Kann man nach Chopin noch Nocturnes schreiben? Gabriel Fauré (1845 bis 1924) konnte - und sein sechstes Nocturne op. 63 gilt sogar als eines der wichtigsten Werke dieses großen französischen Komponisten. Ausgebildet als Kirchenmusiker - zu seinen Lehrern gehörte unter anderem Camille Saint-Saens - wirkte Fauré als Organist, dann, ab 1896 auch als Professor für Komposition am Conservatoire de Paris und ab 1901 an der École Niedermeyer, an der er selbst einst gelernt hatte. 1905 wurde er Direktor des Konser- vatoriums. Obwohl Fauré vor allem Lieder, Kammer- und Klaviermu- sik komponierte, war er so bekannt und so geachtet, dass er nach seinem Tode ein Staatsbegräbnis bekam.
In seinen Nocturnes, die über einen Zeitraum von nahezu fünfzig Jahren entstanden, spiegelt sich die Entwicklung von der Spät- romantik zur Moderne. Pianist Stefan Irmer hat die Werke auf dieser CD aber nicht nach dem Zeitpunkt ihrer Entstehung geordnet, denn er will "das Gemeinsame und alle Stücke Verbindende in den Vorder- grund" rücken.
Das ist sehr schade, denn die Entwicklungslinien sind ausgesprochen interessant. So sind die ersten fünf Nocturnes op. 33, 36 und 37, entstanden vor 1884, noch hörbar dem romantischen Charakterstück verbunden. Das sechste und siebente Nocturne hingegen waren in Form und Gestaltung enorm modern. Sie sind Solitäre; es gibt keine Vorbilder für diese kühnen Kompositionen, und man steht staunend vor diesem fein strukturierten Gewebe aus musikalischen Ideen.
Ähnlich wie Beethoven, wurde Fauré im Alter taub. Seine letzten Nocturnes sind gekennzeichnet durch eine zunehmende Verdichtung und Verknappung der musikalischen Mittel, und sie steuern vom ersten Ton an konsequent und unaufhaltsam auf ihr Ende zu. Faurés letztes Werk war ebenfalls ein Nocturne, op. 119, entstanden 1921, drei Jahre vor seinem Tod. Es wirkt wie die Summe aus all diesen Werken, und zieht gleichzeitig einen Schlussstrich.
Stefan Irmer spielt diese Werke auf einem klangstarken Steinway aus dem Jahre 1901. Er erweist sich als ein versierter Pianist mit einem ausgeprägten Sinn für Strukturen und Klangfärbungen. So zeigt er auch die dunklen Seiten der Stücke - bei den Spätwerken für meinen Geschmack allerdings etwas zu deutlich.
Montag, 28. Februar 2011
Dietrich Fischer-Dieskau: Meine schönsten Schubert-Lieder (Deutsche Grammophon)
"Was mich bei Schubert immer wieder faszinierte - und nach wie vor fasziniert -, ist die Kongruenz von Text und Musik", sagt Dietrich Fischer -Dieskau. "Ich denke, dass es unter seinen rund 600 Liedern kaum eines gibt, bei dem ihm nicht eine adäquate musikalische Umsetzung des textlichen Inhalts gelungen ist."
Dem Sänger ist es gelungen, für die Deutschen Grammophon eine Schubert-Edition einzuspielen, die immerhin 463 Lieder umfasst - eingespielt über einen Zeitraum von sechs Jahren, von 1966 bis 1972. "Der Mann am Klavier sollte natürlich Gerald Moore sein, der ungekrönte ,König' der Liedbegleiter, mit dem mich seit 1951 eine künstlerische Partnerschaft verband, die ich zu den glücklichsten meines Lebens zähle." Und obwohl Moore seinen Abschied von der Konzertbühne bereits genommen hatte, als die Aufnahmen begannen, konnte Fischer-Dieskau ihn für dieses Projekt gewinnen.
Das Ergebnis begeistert noch immer. Und im vergangenen Jahr, zum 85. Geburtstag des großen Liedsängers, legte die Deutsche Grammo- phon eine Neuauflage dieses grandiosen Schubert-Marathons vor. Parallel dazu erschien eine CD mit den ganz persönlichen Favoriten Fischer-Dieskaus. "Die vorliegende Auswahl von Liedern möchte ich nicht als ,Greatest Hits'-Sammlung verstanden wissen, sondern als ,Türöffner' für das große Ganze", erläutert der Jubilar: "Möge der interessierte Hörer durch singuläre Werke wie ,Du ist die Ruh', ,Nacht und Träume', ,Erlkönig' oder ,An die Musik' einen Zugang bekommen zu dem einzigartigen Mikrokosmos, den das Liedschaffen Schuberts darstellt."
Dem Sänger ist es gelungen, für die Deutschen Grammophon eine Schubert-Edition einzuspielen, die immerhin 463 Lieder umfasst - eingespielt über einen Zeitraum von sechs Jahren, von 1966 bis 1972. "Der Mann am Klavier sollte natürlich Gerald Moore sein, der ungekrönte ,König' der Liedbegleiter, mit dem mich seit 1951 eine künstlerische Partnerschaft verband, die ich zu den glücklichsten meines Lebens zähle." Und obwohl Moore seinen Abschied von der Konzertbühne bereits genommen hatte, als die Aufnahmen begannen, konnte Fischer-Dieskau ihn für dieses Projekt gewinnen.
Das Ergebnis begeistert noch immer. Und im vergangenen Jahr, zum 85. Geburtstag des großen Liedsängers, legte die Deutsche Grammo- phon eine Neuauflage dieses grandiosen Schubert-Marathons vor. Parallel dazu erschien eine CD mit den ganz persönlichen Favoriten Fischer-Dieskaus. "Die vorliegende Auswahl von Liedern möchte ich nicht als ,Greatest Hits'-Sammlung verstanden wissen, sondern als ,Türöffner' für das große Ganze", erläutert der Jubilar: "Möge der interessierte Hörer durch singuläre Werke wie ,Du ist die Ruh', ,Nacht und Träume', ,Erlkönig' oder ,An die Musik' einen Zugang bekommen zu dem einzigartigen Mikrokosmos, den das Liedschaffen Schuberts darstellt."
Sonntag, 27. Februar 2011
Wagner: Lohengrin (EMI Classics)
Wer diese Aufnahme hört, der vergisst, dass sie 1962/63 im Theater an der Wien aufgezeichnet worden ist. Was für eine Besetzung! Gottlob Frick als König Heinrich der Vogler, Otto Wiener als Herald, Christa Ludwig als Ortrud und Dietrich Fischer-Dieskau als Friedrich von Telramund - und Elisabeth Grümmer als wunderbar mädchenhafte Elsa von Brabant.
Wenn sie ihr "Einsam in trüben Tagen" anstimmt, glaubt man ihr jedes Wort. Schöner, inniger und sensibler war diese Partie wohl nie zu hören. Und auch die Szenen, in denen Elsa und Ortrud aufeinandertreffen, gehören ohne Zweifel zu den Höhepunkten dieser Einspielung. Jess Thomas als Lohengrin singt sehr gut, aber nicht überragend, und dass er Amerikaner ist, das ist leider unüberhörbar.
Eine wichtige Rolle in dieser Oper Wagners spielen Chor und Orche- ster. Hier singt der Wiener Staatsopernchor, und es musizieren die Wiener Philharmoniker - beide sind, wie zu erwarten, exzellent. Und Rudolf Kempe (1910 bis 1976) erweist sich als ein großartiger Wag- ner-Dirigent. Gänzlich uneitel, verzichtet er auf vordergründige Effekte, und macht statt dessen erstaunlich viele Details hörbar. Eine grandiose Aufnahme, nach wie vor unübertroffen.
Wenn sie ihr "Einsam in trüben Tagen" anstimmt, glaubt man ihr jedes Wort. Schöner, inniger und sensibler war diese Partie wohl nie zu hören. Und auch die Szenen, in denen Elsa und Ortrud aufeinandertreffen, gehören ohne Zweifel zu den Höhepunkten dieser Einspielung. Jess Thomas als Lohengrin singt sehr gut, aber nicht überragend, und dass er Amerikaner ist, das ist leider unüberhörbar.
Eine wichtige Rolle in dieser Oper Wagners spielen Chor und Orche- ster. Hier singt der Wiener Staatsopernchor, und es musizieren die Wiener Philharmoniker - beide sind, wie zu erwarten, exzellent. Und Rudolf Kempe (1910 bis 1976) erweist sich als ein großartiger Wag- ner-Dirigent. Gänzlich uneitel, verzichtet er auf vordergründige Effekte, und macht statt dessen erstaunlich viele Details hörbar. Eine grandiose Aufnahme, nach wie vor unübertroffen.
Johann Philipp Förtsch: Ich freue mich im Herrn (Carus)
Der Lebenslauf von Johann Philipp Förtsch (1652 bis 1732) erscheint ziemlich typisch für die Barockzeit. Der Sohn des Bürgermeisters von Wertheim am Main konnte ohne materielle Sorgen zunächst das Gymnasium besuchen. Anschließend studierte er in Jena und Erfurt Medizin, Jura und Phi- losophie. Musik gehörte damals so selbstverständlich dazu, dass wir über seine Ausbildung nichts er- fahren - doch nach seiner Kava- lierstour wurde Förtsch 1674 als Tenorist in die Hamburger Kantorei aufgenommen, und auch in der neu gegründeten Oper am Gänsemarkt trat er auf.
1680 schlug er die angebotene Kantorenstelle in Lübeck aus, und ging als Kapellmeister an den Hof Herzog Christian Albrechts von Hol- stein-Gottorf. Über den Grund für diese Entscheidung rätseln Musik- wissenschaftler bis heute, denn Christian Albrecht lag in Dauerfehde mit Dänemark - was ihn ein Vermögen kostete. Deshalb bestand die Hofkapelle lediglich aus einem Geiger, drei weiteren Musikern, die jeweils mehrere Instrumente beherrschten, einem Lautenisten, fünf Hoftrompetern und einem Organisten, der offenbar auch das Cembalo spielte. Dazu kamen einige Kapellknaben; Förtsch selbst sang Tenor, und Johann Carl Quellmalz, der erste Bassist der Hamburger Oper, war gemeinsam mit Förtsch in die Dienste des Herzogs getreten.
Für diese kleine Besetzung entstanden die Kantaten, die auf dieser CD nahezu durchweg als Weltersteinspielung vorliegen. Auffällig ist Förtschs sorgsamer Umgang mit dem Wort, ein deklamatorischer Stil, wie wir ihn von Schütz und dessen Nachfolgern kennen - nur eben moderner.
Wenn der Sinn geistlicher Musik darin bestand, durch "ihre Lieblich- keit bey den Zuhörern eine sonderliche Andacht zu erwecken" - so formulierte es Andreas Hammerschmidt 1669 - dann war Förtsch ein Meister in diesem Genre. Er vermeidet alle Übertreibung, und orientiert sich offenbar auch an den technischen Möglichkeiten der verfügbaren Musiker und Sänger - doch seine Melodien sind ein Genuss, und auch diese Einspielung ist sehr gelungen. Monika Mauch und Barbara Bübl, Sopran, Alex Potter, Altus, Hans Jörg Mammel, Tenor und Markus Flaig, Bass musizieren gemeinsam mit dem exzel- lenten Barockorchester L'arpa festante, geleitet von Rien Voskuilen, der zugleich an Cembalo und Orgel zu hören ist.
Förtsch beendete seine musikalische Karriere übrigens schon sehr bald: Als der musikliebende Herzog 1683 erneut nach Hamburg fliehen musste, wandte sich sein Kapellmeister der Medizin zu. Er komplettierte seine Ausbildung an der Universität Kiel, und ging als Arzt nach Husum. Dort behandelte er nicht nur Patienten, sondern er komponierte auch zwölf Opern für die Hamburger Bühne. 1689 er- nannte ihn der Herzog zum Hofarzt. 1694, nach dem Tode von Christian Albrecht, trat Förtsch als Leibarzt und Hofrat in die Dienste seines Bruders August Friedrich, der Bischof von Lübeck war und in Eutin residierte. Aus dem einstigen musicus wurde ein erfolgreicher und hoch angesehender Arzt und Diplomat. Zum Komponieren freilich scheint Förtsch in all diesen Jahren nicht mehr die Muße gefunden zu haben.
1680 schlug er die angebotene Kantorenstelle in Lübeck aus, und ging als Kapellmeister an den Hof Herzog Christian Albrechts von Hol- stein-Gottorf. Über den Grund für diese Entscheidung rätseln Musik- wissenschaftler bis heute, denn Christian Albrecht lag in Dauerfehde mit Dänemark - was ihn ein Vermögen kostete. Deshalb bestand die Hofkapelle lediglich aus einem Geiger, drei weiteren Musikern, die jeweils mehrere Instrumente beherrschten, einem Lautenisten, fünf Hoftrompetern und einem Organisten, der offenbar auch das Cembalo spielte. Dazu kamen einige Kapellknaben; Förtsch selbst sang Tenor, und Johann Carl Quellmalz, der erste Bassist der Hamburger Oper, war gemeinsam mit Förtsch in die Dienste des Herzogs getreten.
Für diese kleine Besetzung entstanden die Kantaten, die auf dieser CD nahezu durchweg als Weltersteinspielung vorliegen. Auffällig ist Förtschs sorgsamer Umgang mit dem Wort, ein deklamatorischer Stil, wie wir ihn von Schütz und dessen Nachfolgern kennen - nur eben moderner.
Wenn der Sinn geistlicher Musik darin bestand, durch "ihre Lieblich- keit bey den Zuhörern eine sonderliche Andacht zu erwecken" - so formulierte es Andreas Hammerschmidt 1669 - dann war Förtsch ein Meister in diesem Genre. Er vermeidet alle Übertreibung, und orientiert sich offenbar auch an den technischen Möglichkeiten der verfügbaren Musiker und Sänger - doch seine Melodien sind ein Genuss, und auch diese Einspielung ist sehr gelungen. Monika Mauch und Barbara Bübl, Sopran, Alex Potter, Altus, Hans Jörg Mammel, Tenor und Markus Flaig, Bass musizieren gemeinsam mit dem exzel- lenten Barockorchester L'arpa festante, geleitet von Rien Voskuilen, der zugleich an Cembalo und Orgel zu hören ist.
Förtsch beendete seine musikalische Karriere übrigens schon sehr bald: Als der musikliebende Herzog 1683 erneut nach Hamburg fliehen musste, wandte sich sein Kapellmeister der Medizin zu. Er komplettierte seine Ausbildung an der Universität Kiel, und ging als Arzt nach Husum. Dort behandelte er nicht nur Patienten, sondern er komponierte auch zwölf Opern für die Hamburger Bühne. 1689 er- nannte ihn der Herzog zum Hofarzt. 1694, nach dem Tode von Christian Albrecht, trat Förtsch als Leibarzt und Hofrat in die Dienste seines Bruders August Friedrich, der Bischof von Lübeck war und in Eutin residierte. Aus dem einstigen musicus wurde ein erfolgreicher und hoch angesehender Arzt und Diplomat. Zum Komponieren freilich scheint Förtsch in all diesen Jahren nicht mehr die Muße gefunden zu haben.
Samstag, 26. Februar 2011
Hoffmeister: Double Bass Quartets / Schubert: Arpeggione Sonata (Naxos)
Franz Anton Hoffmeister (1754 bis 1812) hat sich in erster Linie als Verleger einen Namen gemacht. Beethoven, dessen Sonate Pathéti- que Hoffmeister als erster druckte, nannte ihn einen "Bruder in der Tonkunst", und Mozart widmete seinem Freund sogar das Hoff- meister-Quartett KV 499.
Weniger bekannt ist, dass Hoff- meister auch selbst enorm vieles komponierte. Sein Konzert für Viola und Orchester in D-Dur ge- hört noch heute zum Pflichtreper- toire eines jeden Bratschers. Er schrieb zudem eine Reihe von Opern, gut 50 Sinfonien, 60 Instrumentalkonzerte und eine Menge Kammer- musik - darunter auch Streichquartette. Einige davon ersetzen die erste Violine durch einen Kontrabass, der entsprechend heftig zu tun bekommt. Norbert Duka, Kontrabass, stellt auf der vorliegenden CD drei dieser Werke vor - im Quartett mit Ernö Sebestyén, Violine, Hel- mut Nicolai, Viola und Martin Ostertag, Violoncello. Die Einspielung ist solide, aber wenig inspiriert und deshalb ein bisschen langweilig.
