Mittwoch, 21. Oktober 2009

Mozart: Piano Concertos No. 23, K488 & No. 24, K491; Mitsuko Uchida (Decca)


Mitsuko Uchida hat gemeinsam mit dem Cleveland Orchestra zwei berühmte und bekannte Klavierkonzerte Mozarts eingespielt. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn die Pianistin führt ihre Mitmusiker vom Steinway aus.
Uchida atmet "ihren" Mozart. Sie lässt den Flügel wie auch die Orchesterinstrumente singen. Betont wird die musikalische Phrase, das Sangliche; mitunter wird recht "gefühlig" musiziert. Auch hätte man sich etwas mehr dynamische Differenzierung gewünscht.
Mozart kommt hier recht romantisch daher. Das sei nicht verschwiegen. Doch all das verzeiht man Uchida gern, denn in erster Linie bewirkt ihre Interpretation, dass das Werk durchhörbar wird bis ins kleinste Detail. Die Mittelstimmen erklingen ausgesprochen klar und deutlich; und auch die Bläser erfreuen mit manch delikater Linie. Viele schöne Melodien, die üblicherweise gerne im allgemeinen Orchesterklang untergehen. Je öfter man diese CD anhört, desto mehr derartige "Kleinigkeiten" entdeckt man - und man ist erfreut. Wer schon Weihnachtsgeschenke sucht - hier ist eines, das empfohlen werden kann.

Samstag, 17. Oktober 2009

Handel: Organ Concertos, op. 4; Ottavio Dantone, Accademia Bizantina (L'Oiseau Lyre)


Um Publikum zu seinen Oratorien-Aufführungen zu locken, erfand Händel - der ja auch ein gewiefter Geschäftsmann war - eine gänzlich neue Gattung: Das Orgelkonzert, eingeleitet vom Meister höchstpersönlich mit einem freien Präludium, erklang als Zwischenaktmusik, und begeisterte das anspruchsvolle Londoner Publikum. Das ist kein Wunder, denn die Musik ist ebenso virtuos wie eingängig. Und während die Oratorien heute nur noch Insidern bekannt sind, erfreuen sich die Orgelkonzerte wieder enormer Beliebtheit.
Eine Neueinspielung derart populärer Stücke ist immer auch ein Risiko. Denn nur dann, wenn die Interpreten wirklich etwas zu sagen haben, wird die CD tatsächlich gekauft. Bei der vorliegenden Aufnahme jedoch dürfte die Gefahr gering sein, dass sie wie Blei im Regal liegen bleibt. Das liegt zum einen an dem schlanken, frischen Klang des Ensembles, das in kleinster Besetzung musiziert. Dantone selbst entschied sich für ein kleines Orgelpositiv im böhmischen Stil, einmanualig, ohne Pedal und mit lediglich sechs Registern, aus der Werkstatt des Dresdener Orgelbauers Kristian Wegscheider.
Der Organist und seine Mitmusiker haben zudem den Mut und die technischen Fähigkeiten, Händels Partituren so zu lesen, wie sie einst gedacht waren: Als Skizzen, versehen mit reichlich Fragezeichen, Stichwort: "ad libitum". Ihre Lösungen sind ausgesprochen akzeptabel; Dantone gelingen schöne kleine Präludien, die den Charakter des folgenden Stückes bestens treffen. So hört man diese CD mit Vergnügen. Und als augenzwinkernde Verneigung vor dem Meister wurden die Stücke obendrein in der Kirche St. Bartholomäus zu Halle/Saale eingespielt; dort war Händels Großvater seinerzeit Pfarrer.

Vivaldi: Violinkonzerte; Daniel Hope (Deutsche Grammophon)


Mit dem Chamber Orchestra of Europe hat Daniel Hope vier Violinkonzerte von Antonio Vivaldi eingespielt, plus die Sonate "La Follia", und die Arie "Sovvente il sole" aus der Serenade "Andromeda Liberata" mit einer hübschen Partie für Violino obligato. Dieses Kabinettstückchen, das die Ruhe nach dem Sturm preist, wird von Anne Sofie von Otter gesungen, und ist ohne Zweifel der Höhepunkt der CD. Ansonsten bleibt der Eindruck blass: Das ist alles hochvirtuos, penibel gespielt, aber seltsam leblos. Zu gut durchdacht, zu glatt durchgestylt, zu brav und zu perfekt. Weniger schöne Töne und etwas mehr Leidenschaft hätten dieser Musik gut zu Gesicht gestanden, zumal im ersten Konzert, mit seinem scheinbaren Tohuwabohu, oder in der tänzerisch-ausdrucksstarken "Follia". Tut mir leid, aber diese CD lässt mich einschlafen. Und je öfter ich sie mir anhöre, desto weniger begeistert sie mich.

