Sonntag, 31. Januar 2010

Bellezza Crudel - Tone Wik & Barokkanerne (2L)

Kantaten und Concerti von Antonio Vivaldi, eingespielt von dem norwegischen Ensemble Barokkanerne, einem professio-nellen Orchester, das sich auf Barockmusik spezialisiert hat und auf historischen Instrumenten musiziert.
Für diese CD haben die Musiker einige wenig bekannte Stücke herausgesucht. So ist nur Experten bekannt, dass unter den 324 Solo- konzerten, die Vivaldi geschrieben hat, lediglich zwei für Altblockflöte sind - ein Instrument, das damals häufig und ausgesprochen virtuos eingesetzt wurde - aber dafür 39 Konzerte für Fagott. Ein Kuriosum; denn von keinem anderen Komponisten dieser Zeit ist ein Fagott-Konzert überliefert.
Die vorliegende CD enthält sowohl ein Konzert für die Altblockflöte (RV 441) als auch eines für Fagott (RV 484), Streicher und Continuo - und somit zwei absolute Raritäten. Alexandra Opsahl und Per Hannis- dal spielen die Solopartien souverän. 
Tone Wik singt zudem vier Vivaldi-Kantaten. Die norwegische Sopranistin setzt ihre nicht übermäßig voluminöse, aber dafür sehr bewegliche Stimme beinahe instrumental ein. So liefert sie sich in der Kantate RV 678 All'ombra di sospetto ein faszinierendes Duett mit der Traversflöte von Torun Kirby Torbo. Es wird generell nicht spektakulär musiziert, aber fundiert und solide. Die Aufnahmen sind durchweg hörenswert.

Chopin Schumann Etüden - Ragna Schirmer (Berlin Classics)

Champagner und Schwarzbrot vereint diese CD - die prickelnden, hochvirtuosen Läufe von Frédéric Chopin und die ebenfalls extrem anspruchsvollen, aber weit weniger gefälligen Studien von Robert Schumann. Beide Musiker sind 1810 geboren, beide waren exzellente Pianisten, und beide versuchten, die Grenzen des Instrumentes kompositorisch und spieltechnisch zu erkunden. 
Ihre Zeitgenossen mochten dem nicht unbedingt folgen. So bezeichnete der Kritiker Ludwig Rellstab Chopins Etüden op.10 als Missgeburten, und empfahl, sie nur im Beisein eines Arztes aufzuführen. Und Clara Schumann zeigte sich von den "Etudes Symphoniques pour le Pianoforte" op. 13 ihres Mannes ebenfalls wenig angetan - wegen der hohen Schwierigkeiten der Etüden, die aber beim Publikum wenig Eindruck machten, und sich daher nicht zum Bravourstück eigneten. 
Aus den vielen Fassungen der Sinfonischen Etüden, die als Variatio- nen zu einem Thema von Ignaz Ferdinand Freiherr von Fricken entstanden sind, hat Ragna Schirmer einen Gesamtzyklus gestaltet. Berlin Classics präsentiert nun beide Etüdensammlungen auf einer CD. Eine brillante Idee, nicht nur des Jubiläums wegen, sondern auch deshalb, weil die Einspielungen musikalische Zusammenhänge aufzeigen, die man so nicht vermutet hätte. 
Schirmer macht deutlich, dass die rasanten Tonleitern und funkelnden Arpeggien Chopins den sanglicher und grüblerischer wirkenden Variationen Schumanns nicht nur in ihrer musikalischen Struktur mitunter ziemlich nahe stehen. 
Die halsbrecherischen Schwierigkeiten stellen die Wahl-Hallenserin an keiner Stelle vor Probleme. Souverän gestaltend reiht sie die Stücke aneinander, und lässt vergessen, dass sie in erster Linie zum Üben geschrieben wurden - und nicht fürs Konzertpodium.

Samstag, 30. Januar 2010

Il bel sogno - Inva Mula, Opera Arias (Virgin Classics)

Die albanische Sopranistin Inva Mula stellt sich auf dieser CD mit Arien von Puccini, Verdi, Gounod und Massenet vor. Die Sängerin ist seit vielen Jahren "im Geschäft", und kann auf eine lange Reihe von Preisen und Engagements an ersten Häusern verweisen. 
Ihre Stimme ist durchaus beein- druckend - wandlungsfähig, voll- und wohltönend durch alle Register, weich und geschmeidig. Hervorzuheben ist zudem die Tatsache, dass Mula in jeder Lage ein berückendes, intensives Piano zur Verfügung steht. Als winziges Manko sei hier jedoch vermerkt, dass sie am Ende mancher Phrase leider minimal zu tief wird.
Ob Traviata, Manon, Mimi, Mireille oder Margarethe - der Sängerin gelingt es stets, innerhalb weniger Takte eine Figur zu erschaffen. Wenn sie so spielt, wie sie singt, dann dürfte dieser Sinn für Dramatik jeden Operndirektor erfreuen. Und es wäre schön, wenn man sie mit ihrem französischen Repertoire vielleicht auch einmal in einer Gesamtaufnahme erleben könnte.