Die Arpeggione, 1823 von dem Wiener Geigen- und Gitarrenbauer Johann Georg Stauffer erfunden, war eine Kreuzung aus Gitarre und Violoncello. Dieses Kuriosum verschwand umgehend wieder aus dem Musikleben, und wäre längst in Vergessenheit geraten, wenn nicht Franz Schubert eine Sonate für Arpeggione und Klavier komponiert hätte. Sie wird heute von Bratschern und Cellisten gespielt - und erklingt hier in einem Arrangement für Kontrabass von Norbert Duka, der am Klavier von Philipp Moll begleitet wird.
Weniger bekannt ist, dass Hoff- meister auch selbst enorm vieles komponierte. Sein Konzert für Viola und Orchester in D-Dur ge- hört noch heute zum Pflichtreper- toire eines jeden Bratschers. Er schrieb zudem eine Reihe von Opern, gut 50 Sinfonien, 60 Instrumentalkonzerte und eine Menge Kammer- musik - darunter auch Streichquartette. Einige davon ersetzen die erste Violine durch einen Kontrabass, der entsprechend heftig zu tun bekommt. Norbert Duka, Kontrabass, stellt auf der vorliegenden CD drei dieser Werke vor - im Quartett mit Ernö Sebestyén, Violine, Hel- mut Nicolai, Viola und Martin Ostertag, Violoncello. Die Einspielung ist solide, aber wenig inspiriert und deshalb ein bisschen langweilig.
Die Arpeggione, 1823 von dem Wiener Geigen- und Gitarrenbauer Johann Georg Stauffer erfunden, war eine Kreuzung aus Gitarre und Violoncello. Dieses Kuriosum verschwand umgehend wieder aus dem Musikleben, und wäre längst in Vergessenheit geraten, wenn nicht Franz Schubert eine Sonate für Arpeggione und Klavier komponiert hätte. Sie wird heute von Bratschern und Cellisten gespielt - und erklingt hier in einem Arrangement für Kontrabass von Norbert Duka, der am Klavier von Philipp Moll begleitet wird.
Frederic Belli - Trombone (Genuin)
Die Posaune ist ohne Zweifel von allen Blechblasinstrumenten das spannendste. Frederic Belli, der mit diesem Instrument den Deutschen Musikwettbewerb 2007 gewann, zeigt auf dieser CD der Edition Primavera gleich im ersten Stück, was sie von ihren Verwand- ten unterscheidet: Die Posaune ist wandlungsfähig; ihr Klang kann erstaunlich stark verändert und verfremdet werden - wenn man es kann.
Belli, seit 2006 Solo-Posaunist des SWR Sinfonieorchesters, beherrscht das Instrument so virtuos, dass man seinem Spiel gebannt lauscht - auch wenn die CD lauter wenig bekannte Werke von zumeist noch lebenden Komponisten enthält. "Erst das 20. Jahrhundert bietet für die Posaune das eigentlich große Solorepertoire", begründet Belli seine Vorliebe für die Moderne, "und auch im Orchester spielt die Posaune erst seit Ende der Romantik eine ernst zu nehmende Rolle. Die Neue Musik gehört für mich daher zur Grundsubstanz meines Repertoires."
Belli spielt so exzellent, dass die "Neutöner" faszinieren. Es erklingen das Solo von Luciano Berio, das - entgegen seinem Namen - ein beeindruckendes Werk für Posaune und Orchester ist, ein Stück von Folke Rabe für Posaune solo, das der Komponist Basta genannt hat, die Ballade für Posaune und Klavier von Frank Martin, das klang- schöne Madrigal von Georges Delerue, sowie das Posaunenkonzert in C-Dur von Nino Rota, der insbesondere für seine Filmmusik berühmt wurde.
Die beiden die CD einrahmenden Werke für Posaune und Orchester spielt Belli gemeinsam mit den SWR Sinfonieorchester unter Sylvain Chambreling bzw. Pablo Heras Casado. Am Klavier ist die japanische Pianistin Eriko Takezawa zu hören, und beim Madrigal sekundiert dem jungen Musiker die Trombone Unit Hannover, ein Posaunen- oktett von Studierenden und Absolventen der dortigen Musik- hochschule. Dort hat auch Belli bei Professor Jonas Bylund studiert.
Belli, seit 2006 Solo-Posaunist des SWR Sinfonieorchesters, beherrscht das Instrument so virtuos, dass man seinem Spiel gebannt lauscht - auch wenn die CD lauter wenig bekannte Werke von zumeist noch lebenden Komponisten enthält. "Erst das 20. Jahrhundert bietet für die Posaune das eigentlich große Solorepertoire", begründet Belli seine Vorliebe für die Moderne, "und auch im Orchester spielt die Posaune erst seit Ende der Romantik eine ernst zu nehmende Rolle. Die Neue Musik gehört für mich daher zur Grundsubstanz meines Repertoires."
Belli spielt so exzellent, dass die "Neutöner" faszinieren. Es erklingen das Solo von Luciano Berio, das - entgegen seinem Namen - ein beeindruckendes Werk für Posaune und Orchester ist, ein Stück von Folke Rabe für Posaune solo, das der Komponist Basta genannt hat, die Ballade für Posaune und Klavier von Frank Martin, das klang- schöne Madrigal von Georges Delerue, sowie das Posaunenkonzert in C-Dur von Nino Rota, der insbesondere für seine Filmmusik berühmt wurde.
Die beiden die CD einrahmenden Werke für Posaune und Orchester spielt Belli gemeinsam mit den SWR Sinfonieorchester unter Sylvain Chambreling bzw. Pablo Heras Casado. Am Klavier ist die japanische Pianistin Eriko Takezawa zu hören, und beim Madrigal sekundiert dem jungen Musiker die Trombone Unit Hannover, ein Posaunen- oktett von Studierenden und Absolventen der dortigen Musik- hochschule. Dort hat auch Belli bei Professor Jonas Bylund studiert.
Haydn: Cello Concertos (Oehms Classics)
Aufnahmen von Haydns Cello- konzerten gibt es viele - doch diese hier unterscheidet sich gewaltig von allen anderen. Der Grund dafür ist der Solist. Gute und sehr gute Cellisten finden sich weltweit in großer Zahl - doch Wen-Sinn Yang ist, ohne Zweifel, mittlerweile eine Klasse für sich.
Wer sein Cellospiel hört, der ver- gisst, dass das Musizieren harte Arbeit ist, die sehr viel Reflexion und auch sehr viel Disziplin ver- langt. "Haydns Cellokonzerte lassen sich ganz unterschiedlich ,anpacken': historisierend, ein wenig peppig oder - wie wir es nun versucht haben - im besten Sinne klassisch-gediegen und klangschön", erläutert Yang in dem sehr informativen Beiheft. "Die Überlegung, ob man einen gewählten ästhetischen Mittelweg, der ohne Extremismen auskommt, als schwerer oder leichter ansieht, sei dabei hintangestellt. (...)
Ich glaube nicht, dass es in diesen beseelten, von Noblesse gepräg- ten Werken Haydns irgendwelche Schockerlebnisse zu vermitteln gibt. Vielmehr gilt es sicherzustellen, dass sich keine äußerlichen Effekte in den Vordergrund drängen, sich keine bloße Zurschau- stellung intimer Gefühle ereignet, immer eine gewisse Form gewahrt wird."
Schon bei den ersten Takten wird das Wunder hörbar: So beschwingt, so federleicht schwebend, so elegant und mit derart schönem Ton spielt nur Yang diese Werke. Sein Vortrag ist nicht nur enorm präzise, er begeistert auch durch seine ungeheure Musikalität. Es ist ein bisschen so wie mit der berühmten Geige im Märchen, die alle Leute zum Tanzen zwingt: Alles, was Yang anfasst, das beginnt zu klingen.
Damit steckt der Cellist auch seine Mitmusiker an - in diesem Falle die Accademia d'Archi Bolzano, mit der er kongenial harmoniert. Yang schildert das Verfahren so: "Wenn ich gespielt habe, wurde die Streicherakademie Bozen vom Konzertmeister Georg Egger zusam- mengehalten, was für ein Kammerorchester von 15 Instrumenta- listen absolut üblich ist. Damit mich alle genau sehen konnten, habe ich zu den Kollegen hinmusiziert. Bei den Tutti habe ich mir dann erlaubt, ein wenig ,herumzuwedeln', wozu ich vorab auch aufgefor- dert worden bin."
Und weil die CD nach den beiden Concerti in C-Dur und in D-Dur noch ein wenig Platz bietet, gibt es noch ein weiteres Stück, das Musik- freunden sehr bekannt vorkommen wird: "Dahinter verbirgt sich Haydns G-Dur-Violinkonzert", berichtet Yang. "In meinem Eltern- haus gab es davon eine Platte, die ich als kleiner Junge häufig gehört habe. Die Geigenstimme spiele ich nun eine Oktave tiefer auf dem Cello - in der besten Lage des Instruments." Die Idee dazu, so der Cellist, hatte Konzertmeister Egger. "Die Kadenzen stammen von mir. Kadenzen schreiben, das mache ich sehr gerne", lacht Yang. "Dafür bin ich sogar in den ,Cello-Keller', auf die C-Saite, hinabgestiegen. Die Geiger werden sich wundern!"
Wer sein Cellospiel hört, der ver- gisst, dass das Musizieren harte Arbeit ist, die sehr viel Reflexion und auch sehr viel Disziplin ver- langt. "Haydns Cellokonzerte lassen sich ganz unterschiedlich ,anpacken': historisierend, ein wenig peppig oder - wie wir es nun versucht haben - im besten Sinne klassisch-gediegen und klangschön", erläutert Yang in dem sehr informativen Beiheft. "Die Überlegung, ob man einen gewählten ästhetischen Mittelweg, der ohne Extremismen auskommt, als schwerer oder leichter ansieht, sei dabei hintangestellt. (...)
Ich glaube nicht, dass es in diesen beseelten, von Noblesse gepräg- ten Werken Haydns irgendwelche Schockerlebnisse zu vermitteln gibt. Vielmehr gilt es sicherzustellen, dass sich keine äußerlichen Effekte in den Vordergrund drängen, sich keine bloße Zurschau- stellung intimer Gefühle ereignet, immer eine gewisse Form gewahrt wird."
Schon bei den ersten Takten wird das Wunder hörbar: So beschwingt, so federleicht schwebend, so elegant und mit derart schönem Ton spielt nur Yang diese Werke. Sein Vortrag ist nicht nur enorm präzise, er begeistert auch durch seine ungeheure Musikalität. Es ist ein bisschen so wie mit der berühmten Geige im Märchen, die alle Leute zum Tanzen zwingt: Alles, was Yang anfasst, das beginnt zu klingen.
Damit steckt der Cellist auch seine Mitmusiker an - in diesem Falle die Accademia d'Archi Bolzano, mit der er kongenial harmoniert. Yang schildert das Verfahren so: "Wenn ich gespielt habe, wurde die Streicherakademie Bozen vom Konzertmeister Georg Egger zusam- mengehalten, was für ein Kammerorchester von 15 Instrumenta- listen absolut üblich ist. Damit mich alle genau sehen konnten, habe ich zu den Kollegen hinmusiziert. Bei den Tutti habe ich mir dann erlaubt, ein wenig ,herumzuwedeln', wozu ich vorab auch aufgefor- dert worden bin."
Und weil die CD nach den beiden Concerti in C-Dur und in D-Dur noch ein wenig Platz bietet, gibt es noch ein weiteres Stück, das Musik- freunden sehr bekannt vorkommen wird: "Dahinter verbirgt sich Haydns G-Dur-Violinkonzert", berichtet Yang. "In meinem Eltern- haus gab es davon eine Platte, die ich als kleiner Junge häufig gehört habe. Die Geigenstimme spiele ich nun eine Oktave tiefer auf dem Cello - in der besten Lage des Instruments." Die Idee dazu, so der Cellist, hatte Konzertmeister Egger. "Die Kadenzen stammen von mir. Kadenzen schreiben, das mache ich sehr gerne", lacht Yang. "Dafür bin ich sogar in den ,Cello-Keller', auf die C-Saite, hinabgestiegen. Die Geiger werden sich wundern!"
Freitag, 25. Februar 2011
The Great American Folksong (Dorian)
In diesem Jahr feiert der Children's Chorus of Washington sein 15jähri- ges Bestehen.
Diesem Ensemble gehören insge- samt mehr als 170 junge Sänger im Alter von 9 bis 18 Jahren und von mehr als hundert Schulen im Groß- raum Washington DC an, die in drei verschiedenen Chören an die un- terschiedlichste Chorliteratur herangeführt werden.
Die Gründerin und künstlerische Leiterin, Joan Gregoryk, hat "ihre" Chöre zu beachtlicher Leistung geführt. Davon zeugt auch diese CD mit Klassikern des amerikani- schen Folksongs, die die Kinder gemeinsam mit zwei herausragenden Folk-Duos eingespielt haben, mit Cathy Fink und Marcy Marxer sowie mit Kim und Reggie Harris. Die Musik ist flott bis schmissig; musiziert wird schwungsvoll und hochprofessionell. Unsere Kids hat die CD begeistert - und uns gefällt sie auch.
Diesem Ensemble gehören insge- samt mehr als 170 junge Sänger im Alter von 9 bis 18 Jahren und von mehr als hundert Schulen im Groß- raum Washington DC an, die in drei verschiedenen Chören an die un- terschiedlichste Chorliteratur herangeführt werden.
Die Gründerin und künstlerische Leiterin, Joan Gregoryk, hat "ihre" Chöre zu beachtlicher Leistung geführt. Davon zeugt auch diese CD mit Klassikern des amerikani- schen Folksongs, die die Kinder gemeinsam mit zwei herausragenden Folk-Duos eingespielt haben, mit Cathy Fink und Marcy Marxer sowie mit Kim und Reggie Harris. Die Musik ist flott bis schmissig; musiziert wird schwungsvoll und hochprofessionell. Unsere Kids hat die CD begeistert - und uns gefällt sie auch.
Sonntag, 20. Februar 2011
Ries: Piano Sonatas and Sonatinas 4 (Naxos)
Auch die Klaviersonaten und Sonatinen von Ferdinand Ries - zu seiner Biographie sei auf die vor- ausgehenden Posts verwiesen - veröffentlicht das Label Naxos derzeit. Sie werden von der amerikanischen Pianistin Susan Kagan eingespielt, einer ausgewie- senen Spezialistin für die Musik der Beethoven-Ära. So hat sie über Erzherzog Rudolf von Österreich promoviert - den einzigen Kompo- sitionsschüler, den Beethoven jemals hatte. Er entschied sich für die geistliche Laufbahn, wurde Erzbischof von Olmütz und Kardinal, und war ein wichtiger Mäzen Beethovens.
Als Ries begann, Klaviersonaten zu komponieren, war die Gattung im Umbruch begriffen. Zwar gab es Vorbilder, wie Carl Philipp Emanuel Bach, Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart. Doch ihre Strahlkraft verblasste vor den Werken von Beethoven, Clementi und Hummel, die die Sonate weiterentwickelten. Ries war mit den For- men, die damals entstanden, bestens vertraut.
Seine auf den "Titanen" Beethoven fixierten Zeitgenossen erkannten den Wert seines Werkes nicht. Zwar war Ries ein gefeierter Klavier- virtuose, und solange er selbst im Konzert präsent blieb, waren seine Werke populär. Doch nach seinem Rückzug aus dem Konzertleben wurde er bald als Beethoven-Nachahmer abgetan, und geriet erstaun- lich schnell in Vergessenheit. Unberechtigterweise, wie diese CD beweist: Auch wenn Ries einst Beethovens Sekretär und Klavier- schüler war, ist er musikalisch durchaus eigenständig.