Donnerstag, 15. Oktober 2009

Wilhelm Friedemann Bach: Six Duets F54-59; Omar Zoboli, Sergio Delmastro (Stradivarius)


Duette gehören quasi zwangsweise zum Repertoire eines jeden Bläsers. Denn er lernt daran, typischerweise im Zusammenspiel mit seinem Lehrer. Wenn man solche Stücke auf CD bringen will, dann gehört viel Mut dazu, ein überaus solides Handwerk - und ein Feuerwerk an musikalischen Ideen. Sonst wird auch der geduldigste Zuhörer seine gute Laune einbüßen.
Bei dieser CD besteht diese Gefahr nur zum Teil. Das liegt zum einen daran, dass Omar Zoboli - Oboe, Oboe d'Amore, Englischhorn und Sopransaxophon - und Sergio Delmastro - Klarinetten in B und A sowie Bassethorn - ausgesprochen virtuos musizieren, und die Klangfarben ihrer Instrumente sehr geschickt einsetzen. Zum anderen wurden, wohl aus dramaturgischen Gründen, die Duette umsortiert. Das längste Stück steht am Beginn, und es ist in der Tat auch dasjenige mit gewissen Längen. Ansonsten verspricht die CD erstaunlich viel Kurzweil - der "Hallesche Bach" hat seinerzeit, ursprünglich für zwei Querflöten, kleine Stückchen komponiert, die einige Überraschungen aufbieten.

Bach: Harpsichord Concertos; Accademia Bizantina, Ottavio Dantone (L'Oiseau Lyre)


Ottavio Dantone und seine Accademia Bizantina - in Minimalbesetzung, diesmal nur als Streichquartett, verstärkt durch einen Kontrabass - haben vier Cembalokonzerte von Bach eingespielt. Der Komponist gilt mit diesen Werken für Streicher und Tasteninstrument als einer der Väter des Klavierkonzertes.
Davon ist hier freilich noch nichts zu spüren; die Cembalokonzerte, entstanden zumeist als Bearbeitungen anderer Stücke, sind hochvirtuos und setzen in ihrer musikalischen Substanz voll auf die Klangmöglichkeiten sowie die Spieltechnik des Instrumentes. Wer sich daran wagt, der muss sich warm anziehen. Dantone ist diesem Experiment bestens gewachsen. Und der schlanke Klang, den er mit seinen Streichern produziert, bekommt den Werken gut. Hier weht ein frischer Wind, und er weht offenbar jede Menge Staub hinweg. Das Ergebnis jedenfalls kann überzeugen.

Dienstag, 13. Oktober 2009

Haydn: 11 Piano Sonatas; Alfred Brendel (Decca)


Alfred Brendel spielt Haydn - und da hört man plötzlich Wiener Klassik. Das liegt nicht nur an der Auswahl dementsprechender Werke. In dieser Interpretation gibt es nichts Gefälliges; statt Charme und Eleganz entdeckt Brendel Dramatik. Die Tempi sind überwiegend forsch. Gespielt wird virtuos; allzu melodiöses, singendes Spiel vermeidet der Pianist.
Gelegentlich aber vermeint man, eine Spur Ironie zu entdecken. Ist es die des Komponisten, der sich über musikalische Klischees amüsiert und manche Figur, manche Wendung überzieht? Oder ist es der Interpret, der darüber schmunzeln muss? In jedem Falle bietet diese Box mit vier CD etliche Stunden feinster Klaviermusik. Und dank Haydns Einfallsreichtum wird das auch niemals langweilig.

Sonntag, 11. Oktober 2009

Edition Fischer-Dieskau Vol. IV; Beethoven: Lieder, Brahms: Lieder (Audite)


Als Mittzwanziger hat Dietrich Fischer-Dieskau diese Lieder von Beethoven und Brahms eingespielt, 1951 und 1952 in Studio von Rias in Berlin. Donnerwetter! Das muss ihm erst einmal jemand nachmachen. Eine solche Intelligenz und Reife in der Gestaltung, eine derart souveräne Beherrschung der stimmlichen Mittel! und zudem die Gabe des gemeinsamen Musizierens mit der Pianistin Hertha Klust - sie atmet mit dem Sänger mit, er nimmt auf, was das Klavier anstimmt, und trägt es im Gesang weiter. Diese frühe Aufnahme hat schon alles, was den Bariton in späteren Jahren zu einer Legende werden ließ - völlig zu recht: Davon gern mehr!

Revisited - Joseph Haydn: Klavierwerke; Ragna Schirmer (Berlin Classics


Hier also kommt sie nun, die musikalische Meterware. U-Musik aus dem 18. Jahrhundert, komponiert für zarte Damenhände, geschaffen zum Amüsement im Salon.  Haydn allerdings wahrt ein gewisses Niveau selbst bei diesen klingenden Galanterien, die seinerzeit bestimmt dem Kontostand des Künstlers (und seines Musikverlegers) ebenso behagt haben werden wie der Fortepiano spielenden Damenwelt. Kunst geht nach Brot, und das ist ja auch keine Schande.
Dass man die zwei CD dennoch rundum mit Vergnügen anhört, ist Ragna Schirmer zu verdanken. Die Pianistin geht mit Neugier daran, Haydns Sonaten, Variationen und Menuette zu erkunden: "Mich interessiert, wie man in der damaligen Zeit  wohl verziert hat", erläutert Schirmer. "Es ist schwer, mit so wenigen Tönen umzugehen. Für mich macht aber dies das Spannende und die Herausforderung aus. Selbst wenn es bei Haydn einstimmig wird, steckt in dieser einen Linie so viel. Und das muss man mit Leben und Intensität füllen." Ragna Schirmer spielt die kleinen Stücke mit Esprit und Witz. Auch eine große Portion Virtuosität sowie ihr ausgeprägter Sinn für Klangfarben tun Haydns Werken gut. So kommt letztendlich keine Langeweile auf - das freilich ist bei reichlich anderthalb Stunden Musik "à l'usage des Dames" schon große Klavierkunst.