus-DVD sowie ein umfangreiches Beiheft, Federchen inklusive. Das pure Entzücken aber bricht aus, sobald die ersten Töne zu hören sind. Einmal mehr wird Aimard seinem Ruf als herausragender Messiaen-Interpret gerecht. Er bringt mit seinem Klavierspiel die Vogelwelt geradezu zu uns ins Zimmer. Man hört die Bewohner dieser klingenden Landschaftstableaus nicht nur krächzen, pfeifen und zwitschern, sondern auch trippeln und umherfliegen – mal eilig, mal majestätisch. Auch die Umgebung und sogar das Wetter hat Messiaen in Noten gefasst, und Aimard nimmt uns durch seine Interpretation mit hinein in diese doch eigentlich sehr persönliche Welt. Faszinierend! Diese Einspielung gehört ganz klar zu den musikalischen Großereignissen des Jahres. 


Bach Cantatas (Accentus)


 Seine erste CD als Leiter des Leipziger Thomanerchores widmete Gotthold Schwarz Kantaten von Johann Sebastian Bach. Der Sänger und Kirchenmusiker, der mit den Thomanern schon seit vielen Jahren als Stimmbildner und vertretungsweise auch als Chorleiter arbeitete, wurde 2016 zum 17. Thomaskantor nach Bach berufen. 

In der Beschäftigung mit Bachs Kantaten, die nach wie vor für das Repertoire des berühmten Leipziger Knabenchores von zentraler Bedeutung sind, sieht Schwarz „eine lebenslange und wunderschöne Aufgabe und Herausforderung“. Für diese CD hat er drei Kompositionen ausgewählt, die sich mit dem besonderen Verhältnis zwischen Gott und dem Menschen auseinandersetzen: Allein zu dir, Herr Jesu Christ BWV 33, Wer Dank opfert, der preiset mich BWV 17, und Was Gott tut, das ist wohlgetan BWV 99. Die Thomaner sowie Solisten musizieren dabei gemeinsam mit dem Sächsischen Barockorchester.


Sonntag, 27. Dezember 2020

Wilhelm Friedemann Bach: Duets for Two Flutes (Naxos)

 


Wilhelm Friedemann Bach (1710 bis 1784), der älteste Sohn Johann Sebastian Bachs, gilt der Nachwelt ebenso als Tastenvirtuose denn als schwieriger Charakter. Dass er auch Flötenduette komponiert hat, erstaunt. Und wann diese sechs Duette entstanden sind, das kann nur vermutet werden. Quantz jedenfalls, Hausvirtuose und Flötenlehrer Friedrichs des Großen, hat Auszüge aus einigen dieser Stücke für seine Solfeggi verwendet. 

Bachs Duette für zwei Flöten erweisen sich als höchst anspruchsvoll. Die beiden Stimmen sind eng verflochten, sie imitieren einander, wetteifern in den Figurationen und singen gefühlvoll gemeinsam in den langsamen Sätzen. Patrick Gallois und Kazunori Seo präsentieren Bachs Kompositionen auf dieser CD mit Ebenmaß und Eleganz. 


Die Späth-Orgel in St. Oswald Regensburg (Tyxart)


 Am 27. Dezember 1750, „mit Musiken von Trp. Und Pauken“, wurde die Orgel der Regensburger Oswaldkirche eingeweiht. Erbaut wurde dieses Instrument von dem ortsansässigen Frantz Jacob Späth (1714 bis 1786). Berühmtheit erlangte der experimentierfreudige Meister allerdings als Erfinder des Tangentenflügels. 

Die Orgel in der Oswaldkirche hat Frantz Jacob Späth gemeinsam mit Johann Andreas Stein errichtet. Dieser hatte das Handwerk bei Johann Andreas Silbermann in Straßburg erlernt, und nach seiner Tätigkeit bei Späth ließ er sich schließlich in Augsburg als Orgel- und Klavierbauer nieder. In seiner Bewerbung dort führte er an, er habe „in Regensburg in der großen schönen Orgel von St. Oswald das ganze Pfeiffwercke, als das Wesen einer Orgel, von meiner eigenen Handt verfertiget und intonieret.“ 

Glücklicherweise blieb das Instrument über Jahrhunderte unverändert; eine Erweiterung durch Paul Ott aus dem Jahre 1954 wurde in den Jahren 1986 bis 1991 durch die Bonner Orgelbaufirma Klais im Zuge einer umfassenden Restaurierung wieder rückgängig gemacht. So präsentiert sich die Späth-Orgel heute wieder im exzellenten und ursprünglichen Zustand. 