Er nimmt in vielen Details seiner Klavierwerke vorweg, was die Früh- romantik schließlich zur Blüte bringen sollte. Da finden sich Schubert- sche Harmonien, Chopinsche Figurationen und Mendelssohnsche Melodien - doch all das zu einem Zeitpunkt, da diese Komponisten noch in den Windeln lagen. Susan Kagan macht deutlich, dass hier ein Werk voll kühner Ideen und unerwarteter Wendungen zu entdecken ist. Der Zuhörer folgt ihr gern, auch wenn ihr Zugriff mitunter ziemlich kantig erscheint, und sich für die lyrischen Elemente offenbar weniger interessiert.
Als Ries begann, Klaviersonaten zu komponieren, war die Gattung im Umbruch begriffen. Zwar gab es Vorbilder, wie Carl Philipp Emanuel Bach, Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart. Doch ihre Strahlkraft verblasste vor den Werken von Beethoven, Clementi und Hummel, die die Sonate weiterentwickelten. Ries war mit den For- men, die damals entstanden, bestens vertraut.
Seine auf den "Titanen" Beethoven fixierten Zeitgenossen erkannten den Wert seines Werkes nicht. Zwar war Ries ein gefeierter Klavier- virtuose, und solange er selbst im Konzert präsent blieb, waren seine Werke populär. Doch nach seinem Rückzug aus dem Konzertleben wurde er bald als Beethoven-Nachahmer abgetan, und geriet erstaun- lich schnell in Vergessenheit. Unberechtigterweise, wie diese CD beweist: Auch wenn Ries einst Beethovens Sekretär und Klavier- schüler war, ist er musikalisch durchaus eigenständig.
Er nimmt in vielen Details seiner Klavierwerke vorweg, was die Früh- romantik schließlich zur Blüte bringen sollte. Da finden sich Schubert- sche Harmonien, Chopinsche Figurationen und Mendelssohnsche Melodien - doch all das zu einem Zeitpunkt, da diese Komponisten noch in den Windeln lagen. Susan Kagan macht deutlich, dass hier ein Werk voll kühner Ideen und unerwarteter Wendungen zu entdecken ist. Der Zuhörer folgt ihr gern, auch wenn ihr Zugriff mitunter ziemlich kantig erscheint, und sich für die lyrischen Elemente offenbar weniger interessiert.
Le grazie del violino nel seicento italiano (Stradivarius)
Im 16. Jahrhundert entstand in Oberitalien ein neues Solo-Instru- ment: Die Violine. Wie Musiker damals die Möglichkeiten dieser Innovation erkundet und aus- probiert haben, zeigt die vorlie- gende CD anhand von Werken aus dem 17. Jahrhundert. Auch ihre formale Gestaltung war innovativ, und in der Entwicklung begriffen - auf der Suche nach einem Weg abseits von den "alten" Regeln des Kontrapunkts, hin zu einer eher rhetorischen Musik. Claudio Monteverdi nannte dies seconda practica; und viele seiner Kollegen folgten den neuen Ideen.
Das Duo Arparla - in diesem Wort stecken nicht umsonst die Begriffe arpa und parla - zeigt einige der Varianten, die Musiker damals für die Violine gefunden haben. Davide Monti spielt eine Violine von Giovanni Paolo Maggini, gebaut 1620 in Brescia, mit Darmsaiten und dem Nachbau eines Bogens aus dem 17. Jahrhundert. Maria Christina Cleary spielt eine Doppelharfe, nach dem Vorbild einer Tripelharfe im Museo della Musica di Bologna angefertigt von Rainer M. Thurau in Wiesbaden 2005.
Die Harfe war zur Zeit der Renaissance und des Barocks ein beliebtes Continuo-Instrument. Cesare Ripa rühmte die Arpa doppia: "per la dolcezza del suono si dice haver conformità von Venere, e con le Gratie, che como questo, così quella diletta gl'animi, e ricrea li spiriti". Es braucht einige Zeit, bis man sich eingehört hat - doch dann wird man ihm gern zustimmen.
Das Duo Arparla - in diesem Wort stecken nicht umsonst die Begriffe arpa und parla - zeigt einige der Varianten, die Musiker damals für die Violine gefunden haben. Davide Monti spielt eine Violine von Giovanni Paolo Maggini, gebaut 1620 in Brescia, mit Darmsaiten und dem Nachbau eines Bogens aus dem 17. Jahrhundert. Maria Christina Cleary spielt eine Doppelharfe, nach dem Vorbild einer Tripelharfe im Museo della Musica di Bologna angefertigt von Rainer M. Thurau in Wiesbaden 2005.
Die Harfe war zur Zeit der Renaissance und des Barocks ein beliebtes Continuo-Instrument. Cesare Ripa rühmte die Arpa doppia: "per la dolcezza del suono si dice haver conformità von Venere, e con le Gratie, che como questo, così quella diletta gl'animi, e ricrea li spiriti". Es braucht einige Zeit, bis man sich eingehört hat - doch dann wird man ihm gern zustimmen.
Ries: Piano Concertos, Vol. 4 (Naxos)
Da wir gerade über Ferdinand Ries geschrieben haben: Das Label Naxos engagiert sich schon seit geraumer Zeit für die Werke des Komponisten, der leider im Schatten Beethovens nicht die Beachtung gefunden hat, die er verdient hätte.
Ries, den Schüler Beethovens, als Beethoven-Adepten abzutun, wird seiner Musik nicht gerecht, wie diese CD eindrucksvoll belegt. Zwar erinnert in der Orchestrie- rung und der Harmonik manches an die Werke seines Lehrers. Doch achtet man auf die Klavierstimme, dann erscheint sie mit ihrem Melodienreichtum und ihrer ausgefeil- ten dynamischen Differenzierung der spielerischen Eleganz Mendels- sohns näher als den Sonaten und Konzerten Beethovens. Kurz und gut: Ries ist Ries, und er hat eine ganz eigene Handschrift. Seine Werke zu entdecken, das lohnt sich wirklich.
Die vorliegende CD enthält Ries' Concerto Pastoral in D-Dur op. 120, das Klavierkonzert in c-Moll op. 115 sowie die Introduction et Ron- deau Brillant WoO 54 - letzteres lässt sich datieren, und zwar auf das Jahr 1835. Das verblüfft, denn Ries wird gern ein Nachlassen seiner Kreativität sowie das Dahinschwinden seiner Kräfte nachgesagt, womit dann begründet wird, warum sein Tod 1838 so gänzlich unbe- achtet geblieben ist. Davon ist hier freilich nichts zu spüren. Das Konzertrondo ist anspruchsvoll bis virtuos, handwerklich bestens gearbeitet, und ein Mangel an Inspiration ist ebenfalls nicht fest- zustellen.
Christopher Hinterhuber erweist sich als exzellenter Interpret der Riesschen Werke. Er musiziert gemeinsam mit dem Bournemouth Symphony Orchestra unter Uwe Grodd, der sich mittlerweile zum ausgewiesenen Experten für die Musik des 18. und beginnenden
19. Jahrhunderts entwickelt hat. Diese Aufnahme wird man daher mit Gewinn und Genuss anhören - meine Empfehlung!
Ries, den Schüler Beethovens, als Beethoven-Adepten abzutun, wird seiner Musik nicht gerecht, wie diese CD eindrucksvoll belegt. Zwar erinnert in der Orchestrie- rung und der Harmonik manches an die Werke seines Lehrers. Doch achtet man auf die Klavierstimme, dann erscheint sie mit ihrem Melodienreichtum und ihrer ausgefeil- ten dynamischen Differenzierung der spielerischen Eleganz Mendels- sohns näher als den Sonaten und Konzerten Beethovens. Kurz und gut: Ries ist Ries, und er hat eine ganz eigene Handschrift. Seine Werke zu entdecken, das lohnt sich wirklich.
Die vorliegende CD enthält Ries' Concerto Pastoral in D-Dur op. 120, das Klavierkonzert in c-Moll op. 115 sowie die Introduction et Ron- deau Brillant WoO 54 - letzteres lässt sich datieren, und zwar auf das Jahr 1835. Das verblüfft, denn Ries wird gern ein Nachlassen seiner Kreativität sowie das Dahinschwinden seiner Kräfte nachgesagt, womit dann begründet wird, warum sein Tod 1838 so gänzlich unbe- achtet geblieben ist. Davon ist hier freilich nichts zu spüren. Das Konzertrondo ist anspruchsvoll bis virtuos, handwerklich bestens gearbeitet, und ein Mangel an Inspiration ist ebenfalls nicht fest- zustellen.
Christopher Hinterhuber erweist sich als exzellenter Interpret der Riesschen Werke. Er musiziert gemeinsam mit dem Bournemouth Symphony Orchestra unter Uwe Grodd, der sich mittlerweile zum ausgewiesenen Experten für die Musik des 18. und beginnenden
19. Jahrhunderts entwickelt hat. Diese Aufnahme wird man daher mit Gewinn und Genuss anhören - meine Empfehlung!
Samstag, 19. Februar 2011
Ries: Complete Flute Quartets (Fuga Libera)
"Mr. Ries is justly celebrated as one of the finest piano-performers of the present day. His hand is powerful, and his execution is certain, - often surprising. But his playing is most distinguished from that of all others by his romantic wildness. By means of strong contrasts of loud an soft, an a liberal use of the open pedals, together with much novelty and great boldness in his modulations, he produces an effect upon those who enter into his style, which can only be compared to that arising from the most unexpected combinations and transitions of the Aeolian harp." So wurde Ferdinand Ries (1784 bis 1838) in London gefeiert.
Er entstammte einer Bonner Musikerfamilie; sein Vater Franz Anton Ries galt als Geigen-Wunderkind und erhielt schon im Alter von elf Jahren eine Stelle in der Hofkapelle des Kurfürsten. Auch unter- richtete er den jungen Beethoven. Dieser revanchierte sich später, indem er Ferdinand Ries mit offenen Armen aufnahm, als dieser 1801 in Wien ankam. Ries diente Beethoven als Sekretär und Kopist; dieser gab ihm Klavierunterricht, und sorgte dafür, dass Albrechtsberger den jungen Mann im Fach Komposition unterwies.
Im August 1804 trat Ries zum ersten Male als Beethovens Schüler auf. Er spielte das dritte Klavierkonzert seines Lehrers - mit einer eigenen Kadenz, die großen Beifall fand. So schien seine Zukunft gesichert. Doch dann wurde er 1805 als Bonner Bürger in die französische Armee eingezogen. Zwar hatte er Glück, und wurde, im Hauptquartier in Koblenz angekommen, für untauglich befunden. Doch Napoleon und seine Kriege kamen ihm, als er versuchte, irgendwo in Europa sein Auskommen zu finden, immer wieder in die Quere.
1813 ging Ries nach London. Dort war Ries, in erster Linie als Pianist, aber auch mit seinen eigenen Werken, bald sehr erfolgreich. Er konnte endlich heiraten, und verdiente soviel Geld, dass er 1824 seine Karriere als Pianist aufgab, ins Rheinland zurückkehrte und sich ganz aufs Komponieren verlegte - jedenfalls weitgehend. Denn für einige Jahre war er auch als Festspielleiter der Niederrheinischen Musikfeste tätig. Dass er damit nicht ganz glücklich war, zeigt die Tatsache, dass Ries sich um Kapellmeisterstellen in München und Dresden bewarb. Er bekam keine davon. 1827 zog er nach Frank- furt/Main. Als er dort 1838 starb, im Alter von 53 Jahren, war er in Deutschland bereits so in Vergessenheit geraten, dass keine einzige der großen Musikzeitschriften einen Nachruf brachte.
Dabei ist sein Werk sehr beachtlich. Es wird jetzt wiederentdeckt, und das lohnt sich. So hat das belgische Kammermusikensemble Oxalys - in diesem Falle in der Besetzung Toon Fret, Flöte, Shirly Laub, Violi- ne, Elisabeth Smalt, Viola und Martijn Vink, Violoncello - Ries' Flö- tenquartette eingespielt. Die drei Quartette op. 145 sind handwerk- lich grundsolide, aber wenig überraschend. Dafür verblüffen dann die drei Quartette WoO 35 durch ihre geradezu experimentelle formale Gestaltung - und durch die enorm anspruchsvolle Musik. Für die Hausmusik jedenfalls wurden diese Werke nicht geschrieben. Die vier Solisten haben hörbar Vergnügen an Ries' komplexen musikalischen Strukturen. Der Zuhörer staunt, zumal deutlich erkennbar wird, dass Ries eben doch weit mehr war als Beethovens Schüler. Auf weitere Entdeckungen darf man sich also freuen.
Er entstammte einer Bonner Musikerfamilie; sein Vater Franz Anton Ries galt als Geigen-Wunderkind und erhielt schon im Alter von elf Jahren eine Stelle in der Hofkapelle des Kurfürsten. Auch unter- richtete er den jungen Beethoven. Dieser revanchierte sich später, indem er Ferdinand Ries mit offenen Armen aufnahm, als dieser 1801 in Wien ankam. Ries diente Beethoven als Sekretär und Kopist; dieser gab ihm Klavierunterricht, und sorgte dafür, dass Albrechtsberger den jungen Mann im Fach Komposition unterwies.
Im August 1804 trat Ries zum ersten Male als Beethovens Schüler auf. Er spielte das dritte Klavierkonzert seines Lehrers - mit einer eigenen Kadenz, die großen Beifall fand. So schien seine Zukunft gesichert. Doch dann wurde er 1805 als Bonner Bürger in die französische Armee eingezogen. Zwar hatte er Glück, und wurde, im Hauptquartier in Koblenz angekommen, für untauglich befunden. Doch Napoleon und seine Kriege kamen ihm, als er versuchte, irgendwo in Europa sein Auskommen zu finden, immer wieder in die Quere.
1813 ging Ries nach London. Dort war Ries, in erster Linie als Pianist, aber auch mit seinen eigenen Werken, bald sehr erfolgreich. Er konnte endlich heiraten, und verdiente soviel Geld, dass er 1824 seine Karriere als Pianist aufgab, ins Rheinland zurückkehrte und sich ganz aufs Komponieren verlegte - jedenfalls weitgehend. Denn für einige Jahre war er auch als Festspielleiter der Niederrheinischen Musikfeste tätig. Dass er damit nicht ganz glücklich war, zeigt die Tatsache, dass Ries sich um Kapellmeisterstellen in München und Dresden bewarb. Er bekam keine davon. 1827 zog er nach Frank- furt/Main. Als er dort 1838 starb, im Alter von 53 Jahren, war er in Deutschland bereits so in Vergessenheit geraten, dass keine einzige der großen Musikzeitschriften einen Nachruf brachte.
Dabei ist sein Werk sehr beachtlich. Es wird jetzt wiederentdeckt, und das lohnt sich. So hat das belgische Kammermusikensemble Oxalys - in diesem Falle in der Besetzung Toon Fret, Flöte, Shirly Laub, Violi- ne, Elisabeth Smalt, Viola und Martijn Vink, Violoncello - Ries' Flö- tenquartette eingespielt. Die drei Quartette op. 145 sind handwerk- lich grundsolide, aber wenig überraschend. Dafür verblüffen dann die drei Quartette WoO 35 durch ihre geradezu experimentelle formale Gestaltung - und durch die enorm anspruchsvolle Musik. Für die Hausmusik jedenfalls wurden diese Werke nicht geschrieben. Die vier Solisten haben hörbar Vergnügen an Ries' komplexen musikalischen Strukturen. Der Zuhörer staunt, zumal deutlich erkennbar wird, dass Ries eben doch weit mehr war als Beethovens Schüler. Auf weitere Entdeckungen darf man sich also freuen.
Chopin: Piano Concerto No. 1 (Naxos)
Die Erstausgaben der Werke Chopins erschienen zu seinen Leb- zeiten in vier Ländern: Frankreich, Deutschland, Österreich und Eng- land. Sie waren, unausweichlich, voller Fehler - so gibt es beispiels- weise simple Lesefehler, die dem Notenstecher passiert sind. Einige Fehler hat der Komponist selber durch seine Korrekturen oder durch Änderungen verursacht. Oftmals existieren mehrere Ver- sionen. Mitunter haben zudem Herausgeber Werke "überarbeitet". So haben sich im Laufe der Zeit etliche Mängel in den Ausgaben eingeschlichen, die es dann irgendwann zu tilgen gilt, wenn man auf der Grundlage eines einigermaßen verlässlichen Notentextes arbeiten möchte.