Freitag, 29. Januar 2010

Anne-Sophie Mutter - Mendelssohn (Deutsche Grammophon)

Mendelssohns Violinkonzert in e-Moll op. 64, uraufgeführt 1845 in Leipzig, gehört mit seinen ein- gängigen Melodien bis heute unangefochten zu den Lieblingen des Konzertpublikums - und der Solisten.
Anne-Sophie Mutter hat dieses Werk schon einmal, 1980, mit Karajan und den Berliner Sinfo- nikern eingespielt. Die vorliegende Aufnahme ist ein Live-Mitschnitt aus dem März 2008, mit dem Gewandhausorchester Leipzig unter Kurt Masur. Für diesen Klangkörper kann sich die Solistin durchaus begeistern: "Es ist die Transparenz, die Eleganz des Klanges, das Wissen um die innere Balance", schwärmt Mutter.
Die Solistin lässt sich vom Orchester inspirieren und tragen - sowohl durch die leidenschaftlich drängenden Passagen des Konzertes als auch in jenen flirrenden, schwerelos dahinhuschenden Abschnitten, wie sie überwiegend im dritten Satz zu finden sind - typisch für Men- delssohn, und zugleich eine große Herausforderung für die Musiker. Mutter liebt Mendelssohns Komposition, "die alles vereint, was große Musik ausmacht", so die Violinistin: "Leidenschaft, Virtuosität, Reinheit des Ausdrucks, Tiefe der Empfindung, bedingungslose Hingabe an den musikalischen Ausdruck. Es ist ein Geniestreich, und diese Musik ist unsterblich." 
Diese Aufnahme ist exzellent; man wird sie mit Freude anhören. Nicht ganz so hinreißend allerdings finde ich das Klaviertrio Nr. 1 in d-Moll, op. 49, und die Violinsonate in F-Dur, beide eingespielt im Brahms-Saal des Wiener Musikvereins. André Previn am Bösendorfer ist mir zu massiv, zu monolithisch; ich hätte mir da mehr Leichtigkeit und Transparenz gewünscht.

Schubert: Die schöne Müllerin; James Gilchrist (Orchid Classics)

So war Schuberts Schöne Müllerin wohl noch nie zu hören. James Gilchrist hat einen feinen, hellen, glasklaren Tenor, und ihm gelingt eine erstaunliche, intelligente, hochdifferenzierte Interpretation. Anna Tilbrook am Klavier folgt ihm dabei bis in die feinste Nuance. Sänger und Pianistin musizieren wie aus einem Atem, dynamisch wie inhaltlich perfekt ausbalan- ciert. 
Außerordentlich spannend gestalten die beiden so den Liederzyklus um den jungen Müllerburschen, der sich für die Tochter seines Arbeitgebers derart begeistert, dass er die feinen Signale nicht wahrnimmt, die ihm die junge Dame sendet. Denn sonst wäre ihm aufgefallen, dass sie erstens ziemlich gewöhnlich und zweitens ihrerseits in den Jäger vernarrt ist.
Der britische Sänger bringt Müllers Texte nahezu akzentfrei; jedes einzelne Wort ist zu verstehen. Man lauscht atemlos, und vergisst, dass Singen Anstrengung bedeutet - und auch Klavierspiel Arbeit ist. Tilbrook lässt den Bach plätschern, glucksen und raunen. Hoch- virtuos, und berührend romantisch. Eine der besten Einspielungen, die ich je gehört habe - grandios!