Roman Emilius, Stadt- und Dekanatskantor in Regensburg, stellt auf dieser CD das Instrument vor, das durch einzigartige Klangfarben begeistert. In bester süddeutscher Tradition, wirkt diese Orgel ausgesprochen charaktervoll und ausdrucksstark. Und mit seinem geschickt zusammengestellten Programm bringt Roman Emilius die Vorzüge des Instrumentes hervorragend zur Geltung. Für Kenner und Liebhaber bietet seine Werkauswahl zudem auch einige spezielle Höhepunkte. Humor und Orgel – eine Kombination, die ich nur empfehlen kann. 


Dienstag, 22. Dezember 2020

Machet die Tore weit (Christophorus)


 Der Weihnachtsmusik an der Leipziger Thomaskirche widmet sich auch dieses Album aus dem Hause Christophorus. Das Johann Rosenmüller Ensemble, geleitet von Arno Paduch, und der Kammerchor der Erlöserkirche Bad Homburg, geleitet von Susanne Rohn, konzentrieren sich dabei auf die Werke von Bachs Amtsvorgängern. Als Solisten wirken mit Antonia Bourvé und Simone Schwark, Sopran, Johanna Krell, Alt, Florian Cramer und Hansjörg Mammel, Tenor sowie Markus Flaig, Bass. 

Und auch wenn die Namen von Thomaskantoren wie Tobias Michael, Sebastian Knüpfer, Johann Schelle oder Johann Kuhnau heute dem Publikum kaum noch bekannt sind, erweist sich doch die Beschäftigung mit ihren Festmusiken als überaus lohnend. Man höre nur Schelles prachtvolles Machet die Tore weit, oder Knüpfers Dies est laetitiae für 22 Stimmen, üppig besetzt mit einem fünfstimmigen Trompetenchor nebst Pauken, dazu Streicher, Fagott, drei Flöten sowie sechs Solisten und vierstimmigem Chor. Dieses Konzert sowie Machet die Tore weit von Tobias Michael erklingen in Weltersteinspielung. Was für eine Klangpracht! 


Christmas in Europe (Deutsche Harmonia Mundi)

 


Einer der besten Chöre der Welt singt Weihnachtslieder aus den unterschiedlichsten Regionen Europas: Einmal mehr hat sich Thomas Hengelbrock mit dem von ihm 1991 gegründeten Balthasar-Neumann-Chor auf musikalische Entdeckungsreise begeben. Und so erklingen auf diesem Album Weihnachtslieder in 16 verschiedenen Sprachen von Italienisch bis Isländisch und von Katalanisch bis Tschechisch. Schlagwerk und Orgel begleiten die Sängerinnen und Sänger dezent dabei.

Sächsische Weihnacht (Berlin Classics)

 


Ludwig Güttler und seinem Blechbläserensemble gelingt es noch immer, das Publikum zu überraschen. In diesem Jahr haben die Musiker ein Album zusammengestellt, dass den ganz besonderen Zauber der sächsischen Weihnacht in jede Stube bringt. Dazu haben die Musiker die schönsten Stücke aus den Konzertprogrammen der letzten Jahre ausgewählt. 

Sämtliche Aufnahmen waren bislang unveröffentlicht, und sie sind geprägt durch die spezielle Atmosphäre der sächsischen Kirchen, in denen sie jeweils aufgezeichnet worden sind: „Die Frauenkirche hat eine Bedeutung durch ihre Geschichte bis hin zum Wiederaufbau, für den eine Weltkulturgemeinschaft gewonnen werden konnte“, erläutert Güttler in einem Interview, das im Beiheft zu finden ist. „Die restaurierte Stadtkirche in Pirna ist ein Kleinod, eine der letzten spätgotischen Hallenkirchen hierzulande mit einem wunderbar weiten Klang. Die lichtdurchflutete Dorfkirche Polditz ist klanglich einzigartig, veredelt durch eine fantastische Ladegast-Orgel. (..) Auf zu Unrecht kaum wahrgenommene Orte einen Lichtstrahl zu lenken, für mehr Wahrnehmung und Wertschätzung, ist mein Ziel.“ 