Eine solche Urtext-Ausgabe, die den Notenhandschriften des Komponisten und den Editionen zu Lebzeiten kritisch folgt, existiert nunmehr auch für die Werke Chopins: Die Wydanie Narodowe Dziel Fryderyka Chopina (WN) - die Polnische Nationaledition der Werke Chopins. Auf der Grundlage dieses Notenwerkes haben der Pianist Eldar Nebolsin und die Warschauer Philharmonie unter Antoni Wit nun für Naxos die beiden Klavierkonzerte Chopins eingespielt. Das Label hat sich entschieden, sie auf separaten CD unterzubringen, und durch eine Reihe sehr attraktiver Werke zu ergänzen, die relativ selten auf CD zu finden sind.
So erklingen neben dem Klavierkonzert Nr. 1 in e-Moll op. 11 die Fantaisie sur des airs nationaux polonais für Klavier und Orchester A-Dur op. 13 und der Krakowiak. Grand Rondeau de Concert für Klavier und Orchester F-Dur op. 14. Das Klavierkonzert Nr. 2 in
f-Moll op. 21 - kurioserweise entstand es vor der Nr. 1, da täuscht die Opus-Zahl - wird flankiert von den Variations sur „Là ci darem la mano“ de „Don Juan“ de Mozart für Klavier und Orchester B-Dur
op. 2 und der Grande Polonaise Brillante précédé d'un Andante spianato, G-Dur u. Es-Dur op. 22.
Die Aufnahme ist exzellent; Eldar Nebolsin erweist sich als ein her- vorragender Pianist, der den Konzertflügel singen lässt, und vom feinsten Pianissimo bis zum vollgriffigen Temperamentsausbruch zu überzeugen weiß. Auch das Orchester ist eine Entdeckung.
Eine solche Urtext-Ausgabe, die den Notenhandschriften des Komponisten und den Editionen zu Lebzeiten kritisch folgt, existiert nunmehr auch für die Werke Chopins: Die Wydanie Narodowe Dziel Fryderyka Chopina (WN) - die Polnische Nationaledition der Werke Chopins. Auf der Grundlage dieses Notenwerkes haben der Pianist Eldar Nebolsin und die Warschauer Philharmonie unter Antoni Wit nun für Naxos die beiden Klavierkonzerte Chopins eingespielt. Das Label hat sich entschieden, sie auf separaten CD unterzubringen, und durch eine Reihe sehr attraktiver Werke zu ergänzen, die relativ selten auf CD zu finden sind.
So erklingen neben dem Klavierkonzert Nr. 1 in e-Moll op. 11 die Fantaisie sur des airs nationaux polonais für Klavier und Orchester A-Dur op. 13 und der Krakowiak. Grand Rondeau de Concert für Klavier und Orchester F-Dur op. 14. Das Klavierkonzert Nr. 2 in
f-Moll op. 21 - kurioserweise entstand es vor der Nr. 1, da täuscht die Opus-Zahl - wird flankiert von den Variations sur „Là ci darem la mano“ de „Don Juan“ de Mozart für Klavier und Orchester B-Dur
op. 2 und der Grande Polonaise Brillante précédé d'un Andante spianato, G-Dur u. Es-Dur op. 22.
Die Aufnahme ist exzellent; Eldar Nebolsin erweist sich als ein her- vorragender Pianist, der den Konzertflügel singen lässt, und vom feinsten Pianissimo bis zum vollgriffigen Temperamentsausbruch zu überzeugen weiß. Auch das Orchester ist eine Entdeckung.
Freitag, 18. Februar 2011
Contemporaries of Mozart Collection (Chandos)
Sinfonien von Mozart-Zeitgenos- sen fasst diese Box auf fünf CD zusammen. Sie ist schön gestaltet, und wird durch ein sehr informati- ves Beiheft ergänzt - allerdings durchweg in englischer Sprache. Das wird nicht jeden Musikfreund erfreuen, doch das Label Chandos stammt nun einmal aus Groß- britannien.
Die London Mozart Players, eines der führenden Kammerorchester des Landes, musizieren unter Matthias Bamert. Der Dirigent, der aus der Schweiz stammt, ist ein ausgewiesener Experte, wenn es um die Musik des 18. Jahrhunderts geht. Er hat viele vergessene Werke wieder erschlossen. Bamert engagiert sich aber auch stark für die sogenannte Neue Musik, er hat viele Uraufführungen dirigiert. Die London Mozart Players hat er von 1993 bis 2000 geleitet - was diesen Aufnahmen ganz klar seine Handschrift gibt.
Die fünf CD ermöglichen eine ganze Reihe Entdeckungen. Da wären beispielsweise zwei Sinfonien von Franz Krommer, geboren 1759 in Südmähren als František Vincenc Kramář. Er lebte viele Jahre in Wien, und wurde 1818 zum Hofkomponisten und Hofkapellmeister des Kaisers Franz I. berufen. Mehr als 300 Werke des tschechischen Komponisten sind überliefert, darunter zahlreiche Streichquartette, Konzerte für verschiedene Instrumente, und sieben Sinfonien.
Carl Philipp Stamitz (1745 bis 1801) wuchs in Mannheim auf, und spielte dort zunächst 2. Violine in der berühmten Mannheimer Hofkapelle. Später ging er nach Paris und Versaille. Doch auch dort hielt es ihn nicht lange; Stamitz reiste durch ganz Europa, bis er schließlich 1794 die Leitung der akademischen Konzerte in Jena übernahm. Als er 1801 kurz nach seiner Frau starb, wurde von seinen Gläubigern fast sein gesamter Besitz versteigert. Leider sind dabei offenbar auch viele seiner Werke verschwunden.
Ignaz Josef Pleyl (1757 bis 1831) finanzierte ein Gönner die Ausbil- dung bei Joseph Haydn. Er lernte auch bei Vanhal und in Italien, bevor er dann nach Frankreich ging, die französische Staatsbürger- schaft annahm und zu Ignace Joseph Pleyel wurde. Berühmt war er vor allem für seine Kammermusik. Mozart lobte Pleyels Streich- quartette 1784 in einem Brief an seinen Vater: "Sie sind sehr gut geschrieben, und sehr angenehm; Sie werden auch gleich seinen Meister herauskennen. Gut - und glücklich für die Musik, wenn Pleyel seiner Zeit im Stande ist, uns Haydn zu replacieren!" Pleyel schrieb aber auch mehr als 40 Sinfonien - drei davon sind auf CD drei zu hören.
Leopold Kozeluch (1747 bis 1818) hätte der Nachfolger Mozarts als Hoforganist in Salzburg werden können. Dieses Amt wurde ihm angeboten, doch der Musiker, der in Wien sehr erfolgreich als Pianist und Musikpädagoge tätig war, lehnte ab. Er zog es vor, weiterhin Erzherzogin Elisabeth von Württemberg und Marie-Louise, die Tochter des Kaisers, zu unterrichten - und wurde 1792 zum Kammer- kapellmeister und Hofkomponisten ernannt. Seine Werke - es sind etwa 400 Kompositionen überliefert, davon wohl um die 30 Sinfonien - wurden zu Lebzeiten des Künstlers ebenso heftig gefeiert wie abge- lehnt. Sie klingen allerdings mitunter schon eher nach Beethoven als nach Haydn.
Pavel Vranitzký (1756 bis 1808) stammt aus einem kleinen mähri- schen Städtchen, und hat eigentlich Theologie studiert. Doch statt in den Dienst der Kirche trat Paul Wranitzky, wie er sich im Zuge seiner Übersiedlung nach Wien nannte, 1784 in die Dienste von Graf Johann Baptist Esterházy, und 1785 wurde er Leiter des neu gegründeten Orchesters der Hofoper am Kärntertortheater in Wien. Er war ein angesehener Dirigent; so leitete Wranitzky auf Wunsch des Musiker- kollegen unter anderem die Uraufführung von Beethovens erster Sinfonie. Doch er komponierte auch selbst. CD fünf enthält zwei seiner mehr als 50 Sinfonien, sowie die Grande sinfonie caractéristique pour la paix avec la République française op. 31 - eigentlich ein Werk für "großes" Orchester, das die Ereignisse der Französischen Revolu- tion schildert. Ihre Uraufführung 1797 in Wien wurde übrigens vom Kaiser untersagt; nicht nur der Titel erschien dem Hof gefährlich.
Die London Mozart Players, eines der führenden Kammerorchester des Landes, musizieren unter Matthias Bamert. Der Dirigent, der aus der Schweiz stammt, ist ein ausgewiesener Experte, wenn es um die Musik des 18. Jahrhunderts geht. Er hat viele vergessene Werke wieder erschlossen. Bamert engagiert sich aber auch stark für die sogenannte Neue Musik, er hat viele Uraufführungen dirigiert. Die London Mozart Players hat er von 1993 bis 2000 geleitet - was diesen Aufnahmen ganz klar seine Handschrift gibt.
Die fünf CD ermöglichen eine ganze Reihe Entdeckungen. Da wären beispielsweise zwei Sinfonien von Franz Krommer, geboren 1759 in Südmähren als František Vincenc Kramář. Er lebte viele Jahre in Wien, und wurde 1818 zum Hofkomponisten und Hofkapellmeister des Kaisers Franz I. berufen. Mehr als 300 Werke des tschechischen Komponisten sind überliefert, darunter zahlreiche Streichquartette, Konzerte für verschiedene Instrumente, und sieben Sinfonien.
Carl Philipp Stamitz (1745 bis 1801) wuchs in Mannheim auf, und spielte dort zunächst 2. Violine in der berühmten Mannheimer Hofkapelle. Später ging er nach Paris und Versaille. Doch auch dort hielt es ihn nicht lange; Stamitz reiste durch ganz Europa, bis er schließlich 1794 die Leitung der akademischen Konzerte in Jena übernahm. Als er 1801 kurz nach seiner Frau starb, wurde von seinen Gläubigern fast sein gesamter Besitz versteigert. Leider sind dabei offenbar auch viele seiner Werke verschwunden.
Ignaz Josef Pleyl (1757 bis 1831) finanzierte ein Gönner die Ausbil- dung bei Joseph Haydn. Er lernte auch bei Vanhal und in Italien, bevor er dann nach Frankreich ging, die französische Staatsbürger- schaft annahm und zu Ignace Joseph Pleyel wurde. Berühmt war er vor allem für seine Kammermusik. Mozart lobte Pleyels Streich- quartette 1784 in einem Brief an seinen Vater: "Sie sind sehr gut geschrieben, und sehr angenehm; Sie werden auch gleich seinen Meister herauskennen. Gut - und glücklich für die Musik, wenn Pleyel seiner Zeit im Stande ist, uns Haydn zu replacieren!" Pleyel schrieb aber auch mehr als 40 Sinfonien - drei davon sind auf CD drei zu hören.
Leopold Kozeluch (1747 bis 1818) hätte der Nachfolger Mozarts als Hoforganist in Salzburg werden können. Dieses Amt wurde ihm angeboten, doch der Musiker, der in Wien sehr erfolgreich als Pianist und Musikpädagoge tätig war, lehnte ab. Er zog es vor, weiterhin Erzherzogin Elisabeth von Württemberg und Marie-Louise, die Tochter des Kaisers, zu unterrichten - und wurde 1792 zum Kammer- kapellmeister und Hofkomponisten ernannt. Seine Werke - es sind etwa 400 Kompositionen überliefert, davon wohl um die 30 Sinfonien - wurden zu Lebzeiten des Künstlers ebenso heftig gefeiert wie abge- lehnt. Sie klingen allerdings mitunter schon eher nach Beethoven als nach Haydn.
Pavel Vranitzký (1756 bis 1808) stammt aus einem kleinen mähri- schen Städtchen, und hat eigentlich Theologie studiert. Doch statt in den Dienst der Kirche trat Paul Wranitzky, wie er sich im Zuge seiner Übersiedlung nach Wien nannte, 1784 in die Dienste von Graf Johann Baptist Esterházy, und 1785 wurde er Leiter des neu gegründeten Orchesters der Hofoper am Kärntertortheater in Wien. Er war ein angesehener Dirigent; so leitete Wranitzky auf Wunsch des Musiker- kollegen unter anderem die Uraufführung von Beethovens erster Sinfonie. Doch er komponierte auch selbst. CD fünf enthält zwei seiner mehr als 50 Sinfonien, sowie die Grande sinfonie caractéristique pour la paix avec la République française op. 31 - eigentlich ein Werk für "großes" Orchester, das die Ereignisse der Französischen Revolu- tion schildert. Ihre Uraufführung 1797 in Wien wurde übrigens vom Kaiser untersagt; nicht nur der Titel erschien dem Hof gefährlich.
Chopin: Nocturnes - Frédéric Chopin Edition Vol. 6 (Profil)
Technisch ist Mursky ohne Zweifel brillant, aber seine Interpretation ist 19. Jahrhundert, seine Werk- auffassung zutiefst romantisch, und sein Tempo schwankt wie ein Matrose beim Landgang auf dem Rückweg vom Wirtshaus. Da sind andere Einspielungen interessanter - diese hier ist nicht zu ertragen.
Bach: Motets (Dorian)
Die Motetten von Johann Seba- stian Bach gehören ohne Zweifel zu seinen am häufigsten aufgeführten und auch eingespielten Werken. In diesem Falle sind The Bach Sinfo- nia sowie die Sinfonia Voci unter ihrem Dirigenten und künstleri- schen Leiter Daniel Abraham die Interpreten.
Musiziert wird sehr sauber, aber auch reichlich langweilig, sieht man einmal davon ab, dass Abraham und seine Mannschaft ein ausgeprägte Faible für extreme Tempi haben. Aber gute Sänger alleine machen eine Aufnahme noch nicht zu einem Ereignis - so erweist sich diese hier leider als eine Enttäuschung.
Musiziert wird sehr sauber, aber auch reichlich langweilig, sieht man einmal davon ab, dass Abraham und seine Mannschaft ein ausgeprägte Faible für extreme Tempi haben. Aber gute Sänger alleine machen eine Aufnahme noch nicht zu einem Ereignis - so erweist sich diese hier leider als eine Enttäuschung.
Cello Duello: Jens Peter Maintz, Wolfgang Emanuel Schmidt (Solo Musica)
Seit mehr als 20 Jahren musizieren Jens Peter Maintz und Wolfgang Emanuel Schmidt gemeinsam - zu- nächst in der Klasse von Professor David Geringas in Lübeck. Dann suchten die beiden Cellisten nach einem Stück, das einen würdigen Schlusspunkt hinter das Marathon- konzert eines Meisterkurses ihres Lehrers setzen sollte. Sie kamen auf die Idee, die Mosesfantasie von Niccolò Paganini zu zwei Celli zu arrangieren - und touren seitdem als "Cello Duello" durch die Lande.
Die Mosesfantasie spielen die beiden Cellisten immer noch. Mittler- weile sind sie international gefragte Solisten, und lehren selbst als Professoren an namhaften Musikhochschulen. Doch den Spaß am gemeinsamen Musizieren haben sie nicht verloren, wie diese CD be- weist. Maintz und Schmidt begeistern ebenso durch ihre musikalische Exzellenz wie durch ihre Spielfreude. Was sie da vorlegen, das ist furios, mitunter auch verwegen und durchweg von umwerfendem Charme. Die beiden Solisten wetteifern um die virtuosesten Passagen, die apartesten Einfälle und die schönsten Töne - selbst die Superlative sind zu schwach, um das Phänomen Cello Duello hinreichend zu be- schreiben.
Aus diesem Grunde sollte man diese CD schlicht genießen. Sie bietet Raritäten, die original für zwei Celli komponiert wurden, wie die Sonate in G-Dur von Jean Barrière, das Duo E-Dur op. 54 von Jacques Offenbach und die eigens für Cello Duello komponierte Sonate für zwei Violoncelli von Jan Müller-Wieland. Für zwei Barytone schrieb Joseph Haydn einst das elegante, klangschöne Duett in D-Dur Hob. X:11 und XII:3+5. In das Finale haben Maintz und Schmidt als Reverenz an Mstislaw Rostropowitsch dessen Kadenz zum ersten Satz des Haydnschen D-Dur-Cellokonzertes "eingebaut"; der Zuhörer wird staunen.
