„Haydns Fantasie ist scheinbar grenzenlos. Von seinen über
80 Quartetten ist eines schöner als das andere. In den Werken zeigen sich wirklich alle denkbaren Charak- tere und Empfindungen. Seine zahl- reichen Ideen erfordern vom Musiker viel Liebe zum Detail. Vor allem von den Mittelstimmen wird in dieser Hinsicht hohe Aufmerksamkeit ver- langt. Aber es lohnt sich“, schwärmt Pinchas Adt, zweiter Geiger im Gold- mund-Quartett.
Florian Schötz, Pinchas Adt, Christoph Vandory und Raphael Paratore haben bereits während der Schulzeit gemeinsam musiziert: „Als wir in den letzten Schuljahren waren, hat unser damaliger Musiklehrer uns ermutigt, ein Quartett zu gründen und erste Auftrittsmöglichkeiten organisiert“, berichtet Paratore von den Anfängen. Ein Streichquartett von Joseph Haydn war auch das erste Stück, das die jungen Musiker gemeinsam erarbeitet haben.
Die Entscheidung, ausgerechnet seine Werke für ihr Debüt einzuspielen, fiel wohlüberlegt: „Intonation, Artikulation, Phrasierung, Balance – eigentlich alle Parameter, die ein gepflegtes Quartettspiel benötigt, findet man bei Haydn“, meint Schötz. „Vielleicht kann man sagen, dass es nach Haydn wenige Werke für Streichquartett gibt, die die Qualität eines Ensembles so transparent spiegeln.“
Ausgewählt haben die Vier mit op. 1 Nr. 1 eines seiner frühesten Quartette, ein mittleres – op. 33 Nr. 5 – und ein spätes, op. 77 Nr. 1. Und dem Anspruch, den auch das CD-Coverfoto deutlich macht, wird das Goldmund-Quartett durchaus gerecht: Ja, die jungen Musiker haben mit dieser Ein- spielung einen Gipfel erobert. Auf die nächsten Aufnahmen dieses brillan- ten Ensembles, das alle Schwierigkeiten scheinbar mühelos meistert, das frisch und mit ebensoviel Humor wie Überlegung musiziert, darf man sehr gespannt sein. Bravi!
Freitag, 31. März 2017
Schmierer: Zodiaci Musici (Accent)
Kann ein Mensch, der Schmierer heißt, gute Musik komponieren? Was für eine Frage! Wenn es um Johann Abraham Schmierer (um 1660 bis nach 1700) geht jedenfalls, dann gilt keineswegs „Nomen est omen.“ Petr Wagner hat sich nun mit seinem Ensemble Tourbillon an Werke des Komponisten gewagt – und demon- striert, wie überaus hörenswert diese sind.
Über den Lebensweg Schmierers ist nicht viel bekannt. Es wird vermutet, dass er aus Augsburg stammt; zumindest sang er dort als Diskantist in der Domkapelle. Im Sommer 1680 endete sein Dienst dort; er erhielt ein Stipendium, und studierte zunächst in Dillingen Philosophie und dann ab 1682 an der Universität Salzburg Jura.
1697 wurde Schmierer dann in einem Augsburger Sitzungsprotokoll als Gräffl. Fuggerisch gemeinschaftlicher Archivarius genannt. Ein Jahr später erschien in Augsburg der erste Teil der Zodiaci musici; ein zweiter Teil wurde 1710 im Katalog der Frankfurter Fastenmesse angekündigt. Ob dieser Druck jemals erschienen ist, das lässt sich aber nicht mit Sicherheit sagen – bislang wurde leider noch kein Exemplar aufgefunden.
So beschränkt sich das Ensemble Tourbillon auf die ersten sechs Suiten dieser Ballettmusik, die sich offenbar an den zwölf Tierkreiszeichen orientiert – auch wenn Experten astrologische Bezüge nicht feststellen konnten. Es wird daher vermutet, dass die Titelwahl eher Werbezwecken diente; auch andere Komponisten zeigten sich dabei seinerzeit sehr einfallsreich.
Die Musik von Johann Abraham Schmierer klingt, als wäre Jean-Baptiste Lully sein Lehrer gewesen. Die Besetzung, ursprünglich vorgesehen waren vier Streicher und Cembalo ad libitum, hat das Ensemble Tourbillon deut- lich erweitert, vor allem bei den Continuo-Instrumenten, wo insbesondere Theorbe und Gitarre klanglich für Abwechslung sorgen. In den tiefen Streicherpart teilen sich Viola da gamba, Violoncello und Fagott. Auch Violinen ersetzten die Musiker um Petr Wagner gelegentlich durch Holz- bläser, was klanglich Abwechslung bringt. Musiziert wird mit Eleganz und Esprit – eine wirklich gelungene Einspielung.
Über den Lebensweg Schmierers ist nicht viel bekannt. Es wird vermutet, dass er aus Augsburg stammt; zumindest sang er dort als Diskantist in der Domkapelle. Im Sommer 1680 endete sein Dienst dort; er erhielt ein Stipendium, und studierte zunächst in Dillingen Philosophie und dann ab 1682 an der Universität Salzburg Jura.
1697 wurde Schmierer dann in einem Augsburger Sitzungsprotokoll als Gräffl. Fuggerisch gemeinschaftlicher Archivarius genannt. Ein Jahr später erschien in Augsburg der erste Teil der Zodiaci musici; ein zweiter Teil wurde 1710 im Katalog der Frankfurter Fastenmesse angekündigt. Ob dieser Druck jemals erschienen ist, das lässt sich aber nicht mit Sicherheit sagen – bislang wurde leider noch kein Exemplar aufgefunden.
So beschränkt sich das Ensemble Tourbillon auf die ersten sechs Suiten dieser Ballettmusik, die sich offenbar an den zwölf Tierkreiszeichen orientiert – auch wenn Experten astrologische Bezüge nicht feststellen konnten. Es wird daher vermutet, dass die Titelwahl eher Werbezwecken diente; auch andere Komponisten zeigten sich dabei seinerzeit sehr einfallsreich.
Die Musik von Johann Abraham Schmierer klingt, als wäre Jean-Baptiste Lully sein Lehrer gewesen. Die Besetzung, ursprünglich vorgesehen waren vier Streicher und Cembalo ad libitum, hat das Ensemble Tourbillon deut- lich erweitert, vor allem bei den Continuo-Instrumenten, wo insbesondere Theorbe und Gitarre klanglich für Abwechslung sorgen. In den tiefen Streicherpart teilen sich Viola da gamba, Violoncello und Fagott. Auch Violinen ersetzten die Musiker um Petr Wagner gelegentlich durch Holz- bläser, was klanglich Abwechslung bringt. Musiziert wird mit Eleganz und Esprit – eine wirklich gelungene Einspielung.
Donnerstag, 30. März 2017
Ani & Nia Sulkhanishvili Piano Duo (Oehms Classics)
Die Zwillingsschwestern Ani und Nia Sulkhanishvili haben sich schon in jungen Jahren dem Klavier ver- schrieben. Hört man sie heute als Klavierduo musizieren, dann mag man kaum glauben, dass sie nicht schon als Kinder gemeinsam gespielt haben.
Doch erst in ihrem 13. Lebensjahr entdeckten die Mädchen durch einen Zufall die Petite suite von Claude Debussy – für Klavier zu vier Händen. Und dieses Erlebnis hat sie so begeistert, dass die beiden Georgierinnen ihre Professorin überzeugten, sie fortan nicht nur solistisch, sondern auch als Klavierduo zu unterrichten.
Mittlerweile haben die jungen Damen etliche Wettbewerbe gewonnen. Beim 64. Internationalen Musikwettbewerb der ARD 2015 in München haben die Schwestern den zweiten Platz belegt – und konnten mit ihrer außergewöhnlichen Darbietung zudem Oehms Classics für eine CD-Produktion gewinnen.
Zu hören sind die Legenden für Klavier zu vier Händen op. 59 von Antonín Dvořák und die Rhapsodie espagnole von Maurice Ravel, ebenfalls in einer Fassung für Klavier zu vier Händen. Die beiden Werke entstammen nicht nur geographisch betrachtet höchst unterschiedlichen Gegenden. So trifft Böhmen auf Spanien, wie es allerdings ein Franzose sah. Auch klanglich sind sie höchst verschieden, und Dvořáks Musik erscheint vom Charakter her lang nicht so orchestral wie Ravels Werk.