Bläserklänge gehören zur sächsischen Weihnacht ebenso wie Pyramiden, Räucherwerk und Kerzenschein. Das Blechbläserensemble um Ludwig Güttler stellt bekannte weihnachtliche Melodien in teilweise ganz erstaunlichen Arrangements neben Kompositionen alter und neuer Meister. Die Übergänge sind dabei fließend – oder hätten Sie gewusst, dass Ludwig van Beethoven Fünf Variationen über Tochter Zion geschrieben hat? 

Prächtige mehrchörige Werke, unter anderem von Valerius Otto, Antonio Vivaldi und Johann Heinrich Schmelzer stehen neben modernen Stücken, wie den Seven Madrigals on Negro Spirituals op. 58b von Adolf Busch. Zu meinen ganz persönlichen Favoriten gehören auch Allemande und Courante für zwei Pauken von Ludwig Güttler – ein Stück, das deutlich macht, wie ausdrucksstark man auf diesen Schlaginstrumenten musizieren kann. 

Insgesamt erweist sich diese CD mit ihrem liebevoll zusammengestellten und brillant musizierten Programm unter all den vielen Aufnahmen, die der exzellente Trompeter im Laufe seines langen Musikerlebens eingespielt hat, als ein echter Höhepunkt. Für mich ist das das schönste Album zur Weihnacht 2020. 


Freitag, 18. Dezember 2020

It's Christmas! (Sony)


Was macht ein international gefeierter Opernsänger, wenn Corona ihm statt des üblicherweise prall gefüllten Terminkalenders eine Zwangspause beschert? Jonas Kaufmann hat das Krisenjahr genutzt, um musikalische Projekte zu verwirklichen, für die bei normalem Spielbetrieb an den Opernhäusern weltweit wohl kaum Zeit gewesen wäre. 

Für dieses Weihnachtsalbum hat er seine Lieblings-Weihnachtslieder aus Deutschland und aus aller Welt zu einem Programm zusammengestellt, dass auch Freunden populärer Klänge leuchtende Augen bescheren dürfte. Auf „It’s Christmas“ erklingen einerseits auf CD 1 deutsche Weihnachtslieder, die für Jonas Kaufmann mit der Erinnerung an glückliche Weihnachten im Kreise der Familie verbunden sind. Zu hören sind daher nicht nur bekannte Lieder wie Stille Nacht, Alle Jahre wieder oder Leise rieselt der Schnee, sondern auch bayerische Volksweisen wie Es wird scho glei dumpa oder Im Woid is so staad

Auch amerikanische Weihnachts-Songs wie White Christmas, O Holy Night oder Winter Wonderland gehören zu Kaufmanns Favoriten, weil sein Vater nach der Bescherung oft die legendären Weihnachts-Schallplatten von Bing Crosby, Sinatra und Ella Fitzgerald auflegte. CD 2 enthält zudem eine kleine Auswahl französischer, englischer, italienischer und schwedischer Weihnachtslieder. 

Begleitet wird der Startenor bei den Klassikern vom Mozarteum Orchester Salzburg, dem Bachchor Salzburg und den St. Florianer Sängerknaben unter Leitung von Jochen Rieder. Die Cologne Studio Big Band hingegen ist sein Partner für viele der internationalen Weihnachtshits. Bei Let it snow und Have yourself ist zudem Till Brönner als Solist zu hören. 

Jonas Kaufmann gelingt bei diesem Album die perfekte Balance zwischen Moderne und Tradition. Die zeitgenössischen Arrangements sorgen ebenfalls für stilistische Vielfalt und musikalische Abwechslung. Eine Einspielung, die man auch verschenken kann – sie dürfte so ziemlich der ganzen Familie gefallen. 


Dienstag, 15. Dezember 2020

Adventskonzert (Berlin Classics)


Man glaubt es kaum, aber die vorweihnachtlichen Konzerte des Dresdner Kreuzchores in einem Fussballstadion gibt es erst seit 2015. Damals hatte der weltberühmte Knabenchor anlässlich seines 800jährigen Bestehens die Dresdner erstmals zum Adventskonzert eingeladen. Mittlerweile hat sich das Konzert zu einem Event entwickelt, zu dem alljährlich mehr als 25.000 Menschen anreisen; zudem erleben Hunderttausende das Programm zu Hause am TV mit. 