Der norwegische Geiger Johan Halvorsen bearbeitete einst einen Satz aus Händels g-Moll-Cembalosuite für Violine und Cello. Die daraus resultierende Passacaglia aus dem Jahre 1894 erklingt hier in der Version von Cello Duello, ein hochvirtuoses Bravourstück - histo- risch gänzlich unkorrekt, aber so rasant, dass dieses Kabinettstück garantiert keinen Staub ansetzen wird.
Natürlich spielen die beiden Cellisten auch die Mosesfantasie, mit der alles begonnen hat - und wechseln dann für das Finale der CD gänzlich das Fach. Denn am Schluss erklingt das berühmte Harmonica von Ennio Morricone, die Filmmusik aus Once Upon a Time in the West - in einem Arrangement für sechs Violoncelli von Wolfgang Emanuel Schmidt, aufgenommen im Mehrspurverfahren. Grandios!
Die Mosesfantasie spielen die beiden Cellisten immer noch. Mittler- weile sind sie international gefragte Solisten, und lehren selbst als Professoren an namhaften Musikhochschulen. Doch den Spaß am gemeinsamen Musizieren haben sie nicht verloren, wie diese CD be- weist. Maintz und Schmidt begeistern ebenso durch ihre musikalische Exzellenz wie durch ihre Spielfreude. Was sie da vorlegen, das ist furios, mitunter auch verwegen und durchweg von umwerfendem Charme. Die beiden Solisten wetteifern um die virtuosesten Passagen, die apartesten Einfälle und die schönsten Töne - selbst die Superlative sind zu schwach, um das Phänomen Cello Duello hinreichend zu be- schreiben.
Aus diesem Grunde sollte man diese CD schlicht genießen. Sie bietet Raritäten, die original für zwei Celli komponiert wurden, wie die Sonate in G-Dur von Jean Barrière, das Duo E-Dur op. 54 von Jacques Offenbach und die eigens für Cello Duello komponierte Sonate für zwei Violoncelli von Jan Müller-Wieland. Für zwei Barytone schrieb Joseph Haydn einst das elegante, klangschöne Duett in D-Dur Hob. X:11 und XII:3+5. In das Finale haben Maintz und Schmidt als Reverenz an Mstislaw Rostropowitsch dessen Kadenz zum ersten Satz des Haydnschen D-Dur-Cellokonzertes "eingebaut"; der Zuhörer wird staunen.
Der norwegische Geiger Johan Halvorsen bearbeitete einst einen Satz aus Händels g-Moll-Cembalosuite für Violine und Cello. Die daraus resultierende Passacaglia aus dem Jahre 1894 erklingt hier in der Version von Cello Duello, ein hochvirtuoses Bravourstück - histo- risch gänzlich unkorrekt, aber so rasant, dass dieses Kabinettstück garantiert keinen Staub ansetzen wird.
Natürlich spielen die beiden Cellisten auch die Mosesfantasie, mit der alles begonnen hat - und wechseln dann für das Finale der CD gänzlich das Fach. Denn am Schluss erklingt das berühmte Harmonica von Ennio Morricone, die Filmmusik aus Once Upon a Time in the West - in einem Arrangement für sechs Violoncelli von Wolfgang Emanuel Schmidt, aufgenommen im Mehrspurverfahren. Grandios!
Dienstag, 15. Februar 2011
Carl Philipp Emanuel Bach: Symphonies & concertos (Early Music)
"Er ist der Vater, und wir sind die Kinder", so äußerte sich Mozart über Carl Philipp Emanuel Bach. Der zweite Sohn von Johann Sebastian Bach war schon in seiner Jugend ein exzellenter Cembalist. Er studierte zwar Jura, doch letztendlich nahm er nach dem Abschluss seiner Ausbildung das Angebot des preußischen Kron- prinzen Friedrich an, in seine Kapelle einzutreten. Dort blieb der "Berliner Bach" fast 30 Jahre lang, bis er schließlich nach Hamburg wechselte, wo er die Nachfolge seines Patenonkels Georg Philipp Telemann als Städtischer Musikdirektor und Kantor am Johanneum antrat.
Carl Philipp Emanuel Bach war zu Lebzeiten berühmter als sein Vater. Musikerkollegen in ganz Europa verehrten ihn. Diese CD lässt ahnen, warum. Sie enthält zwei seiner Hamburger Sinfonien - Wq 182/3 und 5 - sowie zwei Konzerte aus seiner Berliner Zeit. Das Concerto Wq 38, "en fa majeur, pour clavecin avec 2 flûtes, 2 violons, alto et basse" wird hier als reines Cembalokonzert vorgestellt. Wq 22, Concerto, en ré mineur, pour clavecin avec 2 violons, alto et basse hingegen erklingt auf dieser CD als Concerto pour flûte et cordes - leider findet sich für diese Besetzungsentscheidungen im Beiheft kein Wort der Begründung.
Das Barockorchester Arion, ansässig in Montreal, musiziert auf Originalinstrumenten. Das kanadische Ensemble wird seit seiner Gründung 1981 von der Barockflötistin Claire Guimond geleitet; sie spielt hier auch die Solopartie. Als Cembalist ist Gary Cooper zu hören, der bei dieser Einspielung gleichzeitig auch als Gastdirigent fungierte. Arion spielt in schlanker Besetzung, munter, durchhörbar und klar strukturiert. So machen die Musiker deutlich, warum Carl Philipp Emanuel Bach, obwohl er der Empfindsamkeit zugerechnet wird, eigentlich zu den Vätern der Klassik gehört. Wie er Themen setzt und modifiziert, und wie kühn und zugleich überlegt er mit Harmo- nien experimentiert, das ist noch heute sehr hörenswert.
Carl Philipp Emanuel Bach war zu Lebzeiten berühmter als sein Vater. Musikerkollegen in ganz Europa verehrten ihn. Diese CD lässt ahnen, warum. Sie enthält zwei seiner Hamburger Sinfonien - Wq 182/3 und 5 - sowie zwei Konzerte aus seiner Berliner Zeit. Das Concerto Wq 38, "en fa majeur, pour clavecin avec 2 flûtes, 2 violons, alto et basse" wird hier als reines Cembalokonzert vorgestellt. Wq 22, Concerto, en ré mineur, pour clavecin avec 2 violons, alto et basse hingegen erklingt auf dieser CD als Concerto pour flûte et cordes - leider findet sich für diese Besetzungsentscheidungen im Beiheft kein Wort der Begründung.
Das Barockorchester Arion, ansässig in Montreal, musiziert auf Originalinstrumenten. Das kanadische Ensemble wird seit seiner Gründung 1981 von der Barockflötistin Claire Guimond geleitet; sie spielt hier auch die Solopartie. Als Cembalist ist Gary Cooper zu hören, der bei dieser Einspielung gleichzeitig auch als Gastdirigent fungierte. Arion spielt in schlanker Besetzung, munter, durchhörbar und klar strukturiert. So machen die Musiker deutlich, warum Carl Philipp Emanuel Bach, obwohl er der Empfindsamkeit zugerechnet wird, eigentlich zu den Vätern der Klassik gehört. Wie er Themen setzt und modifiziert, und wie kühn und zugleich überlegt er mit Harmo- nien experimentiert, das ist noch heute sehr hörenswert.
Samstag, 12. Februar 2011
Humperdinck: Königskinder (Crystal Classics)
Schon bei den ersten Takten, die selbstverständlich - es handelt sich um eine der sechs Märchenopern von Engelbert Humperdinck (1854 bis 1921) - dahergewagnert kommen, wird es jedermann klar, dass diese Geschichte nicht glücklich enden wird wie Hänsel und Gretel, das wohl berühmteste musikalische Weihnachtsmärchen des deutschen Stadttheaters.
Die Handlung der Königskinder ist eher ein Stück für den Psychoana- lytiker als eine Geschichte, die man Kindern erzählen kann: Tief im Wald lebt ein junges Mädchen bei einer Hexe, die sich als seine Großmutter ausgibt, und die "Trulle" als Gänsemagd und Mädchen für alles fleißig schaffen lässt. Weil sie ihre Sehnsucht nach anderen Menschen äußert, bannt sie die Alte mit einem Zauber, so dass sie den Wald nicht verlassen kann, und lässt sie zudem ein giftiges Brot backen, das nicht verdirbt.
Als die Hexe in den Wald geht, um "Pilze und Würzlein" zu suchen, trifft ein Königssohn, der sich im Wald verirrt hat, auf die Gänsemagd. Bei allerlei neckischen Spielchen zerreißt ihr Kränzlein - Freud lässt grüßen - und er gibt ihr eine Krone dafür. Doch dann kann sie sich vom Bann nicht befreien; der Königssohn zieht allein weiter. Und die Hexe sperrt die Trulle ein.
Da kommen ein Spielmann, ein Holzhacker und ein Besenbinder des Weges. Sie erzählen der Hexe, dass der König gestorben ist, und dass die Leute nun nach einem neuen König suchen. Außerdem verraten sie der Gänsemagd, wer ihre Eltern waren - und diese fasst Mut, und bricht mit dem Spielmann auf, den Königssohn zu suchen.
Zur Mittagsstunde trifft die Gänsemagd in der Stadt Hellabrunn ein, die sich bereits rüstet, um den König zu empfangen. Dieser soll, so hat es die Hexe prophezeit, eben mit dem Schlag der Mittagsglocke das Stadttor passieren. Sie begegnet dem Königssohn, der sich zwischen- zeitlich als Schweinehirt verdingt hatte, um Erfahrungen zu sammeln, und sie präsentieren sich den Bürgern als das neue Herrscherpaar. Doch diese finden das gar nicht lustig, und jagen die beiden davon.
Das Finale ist entsprechend gruslig. Die Jahreszeit: Winter. Der Ort: Das frühere Hexenhaus, in dem nun der Spielmann haust, der miss- handelt und aus der Stadt verjagt wurde, weil er sich als Fürsprech für das junge Paar eingesetzt hat. Die Hütte haben die Bürger demoliert, und die Hexe verbrannt. Nun kommen ihre Kinder mit Holzhacker und Besenbinder, um ihn zurückzuholen, weil es ohne Lieder gar zu langweilig ist. Doch zuvor soll er mit den Kindern das Königspaar suchen. Holzhacker und Besenbinder bleiben in der Hütte zurück. Als der Königssohn dort anklopft, und um Essen und Trinken für seine kranke Gefährtin bittet, weisen sie ihn ab. Als er die Krone zerbricht, um Nahrung zu kaufen, geben sie ihm, was sie in der Hütte gefunden haben: Das vergiftete Brot der Hexe.
Königskinder wurde 2008 von Deutschlandradio Kultur im Großen Saal der Philharmonie Berlin aufgenommen. Zu hören sind unter anderem Juliane Banse als Gänsemagd, Gabriele Schnaut als Hexe, Klaus Florian Vogt als Königssohn, Christian Gerhaher als Spielmann, sowie Andreas Hörl und Stephan Rügamer als Holzhacker und Besenbinder. Es singen der Rundfunkchor Berlin und der Berliner Mädchenchor. Es spielt das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin, es dirigiert Ingo Metzmacher. Und der nimmt Humperdincks traurige Geschichte kristallklar, kein bisschen romantisch überzuckert und verklärt - was ihre Brutalität offen zutage treten lässt.
Anders als sein großes Vorbild setzte Humperdinck nicht systema- tisch auf Leitmotive, die Personen, Beziehungen oder Handlungen zugeordnet sind. Er setzt eher auf harmonisch-atmosphärische Bezüge, zitiert hier und da ziemlich offen Wagner, und verwendet sehr viel Sorgfalt auf die stilistische Trennung der Spielräume und auf die Gestaltung der zeitlichen Abfolge. Kein Happy End, keine grandiosen Arien. Kein Wunder, dass dieses Stück auf dem Spielplan der Theater und Opernhäuser heute nicht mehr zu finden ist. Hört man die Musik, wird man freilich sagen: Schade drum.
Die Handlung der Königskinder ist eher ein Stück für den Psychoana- lytiker als eine Geschichte, die man Kindern erzählen kann: Tief im Wald lebt ein junges Mädchen bei einer Hexe, die sich als seine Großmutter ausgibt, und die "Trulle" als Gänsemagd und Mädchen für alles fleißig schaffen lässt. Weil sie ihre Sehnsucht nach anderen Menschen äußert, bannt sie die Alte mit einem Zauber, so dass sie den Wald nicht verlassen kann, und lässt sie zudem ein giftiges Brot backen, das nicht verdirbt.
Als die Hexe in den Wald geht, um "Pilze und Würzlein" zu suchen, trifft ein Königssohn, der sich im Wald verirrt hat, auf die Gänsemagd. Bei allerlei neckischen Spielchen zerreißt ihr Kränzlein - Freud lässt grüßen - und er gibt ihr eine Krone dafür. Doch dann kann sie sich vom Bann nicht befreien; der Königssohn zieht allein weiter. Und die Hexe sperrt die Trulle ein.
Da kommen ein Spielmann, ein Holzhacker und ein Besenbinder des Weges. Sie erzählen der Hexe, dass der König gestorben ist, und dass die Leute nun nach einem neuen König suchen. Außerdem verraten sie der Gänsemagd, wer ihre Eltern waren - und diese fasst Mut, und bricht mit dem Spielmann auf, den Königssohn zu suchen.
Zur Mittagsstunde trifft die Gänsemagd in der Stadt Hellabrunn ein, die sich bereits rüstet, um den König zu empfangen. Dieser soll, so hat es die Hexe prophezeit, eben mit dem Schlag der Mittagsglocke das Stadttor passieren. Sie begegnet dem Königssohn, der sich zwischen- zeitlich als Schweinehirt verdingt hatte, um Erfahrungen zu sammeln, und sie präsentieren sich den Bürgern als das neue Herrscherpaar. Doch diese finden das gar nicht lustig, und jagen die beiden davon.
Das Finale ist entsprechend gruslig. Die Jahreszeit: Winter. Der Ort: Das frühere Hexenhaus, in dem nun der Spielmann haust, der miss- handelt und aus der Stadt verjagt wurde, weil er sich als Fürsprech für das junge Paar eingesetzt hat. Die Hütte haben die Bürger demoliert, und die Hexe verbrannt. Nun kommen ihre Kinder mit Holzhacker und Besenbinder, um ihn zurückzuholen, weil es ohne Lieder gar zu langweilig ist. Doch zuvor soll er mit den Kindern das Königspaar suchen. Holzhacker und Besenbinder bleiben in der Hütte zurück. Als der Königssohn dort anklopft, und um Essen und Trinken für seine kranke Gefährtin bittet, weisen sie ihn ab. Als er die Krone zerbricht, um Nahrung zu kaufen, geben sie ihm, was sie in der Hütte gefunden haben: Das vergiftete Brot der Hexe.
Königskinder wurde 2008 von Deutschlandradio Kultur im Großen Saal der Philharmonie Berlin aufgenommen. Zu hören sind unter anderem Juliane Banse als Gänsemagd, Gabriele Schnaut als Hexe, Klaus Florian Vogt als Königssohn, Christian Gerhaher als Spielmann, sowie Andreas Hörl und Stephan Rügamer als Holzhacker und Besenbinder. Es singen der Rundfunkchor Berlin und der Berliner Mädchenchor. Es spielt das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin, es dirigiert Ingo Metzmacher. Und der nimmt Humperdincks traurige Geschichte kristallklar, kein bisschen romantisch überzuckert und verklärt - was ihre Brutalität offen zutage treten lässt.
Anders als sein großes Vorbild setzte Humperdinck nicht systema- tisch auf Leitmotive, die Personen, Beziehungen oder Handlungen zugeordnet sind. Er setzt eher auf harmonisch-atmosphärische Bezüge, zitiert hier und da ziemlich offen Wagner, und verwendet sehr viel Sorgfalt auf die stilistische Trennung der Spielräume und auf die Gestaltung der zeitlichen Abfolge. Kein Happy End, keine grandiosen Arien. Kein Wunder, dass dieses Stück auf dem Spielplan der Theater und Opernhäuser heute nicht mehr zu finden ist. Hört man die Musik, wird man freilich sagen: Schade drum.