Sonntag, 24. Januar 2010

Schumann Volkmann Cellokonzerte a-Moll - Peter Bruns (Hänssler Classic)


Robert Volkmann, geboren 1815 im sächsischen Lommatzsch, gestorben 1883 in Budapest, war mit Brahms und Liszt befreundet - und hat einige wunderschöne Stücke für Violoncello komponiert, wie diese CD zeigt. Peter Bruns sei Dank für die Wiederentdeckung eines romantisch-traumverwobe- nen Andante mit Variationen für drei Violoncelli, das er gemein- sam mit Jakob Stepp und Gregor Nowak eingespielt hat, und drei charmanten kleineren Stücken für Cello und Klavier.
Stimmungsvoll erscheint auch Schumanns Abendlied op. 85 Nr. 12, gleich zweimal zu hören - in Bruns' Fassung für Violoncello und Streicher sowie in jener für Cello und Klavier von Pablo Casals. Den Part am Flügel übernimmt Annegret Kuttner - sensibel, präzise, und stets aufmerksam.
Im Zentrum dieser Aufnahme aber stehen Schumanns Cello-Konzert a-Moll op. 129 und Volkmanns a-Moll-Konzert op. 33. Bruns erweist sich als überzeugter Romantiker. Er lässt sein Tononi-Cello klingen; und das Mendelssohn Kammerorchester Leipzig, dirigiert von Jürgen Bruns, ist ihm dabei ein idealer Partner. So hell und freundlich, so sanglich-melodisch, derart konsequent an der musikalischen Phrase orientiert, habe ich dieses Werk noch nie gehört. Schumanns Konzert bekommt das ausgezeichnet; Bruns' faszinierende Interpretation erreicht ohne Zweifel den Status einer Referenzaufnahme.

Freitag, 22. Januar 2010

Tchaikovsky: Violin Concerto - Janine Jansen (Decca)


Tchaikovskys Violinkonzert op. 35 gehört mittlerweile zum Standard-Repertoire des reisenden Violin-Solisten; dennoch bleibt das Stück offenbar eine Herausforderung.
"Das erste Mal war im Jahr 2000 mit dem Kirov-Orchester, auf Einladung von Valery Gergiev. Zuerst dachte ich: Das schaffe ich nie. Das Werk ist lang, emotional und technisch virtuos. Ganz zu schweigen von der enormen Schwierigkeit, es auswendig zu lernen", erinnert sich Janine Jansen: "Gergiev brachte mich dazu, das Publikum und meine Nerven zu vergessen, indem er mich in der Musik aufgehen ließ. Wenn man sich so selbst übertrifft, ist das schon berauschend."
Wer die Aufnahmen mit Heifetz oder Oistrach kennt, wird erstaunt aufhorchen. Denn Jansen spielt "ihren" Tchaikovsky völlig anders - inniger, melodiöser, voll Spielfreunde und voll Poesie. So gelingt ihr nach dem dramatischen, leidenschaftlichen Allegro moderato eine Canzonetta von zauberhafter Ausstrahlung. Man möchte diese Interpretation immer wieder hören, weil sie so überzeugend, so schön und so voll Kraft ist. Das liegt nicht zuletzt auch am Mahler Chamber Orchestra unter Daniel Harding, das Jansen hier ein kongenialer Partner ist.
Als besonderes Bonbon bringt die CD anschließend noch das "Souvenir d'un lieu cher" op. 42  - sein erster Satz, Méditation, war ursprünglich als zweiter Satz von Tchaikovskys Violinkonzert entstanden; der Komponist aber war damit nicht zufrieden, und schrieb ihn neu. Dieser verworfene Satz wurde zum Herzstück seines Souvenirs für Violine und Klavier. "Der rumänisch-niederländische Dirigent Alexandru Lascae hat das Souvenir zu einer herrlichen Version für Streicher bearbeitet", so Jansen, "die ich schon seit Jahren mit Freude spiele." Man hört sie auch mit Freude an - diese CD sei daher empfohlen.

Rigel: Symphonies - Concerto Köln (Berlin Classics)



Henri-Joseph Rigel (1741-1799) erhielt seine musikalische Ausbildung in Stuttgart und Mannheim. In Paris sollte er sich schließlich den letzten Schliff holen; er blieb in Frankreich, und war dort als Musiklehrer und Komponist bald sehr erfolgreich.
So unterrichtete er die erste Klavierklasse am neu gegründeten Conservatoire, und galt als heraus-ragender Klaviervirtuose.
Ob Kammermusik, Symphonien, Konzerte oder Bühnenwerke - beim Publikum kamen Rigels Kompositionen ausgezeichnet an. Er wurde zu Lebzeiten mit Beifall und Ehrungen überschüttet - und nach seinem Tode schnell vergessen.
 Das Concerto Köln hat seine Symphonien jetzt neu entdeckt - und für Berlin Classics eingespielt. Es sind charmante Stücke, irgendwo zwischen Joseph Haydn und Johann Stamitz, voll überraschender musikalischer Wendungen. 
Die Qualität dieser Aufnahme zu loben, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Das Concerto Köln gilt zu Recht als ein erstklassiges Ensemble - und für diese CD erhielten die Musiker nicht umsonst den Deutschen Musikpreis Echo Klassik 2009.