Wenn die großen Stars aus Klassik und Pop gemeinsam mit den Kruzianern Weihnachtslieder singen, wenn das Publikum begeistert mit einstimmt, und wenn auf den Rängen und auf dem Rasen tausende kleine Lichter aufleuchten, dann ist wieder ein Jahr vergangen, und einmal mehr steht Weihnachten vor der Tür. In diesem Jahr allerdings hat die Corona-Pandemie auch dieses Großereignis verhindert. 

Dennoch muss das Publikum nicht auf die stimmungsvollen Klänge verzichten. Denn die Kruzianer sind unter der Leitung von Kreuzkantor Roderich Kreile ebenso ins Studio gegangen wie Rockstar Peter Maffay, die finnische Sopranistin Camilla Nylund, Tenor Klaus Florian Vogt, die Musicalsängerin Sabrina Weckerlin sowie die norwegische Trompeterin Tine Thing Helseth. So entstand unter strengen Hygienebedingungen dieses Album. Und man staunt, wie professionell sich die Jungs auf die ungewohnten Arbeitsbedingungen eingestellt haben – zu hören ist das nicht; alles klingt gewohnt klar und weihnachtlich. 

An der Seite der Chorsänger und der Solisten musiziert auch in diesem Jahr das Cross Bell Orchestra, bestehend aus renommierten Band- und Studiomusikern, unter der Leitung von Peter Christian Feigel. Ob Orgel- oder Saxophonsound – auf zwei CD erklingen bekannte Weihnachtsmelodien in klassischen und modernen Arrangements. Ein wichtiger Höhepunkt im umfangreichen Programm ist die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium, gelesen von Samuel Koch. 

So bringt dieses Album festliche Stimmung in die vorweihnachtliche Stube – auch wenn in diesem Jahr die Weihnachtsmärkte abgesagt sind, in den Gottesdiensten nicht gesungen werden darf, und alle Konzerte ausfallen müssen. Von Herzen Dank an alle Beteiligten, für ein Stück Normalität in einer äußerst seltsamen Zeit. 


O nata lux (Berlin Classics)


 Kann man Licht hörbar machen? Die Zurich Chamber Singers zeigen auf dieser CD, wie wunderbar das geht. Auch wenn O nata lux von Thomas Tallis eigentlich keine Motette zum Weihnachtsfest ist, kann man sich kaum ein besseres Stück vorstellen, um dieses Programm zu eröffnen. 

Die jungen Sängerinnen und Sänger um Chorleiter Christian Erny kombinieren auf dieser CD traditionelle und moderne Chorsätze aus den verschiedensten Regionen Europas. Der Zuhörer kann sich auf so manche Überraschung einstellen. Denn die Zurich Chamber Singers bescheren uns mitunter sogar magische Klänge. Ein faszinierendes Album. Bravi! 


Montag, 7. Dezember 2020

Vom Himmel hoch, da komm ich her (Christophorus)

 


Beim Lesen der Stichworte Weihnachten und Leipzig denkt jeder Musikfreund sogleich an den Thomaskantor Johann Sebastian Bach und sein berühmtes Weihnachtsoratorium. Diese CD aus dem Hause Christophorus zeigt, dass Bachs Amtsvorgänger ebenfalls hinreißend schöne Kompositionen zum Fest geschaffen haben. Der Kammerchor der Christuskirche Karlsruhe hat gemeinsam mit dem Ensemble L’arpa festante sowie den Solisten Monika Mauch, Hanna Zumsande, Franz Vitzthum, Sebastian Hübner und Ekkehard Abele unter Leitung von Peter Gortner in einem Konzert am 22. Dezember 2019 Festmusiken von Sebastian Knüpfer, Johann Schelle und Johann Kuhnau aufgeführt. 