Encores & more (Solo Musica)
Ein Violinkonzert vor hundert Jahren hatte ein gänzlich anderes Programm, als wir das heute gewohnt sind: Nach einem meist barocken "Einspielstück" folgte eine große Violinsonate aus dem klassischen oder romantischen Repertoire, oder aber ein Violin- konzert - mit Klavierbegleitung. Der zweite Teil des Abends war dann üblicherweise kurzen Charak- terstücken vorbehalten, mit denen Virtuosen wie Jascha Heifetz oder Fritz Kreisler gern brillierten, und ihr Publikum höchst angenehm unterhielten.
Sie haben auch selbst solche Piècen komponiert, oder Werke anderer Komponisten entsprechend arrangiert. Diese Doppel-CD hält da so manche Überraschung bereit, wie Bearbeitungen, in denen Heifetz Aram Chatschaturjans Säbeltanz, Sergej Rachmaninoffs Daisies oder George Gershwins It ain't necessarily so auf die musikalische Spitze treibt. Gern soll der Geiger auch Edward Elgars La Capricieuse gespielt haben - dieses Stück findet sich ebenfalls auf diesen beiden CD, die einen zwölfteiligen Konzertzyklus zusammenfassen, in dem Friedemann Eichhorn, Violine, und Peer Findeisen, Klavier, 1997/98 in den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim Werke aus den verschie- densten musikalischen Kulturkreisen vorstellten.
Die erste CD gibt das "Ungarn-Konzert" wieder, und die zweite CD enthält ausgewählte Werke aus den anderen Programmen. Dass das Publikum enthusiastisch reagierte, wird der Hörer ebenfalls fest- stellen. Das ist kein Wunder, denn Eichhorn und Findeisen spielen mitreißend. Schon das erste Stück, die Konzertpolka Le Canari von Myron Poliakin, lässt aufhorchen. Spätestens das schmissig musi- zierte Grand Duo concertant Searle 128 sur la Romance de M. Lafont "Le Marin" von Franz Liszt aber strahlt so viel Spielfreude und Temperament aus, dass man sich auf jedes weitere Stück zu freuen beginnt. Bravi!
Sie haben auch selbst solche Piècen komponiert, oder Werke anderer Komponisten entsprechend arrangiert. Diese Doppel-CD hält da so manche Überraschung bereit, wie Bearbeitungen, in denen Heifetz Aram Chatschaturjans Säbeltanz, Sergej Rachmaninoffs Daisies oder George Gershwins It ain't necessarily so auf die musikalische Spitze treibt. Gern soll der Geiger auch Edward Elgars La Capricieuse gespielt haben - dieses Stück findet sich ebenfalls auf diesen beiden CD, die einen zwölfteiligen Konzertzyklus zusammenfassen, in dem Friedemann Eichhorn, Violine, und Peer Findeisen, Klavier, 1997/98 in den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim Werke aus den verschie- densten musikalischen Kulturkreisen vorstellten.
Die erste CD gibt das "Ungarn-Konzert" wieder, und die zweite CD enthält ausgewählte Werke aus den anderen Programmen. Dass das Publikum enthusiastisch reagierte, wird der Hörer ebenfalls fest- stellen. Das ist kein Wunder, denn Eichhorn und Findeisen spielen mitreißend. Schon das erste Stück, die Konzertpolka Le Canari von Myron Poliakin, lässt aufhorchen. Spätestens das schmissig musi- zierte Grand Duo concertant Searle 128 sur la Romance de M. Lafont "Le Marin" von Franz Liszt aber strahlt so viel Spielfreude und Temperament aus, dass man sich auf jedes weitere Stück zu freuen beginnt. Bravi!
Freitag, 11. Februar 2011
17. Festliche Operngala für die Deutsche Aids-Stiftung (Naxos)
Die Deutsche Oper Berlin war Gast- geber der 17. Festlichen Operngala für die Deutsche Aids-Stiftung. Das Sammeln von Spenden für den guten Zweck liegt den Sängern und Musikern wirklich am Herzen - diesen Eindruck jedenfalls macht das an Stars und Höhepunkten reiche Programm, an dem sich vom Orchester über den Chor bis hin zum Kinderchor der Deutschen Oper Berlin auch alle Ensembles beteiligen.
Als Solisten sind zu hören Joyce DiDonato, Amanda Echalaz, Christiane Karg, Kate Royal, Pretty Yende, Simon O'Neill, Saimir Pirgu, Matti Salminen und Andreas Scholl - letzterer gestaltet mit dem Cold Song aus Henry Purcells King Arthur ohne Zweifel den komödiantischen Höhepunkt des Abends.
Dieser ist allerdings hart umkämpft, denn auch die Moderation durch Max Raabe hat einiges zu bieten. Die "notwendigen Bemerkungen zu dramatischen Musikbeispielen", die Raabe zwischen den einzelnen Stücken einstreut, sind in ihrer sprachlichen Prägnanz wie in ihrer rabenschwarzen Sicht auf die Gattung Oper kaum zu übertreffen. Selbst "echte" Opernfreunde, die von solchen Häppchenprogrammen ja eigentlich gar nichts halten, werden wohl schmunzeln, wenn er seine Sicht auf die - bekanntlich nur selten wirklich jugendfreien - Operngeschichten auf den Punkt bringt. Und da der Erlös aus dem Verkauf der CD ebenfalls der Deutschen Aids-Stiftung zugute kommt, sei diese hier doppelt empfohlen.
Als Solisten sind zu hören Joyce DiDonato, Amanda Echalaz, Christiane Karg, Kate Royal, Pretty Yende, Simon O'Neill, Saimir Pirgu, Matti Salminen und Andreas Scholl - letzterer gestaltet mit dem Cold Song aus Henry Purcells King Arthur ohne Zweifel den komödiantischen Höhepunkt des Abends.
Dieser ist allerdings hart umkämpft, denn auch die Moderation durch Max Raabe hat einiges zu bieten. Die "notwendigen Bemerkungen zu dramatischen Musikbeispielen", die Raabe zwischen den einzelnen Stücken einstreut, sind in ihrer sprachlichen Prägnanz wie in ihrer rabenschwarzen Sicht auf die Gattung Oper kaum zu übertreffen. Selbst "echte" Opernfreunde, die von solchen Häppchenprogrammen ja eigentlich gar nichts halten, werden wohl schmunzeln, wenn er seine Sicht auf die - bekanntlich nur selten wirklich jugendfreien - Operngeschichten auf den Punkt bringt. Und da der Erlös aus dem Verkauf der CD ebenfalls der Deutschen Aids-Stiftung zugute kommt, sei diese hier doppelt empfohlen.
Donnerstag, 10. Februar 2011
Carl Philipp Emanuel Bach: The Solo Keyboard Music (BIS)
Der ungarische Organist und Cembalist Miklós Spányi spielt für BIS Records das Gesamtwerk ein, das Carl Philipp Emanuel Bach (1714 bis 1788) für Tasteninstru- mente solo geschaffen hat. Dabei ist er nunmehr bei CD 21 und im Jahre 1760 angekommen. Das lohnt sich, denn nicht umsonst war Carl Philipp Emanuel der berühm- teste der Bach-Söhne.
Er war seinerzeit einer der besten "Clavieristen" Europas. 1740 wurde er Mitglied der Kapelle des preußischen Kronprinzen Friedrich in Ruppin. Bach wirkte fast
30 Jahre lang als Cembalist und Kammercembalist Friedrichs des Großen. 1768 folgte er dann seinem Paten Georg Philipp Telemann im Amt des städtischen Musikdirektors und Kantors am Johanneum in Hamburg nach. So wurde aus dem "Berliner" der "Hamburger" Bach.
Carl Philipp Emanuel Bach veröffentlichte 1753/1762 das Lehrwerk "Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen". Es ist noch heute eine wichtige Quelle, wenn man erfahren möchte, wie zu Bachs Lebzeiten musiziert wurde. Auch als Komponist war Bach äußerst produktiv. Allein für sein Lieblingsinstrument, das Cembalo, hat er mehr als 150 Sonaten geschrieben. Dazu kommen unter anderem Sinfonien und Konzerte, Kantaten und Motetten, Oratorien und Passionen, Lieder und eine Vielzahl von Kammermusikwerken.
Der "Berliner/Hamburger Bach" gilt als einer der herausragenden Repräsentanten der musikalischen Empfindsamkeit. Seine Werke überraschen immer wieder durch Wendungen, die dem an der barocken Musiktradition geschulten Zuhörer verblüffend und ungewöhnlich vorkommen. Mir will aber scheinen, dass sie generell der Frühklassik näher sind als dem "galanten" Stil, wie er zu seiner Zeit gang und gäbe gewesen sein dürfte.
Miklós Spányi spielt seine Werke hier auf einem Clavichord, das der belgische Instrumentenbauer Joris Potvlieghe 1999 nach einem Original von Gottfried Joseph Horn, Dresden 1785, geschaffen hat. Das Vorbild für dieses prachtvolle Clavichord befindet sich heute in der Sammlung des Musikinstrumentenmuseums Leipzig.
Spányi spielt exzellent, mit wachem Sinn für die Risiken und Heraus- forderungen, die nicht zuletzt aus der damaligen Musizierpraxis zu erwarten sind. Denn zu Bachs Zeiten war es üblich, dass die Musiker in den Reprisen zeigten, ob sie in der Lage waren, stilistisch passende und zugleich hinreichend virtuose Verzierungen zu improvisieren. In den Sechs Sonaten fürs Clavier mit veränderten Reprisen Wq 50/1-6, die Bach Friedrichs jüngster Schwester, der Prinzessin Anna Amalia von Preußen, widmete, sind diese "Veränderungen" auskomponiert. Die Prinzessin, deren konservativer Musikgeschmack bekannt ist, muss das Instrument exzellent beherrscht haben. Die Vorrede, die die Sonaten an "Liebhaber" adressiert, "die wegen gewisser Jahre oder anderer Verrichtungen nicht mehr Gedult und Zeit genug haben, sich besonders stark zu üben", erweist sich als eine charmante Tiefstapelei - denn das Werk stellt gepfefferte technische Ansprüche.
Er war seinerzeit einer der besten "Clavieristen" Europas. 1740 wurde er Mitglied der Kapelle des preußischen Kronprinzen Friedrich in Ruppin. Bach wirkte fast
30 Jahre lang als Cembalist und Kammercembalist Friedrichs des Großen. 1768 folgte er dann seinem Paten Georg Philipp Telemann im Amt des städtischen Musikdirektors und Kantors am Johanneum in Hamburg nach. So wurde aus dem "Berliner" der "Hamburger" Bach.
Carl Philipp Emanuel Bach veröffentlichte 1753/1762 das Lehrwerk "Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen". Es ist noch heute eine wichtige Quelle, wenn man erfahren möchte, wie zu Bachs Lebzeiten musiziert wurde. Auch als Komponist war Bach äußerst produktiv. Allein für sein Lieblingsinstrument, das Cembalo, hat er mehr als 150 Sonaten geschrieben. Dazu kommen unter anderem Sinfonien und Konzerte, Kantaten und Motetten, Oratorien und Passionen, Lieder und eine Vielzahl von Kammermusikwerken.
Der "Berliner/Hamburger Bach" gilt als einer der herausragenden Repräsentanten der musikalischen Empfindsamkeit. Seine Werke überraschen immer wieder durch Wendungen, die dem an der barocken Musiktradition geschulten Zuhörer verblüffend und ungewöhnlich vorkommen. Mir will aber scheinen, dass sie generell der Frühklassik näher sind als dem "galanten" Stil, wie er zu seiner Zeit gang und gäbe gewesen sein dürfte.
Miklós Spányi spielt seine Werke hier auf einem Clavichord, das der belgische Instrumentenbauer Joris Potvlieghe 1999 nach einem Original von Gottfried Joseph Horn, Dresden 1785, geschaffen hat. Das Vorbild für dieses prachtvolle Clavichord befindet sich heute in der Sammlung des Musikinstrumentenmuseums Leipzig.
Spányi spielt exzellent, mit wachem Sinn für die Risiken und Heraus- forderungen, die nicht zuletzt aus der damaligen Musizierpraxis zu erwarten sind. Denn zu Bachs Zeiten war es üblich, dass die Musiker in den Reprisen zeigten, ob sie in der Lage waren, stilistisch passende und zugleich hinreichend virtuose Verzierungen zu improvisieren. In den Sechs Sonaten fürs Clavier mit veränderten Reprisen Wq 50/1-6, die Bach Friedrichs jüngster Schwester, der Prinzessin Anna Amalia von Preußen, widmete, sind diese "Veränderungen" auskomponiert. Die Prinzessin, deren konservativer Musikgeschmack bekannt ist, muss das Instrument exzellent beherrscht haben. Die Vorrede, die die Sonaten an "Liebhaber" adressiert, "die wegen gewisser Jahre oder anderer Verrichtungen nicht mehr Gedult und Zeit genug haben, sich besonders stark zu üben", erweist sich als eine charmante Tiefstapelei - denn das Werk stellt gepfefferte technische Ansprüche.
Dienstag, 8. Februar 2011
Dokumente einer Sängerkarriere - Gottlob Frick III (Preiser Records)
Gottlob Frick (1906 bis 1994) ge- hörte zu den großen Sängerpersön- lichkeiten des 20. Jahrhunderts. Seine außergewöhnliche Stimme brachte ihn vom Choreleven an der Stuttgarter Oper über den Bayreuther Festspielchor und die Theater in Coburg, Freiburg und Königsberg bis an die Staatsoper Dresden, wo er bis 1950 blieb und alle wichtigen Basspartien sang - bis auf eine: Den Baron Ochs wollte er partout nicht singen, weil er nichts Wienerisches in sich spürte.
1950 wechselte Frick an die Städtische Oper Berlin und debütierte in Mailand, Neapel, Venedig und Rom. Er sang in London, New York, Wien, Salzburg, Bayreuth und München. Mit seinem jüngeren Kolle- gen Fritz Wunderlich verband Frick eine enge Freundschaft.
Noch in den 70er Jahren sang der Bassist in Wagner-Opern, 1980 war er in Wien als Rocco zu erleben. 1985 gab er sein letztes öffentliches Konzert, in dem er unter anderem die Arie des Sarastro In diesen Heil'gen Hallen sang.
Mit Mozart ist er auf der vorliegenden CD nicht zu hören, dafür aber in Szenen aus Fidelio, Die Hugenotten, Lohengrin, Die Meistersinger von Nürnberg, Die Macht des Schicksals, Der Corregidor und Pfitz- ners Palestrina. Die Aufnahmen stammen, mit einer Ausnahme, aus den 50er Jahren und zeigen Frick auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Wer jemals dieses typische Timbre, diesen unverwechselbaren tief- schwarzen Bass gehört hat, der wird Frick stets wiedererkennen - und er wird begeistert sein von seiner stimmlichen Fülle und seiner stets stimmigen musikalischen Gestaltung.
1950 wechselte Frick an die Städtische Oper Berlin und debütierte in Mailand, Neapel, Venedig und Rom. Er sang in London, New York, Wien, Salzburg, Bayreuth und München. Mit seinem jüngeren Kolle- gen Fritz Wunderlich verband Frick eine enge Freundschaft.
Noch in den 70er Jahren sang der Bassist in Wagner-Opern, 1980 war er in Wien als Rocco zu erleben. 1985 gab er sein letztes öffentliches Konzert, in dem er unter anderem die Arie des Sarastro In diesen Heil'gen Hallen sang.
Mit Mozart ist er auf der vorliegenden CD nicht zu hören, dafür aber in Szenen aus Fidelio, Die Hugenotten, Lohengrin, Die Meistersinger von Nürnberg, Die Macht des Schicksals, Der Corregidor und Pfitz- ners Palestrina. Die Aufnahmen stammen, mit einer Ausnahme, aus den 50er Jahren und zeigen Frick auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Wer jemals dieses typische Timbre, diesen unverwechselbaren tief- schwarzen Bass gehört hat, der wird Frick stets wiedererkennen - und er wird begeistert sein von seiner stimmlichen Fülle und seiner stets stimmigen musikalischen Gestaltung.