Ani und Nia Sulkhanishvili gestalten daher auch ihre Interpretation sehr differenziert. Vom feinsten Pianissimo bis zum knalligen Akzent und mit einer großen Palette an Klangfarben spüren sie den Absichten der beiden Komponisten nach. Von diesem Klavierduo wird in Zukunft ohne Zweifel noch so manches zu hören sein.
Doch erst in ihrem 13. Lebensjahr entdeckten die Mädchen durch einen Zufall die Petite suite von Claude Debussy – für Klavier zu vier Händen. Und dieses Erlebnis hat sie so begeistert, dass die beiden Georgierinnen ihre Professorin überzeugten, sie fortan nicht nur solistisch, sondern auch als Klavierduo zu unterrichten.
Mittlerweile haben die jungen Damen etliche Wettbewerbe gewonnen. Beim 64. Internationalen Musikwettbewerb der ARD 2015 in München haben die Schwestern den zweiten Platz belegt – und konnten mit ihrer außergewöhnlichen Darbietung zudem Oehms Classics für eine CD-Produktion gewinnen.
Zu hören sind die Legenden für Klavier zu vier Händen op. 59 von Antonín Dvořák und die Rhapsodie espagnole von Maurice Ravel, ebenfalls in einer Fassung für Klavier zu vier Händen. Die beiden Werke entstammen nicht nur geographisch betrachtet höchst unterschiedlichen Gegenden. So trifft Böhmen auf Spanien, wie es allerdings ein Franzose sah. Auch klanglich sind sie höchst verschieden, und Dvořáks Musik erscheint vom Charakter her lang nicht so orchestral wie Ravels Werk.
Ani und Nia Sulkhanishvili gestalten daher auch ihre Interpretation sehr differenziert. Vom feinsten Pianissimo bis zum knalligen Akzent und mit einer großen Palette an Klangfarben spüren sie den Absichten der beiden Komponisten nach. Von diesem Klavierduo wird in Zukunft ohne Zweifel noch so manches zu hören sein.
Mozart: Divertimenti (Linn)
Zwar sind es „nur“ Gelegenheits- kompositionen, aber dennoch sind die Bläser-Divertimenti von Wolf- gang Amadeus Mozart mit das Schönste, was er jemals geschrieben hat. In ihnen verknüpft er erstklas- sige Unterhaltung, für die Zuhörer, mit faszinierender musikalischer Substanz; die Bläser, für die diese Werke einst entstanden sind, müssen ihre Instrumente virtuos beherrscht haben.
Das lässt sich auch von den Scottish Chamber Orchestra Wind Soloists sagen, die Mozarts Divertimenti KV 253, 270, 252/240a und 240 sowie die Serenade KV 375 nun kunstfertig eingespielt haben. Maximiliano Martín und William Stafford, Klarinette, Alec Frank-Gemmill und Harry Johnstone, Horn, sowie Peter Whelan und Alison Green, Fagott, musizieren schwungvoll, lebendig und phantastisch aufeinander abgestimmt. Die Super Audio CD, die bei dem schottischen Hifi-Label Linn erschienen ist, begeistert zudem mit einem wunderbar transparenten Klang. Unbedingt anhören!
Das lässt sich auch von den Scottish Chamber Orchestra Wind Soloists sagen, die Mozarts Divertimenti KV 253, 270, 252/240a und 240 sowie die Serenade KV 375 nun kunstfertig eingespielt haben. Maximiliano Martín und William Stafford, Klarinette, Alec Frank-Gemmill und Harry Johnstone, Horn, sowie Peter Whelan und Alison Green, Fagott, musizieren schwungvoll, lebendig und phantastisch aufeinander abgestimmt. Die Super Audio CD, die bei dem schottischen Hifi-Label Linn erschienen ist, begeistert zudem mit einem wunderbar transparenten Klang. Unbedingt anhören!
Dienstag, 28. März 2017
Besuch im Zoo (Genuin)
„Besuch im Zoo“ gehörte einstmals, als wir noch Kinder waren, zu unseren absoluten Lieblingsplatten. Pony Hopp, Teddy Brumm, der auf einem Bein stehende Storch und der Elefant, der das Trompetensolo zum Tierkonzert besteuern kann, waren unsere Favoriten unter den vielen, vielen humorvollen Tierliedern. Hans Sandig (1914 bis 1989), der Gründer des Leipziger Rundfunk-Kinder- chores, hat diese Zookantate seiner- zeit für dieses Ensemble auf Texte von Richard Hambach komponiert. (Und wer den Leipziger Zoo kennt, der weiß, welch großartiges Vorbild er dabei vor Augen hatte.)
Mit „seinem“ Rundfunk-Kinderchor hat Sandig das Werk dann natürlich auch eingespielt. Nun wagte sich der Nachfolger, der MDR Kinderchor, an eine Neueinspielung der Kantate. Es singt der Nachwuchschor 2 unter Leitung von Wieland Lemke – und man muss leider feststellen, dass diese Aufnahme an das Sandig-Original nicht heranreicht. Das ist alles ein wenig zu brav und farblos geraten, und die Balance zwischen den kleinen Sängern und Sprechern und dem Instrumentalensemble „Tierisch musika- lisch“ stimmt ebenfalls nicht; die Musiker sind mir zu laut. Schade!
Ergänzt wird das Programm durch die Weltersteinspielung von Hans Sandigs später Winterkantate nach Texten von Christian Morgenstern, gesungen vom Konzertchor, also den älteren und bereits erfahrenen Mitgliedern des MDR Kinderchores, unter Leitung von Ulrich Kaiser. Am Klavier begleitet werden die jungen Sängerinnen und Sänger von Christian Otto, und Wieland Lemke ist hier mit einem Bariton-Solo zu hören. Auch wenn die Vertonungen nur ein- bis zweistimmig sind, so sind sie doch keineswegs simpel. Denn Sandig setzte in seinem Morgenstern-Zyklus auf eine relativ moderne Tonsprache. Dem Konzertchor bereitet dies keine Probleme – und das ist eindeutig der spannendere Teil dieser CD.
Mit „seinem“ Rundfunk-Kinderchor hat Sandig das Werk dann natürlich auch eingespielt. Nun wagte sich der Nachfolger, der MDR Kinderchor, an eine Neueinspielung der Kantate. Es singt der Nachwuchschor 2 unter Leitung von Wieland Lemke – und man muss leider feststellen, dass diese Aufnahme an das Sandig-Original nicht heranreicht. Das ist alles ein wenig zu brav und farblos geraten, und die Balance zwischen den kleinen Sängern und Sprechern und dem Instrumentalensemble „Tierisch musika- lisch“ stimmt ebenfalls nicht; die Musiker sind mir zu laut. Schade!
Ergänzt wird das Programm durch die Weltersteinspielung von Hans Sandigs später Winterkantate nach Texten von Christian Morgenstern, gesungen vom Konzertchor, also den älteren und bereits erfahrenen Mitgliedern des MDR Kinderchores, unter Leitung von Ulrich Kaiser. Am Klavier begleitet werden die jungen Sängerinnen und Sänger von Christian Otto, und Wieland Lemke ist hier mit einem Bariton-Solo zu hören. Auch wenn die Vertonungen nur ein- bis zweistimmig sind, so sind sie doch keineswegs simpel. Denn Sandig setzte in seinem Morgenstern-Zyklus auf eine relativ moderne Tonsprache. Dem Konzertchor bereitet dies keine Probleme – und das ist eindeutig der spannendere Teil dieser CD.
"Les Bis" de Georges Athanasiadès (Tudor)
Georges Athanasiadès, Jahrgang 1929, wirkt seit vielen Jahren in der Abtei Saint-Maurice. Dieses Kloster der Augustiner-Chorherren, es befindet sich im Kanton Wallis in der Westschweiz, gilt als das älteste Kloster des Abendlandes, das ohne Unterbrechung existierte – 2014/15 feierte es sein 1500jähriges Bestehen. Als Priester unterrichtete Athanasia- dès lange am dortigen Gymnasium.
Doch er ist nicht nur Germanist und Theologe, er hat in Lausanne auch Musik studiert und sein Solisten- diplom mit Auszeichnung absolviert. Als Organist der Stiftsbasilika Saint-Maurice musiziert Athanasiadès nicht nur im Gottesdienst; er gibt zudem weltweit Konzerte, engagiert sich für den musikalischen Nachwuchs und ist ein gefragter Berater, wenn es um Neubau und Restaurierung von Orgeln geht.