Die ausgewählten Werke nehmen Bezug auf Martin Luthers Choral Vom Himmel hoch, da komm ich her, der von allen drei Thomaskantoren in den Mittelpunkt ihrer Kompositionen gestellt wurde. Während Knüpfers Kantate Ach mein hertzliebes Jesulein noch hörbar auf Stadtpfeifertraditionen beruht, setzt Schelle bereits auf Pauken und Trompeten, um das neu geborene Kind gebührend zu feiern. In seiner Choralkantate Vom Himmel kam der Engel Schar hat er sechs Strophen des Weihnachtsliedes verwendet. Sein Actus Musicus auff Weyh-Nachten aus dem Jahr 1683 hingegen ist ein knapp halbstündiges Oratorium, das die Zuhörer seinerzeit nicht nur zur Andacht angehalten, sondern mit allerlei Liedzitaten sowie mit einer breiten Palette an Klangfarben auch erfreut und gut unterhalten haben dürfte. 

Kuhnaus Magnificat hingegen glänzt bereits in hochbarocker Pracht. Die Musiker haben dieses Werk, so wie es damals üblich war, um vier weihnachtliche Einlagesätze erweitert. Ein ansprechendes Konzertprogramm, das weihnachtlichen Jubel auch in diesem Corona-Jahr in jede Stube bringt; leider wird die Freude zu Hause am Lautsprecher ein wenig getrübt durch die Akustik der Karlsruher Kirche, die im dem Live-Mitschnitt ziemlich präsent wirkt. 


Lost Concertos for Anna Maria (Glossa)


 Nicht wenige Komponisten haben ihren Platz in der Musikgeschichte durch Partnerschaften mit herausragenden Virtuosen gefunden. Im Falle von Antonio Vivaldi waren dies die Mädchen und Frauen, die im Orchester des Ospedale della Pietà musizierten. Sie kamen bereits im Säuglingsalter in dieses Waisenhaus, und die meisten von ihnen blieben ein ganzes Leben lang dort. 

Waren die figli begabt, wurden sie in den coro aufgenommen und erhielten dann eine erstklassige musikalische Ausbildung. Die Gottesdienste und Konzerte in der Kapelle der Pietà waren eine Attraktion; die musizierenden Mädchen hatten ein Publikum, das aus ganz Europa anreiste, um ihnen zuzuhören. 

Wie die Virtuosinnen hießen, für die Vivaldi seine Werke schrieb, und wie sie lebten, das lässt sich meist nur aus den alten Verwaltungsakten rekonstruieren. Anna Maria (1696 bis 1782), die Lieblingsschülerin Vivaldis, ist da eine Ausnahme. Denn auch wenn sie selbst das Ospedale wohl niemals verlassen hat, reichte ihr Ruf weit über die Grenzen Venedigs hinaus, und in vielen Reiseberichten jener Zeit wird ihr technisch versiertes und ausdrucksvolles Spiel gepriesen. 

Ein elegant in rotes Leder gebundenes Stimmbuch ist erhalten geblieben, aus dem sie musiziert hat; darin findet sich der Konzertmeisterpart für insgesamt 31 Violinkonzerte. 26 dieser Werke hat Antonio Vivaldi komponiert. Doch für einige dieser Kompositionen fehlen die anderen Stimmen. Sechs dieser Werke, die bislang nicht aus anderen Quellen komplettiert werden konnten, hat der Dirigent Federico Maria Sardelli nun rekonstruiert. 

Möglich wurde dies, weil seinerzeit neben der Solo-Stimme zur besseren Orientierung stets auch der Bass notiert wurde. Außerdem hat Sardelli Vivaldis Konzerte sorgfältig studiert, und sich bei der Wiederherstellung der verlorenen Stimmen an ihnen orientiert. Die Lösungen, die er letztendlich gefunden hat, überzeugten nicht nur den renommierten Vivaldi-Forscher Michael Talbot, der seine Gedanken dazu in dem sehr informativen Beiheft zu Papier gebracht hat. 

Auch das breite Publikum kann nun diese rekonstruierten Konzerte genießen, denn der Barockgeiger Federico Guglielmo hat diese mit dem Ensemble Modo Antiquo unter Leitung Sardellis bei Glossa eingespielt. Was für ein kühnes Projekt - und es ist rundum gelungen, Gratulation! Man darf wohl davon ausgehen, dass diese rekonstruierten Konzerte ihren Platz im Konzertleben finden werden. Die drei Doppelkonzerte für Orgel und Violine beispielsweise sind echte Repertoireschätze.