Montag, 7. Februar 2011
Romantic Works for Violin (Genuin)
Diese CD mit romantischer Musik für Violine erinnert an zwei große Musiker. Da ist zum einen die Solistin, Christine Raphael (1943 bis 2008), die sich zeitlebens für das Andenken ihres Vaters ein- setzte. Und sie erinnert an den 50. Todestag von Günter Raphael (1903 bis 1960), Sohn eines Kirchenmusikers und einer Geigerin. Er wurde nach seinem Studium an der Musikhochschule in Berlin 1926 vom damaligen Thomaskantor Karl Straube als Lehrer für Kontrapunkt und Musiktheorie an das Kirchenmusikali- sche Institut nach Leipzig berufen. Dort wurde er auch als Komponist gefeiert; noch im gleichen Jahr war die Uraufführung seiner 1. Sinfo- nie unter Wilhelm Furtwängler im Leipziger Gewandhaus zu erleben. Straube hatte ihn bereits zu seinem Nachfolger ausersehen - doch dann kamen die Nationalsozialisten an die Macht, und Raphael verlor 1934 als "Halbjude" seine Anstellung.
Er heiratete eine Schülerin, die dänische Pianistin Pauline Jessen, und ging mit ihr nach Meiningen, wo sie die Familie mit ihrer Tätigkeit als Musiklehrerin ernährte. Raphael erhielt Berufsverbot; seine Werke wurden nicht mehr aufgeführt und nicht mehr verlegt. 1940 wurde bei ihm eine schwere Tuberkulose festgestellt, was mehrere Opera- tionen und Sanatoriumsaufenthalte nach sich zog. Nach dem Krieg war seine Leidenszeit noch nicht vorbei; er hatte es schwer, im Musikleben wieder Fuß zu fassen. Zwar wurde ihm 1956 die Position des Thomaskantors angeboten, aber er lehnte ab - zum einen, weil er nicht in der DDR arbeiten wollte, zum anderen, weil es um seine Gesundheit noch immer nicht zum besten stand. 1957 wurde er schließlich Professor an der Musikhochschule Köln. Drei Jahre später starb er an den Folgen seiner Erkrankung.
Leider ist seine Musik nicht Gegenstand dieser CD. Zu hören sind Dvoráks Violinkonzert in a-Moll, op. 53, in einer Aufnahmen aus den 70er Jahren mit den Nürnberger Symphonikern (die leider auch danach klingt), sowie die Vier Stücke op. 17 für Violine und Klavier von Josef Suk und die Drei Romanzen op. 94 von Robert Schumann, die Christine Raphael 1983 gemeinsam mit dem Pianisten Rainer Gepp eingespielt hat. Hier hat die Solistin eher die Chance, zu gestalten und zu strukturieren - und der Schumann gefällt mir richtig gut. Abschließend sind zwei Werke von Eugène Ysaye zu hören, Les Neiges D'Antan op. 23 und die Berceuse in f-Moll op. 20 - hübsche Miniaturen, die Raphael gemeinsam mit dem Rheinischen Kammer- orchester unter Jan Corazolla spielt. Dabei handelt es sich um eine Aufzeichnung aus dem Jahr 1985. Und wenn man diese CD anhört, sollte man das immer bedenken.
Er heiratete eine Schülerin, die dänische Pianistin Pauline Jessen, und ging mit ihr nach Meiningen, wo sie die Familie mit ihrer Tätigkeit als Musiklehrerin ernährte. Raphael erhielt Berufsverbot; seine Werke wurden nicht mehr aufgeführt und nicht mehr verlegt. 1940 wurde bei ihm eine schwere Tuberkulose festgestellt, was mehrere Opera- tionen und Sanatoriumsaufenthalte nach sich zog. Nach dem Krieg war seine Leidenszeit noch nicht vorbei; er hatte es schwer, im Musikleben wieder Fuß zu fassen. Zwar wurde ihm 1956 die Position des Thomaskantors angeboten, aber er lehnte ab - zum einen, weil er nicht in der DDR arbeiten wollte, zum anderen, weil es um seine Gesundheit noch immer nicht zum besten stand. 1957 wurde er schließlich Professor an der Musikhochschule Köln. Drei Jahre später starb er an den Folgen seiner Erkrankung.
Leider ist seine Musik nicht Gegenstand dieser CD. Zu hören sind Dvoráks Violinkonzert in a-Moll, op. 53, in einer Aufnahmen aus den 70er Jahren mit den Nürnberger Symphonikern (die leider auch danach klingt), sowie die Vier Stücke op. 17 für Violine und Klavier von Josef Suk und die Drei Romanzen op. 94 von Robert Schumann, die Christine Raphael 1983 gemeinsam mit dem Pianisten Rainer Gepp eingespielt hat. Hier hat die Solistin eher die Chance, zu gestalten und zu strukturieren - und der Schumann gefällt mir richtig gut. Abschließend sind zwei Werke von Eugène Ysaye zu hören, Les Neiges D'Antan op. 23 und die Berceuse in f-Moll op. 20 - hübsche Miniaturen, die Raphael gemeinsam mit dem Rheinischen Kammer- orchester unter Jan Corazolla spielt. Dabei handelt es sich um eine Aufzeichnung aus dem Jahr 1985. Und wenn man diese CD anhört, sollte man das immer bedenken.
Fritz Wunderlich singt Mozart (Deutsche Grammophon)
Als Luciano Pavarotti 1990 bei einem Interview gefragt wurde, wer für ihn der beste Tenor der Geschichte sei, antwortete dieser: „Fritz Wunderlich.“
Wunderlich, Jahrgang 1930, star- tete seine Karriere als Mozart-Tenor. Die Opernbühne betrat er 1954 bei einer Hochschulauffüh- rung in Freiburg als Tamino in Mozarts Zauberflöte. Daraufhin erhielt er 1955 sein erstes Enga- gement an der Württembergischen Staatsoper in Stuttgart. Als der Sänger dort diese Partie kurzfristig aushilfsweise für einen erkrankten Kollegen übernehmen durfte, wurden auch andere auf den jungen Tenor aufmerksam.
Seine nächsten Stationen waren die Bayerische Staatsoper München und die Wiener Staatsoper. Seit 1959 war Wunderlich regelmäßig Gast der Salzburger Festspiele; bald war der Tenor weltweit gefragt. 1966 sollte er sein Debüt an der Met in New York geben - ebenfalls mit einer Mozart-Partie, dem Don Ottavio aus Don Giovanni. Doch dann verletzte er sich beim Sturz von einer Treppe im Jagdhaus von Freunden so schwer, das er in einer Klinik in Heidelberg starb - kurz vor seinem 36. Geburtstag.
Die Deutsche Grammophon stellt auf der vorliegenden CD gleich drei von Wunderlichs legendären Mozartaufnahmen vor. 1964 wirkte er bei einer Gesamtaufnahme der Zauberflöte mit den Berliner Phil- harmonikern unter Karl Böhm mit. Aus dem Jahre 1966 stammt eine Einspielung der Entführung aus dem Serail mit dem Orchester der Bayerischen Staatsoper München unter Eugen Jochum. Und zum Schluss erklingen zwei Arien aus Don Giovanni in einem Live-Mit- schnitt aus der Oper Köln von 1960, allerdings in Mono. Hier spielt das Gürzenich-Orchester Köln unter Wolfgang Sawallisch.
"So schön, so fließend, so lyrisch bewegt und technisch fantastisch, wie Wunderlich singen konnte, glaube ich später keinen Tenor mehr gehört zu haben", begeisterte sich der große Musikkritiker Joachim Kaiser. Wenn man diese Mozart-Kostproben angehört hat, spätestens dann wird man seinem Urteil beipflichten. Eine Stimme mit ähnlicher Strahlkraft und Noblesse hat es seit Wunderlich nicht wieder gege- ben.
Wunderlich, Jahrgang 1930, star- tete seine Karriere als Mozart-Tenor. Die Opernbühne betrat er 1954 bei einer Hochschulauffüh- rung in Freiburg als Tamino in Mozarts Zauberflöte. Daraufhin erhielt er 1955 sein erstes Enga- gement an der Württembergischen Staatsoper in Stuttgart. Als der Sänger dort diese Partie kurzfristig aushilfsweise für einen erkrankten Kollegen übernehmen durfte, wurden auch andere auf den jungen Tenor aufmerksam.
Seine nächsten Stationen waren die Bayerische Staatsoper München und die Wiener Staatsoper. Seit 1959 war Wunderlich regelmäßig Gast der Salzburger Festspiele; bald war der Tenor weltweit gefragt. 1966 sollte er sein Debüt an der Met in New York geben - ebenfalls mit einer Mozart-Partie, dem Don Ottavio aus Don Giovanni. Doch dann verletzte er sich beim Sturz von einer Treppe im Jagdhaus von Freunden so schwer, das er in einer Klinik in Heidelberg starb - kurz vor seinem 36. Geburtstag.
Die Deutsche Grammophon stellt auf der vorliegenden CD gleich drei von Wunderlichs legendären Mozartaufnahmen vor. 1964 wirkte er bei einer Gesamtaufnahme der Zauberflöte mit den Berliner Phil- harmonikern unter Karl Böhm mit. Aus dem Jahre 1966 stammt eine Einspielung der Entführung aus dem Serail mit dem Orchester der Bayerischen Staatsoper München unter Eugen Jochum. Und zum Schluss erklingen zwei Arien aus Don Giovanni in einem Live-Mit- schnitt aus der Oper Köln von 1960, allerdings in Mono. Hier spielt das Gürzenich-Orchester Köln unter Wolfgang Sawallisch.
"So schön, so fließend, so lyrisch bewegt und technisch fantastisch, wie Wunderlich singen konnte, glaube ich später keinen Tenor mehr gehört zu haben", begeisterte sich der große Musikkritiker Joachim Kaiser. Wenn man diese Mozart-Kostproben angehört hat, spätestens dann wird man seinem Urteil beipflichten. Eine Stimme mit ähnlicher Strahlkraft und Noblesse hat es seit Wunderlich nicht wieder gege- ben.
Sonntag, 6. Februar 2011
Bach: Concerts avec plusieurs instruments - V (Alpha)
Eine gewaltige Portion frischen Wind bringen die Musiker von Café Zimmermann in die Bach-Inter- pretation. Der Name des franzö- sischen Ensembles, das sich 1998 um den Geiger Pablo Valetti und die Cembalistin Céline Frisch zu- sammenfand, ist durchaus Pro- gramm: Im "Zimmermannischen Caffee-Hauß" zu Leipzig, bei gutem Wetter auch im Kaffeeehausgarten, traf sich zu Bachs Zeiten das Collegium musicum.
Dieser studentische Musizierverein, 1702 von dem Jurastudenten Georg Philipp Telemann gegründet, gehörte bald zu den Attraktionen Leipzigs. Viele herausragende Sänger und Instrumentalisten wirkten während ihres Studiums in dem Ensemble mit. Die Anforderungen und das Vergnügen waren dementsprechend: Musiziert wurde einmal wöchentlich, während der Messe auch zweimal, "in lockerer Abfolge", so wird von Zeitgenossen berichtet, "und in der Regel ohne vorherige Proben prima vista."
Johann Sebastian Bach übernahm 1729 zusätzlich seinem Amt als Thomaskantor die Leitung des Collegiums, mit dem er auch zuvor offenbar schon gemeinsam musiziert hatte. Musikwissenschaftler haben herausgefunden, dass Bach mit dem Collegium musicum etwa 600 Konzerte gegeben haben muss. Die Musiker des Ensembles Café Zimmermann haben für ihre Aufnahmen Musik ausgewählt, wie sie Bach mit den Studenten aufgeführt haben könnte.
Nach zweijähriger Pause erschien nun bei Alpha CD Nummer fünf. Sie beginnt mit der Orchestersuite Nr. 3 in D-Dur BWV 1068 - sehr französisch, elegant, aber für meinen Geschmack ein bisschen zu stürmisch. Es folgt das Konzert für Cembalo und Orchester in f-Moll BWV 1056, ursprünglich wohl im ersten und dritten Satz ein Violin- konzert, das aber verloren ist, mit einem Mittelsatz, den Experten der Oboe zuweisen. Anschließend erklingt das Brandenburgische Konzert Nr. 6 in B-Dur BWV 1051, eines der ersten Werke überhaupt, in dem zwei Violen die Hauptrolle übernehmen. Es wird von Café Zimmer- mann erneut in den beiden Rahmensätzen tänzerisch beschwingt gespielt, aber dennoch wirkt das Tempo keineswegs eilig und die Interpretation niemals flüchtig, oberflächlich. Das Konzert für drei Cembali und Streicher in d-Moll BWV 1063 ist ohne Zweifel der Höhepunkt dieser CD. Céline Frisch, Dirk Boerner und Anna Fontana brennen hier um die Wette ein wahres Feuerwerk an Esprit und Musizierlust ab. Mein persönlicher Favorit, unangefochten.
Wer "seinen" Bach munter und musikantisch mag, der wird diese CD lieben. Auch wenn es dem deutschen Hörer möglicherweise nicht behagt, nicht sämtliche Ouvertüren oder Brandenburgischen Kon- zerte ordentlich hintereinander aufgereiht zu finden. Aber selbst die Mischung erscheint wohlüberlegt, und macht durchaus Vergnügen.
Dieser studentische Musizierverein, 1702 von dem Jurastudenten Georg Philipp Telemann gegründet, gehörte bald zu den Attraktionen Leipzigs. Viele herausragende Sänger und Instrumentalisten wirkten während ihres Studiums in dem Ensemble mit. Die Anforderungen und das Vergnügen waren dementsprechend: Musiziert wurde einmal wöchentlich, während der Messe auch zweimal, "in lockerer Abfolge", so wird von Zeitgenossen berichtet, "und in der Regel ohne vorherige Proben prima vista."
Johann Sebastian Bach übernahm 1729 zusätzlich seinem Amt als Thomaskantor die Leitung des Collegiums, mit dem er auch zuvor offenbar schon gemeinsam musiziert hatte. Musikwissenschaftler haben herausgefunden, dass Bach mit dem Collegium musicum etwa 600 Konzerte gegeben haben muss. Die Musiker des Ensembles Café Zimmermann haben für ihre Aufnahmen Musik ausgewählt, wie sie Bach mit den Studenten aufgeführt haben könnte.
Nach zweijähriger Pause erschien nun bei Alpha CD Nummer fünf. Sie beginnt mit der Orchestersuite Nr. 3 in D-Dur BWV 1068 - sehr französisch, elegant, aber für meinen Geschmack ein bisschen zu stürmisch. Es folgt das Konzert für Cembalo und Orchester in f-Moll BWV 1056, ursprünglich wohl im ersten und dritten Satz ein Violin- konzert, das aber verloren ist, mit einem Mittelsatz, den Experten der Oboe zuweisen. Anschließend erklingt das Brandenburgische Konzert Nr. 6 in B-Dur BWV 1051, eines der ersten Werke überhaupt, in dem zwei Violen die Hauptrolle übernehmen. Es wird von Café Zimmer- mann erneut in den beiden Rahmensätzen tänzerisch beschwingt gespielt, aber dennoch wirkt das Tempo keineswegs eilig und die Interpretation niemals flüchtig, oberflächlich. Das Konzert für drei Cembali und Streicher in d-Moll BWV 1063 ist ohne Zweifel der Höhepunkt dieser CD. Céline Frisch, Dirk Boerner und Anna Fontana brennen hier um die Wette ein wahres Feuerwerk an Esprit und Musizierlust ab. Mein persönlicher Favorit, unangefochten.
Wer "seinen" Bach munter und musikantisch mag, der wird diese CD lieben. Auch wenn es dem deutschen Hörer möglicherweise nicht behagt, nicht sämtliche Ouvertüren oder Brandenburgischen Kon- zerte ordentlich hintereinander aufgereiht zu finden. Aber selbst die Mischung erscheint wohlüberlegt, und macht durchaus Vergnügen.
Samstag, 5. Februar 2011
Carl Philipp Emanuel Bach: Hamburger Quartalsmusiken (cpo)
1768 wurde Carl Philipp Emanuel Bach (1714 bis 1788) der Nachfol- ger seines verstorbenen Paten Georg Philipp Telemann als städti- scher Musikdirektor und Kantor am Johanneum in Hamburg. In dieser Funktion war er unter anderem für die Kirchenmusik an den fünf Hauptkirchen der Hanse- stadt zuständig - ein Amt, ver- gleichbar jenem seines Vaters als Thomaskantor in Leipzig.