Auf dieser CD präsentiert er nun seine Lieblingszugaben: „Une très longue carrière de concertiste m'a suggéré de grouper un certain nombre de mes encores sous le titre ,Les Bis'“, schreibt Athanasiadès. In seinem Begleit- wort zu dieser CD verweist er auf die Geschichte der Orgel, die ja keines- wegs schon immer ihren Platz im sakralen Raum hatte. Und auch heute wird auf diesem Instrument nicht nur genuin geistliche Musik gespielt; der Farbenreichtum und der orchestrale Charakter des Orgelklanges laden geradezu dazu ein, auch beispielsweise Orchestermusik vorzutragen.
Und so steht auch hier beispielsweise Jesus bleibet meine Freude von Johann Sebastian Bach neben dem Pilgerchor aus der Oper Tannhäuser von Richard Wagner, und die Sonate facile KV 545 von Wolfgang Amadeus Mozart erklingt neben drei Préludes von Frédéric Chopin – arrangiert ebenso wie Wagners Pilgerchor für Orgel übrigens von Franz Liszt. Herzlich tut mich verlangen von Johannes Brahms spielte der Organist an der Orgel der Stiftsbasilika Waldsassen in Bayern; ansonsten ist die Große Orgel der Stiftsbasilika zu hören. Dieses facettenreiche Instrument, eingeweiht 1950, stammt von der Orgelbau Th. Kuhn AG, Männedorf im Kanton Zürich. Es verfügt über 56 Register auf drei Manualen und Pedal.
Doch er ist nicht nur Germanist und Theologe, er hat in Lausanne auch Musik studiert und sein Solisten- diplom mit Auszeichnung absolviert. Als Organist der Stiftsbasilika Saint-Maurice musiziert Athanasiadès nicht nur im Gottesdienst; er gibt zudem weltweit Konzerte, engagiert sich für den musikalischen Nachwuchs und ist ein gefragter Berater, wenn es um Neubau und Restaurierung von Orgeln geht.
Auf dieser CD präsentiert er nun seine Lieblingszugaben: „Une très longue carrière de concertiste m'a suggéré de grouper un certain nombre de mes encores sous le titre ,Les Bis'“, schreibt Athanasiadès. In seinem Begleit- wort zu dieser CD verweist er auf die Geschichte der Orgel, die ja keines- wegs schon immer ihren Platz im sakralen Raum hatte. Und auch heute wird auf diesem Instrument nicht nur genuin geistliche Musik gespielt; der Farbenreichtum und der orchestrale Charakter des Orgelklanges laden geradezu dazu ein, auch beispielsweise Orchestermusik vorzutragen.
Und so steht auch hier beispielsweise Jesus bleibet meine Freude von Johann Sebastian Bach neben dem Pilgerchor aus der Oper Tannhäuser von Richard Wagner, und die Sonate facile KV 545 von Wolfgang Amadeus Mozart erklingt neben drei Préludes von Frédéric Chopin – arrangiert ebenso wie Wagners Pilgerchor für Orgel übrigens von Franz Liszt. Herzlich tut mich verlangen von Johannes Brahms spielte der Organist an der Orgel der Stiftsbasilika Waldsassen in Bayern; ansonsten ist die Große Orgel der Stiftsbasilika zu hören. Dieses facettenreiche Instrument, eingeweiht 1950, stammt von der Orgelbau Th. Kuhn AG, Männedorf im Kanton Zürich. Es verfügt über 56 Register auf drei Manualen und Pedal.
Montag, 27. März 2017
C.P.E. Bach: 4 Symphonies Wq 183 6 Sonatas Wq 184 (Es-Dur)
Die vier Orchestersinfonien Wq 183 und die sechs Kleinen Sonaten für Bläser Wq 184 von Carl Philipp Emanuel Bach (1714 bis 1788) hat das Ensemble Resonanz auf dieser CD zusammengefasst. Das ist eine interessante Kombination. Denn die Kleinen Sonaten, entstanden 1775, künden vom verstärkten Interesse des Komponisten am Bläserklang. Besetzt sind sie jeweils mit zwei Flöten, zwei Klarinetten, zwei Hörnern und Fa- gott. Die Sonaten 1, 2, 3, und 5 sind Bearbeitungen älterer Trios, Wq 92. Bachs Hinwendung zu den Bläsern folgt einerseits dem Zeitgeist – um 1770 kam die sogenannte Harmonie- musik, komponiert typischerweise für Bläseroktett, groß in Mode.
Dieses Experiment wirkt aber darüberhinaus wie die Vorbereitung auf ein wesentlich komplexeres Projekt, das Bach im gleichen Jahr begonnen hat: In seinen Orchestersinfonien Wq 183 spielen ebenfalls Bläser mit; noch die Hamburger Sinfonien Wq 182 waren für reines Streichorchester ent- standen. Wir erleben somit die ersten Schritte auf dem Weg zum modernen Orchester – zwar lang noch nicht mit der vollen Bläserbesetzung, wie wir sie heute kennen, dafür aber noch mit Cembalo, an dem wir uns Carl Philipp Emanuel Bach denken können, wie er seine Musiker dirigiert.
Im empfindsamen Zeitalter löste Einfühlung das barocke Musikverständnis ab, das die Musik als eine rhetorische Kunst betrachtete, die auch der Mathematik durchaus nahe war. Der „Hamburger“ Bach hingegen wollte weniger den Verstand als vielmehr das Herz seiner Zuhörer ohne Umwege ansprechen. Und so zündet er auch in diesem Sinfonien ein wahres Gefühlsfeuerwerk.
Das Ensemble Resonanz lässt, dirigiert von Riccardo Minasi, jede einzelne Rakete genussvoll aufleuchten. Die Musiker zeigen, wie dramatisch Bachs Werke teilweise sind, wie kühn, innovativ und farbenreich – und mitunter auch mitreißend heiter. So energisch und konsequent hört man das selten; das ist Sturm und Drang auch in der Interpretation. Faszinierend!
Dieses Experiment wirkt aber darüberhinaus wie die Vorbereitung auf ein wesentlich komplexeres Projekt, das Bach im gleichen Jahr begonnen hat: In seinen Orchestersinfonien Wq 183 spielen ebenfalls Bläser mit; noch die Hamburger Sinfonien Wq 182 waren für reines Streichorchester ent- standen. Wir erleben somit die ersten Schritte auf dem Weg zum modernen Orchester – zwar lang noch nicht mit der vollen Bläserbesetzung, wie wir sie heute kennen, dafür aber noch mit Cembalo, an dem wir uns Carl Philipp Emanuel Bach denken können, wie er seine Musiker dirigiert.
Im empfindsamen Zeitalter löste Einfühlung das barocke Musikverständnis ab, das die Musik als eine rhetorische Kunst betrachtete, die auch der Mathematik durchaus nahe war. Der „Hamburger“ Bach hingegen wollte weniger den Verstand als vielmehr das Herz seiner Zuhörer ohne Umwege ansprechen. Und so zündet er auch in diesem Sinfonien ein wahres Gefühlsfeuerwerk.
Das Ensemble Resonanz lässt, dirigiert von Riccardo Minasi, jede einzelne Rakete genussvoll aufleuchten. Die Musiker zeigen, wie dramatisch Bachs Werke teilweise sind, wie kühn, innovativ und farbenreich – und mitunter auch mitreißend heiter. So energisch und konsequent hört man das selten; das ist Sturm und Drang auch in der Interpretation. Faszinierend!
Sonntag, 26. März 2017
Ferdinand Fischer - From Heaven on Earth (Challenge)
„Als ich vor einigen Jahren das Benediktinerstift Kremsmünster in Oberösterreich besuchte, um die dort verwahrten Lauten zu sehen, konnte ich noch nicht ahnen, dass dieser Besuch mein Leben als Laute spielender Musiker von Grund auf verändern würde“, berichtet Hubert Hoffmann im Geleitwort zu dieser CD. Der Lautenist schaute sich nicht nur die Instrumente an, er sichtete auch das Notenarchiv – und dabei fand er in einigen Tabulaturbüchern Variationssätze, die ihn faszinierten: „Diese waren liebevoll kalligrafisch in winzigen Buchstaben niedergeschrieben und setzten für ihre Realisie- rung beträchtliches spieltechnisches Vermögen voraus.“
Hoffmann stellte fest, dass diese Werke Pater Ferdinando Fischer (1652 bis 1725) niedergeschrieben hat, der einst im Kloster lebte – seine Laute übri- gens ist erhalten geblieben, im Beiheft sieht man sie im Bild. Die Stücke, die Fischer notiert hat, seien in keinem der vielen anderen Lautenmanu- skripte jener Zeit zu finden. „Es handelte sich also um Unikate“, so Hoffmann – und je mehr sich der Lautenist mit dieser Musik beschäftigte, desto stärker wurde in ihm der Wunsch, sie dem Publikum vorzustellen. „Da ich zudem über ein sehr außergewöhnliches elfchöriges Instrument aus der Werkstatt Andreas von Holst verfüge, welches für die Wiedergabe dieser Musik wie geschaffen schien, war es nur noch ein kleiner Schritt bis zum Plan diese wirklich ,neuen Lautenfrüchte' auf einer CD zu präsentieren“, schreibt Hoffmann.
In den Galaxy Studios zu Mol/Belgien – einem der stillsten Aufnahme- räume ganz Europas, wie der Lautenist berichtet – ist dann diese Einspielung entstanden. Die drei Partiten zeigen uns Pater Fischer als einen Musiker von hoher technischer Brillanz, ausgezeichneter Repertoirekenntnis und ganz erstaunlicher Originalität. Fischer kennt offenbar die französischen Vorbilder und schätzt sie, aber er kopiert sie nicht. Man kann vermuten, dass es ihm weniger darum ging, mit seinem Lautenspiel zu beeindrucken, dass ihm vielmehr an einer musikalischen Meditation gelegen war. Denn Fischer liebte die Variation, insbesondere die Passacaglia, und er legte wenig Wert auf üppige Verzierungen.
Hoffmann entführt uns in diese musikalische Welt, manchmal versonnen, mitunter auch galant – aber immer sehr eigen. Der Zuhörer darf sich auf eine Entdeckung freuen, sehr schön eingespielt und vor allem auch exzellent aufgenommen. Das klingt, als säße der Lautenist direkt vor einem im Zimmer, unglaublich!
Hoffmann stellte fest, dass diese Werke Pater Ferdinando Fischer (1652 bis 1725) niedergeschrieben hat, der einst im Kloster lebte – seine Laute übri- gens ist erhalten geblieben, im Beiheft sieht man sie im Bild. Die Stücke, die Fischer notiert hat, seien in keinem der vielen anderen Lautenmanu- skripte jener Zeit zu finden. „Es handelte sich also um Unikate“, so Hoffmann – und je mehr sich der Lautenist mit dieser Musik beschäftigte, desto stärker wurde in ihm der Wunsch, sie dem Publikum vorzustellen. „Da ich zudem über ein sehr außergewöhnliches elfchöriges Instrument aus der Werkstatt Andreas von Holst verfüge, welches für die Wiedergabe dieser Musik wie geschaffen schien, war es nur noch ein kleiner Schritt bis zum Plan diese wirklich ,neuen Lautenfrüchte' auf einer CD zu präsentieren“, schreibt Hoffmann.
In den Galaxy Studios zu Mol/Belgien – einem der stillsten Aufnahme- räume ganz Europas, wie der Lautenist berichtet – ist dann diese Einspielung entstanden. Die drei Partiten zeigen uns Pater Fischer als einen Musiker von hoher technischer Brillanz, ausgezeichneter Repertoirekenntnis und ganz erstaunlicher Originalität. Fischer kennt offenbar die französischen Vorbilder und schätzt sie, aber er kopiert sie nicht. Man kann vermuten, dass es ihm weniger darum ging, mit seinem Lautenspiel zu beeindrucken, dass ihm vielmehr an einer musikalischen Meditation gelegen war. Denn Fischer liebte die Variation, insbesondere die Passacaglia, und er legte wenig Wert auf üppige Verzierungen.
Hoffmann entführt uns in diese musikalische Welt, manchmal versonnen, mitunter auch galant – aber immer sehr eigen. Der Zuhörer darf sich auf eine Entdeckung freuen, sehr schön eingespielt und vor allem auch exzellent aufgenommen. Das klingt, als säße der Lautenist direkt vor einem im Zimmer, unglaublich!
Montag, 13. März 2017
Czerny: Organ Music (Naxos)
Orgelmusik von Carl Czerny (1791 bis 1857)? Der Komponist und Klavier- pädagoge, der der Nachwelt vor allem durch seine Etüdenbände („Schule der Geläufigkeit“) in Erinnerung geblie- ben ist, war selbst offenbar nicht nur ein ausgezeichneter Pianist, sondern auch ein Organist, der sich hören lassen konnte.
Seine Orgelwerke sind wahrschein- lich im Zusammenhang mit einer Reise nach England im Jahre 1837 entstanden. Dort musizierte Czerny nicht nur im Kensington Palace für die zukünftige Queen Victoria. Er scheint auch viele Kollegen getroffen zu haben – Preludio e Fuga per Organo e Pedale obbligato op. 607 jedenfalls widmete er George Elvey, dem Organisten der Queen an der St. Georgskapelle in Windsor. Die Twenty Short Voluntaries for Organ with Obbligato Pedal op. 698 wurden mit einer Widmung an den Londoner Organisten William Crathern gedruckt, und die Twelve Introductory or Intermeditate Voluntaries op. 627 sind James Windsor gewidmet, Organist in Bath.
Publiziert wurden diese Werke übrigens nahezu zeitgleich 1840/41 in Frankreich, Deutschland und in Großbritannien, wo der Musikverleger Robert Cock Czernys Orgelmusik druckte. Was die Instrumente betrifft, so scheint sich die englische Orgellandschaft in jenen Jahren entscheidend entwickelt zu haben: Während Felix Mendelssohn Bartholdy 1829 noch das Fehlen eines Pedals, wie es auf dem Kontinent üblich war, beklagte, scheint dies 20 Jahre später nicht mehr problematisch zu sein.
Der obligate Pedalpart von Czernys Werken jedenfalls erfordert einiges an Kunstfertigkeit; Präludium und Fuge zeugen zudem davon, dass ihr Komponist Bachs Musik mit Sorgfalt studiert hat. Besonders interessant aber sind die harmonischen Wendungen, mit denen Czerny immer wieder überrascht. Auch wenn es „kleine“ Orgelstücke sind, die als Vorspiel, Nachspiel oder aber auch kurzes Zwischenspiel während des Gottes- dienstes dienen sollen, so sind es doch musikalische Juwelen mit etlichen funkelnden Facetten – der Komponist, der immerhin ein Schüler Beetho- vens war, konnte eben doch sehr viel mehr als nur Meterware.
Iain Quinn, promovierter Musikhistoriker und Orgellehrer an an der Florida State University, hat Orgelmusik von Carl Czerny in Notenausga- ben wiederveröffentlicht, und einige wichtige Werke nun bei Naxos eingespielt. Damit macht er nicht nur auf diese hörenswerten Stücke aufmerksam, er ermöglicht es zugleich interessierten Organisten, sie in ihr Repertoire aufzunehmen. Vorbildlich!
Seine Orgelwerke sind wahrschein- lich im Zusammenhang mit einer Reise nach England im Jahre 1837 entstanden. Dort musizierte Czerny nicht nur im Kensington Palace für die zukünftige Queen Victoria. Er scheint auch viele Kollegen getroffen zu haben – Preludio e Fuga per Organo e Pedale obbligato op. 607 jedenfalls widmete er George Elvey, dem Organisten der Queen an der St. Georgskapelle in Windsor. Die Twenty Short Voluntaries for Organ with Obbligato Pedal op. 698 wurden mit einer Widmung an den Londoner Organisten William Crathern gedruckt, und die Twelve Introductory or Intermeditate Voluntaries op. 627 sind James Windsor gewidmet, Organist in Bath.
Publiziert wurden diese Werke übrigens nahezu zeitgleich 1840/41 in Frankreich, Deutschland und in Großbritannien, wo der Musikverleger Robert Cock Czernys Orgelmusik druckte. Was die Instrumente betrifft, so scheint sich die englische Orgellandschaft in jenen Jahren entscheidend entwickelt zu haben: Während Felix Mendelssohn Bartholdy 1829 noch das Fehlen eines Pedals, wie es auf dem Kontinent üblich war, beklagte, scheint dies 20 Jahre später nicht mehr problematisch zu sein.