Der "Berliner Bach" war zuvor fast 30 Jahre lang als Cembalist am Hofe Friedrichs II. von Preußen angestellt. Dort hatte er in erster Linie "Claviermusik" geliefert, und mit seinen Kompositionen durch- aus Musikgeschichte geschrieben. Nun galt es, Werke zum Gebrauch im Gottesdienst zu schreiben - und der "Hamburger Bach", wie Carl Philipp Emanuel dann auch genannt wurde, bewältigte auch diese Aufgabe mit Bravour.
Das jedenfalls belegt diese Doppel-CD mit Quartalsmusiken, die zu den höchsten Kirchenfesten - Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Michaelis - in genau festgelegter Reihenfolge in allen fünf Haupt- kirchen aufgeführt wurden. Sie gingen weit über den Umfang der "normalen" Kantate hinaus. Bach wurde für diese Werke nicht extra bezahlt - und lieferte sogenannte Pasticci, in denen er Einzelsätze aus bereits vorhandenen Werken neu arrangierte und kombinierte, und sie gegebenenfalls durch neukomponierte Sätze ergänzte.
Die meisten dieser Werke sind nicht überliefert. Die hier eingespielten zeigen exemplarisch, wie Bach Musik um- und überarbeitete, an einen sich wandelnden Geschmack und auch an Hamburger Gegebenheiten anpasste. So scheint damals nur ein kleines Vokalensemble zur Ver- fügung gestanden haben, und eine Gruppe von etwa 14 Instrumenta- listen, die bei festlichen Anlässen durch drei Trompeter und einen Pauker aufgestockt wurde. Diese Bedingungen vollzieht Ludger Rémy, Professor für Alte Musik an der Hochschule für Musik in Dresden, mit der Himlischen Cantorey und Les Amis de Philippe nach. Zum Bach- fest 2009 in Leipzig stellten die Musiker die vier Quartalsstücke Nun danket alle Gott H 805, Herr, nun lehr uns zu tun H 817, Siehe! Ich begehre deiner Befehle H 812 und Ehre sei Gott in der Höhe H 811 im Konzert vor, dem Jahreslauf folgend.
Man kann sagen, dass beide Ensembles ihre Namen zu Recht tragen. Die Himlische Cantorey, lediglich im Doppelquartett besetzt mit Veronika Winter und Hanna Zumsande, Sopran, Anne Bierwirth und Anne-Beke Sontag, Alt, Henning Kaiser und Jan Kobow, Tenor und Markus Flaig sowie Ralf Grobe, Bass, singt sehr erfreulich; die Stimmen sind durchweg schlank und beweglich, und ihr Gesamtklang wirkt homogen und harmonisch. Das Ensemble Les Amis de Philippe, gegründet von Rémy 1994, widmet sich in wechselnder Besetzung der Musik Carl Philipp Emanuel Bachs und seiner Zeitgenossen. Auch diesen Musikern zu lauschen, ist ein Vergnügen; und die Aufnahme beweist einmal mehr, dass sich die Arbeit an den handschriftlichen Quellen durchaus lohnt. In den Archiven scheinen noch immer zahlreiche Schätze zu schlummern, und es ist wunderbar, dass hier wieder eine derartige Perle ausgegraben wurde.
Der "Berliner Bach" war zuvor fast 30 Jahre lang als Cembalist am Hofe Friedrichs II. von Preußen angestellt. Dort hatte er in erster Linie "Claviermusik" geliefert, und mit seinen Kompositionen durch- aus Musikgeschichte geschrieben. Nun galt es, Werke zum Gebrauch im Gottesdienst zu schreiben - und der "Hamburger Bach", wie Carl Philipp Emanuel dann auch genannt wurde, bewältigte auch diese Aufgabe mit Bravour.
Das jedenfalls belegt diese Doppel-CD mit Quartalsmusiken, die zu den höchsten Kirchenfesten - Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Michaelis - in genau festgelegter Reihenfolge in allen fünf Haupt- kirchen aufgeführt wurden. Sie gingen weit über den Umfang der "normalen" Kantate hinaus. Bach wurde für diese Werke nicht extra bezahlt - und lieferte sogenannte Pasticci, in denen er Einzelsätze aus bereits vorhandenen Werken neu arrangierte und kombinierte, und sie gegebenenfalls durch neukomponierte Sätze ergänzte.
Die meisten dieser Werke sind nicht überliefert. Die hier eingespielten zeigen exemplarisch, wie Bach Musik um- und überarbeitete, an einen sich wandelnden Geschmack und auch an Hamburger Gegebenheiten anpasste. So scheint damals nur ein kleines Vokalensemble zur Ver- fügung gestanden haben, und eine Gruppe von etwa 14 Instrumenta- listen, die bei festlichen Anlässen durch drei Trompeter und einen Pauker aufgestockt wurde. Diese Bedingungen vollzieht Ludger Rémy, Professor für Alte Musik an der Hochschule für Musik in Dresden, mit der Himlischen Cantorey und Les Amis de Philippe nach. Zum Bach- fest 2009 in Leipzig stellten die Musiker die vier Quartalsstücke Nun danket alle Gott H 805, Herr, nun lehr uns zu tun H 817, Siehe! Ich begehre deiner Befehle H 812 und Ehre sei Gott in der Höhe H 811 im Konzert vor, dem Jahreslauf folgend.
Man kann sagen, dass beide Ensembles ihre Namen zu Recht tragen. Die Himlische Cantorey, lediglich im Doppelquartett besetzt mit Veronika Winter und Hanna Zumsande, Sopran, Anne Bierwirth und Anne-Beke Sontag, Alt, Henning Kaiser und Jan Kobow, Tenor und Markus Flaig sowie Ralf Grobe, Bass, singt sehr erfreulich; die Stimmen sind durchweg schlank und beweglich, und ihr Gesamtklang wirkt homogen und harmonisch. Das Ensemble Les Amis de Philippe, gegründet von Rémy 1994, widmet sich in wechselnder Besetzung der Musik Carl Philipp Emanuel Bachs und seiner Zeitgenossen. Auch diesen Musikern zu lauschen, ist ein Vergnügen; und die Aufnahme beweist einmal mehr, dass sich die Arbeit an den handschriftlichen Quellen durchaus lohnt. In den Archiven scheinen noch immer zahlreiche Schätze zu schlummern, und es ist wunderbar, dass hier wieder eine derartige Perle ausgegraben wurde.
Freitag, 4. Februar 2011
Brahms: The Complete Works for Solo Piano (Oehms Classics)
Mit der fünften und letzten CD hat Andreas Boyde nunmehr seine Einspielung des Klavier-Gesamt- werkes von Johannes Brahms bei Oehms Classics abgeschlossen. Sie überzeugt durch ihre Klarheit und Konzentration auf die musikali- schen Strukturen - und weicht mit traumwandlerischer Sicherheit den üblichen Brahms-Klischees aus: Hier gibt's keinen pianisti- schen Klangrausch, und keine Sextenseligkeit.
Boyde stammt aus dem sächsi- schen Oschatz, und studierte in Dresden bei Christa Holzweißig und Amadeus Webersinke sowie in London bei James Gibb. Großen Einfluss auf seine künstlerische Entwicklung hatte auch sein Mentor und Förderer Malcolm Frager. Der war ein großer Freund von Bibliotheken und Archiven, und entdeckte dort so manchen Schatz - ganz besonders auf seinen Konzertreisen im Ostblock, wo er beispiels- weise 1978 in der Krakower Biblioteka Jagiellońska enorme Mengen an Manuskripten aufspürte, die seit dem Zweiten Weltkrieg als ver- schollen galten - darunter Werke von Bach, Mozart und Schumann. Der amerikanische Pianist sah das Musizieren weniger als schöpferi- schen Akt als vielmehr als eine kreative Mischung zwischen Hand- werk und Wissenschaft: "Interpretation ist Differenzierung. Jeden Komponisten muß man anders anfassen. Das geht bis in die letzten technischen Details wie Anschlag oder Pedalgebrauch", so Frager. "Ein Schauspieler, der Shakespeare interpretiert, spricht ja auch völlig anders als einer, der einen Dürrenmatt-Text vorträgt."
Diese Auffassung vertritt offenbar auch Boyde. Er zeigt, dass Brahms’ Musik das Produkt eines scharfen Intellektes ist. Obwohl der Kompo- nist gern Titel wie Ballade, Romanze, Intermezzo, Capriccio oder Rhapsodie verwendet, erscheinen seine Werke formal keineswegs beliebig. Boyde vermeidet die lediglich auf den Effekt bedachte, "virtuose" Interpretation, und erschließt dem Zuhörer damit einen spannenden Zugang zu Brahms' Werken und seiner Persönlichkeit.
Boyde stammt aus dem sächsi- schen Oschatz, und studierte in Dresden bei Christa Holzweißig und Amadeus Webersinke sowie in London bei James Gibb. Großen Einfluss auf seine künstlerische Entwicklung hatte auch sein Mentor und Förderer Malcolm Frager. Der war ein großer Freund von Bibliotheken und Archiven, und entdeckte dort so manchen Schatz - ganz besonders auf seinen Konzertreisen im Ostblock, wo er beispiels- weise 1978 in der Krakower Biblioteka Jagiellońska enorme Mengen an Manuskripten aufspürte, die seit dem Zweiten Weltkrieg als ver- schollen galten - darunter Werke von Bach, Mozart und Schumann. Der amerikanische Pianist sah das Musizieren weniger als schöpferi- schen Akt als vielmehr als eine kreative Mischung zwischen Hand- werk und Wissenschaft: "Interpretation ist Differenzierung. Jeden Komponisten muß man anders anfassen. Das geht bis in die letzten technischen Details wie Anschlag oder Pedalgebrauch", so Frager. "Ein Schauspieler, der Shakespeare interpretiert, spricht ja auch völlig anders als einer, der einen Dürrenmatt-Text vorträgt."
Diese Auffassung vertritt offenbar auch Boyde. Er zeigt, dass Brahms’ Musik das Produkt eines scharfen Intellektes ist. Obwohl der Kompo- nist gern Titel wie Ballade, Romanze, Intermezzo, Capriccio oder Rhapsodie verwendet, erscheinen seine Werke formal keineswegs beliebig. Boyde vermeidet die lediglich auf den Effekt bedachte, "virtuose" Interpretation, und erschließt dem Zuhörer damit einen spannenden Zugang zu Brahms' Werken und seiner Persönlichkeit.
Mittwoch, 2. Februar 2011
Weinberg: Complete Music for Solo Cello (Naxos)
Mieczyslaw Wajnberg, geboren 1919 in Warschau, wuchs in einer Künstlerfamilie auf. Sein Vater war ein bekannter Komponist und Ka- pellmeister am Jüdischen Theater, seine Mutter Schauspielerin. Im Alter von zwölf Jahren begann Wajnberg seine Ausbildung am Warschauer Konservatorium, die er 1939 mit Erfolg abschloss. Eigentlich sollte er seine Studien in den USA fortsetzen. Diese Pläne aber ließen sich nicht verwirkli- chen, denn wenig später mar- schierten die Deutschen in Polen ein. Wajnberg floh zu Fuß nach Russland.
Es wird berichtet, dass ihn zunächst seine zwei Jahre jüngere Schwester Esther begleitete. Doch sie lief sich die Füße wund, und kehrte bald um, zurück zu den Eltern. Wajnberg, oder Weinberg, wie er in Russland geschrieben wurde, sah sie niemals wieder. Erst Jahre später fand er heraus, dass seine Angehörigen erst im Ghetto Lodz interniert und dann im Lager Trawniki umgebracht worden waren.
Weinberg ging nach Minsk, und studierte dort am Konservatorium Komposition. Nach Kriegsbeginn wurde er nach Taschkent evakuiert. Dort schuf er seine ersten größeren Werke - und lernte Dmitri Schostakowitsch kennen. 1943 folgte er ihm nach Moskau. Von Shdanows Formalismusdebatte, die seinen berühmten Kollegen Schostakowitsch und Prokofjew viel Ärger brachte, blieb Weinberg verschont. Doch ihn erwischte eine andere "Säuberungswelle" der Stalinzeit: 1953 wurde er verhaftet und des "jüdisch-bourgeoisen Nationalismus" bezichtigt. Schostakowitsch setzte sich persönlich bei Berija für den Kollegen ein. Dann starb glücklicherweise Stalin; Weinberg kam frei und wurde rehabilitiert.
Der Komponist blieb bis zu seinem Tode 1996 in Moskau. Er schuf unter anderem 22 Sinfonien, sieben Opern, mehr als 40 Filmmusiken, 17 Streichquartette, acht Sonaten für Violine, sowie 24 Präludien und sechs Sonaten für Violoncello. Experten gilt er neben Schostako- witsch und Prokofjew als der dritte große russische Komponist seiner Zeit.
In seinen Werken nimmt die Trauer um die ermordete Familie und die zerstörte Heimat breiten Raum ein. Immer wieder erklingen Zitate, werden gebrochen, zermalmt statt entwickelt. Immer wieder aber entspringen aus den zerborstenen Strukturen auch neue Melodien - wie Grashalme, die aus Beton austreiben.
Der lettisch-amerikanische Cellist Josef Feigelson spielte für Naxos sämtliche Solowerke Weinbergs für Violoncello ein - seine wunder- baren 24 Präludien, und die vier Solo-Sonaten. Sein russischer Kollege Dmitri Jablonski interpretierte ebenfalls für Naxos zwei der Solosonaten - die erste und die dritte - sowie gemeinsam mit der Pianistin Hsin-Ni Liu die beiden Cellosonaten op. 21 und op. 63.
Es wird berichtet, dass ihn zunächst seine zwei Jahre jüngere Schwester Esther begleitete. Doch sie lief sich die Füße wund, und kehrte bald um, zurück zu den Eltern. Wajnberg, oder Weinberg, wie er in Russland geschrieben wurde, sah sie niemals wieder. Erst Jahre später fand er heraus, dass seine Angehörigen erst im Ghetto Lodz interniert und dann im Lager Trawniki umgebracht worden waren.
Weinberg ging nach Minsk, und studierte dort am Konservatorium Komposition. Nach Kriegsbeginn wurde er nach Taschkent evakuiert. Dort schuf er seine ersten größeren Werke - und lernte Dmitri Schostakowitsch kennen. 1943 folgte er ihm nach Moskau. Von Shdanows Formalismusdebatte, die seinen berühmten Kollegen Schostakowitsch und Prokofjew viel Ärger brachte, blieb Weinberg verschont. Doch ihn erwischte eine andere "Säuberungswelle" der Stalinzeit: 1953 wurde er verhaftet und des "jüdisch-bourgeoisen Nationalismus" bezichtigt. Schostakowitsch setzte sich persönlich bei Berija für den Kollegen ein. Dann starb glücklicherweise Stalin; Weinberg kam frei und wurde rehabilitiert.
Der Komponist blieb bis zu seinem Tode 1996 in Moskau. Er schuf unter anderem 22 Sinfonien, sieben Opern, mehr als 40 Filmmusiken, 17 Streichquartette, acht Sonaten für Violine, sowie 24 Präludien und sechs Sonaten für Violoncello. Experten gilt er neben Schostako- witsch und Prokofjew als der dritte große russische Komponist seiner Zeit.
In seinen Werken nimmt die Trauer um die ermordete Familie und die zerstörte Heimat breiten Raum ein. Immer wieder erklingen Zitate, werden gebrochen, zermalmt statt entwickelt. Immer wieder aber entspringen aus den zerborstenen Strukturen auch neue Melodien - wie Grashalme, die aus Beton austreiben.
Der lettisch-amerikanische Cellist Josef Feigelson spielte für Naxos sämtliche Solowerke Weinbergs für Violoncello ein - seine wunder- baren 24 Präludien, und die vier Solo-Sonaten. Sein russischer Kollege Dmitri Jablonski interpretierte ebenfalls für Naxos zwei der Solosonaten - die erste und die dritte - sowie gemeinsam mit der Pianistin Hsin-Ni Liu die beiden Cellosonaten op. 21 und op. 63.
Abonnieren
Posts (Atom)