Der obligate Pedalpart von Czernys Werken jedenfalls erfordert einiges an Kunstfertigkeit; Präludium und Fuge zeugen zudem davon, dass ihr Komponist Bachs Musik mit Sorgfalt studiert hat. Besonders interessant aber sind die harmonischen Wendungen, mit denen Czerny immer wieder überrascht. Auch wenn es „kleine“ Orgelstücke sind, die als Vorspiel, Nachspiel oder aber auch kurzes Zwischenspiel während des Gottes- dienstes dienen sollen, so sind es doch musikalische Juwelen mit etlichen funkelnden Facetten – der Komponist, der immerhin ein Schüler Beetho- vens war, konnte eben doch sehr viel mehr als nur Meterware.
Iain Quinn, promovierter Musikhistoriker und Orgellehrer an an der Florida State University, hat Orgelmusik von Carl Czerny in Notenausga- ben wiederveröffentlicht, und einige wichtige Werke nun bei Naxos eingespielt. Damit macht er nicht nur auf diese hörenswerten Stücke aufmerksam, er ermöglicht es zugleich interessierten Organisten, sie in ihr Repertoire aufzunehmen. Vorbildlich!
Sonntag, 12. März 2017
Telemann Collection (Brilliant Classics)
Zum Telemann-Jubiläum 2017 legt Brilliant Classics eine Sammelbox mit erlesenen Werken des Altmeisters auf den Gabentisch. Auf zehn CD enthält sie wichtige und populäre Komposi- tionen von Georg Philipp Telemann (1681 bis 1767) in zumeist exquisiten Aufnahmen. Zu hören sind Auszüge aus der Tafelmusik, eine Auswahl an Konzerten und Doppelkonzerten sowie aus der Vielzahl seiner Ouver- türen – darunter Alster-Ouvertüre, Völker-Ouvertüre und die Burlesque de Quixotte. Außerdem erklingen die Pariser Quartette in einer exzellenten Einspielung mit Musica ad Rhenum, die Scherzi Melodichi mit dem Ensemble Symposium und das Passions-Oratorium Das selige Erwägen des Leidens und Sterbens Jesu Christi in einer Aufnahme mit dem Freiburger Vokalensemble und L'Arpa Festante München unter Wolfgang Schäfer.
Unter den Mitwirkenden sind zudem unter anderem das Collegium Instru- mentale Brugense, das St. Christopher Chamber Orchestra aus Litauen, Musica Amphion, das Ensemble Cordeventum, Erik, Bosgraaf, Wilbert Hazelzet, Dan Laurin, Federico Guglielmo und Roberto Loreggian – die Liste ist noch viel länger, und sie bürgt für Qualität.
Unter den Mitwirkenden sind zudem unter anderem das Collegium Instru- mentale Brugense, das St. Christopher Chamber Orchestra aus Litauen, Musica Amphion, das Ensemble Cordeventum, Erik, Bosgraaf, Wilbert Hazelzet, Dan Laurin, Federico Guglielmo und Roberto Loreggian – die Liste ist noch viel länger, und sie bürgt für Qualität.
Praetorius: Erhalt uns Herr bey deinem Wort (cpo)
Das Label cpo startet seine Veröffent- lichungen zum Reformationsjubiläum gleich mit einer neuen Reihe: „Musik aus Schloss Wolfenbüttel“ erinnert an die Welfen, die ihre Residenzstadt, beginnend in der Spätrenaissance, zu einem norddeutschen Kulturzentrum ausbauten. Über mehrere Generatio- nen förderten sie als Mäzene nicht nur die Musik, sondern auch die Lite- ratur, das Theater und die Malerei.
Mit Regierungsantritt im Jahre 1568 vollzog Herzog Julius von Braun- schweig-Wolfenbüttel in seinen Landen die Reformation. Zugleich orientierte er sich auch kulturell an Kursachsen. Die engen Kontakte nach Mitteldeutschland äußerten sich beispielsweise darin, dass sein Nachfol- ger, Herzog Heinrich Julius, Michael Praetorius (1571 bis 1621) als Kammerorganisten in seine Hofkapelle holte; 1604 beförderte er den Musiker dann zum Hofkapellmeister.
Auf dieser CD sind Luther-Choräle in Vertonungen von Michael Praetorius zu hören. Das ist kein Zufall: Praetorius entstammte einer Familie, die die Reformation seit ihren Anfängen mit Leidenschaft begleitet hatte. Michaels Vater, unter dem noch den nicht latinisierten Familiennamen Schulteis, hatte an der Universität zu Wittenberg studiert, wo Luther lehrte. Er unterrichtete dann zunächst als Lehrer an jener Lateinschule in Torgau, an der Johann Walter wirkte, der „Urkantor“ der evangelischen Kirche.
Dort begann auch die Schulausbildung von Michael Praetorius, die dieser anschließend in Zerbst fortsetzte. 1585 ging der Knabe zum Studium nach Frankfurt/Oder, wo er sich wie seine beiden älteren Brüder der Theologie widmen wollte. Als der Bruder starb, bei dem er wohnte, übernahm er, um weiter studieren zu können, das Amt des Universitätsorganisten. Wer sich für die Biographie des Musikers interessiert, kann mehr in diesem Blog an anderer Stelle nachlesen; bei den Orgelwerken wurde darüber bereits ausführlich berichtet.
Praetorius schuf ein umfangreiches Werk, das auch zu guten Teilen über- liefert ist, weil der Komponist seine Musik drucken ließ. Er verhalf der Wolfenbütteler Hofkapelle zu überregionalem Ruhm; man kann sich daher leicht vorstellen, wie gefragt diese Noten waren. Einen besonderen Platz in seinem Schaffen hatten die Choräle, die sich in vielfältigsten Varianten finden – vom schlichten Kantionalsatz bis hin zum großformatigen mehr- chörigen Konzert nach italienischen Vorbild.
Die venezianische Musizierpraxis soll Praetorius während seiner Reisen nach Prag kennengelernt haben. Wie erfolgreich er sich dieses Modell zu eigen gemacht hat, obwohl er nie selbst in Italien war, zeigt diese CD mit einer Auswahl an Choralkonzerten aus Praetorius' erlesener Kollektion Polyhymnia caduceatrix et panegyrica, veröffentlicht 1619. Bei Nun Frewt euch lieben Christen gemein sind gleich zwei Versionen, in großer und in weniger umfangreicher Besetzung, zu hören, unterbrochen vom Kantional- satz aus den Musae Sioniae VII.
Praetorius' Konzerte sind teilweise üppig besetzt, sie warten mit Klang- effekten und Mehrchörigkeit auf in der „neuen italienischen Concerten-Manier“. In den Werken des Wolfenbütteler Hofkapellmeisters haben nicht nur die Sänger, sondern auch die Instrumentalisten mitunter ausgespro- chen virtuose Partien; nicht nur im gemeinsamen Musizieren mit den Sängern, sondern auch in Sinfonien und Ritornellen können sie ihre Kunst zeigen. Das Ensemble Weser-Renaissance Bremen unter Leitung von Manfred Cordes musiziert mit starkem Ausdruck ebenso wie mit großer Klangpracht. So, wie die Vokalisten und Instrumentalisten des renommier- ten Ensembles diese Werke vortragen, vermag man sich gut vorzustellen, wie diese neue Art des Musizierens seinerzeit die Leute beeindruckt hat. Nicht nur der Andacht im Gottesdienst, sondern vor allem auch dem Ansehen des Herrscherhauses dürfte dies sehr zuträglich gewesen sein.
Mit Regierungsantritt im Jahre 1568 vollzog Herzog Julius von Braun- schweig-Wolfenbüttel in seinen Landen die Reformation. Zugleich orientierte er sich auch kulturell an Kursachsen. Die engen Kontakte nach Mitteldeutschland äußerten sich beispielsweise darin, dass sein Nachfol- ger, Herzog Heinrich Julius, Michael Praetorius (1571 bis 1621) als Kammerorganisten in seine Hofkapelle holte; 1604 beförderte er den Musiker dann zum Hofkapellmeister.
Auf dieser CD sind Luther-Choräle in Vertonungen von Michael Praetorius zu hören. Das ist kein Zufall: Praetorius entstammte einer Familie, die die Reformation seit ihren Anfängen mit Leidenschaft begleitet hatte. Michaels Vater, unter dem noch den nicht latinisierten Familiennamen Schulteis, hatte an der Universität zu Wittenberg studiert, wo Luther lehrte. Er unterrichtete dann zunächst als Lehrer an jener Lateinschule in Torgau, an der Johann Walter wirkte, der „Urkantor“ der evangelischen Kirche.
Dort begann auch die Schulausbildung von Michael Praetorius, die dieser anschließend in Zerbst fortsetzte. 1585 ging der Knabe zum Studium nach Frankfurt/Oder, wo er sich wie seine beiden älteren Brüder der Theologie widmen wollte. Als der Bruder starb, bei dem er wohnte, übernahm er, um weiter studieren zu können, das Amt des Universitätsorganisten. Wer sich für die Biographie des Musikers interessiert, kann mehr in diesem Blog an anderer Stelle nachlesen; bei den Orgelwerken wurde darüber bereits ausführlich berichtet.
Praetorius schuf ein umfangreiches Werk, das auch zu guten Teilen über- liefert ist, weil der Komponist seine Musik drucken ließ. Er verhalf der Wolfenbütteler Hofkapelle zu überregionalem Ruhm; man kann sich daher leicht vorstellen, wie gefragt diese Noten waren. Einen besonderen Platz in seinem Schaffen hatten die Choräle, die sich in vielfältigsten Varianten finden – vom schlichten Kantionalsatz bis hin zum großformatigen mehr- chörigen Konzert nach italienischen Vorbild.
Die venezianische Musizierpraxis soll Praetorius während seiner Reisen nach Prag kennengelernt haben. Wie erfolgreich er sich dieses Modell zu eigen gemacht hat, obwohl er nie selbst in Italien war, zeigt diese CD mit einer Auswahl an Choralkonzerten aus Praetorius' erlesener Kollektion Polyhymnia caduceatrix et panegyrica, veröffentlicht 1619. Bei Nun Frewt euch lieben Christen gemein sind gleich zwei Versionen, in großer und in weniger umfangreicher Besetzung, zu hören, unterbrochen vom Kantional- satz aus den Musae Sioniae VII.
Praetorius' Konzerte sind teilweise üppig besetzt, sie warten mit Klang- effekten und Mehrchörigkeit auf in der „neuen italienischen Concerten-Manier“. In den Werken des Wolfenbütteler Hofkapellmeisters haben nicht nur die Sänger, sondern auch die Instrumentalisten mitunter ausgespro- chen virtuose Partien; nicht nur im gemeinsamen Musizieren mit den Sängern, sondern auch in Sinfonien und Ritornellen können sie ihre Kunst zeigen. Das Ensemble Weser-Renaissance Bremen unter Leitung von Manfred Cordes musiziert mit starkem Ausdruck ebenso wie mit großer Klangpracht. So, wie die Vokalisten und Instrumentalisten des renommier- ten Ensembles diese Werke vortragen, vermag man sich gut vorzustellen, wie diese neue Art des Musizierens seinerzeit die Leute beeindruckt hat. Nicht nur der Andacht im Gottesdienst, sondern vor allem auch dem Ansehen des Herrscherhauses dürfte dies sehr zuträglich gewesen sein.
Donnerstag, 9. März 2017
Barber - Bruckner - Konzerthaus Kammerorchester Berlin (Cugate Classics)
Zwei außerordentlich berühmte Adagios sind auf dieser SACD vereint: Das Adagio von Samuel Barber (1910 bis 1981) wird gern als Trauermusik genutzt. Entstanden ist es eigentlich als Mittelsatz des Streichquartettes op. 11. Barber komponierte dieses Werk 1936 in St. Wolfgang, wo er mit seinem Lebenspartner Gian Carlo Menotti den Sommer verbrachte. Aus Österreich nach Rom zurückgekehrt, begegnete Barber dann Arturo Toscanini.
Der Dirigent riet dem Komponisten, das Adagio aus dem Kontext zu lösen und für Streichorchester zu instrumentieren. Toscanini übernahm dann mit dem NBC Symphony Orchestra 1938 in New York auch die Uraufführung. Sie wurde im Rundfunk übertragen – und das Stück wurde ein Welterfolg: Es erklang zur Beisetzung von Franklin D. Roosevelt, John F. Kennedy, Albert Einstein, Gracia Patricia und Rainier III. von Monaco. Auch als Filmmusik wurde es immer wieder eingesetzt.
Das Adagio im Streichquintett F-Dur von Anton Bruckner (1824 bis 1896) hingegen behielt seinen Platz zwischen dem Scherzo. Schnell und dem Finale. Lebhaft bewegt. Schon die Zeitgenossen fanden diese Musik berückend; selbst der Kritiker Max Kalbeck, seinerzeit eine Autorität (und eigentlich ein leidenschaftlicher Gegner Bruckners) zeigte sich begeistert und schrieb: „Das Adagio strömt eitel Licht aus, Licht in Tausend Farben und Nuancen – der Abglanz einer bis in den siebenten Himmel verzückten Vision.“
Auch die vorliegende Einspielung mit dem Konzerthaus Kammerorchester Berlin ist durchaus dazu geeignet, den Zuhörer in den emotionalen Aus- nahmezustand zu versetzen. Die Musiker um die beiden Konzertmeister Sayako Kusaka und Michael Erxleben verzichten konsequent auf spätro- mantisches Pathos und allzu gefühlige Ausbrüche. Sie spielen mit hinreißender Klarheit, und mit erlesener Klangkultur. Das Bruckner-Quintett erklingt in einer Bearbeitung für Streichorchester von Michael Erxleben. Gerade bei diesem Werk kommt der kammermusikalisch-demokratische Ansatz, den dieses Ensemble als Prinzip vertritt, auf das Schönste zum Tragen. Bravi!
Der Dirigent riet dem Komponisten, das Adagio aus dem Kontext zu lösen und für Streichorchester zu instrumentieren. Toscanini übernahm dann mit dem NBC Symphony Orchestra 1938 in New York auch die Uraufführung. Sie wurde im Rundfunk übertragen – und das Stück wurde ein Welterfolg: Es erklang zur Beisetzung von Franklin D. Roosevelt, John F. Kennedy, Albert Einstein, Gracia Patricia und Rainier III. von Monaco. Auch als Filmmusik wurde es immer wieder eingesetzt.
Das Adagio im Streichquintett F-Dur von Anton Bruckner (1824 bis 1896) hingegen behielt seinen Platz zwischen dem Scherzo. Schnell und dem Finale. Lebhaft bewegt. Schon die Zeitgenossen fanden diese Musik berückend; selbst der Kritiker Max Kalbeck, seinerzeit eine Autorität (und eigentlich ein leidenschaftlicher Gegner Bruckners) zeigte sich begeistert und schrieb: „Das Adagio strömt eitel Licht aus, Licht in Tausend Farben und Nuancen – der Abglanz einer bis in den siebenten Himmel verzückten Vision.“
Auch die vorliegende Einspielung mit dem Konzerthaus Kammerorchester Berlin ist durchaus dazu geeignet, den Zuhörer in den emotionalen Aus- nahmezustand zu versetzen. Die Musiker um die beiden Konzertmeister Sayako Kusaka und Michael Erxleben verzichten konsequent auf spätro- mantisches Pathos und allzu gefühlige Ausbrüche. Sie spielen mit hinreißender Klarheit, und mit erlesener Klangkultur. Das Bruckner-Quintett erklingt in einer Bearbeitung für Streichorchester von Michael Erxleben. Gerade bei diesem Werk kommt der kammermusikalisch-demokratische Ansatz, den dieses Ensemble als Prinzip vertritt, auf das Schönste zum Tragen. Bravi!
Samstag, 4. März 2017
Maier: Violin Concerto in D minor (dB)
Eine Entdeckung ist
dbProductions
gelungen: Das
schwedische
Label veröffentlichte kürzlich eine CD mit Werken von Amanda
Röntgen-Maier (1853 bis 1894). Anfangsunterricht auf Klavier und
Geige erteilte ihr der Vater, der aus dem württembergi- schen
Riedlingen stammte und nicht nur Konditor, sondern auch Musiker war.
Als 14jährige begann sie ein Musikstudium in Stockholm; neben den
theoretischen Fächern studierte sie Violine, Violoncello, Orgel und
Komposition.
1872 erhielt sie als erste Frau in Schweden das Diplom als musikdirektør. Um ihre Ausbildung zu komplettieren, ging sie dann nach Leipzig, wo sie, wahrscheinlich als Privatschülerin, bei Engelbert Röntgen studierte, dem Konzertmeister des Gewandhausorchesters, und bei Carl Reinecke, dem Gewandhauskapell- meister, der am Leipziger Konservatorium auch Komposition lehrte. Ihr Violinkonzert, 1875 in Halle erfolgreich uraufgeführt, spielte sie wenig später auch in Leipzig im Gewandhaus, und in Stockholm. In den nächsten Jahren folgten ausgedehnte Konzertreisen – und sie nutzte jede Gelegen- heit, um nach Leipzig zu fahren, wo sie sich in Julius Röntgen verliebt hatte, den Sohn ihres Lehrers, der ebenfalls Musiker war.
1880 heiratete das Paar in Landskrona, und dann ging Amanda Röntgen mit ihrem Ehemann nach Amsterdam. In der Öffentlichkeit musizierte sie danach nur noch sehr selten. Die beiden Musiker waren mit vielen nam- haften Kollegen eng befreundet, beispielsweise mit Edvard Grieg, Johannes Brahms, Anton Rubinstein und Joseph Joachim. Im Hause Röntgen scheint es recht lebhaft zugegangen zu sein, wie die sechs Schwedischen Weisen und Tänze verraten, die zum Abschluss auf dieser CD erklingen. Sie wurden von den Eheleuten gemeinsam zu Papier gebracht.
Zu hören ist außerdem der erste Satz aus dem Violinkonzert von Amanda Maier; die anderen Sätze sind offensichtlich nicht überliefert – was wirk- lich ein Verlust ist, denn das Konzert beginnt ziemlich vielversprechend. Ergänzt wird das Programm durch das Klavierquartett in e-Moll aus dem Jahre 1891, ihr letztes großes Werk. Es wird gekonnt vorgestellt von Gregory Maytan, Violine, Bernt Lysell, Viola, Sara Wijk, Violoncello, und Ann-Sofi Klingberg am Klavier. Das Violinkonzert spielt Maytan gemein- sam mit dem Helsingborg Symphony Orchestra unter Andreas Stoehr; alle Aufnahmen sind Studio-Weltersteinspielungen. Und die Veröffentlichung als Volume 1 deutet bereits an, dass weitere CD folgen werden – was angesichts der Qualität dieser Kompositionen in der Tat erfreulich wäre.
Allzu umfangreich freilich dürfte das Werk von Amanda Röntgen-Maier nicht sein. Schon seit 1886 war die Gesundheit der Musikerin angeschla- gen. Erschöpft durch mehrere Schwangerschaften, reiste sie 1888 nach Davos und Nizza, um sich auszukurieren. Zwar schien sich dadurch ihr Zustand stabilisiert zu haben. Doch es blieb ihr nur noch eine kurze Frist; letztendlich erlag sie einem Lungenleiden, möglicherweise Tuberkulose.
1872 erhielt sie als erste Frau in Schweden das Diplom als musikdirektør. Um ihre Ausbildung zu komplettieren, ging sie dann nach Leipzig, wo sie, wahrscheinlich als Privatschülerin, bei Engelbert Röntgen studierte, dem Konzertmeister des Gewandhausorchesters, und bei Carl Reinecke, dem Gewandhauskapell- meister, der am Leipziger Konservatorium auch Komposition lehrte. Ihr Violinkonzert, 1875 in Halle erfolgreich uraufgeführt, spielte sie wenig später auch in Leipzig im Gewandhaus, und in Stockholm. In den nächsten Jahren folgten ausgedehnte Konzertreisen – und sie nutzte jede Gelegen- heit, um nach Leipzig zu fahren, wo sie sich in Julius Röntgen verliebt hatte, den Sohn ihres Lehrers, der ebenfalls Musiker war.
1880 heiratete das Paar in Landskrona, und dann ging Amanda Röntgen mit ihrem Ehemann nach Amsterdam. In der Öffentlichkeit musizierte sie danach nur noch sehr selten. Die beiden Musiker waren mit vielen nam- haften Kollegen eng befreundet, beispielsweise mit Edvard Grieg, Johannes Brahms, Anton Rubinstein und Joseph Joachim. Im Hause Röntgen scheint es recht lebhaft zugegangen zu sein, wie die sechs Schwedischen Weisen und Tänze verraten, die zum Abschluss auf dieser CD erklingen. Sie wurden von den Eheleuten gemeinsam zu Papier gebracht.
Zu hören ist außerdem der erste Satz aus dem Violinkonzert von Amanda Maier; die anderen Sätze sind offensichtlich nicht überliefert – was wirk- lich ein Verlust ist, denn das Konzert beginnt ziemlich vielversprechend. Ergänzt wird das Programm durch das Klavierquartett in e-Moll aus dem Jahre 1891, ihr letztes großes Werk. Es wird gekonnt vorgestellt von Gregory Maytan, Violine, Bernt Lysell, Viola, Sara Wijk, Violoncello, und Ann-Sofi Klingberg am Klavier. Das Violinkonzert spielt Maytan gemein- sam mit dem Helsingborg Symphony Orchestra unter Andreas Stoehr; alle Aufnahmen sind Studio-Weltersteinspielungen. Und die Veröffentlichung als Volume 1 deutet bereits an, dass weitere CD folgen werden – was angesichts der Qualität dieser Kompositionen in der Tat erfreulich wäre.
Allzu umfangreich freilich dürfte das Werk von Amanda Röntgen-Maier nicht sein. Schon seit 1886 war die Gesundheit der Musikerin angeschla- gen. Erschöpft durch mehrere Schwangerschaften, reiste sie 1888 nach Davos und Nizza, um sich auszukurieren. Zwar schien sich dadurch ihr Zustand stabilisiert zu haben. Doch es blieb ihr nur noch eine kurze Frist; letztendlich erlag sie einem Lungenleiden, möglicherweise Tuberkulose.
Donnerstag, 2. März 2017
Forqueray: Pièces de Clavecin (MDG)
„Jean-Baptiste Antoine Forqueray, ordinaire de la musique de la Chambre et Chapelle du Roy, n'eut pas moins de talent que son père. Ainsi que lui, il joua devant Louis XIV à l'âge de cinq ou six ans, et étonna toute la cour par la prodi- gieuse exécution qu'il avait déjà dans un âge aussi tendre“, berichtet Jean Benjamin de La Borde. „M. Forque- ray a fait graver plusieurs pièces pour la viole et pour le clavecin, dont quelques-unes sont de M. son père.“
Antoine Forqueray (1672 bis 1745), der Vater, wirkte als Gambist am Hofe Ludwigs XIV. Für seinen Sohn scheint er nicht allzuviel übrig gehabt zu haben; Jean-Baptiste Antoine Forqueray (1699 bis 1782) wuchs beim Großvater Michel Forqueray auf, einem Tanzmeister. Ebenso wie sein Vater war er ein musikalisches Wunderkind und spielte bereits in einem Alter, in dem heutzutage Kinder üblicherweise noch im Sandkasten sitzen, vor dem König.
Als sein Großvater starb, war er bereits ein exzellenter Musiker und bald so gut im Geschäft, dass der Vater wohl eifersüchtig wurde: 1715 sorgte Antoine dafür, dass sein Sohn im Gefängnis landete; 1725 ließ er ihn dann sogar aus Frankreich ausweisen. Doch schon nach zwei Monaten durfte Jean-Baptiste zurückkehren, und wieder als Musiker in Versailles und bei den Concerts spirituels auftreten.
Als Georg Philipp Telemann 1737 seine Nouveaux Quatuors präsentierte – wie die ersten sechs Pariser Quartette komponiert für Flöte, Violine, Viola da gamba und Violoncello sowie Cembalo – übernahm Jean-Baptiste Forqueray den Gamben-Part. Im September 1742 wurde er dann bei Hofe der Nachfolger seines Vaters. Diese Stelle hatte er offenbar bis 1761 inne; anschließend stand er im Dienste des Fürsten von Conti. Nach dessen Tod 1776 zog sich der Gambenvirtuose aus dem Musikleben zurück; dies scheint er auch wirklich konsequent betrieben zu haben, denn in einer Vermögens- aufstellung für seine Erben wird zwar ein Cembalo beschrieben – das auch auf einem Porträt seiner Frau, der Cembalistin Marie-Rose Du Bois, zu sehen ist – aber keine einzige der wertvollen Gamben, die Jean-Baptiste Forqueray in früheren Jahren gespielt hat.
Ähnlich mysteriös wie die Familienverhältnisse der Forquerays ist die Geschichte um jene beiden Noteneditionen, die der Musiker 1747 veröffentlichte. Es handelt sich dabei um fünf Suiten für Viola da gamba, laut dem Geleitwort komponiert vom Vater, gewidmet Prinzessin Anne Henriette, einer Schülerin von Jean-Baptiste Forqueray, die eine exzellente Gambenvirtuosin gewesen sein muss. Leider starb sie 1752 an den Pocken.
Maria Josepha von Sachsen, im Feburar 1747 verheiratet mit dem Thronfolger, widmete der Musiker eine Bearbeitung ebenjener Werke für das Cembalo. Auch hier verweist Forqueray darauf, dass es sich um Werke seines Vaters handele. Allerdings haben etliche dieser Stücke Titel, die Musikhistoriker daran zweifeln lassen – so war beispielsweise Jean Benjamin de La Borde, Namensgeber gleich für das erste Stück, beim Tode Antoine Forquerays erst elf Jahre alt. Auch andere Widmungsträger gehören der Generation Jean-Baptiste Forquerays an. Insofern darf weiter gerätselt werden.
Hinter all den anspielungsreichen Titeln, von Le Carillon de Passy bis La Rameau und von La Sylva bis La Régente, verbergen sich Meisterwerke voller Anmut, Ausdruck und Intensität. Einem Interpreten geben sie allerdings heute zahlreiche Rätsel auf; sie zu spielen, das ist eine hohe Kunst, die viel Wissen ebenso wie ein gewisses Gespür für Klangeffekte benötigt, vielleicht auch ein wenig Lust am Experiment.
Der amerikanischen Cembalistin Mitzi Meyerson ist mit ihrer Einspielung der Cembalo-Versionen für das audiophile Label Dabringhaus und Grimm im Jahre 2001 ein großer Wurf gelungen. Welches Format diese Musikerin hat, das ahnt man bereits, wenn man in ihrer Vita liest, dass sie als Professorin für Cembalo an der Hochschule der Künste Berlin lehrt – und somit einen Lehrstuhl inne hat, der einst für Wanda Landowska einge- richtet wurde.
Die Cembalistin musiziert auf einem Instrument, das 1998 von Keith Hill gefertigt worden ist. Es ist der Nachbau eines Cembalos von Pascal Taskin (1723 bis 1793), einem herausragenden französischen Experten seines Faches, das sich heute in der Sammlung Russel in Edinburgh befindet. Dieses Instrument verfügt insbesondere über ein atemberaubend klang- schönes mittleres Register, das durch die Musik Forquerays auch bestens zur Geltung kommt.
Mitzi Meyerson vermag es überhaupt kongenial, Gambenklänge auf das Cembalo zu transferieren. Sie spielt souverän und enorm farbenreich. Mit ihrem grandiosen technischen Vermögen gelingt es ihr sogar, all die winzigen Asynchronitäten, die aus dem Bogenstrich resultieren – und die Forqueray auch in seinen Anmerkungen vom Cembalisten einfordert – ganz natürlich wirken zu lassen. Rundum vorbildlich; diese Aufnahme kann man vom ersten bis zum letzten Ton genießen.
Antoine Forqueray (1672 bis 1745), der Vater, wirkte als Gambist am Hofe Ludwigs XIV. Für seinen Sohn scheint er nicht allzuviel übrig gehabt zu haben; Jean-Baptiste Antoine Forqueray (1699 bis 1782) wuchs beim Großvater Michel Forqueray auf, einem Tanzmeister. Ebenso wie sein Vater war er ein musikalisches Wunderkind und spielte bereits in einem Alter, in dem heutzutage Kinder üblicherweise noch im Sandkasten sitzen, vor dem König.
Als sein Großvater starb, war er bereits ein exzellenter Musiker und bald so gut im Geschäft, dass der Vater wohl eifersüchtig wurde: 1715 sorgte Antoine dafür, dass sein Sohn im Gefängnis landete; 1725 ließ er ihn dann sogar aus Frankreich ausweisen. Doch schon nach zwei Monaten durfte Jean-Baptiste zurückkehren, und wieder als Musiker in Versailles und bei den Concerts spirituels auftreten.
Als Georg Philipp Telemann 1737 seine Nouveaux Quatuors präsentierte – wie die ersten sechs Pariser Quartette komponiert für Flöte, Violine, Viola da gamba und Violoncello sowie Cembalo – übernahm Jean-Baptiste Forqueray den Gamben-Part. Im September 1742 wurde er dann bei Hofe der Nachfolger seines Vaters. Diese Stelle hatte er offenbar bis 1761 inne; anschließend stand er im Dienste des Fürsten von Conti. Nach dessen Tod 1776 zog sich der Gambenvirtuose aus dem Musikleben zurück; dies scheint er auch wirklich konsequent betrieben zu haben, denn in einer Vermögens- aufstellung für seine Erben wird zwar ein Cembalo beschrieben – das auch auf einem Porträt seiner Frau, der Cembalistin Marie-Rose Du Bois, zu sehen ist – aber keine einzige der wertvollen Gamben, die Jean-Baptiste Forqueray in früheren Jahren gespielt hat.
Ähnlich mysteriös wie die Familienverhältnisse der Forquerays ist die Geschichte um jene beiden Noteneditionen, die der Musiker 1747 veröffentlichte. Es handelt sich dabei um fünf Suiten für Viola da gamba, laut dem Geleitwort komponiert vom Vater, gewidmet Prinzessin Anne Henriette, einer Schülerin von Jean-Baptiste Forqueray, die eine exzellente Gambenvirtuosin gewesen sein muss. Leider starb sie 1752 an den Pocken.
Maria Josepha von Sachsen, im Feburar 1747 verheiratet mit dem Thronfolger, widmete der Musiker eine Bearbeitung ebenjener Werke für das Cembalo. Auch hier verweist Forqueray darauf, dass es sich um Werke seines Vaters handele. Allerdings haben etliche dieser Stücke Titel, die Musikhistoriker daran zweifeln lassen – so war beispielsweise Jean Benjamin de La Borde, Namensgeber gleich für das erste Stück, beim Tode Antoine Forquerays erst elf Jahre alt. Auch andere Widmungsträger gehören der Generation Jean-Baptiste Forquerays an. Insofern darf weiter gerätselt werden.
Hinter all den anspielungsreichen Titeln, von Le Carillon de Passy bis La Rameau und von La Sylva bis La Régente, verbergen sich Meisterwerke voller Anmut, Ausdruck und Intensität. Einem Interpreten geben sie allerdings heute zahlreiche Rätsel auf; sie zu spielen, das ist eine hohe Kunst, die viel Wissen ebenso wie ein gewisses Gespür für Klangeffekte benötigt, vielleicht auch ein wenig Lust am Experiment.
Der amerikanischen Cembalistin Mitzi Meyerson ist mit ihrer Einspielung der Cembalo-Versionen für das audiophile Label Dabringhaus und Grimm im Jahre 2001 ein großer Wurf gelungen. Welches Format diese Musikerin hat, das ahnt man bereits, wenn man in ihrer Vita liest, dass sie als Professorin für Cembalo an der Hochschule der Künste Berlin lehrt – und somit einen Lehrstuhl inne hat, der einst für Wanda Landowska einge- richtet wurde.
Die Cembalistin musiziert auf einem Instrument, das 1998 von Keith Hill gefertigt worden ist. Es ist der Nachbau eines Cembalos von Pascal Taskin (1723 bis 1793), einem herausragenden französischen Experten seines Faches, das sich heute in der Sammlung Russel in Edinburgh befindet. Dieses Instrument verfügt insbesondere über ein atemberaubend klang- schönes mittleres Register, das durch die Musik Forquerays auch bestens zur Geltung kommt.
Mitzi Meyerson vermag es überhaupt kongenial, Gambenklänge auf das Cembalo zu transferieren. Sie spielt souverän und enorm farbenreich. Mit ihrem grandiosen technischen Vermögen gelingt es ihr sogar, all die winzigen Asynchronitäten, die aus dem Bogenstrich resultieren – und die Forqueray auch in seinen Anmerkungen vom Cembalisten einfordert – ganz natürlich wirken zu lassen. Rundum vorbildlich; diese Aufnahme kann man vom ersten bis zum letzten Ton genießen.
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