Donnerstag, 21. Januar 2010

Servais with Ghys, Léonard, Vieuxtemps: Duos for Cello and Violin (Naxos)


Adrien Francois Servais (1807 - 1866) galt als "Paganini des Violoncellos" - und diese CD zeigt, warum. Denn wer diese Stücke hört, der kann kaum glauben, dass diese Klanglawinen von nur zwei Soloinstrumenten hervorgebracht werden - und nicht mindestens von einem Streichquartett, oder sogar von einem kleinen Orchester.
Kaskaden von Doppelgriffen, oft auf Violine und Cello zugleich, gebrochene Akkorde in rasantem Tempo zur Begleitung der jeweils melodie-führenden Stimme, Texturen, die bis zu nahezu orchestraler Dichte ausgefüllt werden, rasch wechselndes pizzicato- und arco-Spiel sowie simultane Kadenzen - diese Stücke sind ganz eindeutig von Virtuosen für Virtuosen geschrieben, um ein kunstsinniges Publikum zu begeistern.
Friedemann Eichhorn, Violine, und Alexander Hülshoff, Violoncello, sind den irrwitzigen technischen Anforderungen, die diese Werke stellen, jederzeit voll gewachsen. Mit Begeisterung hüpfen sie von Flageolett zu Flageolett, und mit einer Prise Ironie würzen sie jene Passagen, die man heutzutage als Übertreibung, als - pardon! - Virtuosenmätzchen empfinden mag. So gelingt ihnen eine lebendige Interpretation all jener Grand Duos und Variationes brillantes et concertantes, die typische Bestandteile des romantischen Repertoires waren, aber später aus den Konzertsälen verschwanden, weil sie aufgrund ihrer demonstrativen Virtuosität als oberflächlich in Verruf gerieten. Fürs Museum aber sind diese köstlichen Stücke in der Tat zu schade.

Dienstag, 19. Januar 2010

Erwin Schrott: Arias by Mozart, Verdi, Berlioz, Gounod & Meyerbeer (Decca)


Erwin Schrott, bekannt geworden dank Klatschpresse als Vater des Netrebko-Babys, schaut vom Cover dieser CD wie ein Boss-Model. Doch die Dämonie, die die Typographie ebenso wie die Auswahl der Arien suggeriert, habe ich in seinem Gesang nicht wiedergefunden. Die Teufel von Berlioz, Gounod und Meyerbeer singt er sauber - und?!
Am besten gefällt mir der uruguayische Bassbariton als enttäuschter Philippe von Spanien, der feststellen muss, dass ihn seine Frau Elisabeth nur aus Gründen der Staatsraison geheiratet hat. Verdi liegt ihm, keine Frage.
Über die Stimme des Sängers ist nicht viel zu sagen - leider auch nicht viel Gutes. Seine Technik ist solide, aber nicht überragend. Und es fehlt seinen Interpretationen an Ecken und Kanten; das Ergebnis: Klangbrei, zum Sattlöffeln und Wohlfühlen, doch ohne Wieder-erkennungswert.
Mozart jedenfalls können andere besser. Schrott nimmt man letzten Endes weder einen Figaro noch einen Leporello oder einen Don Giovanni ab - da fehlt etwas, was ein guter Freund unnachahmlich zutreffend  "vokalen Sex Appeal" genannt hat. Schrotts Gesang führt das Publikum nicht in Versuchung; das Prickeln bleibt aus. Schade.

Elina Garanca - Bel Canto (Deutsche Grammophon)


Donizetti, Bellini und Rossini - bekannte und weniger bekannte Literatur, schön gesungen. So weit, so gut. Doch das Entzücken mancher Rezensenten vermag ich nicht ganz zu teilen. Denn an dieser CD fällt in erster Linie auf, dass alles gleich klingt. Keine Bravour-Arien, keine Dramatik, alles erscheint weichgespült und auf Linie gesungen.
Natürlich beherrscht Garanca die Technik sehr solide, und sie singt jedes Stück mit großer Sorgfalt und Hingabe. Da perlen die Töne, und insbesondere die gar nicht kurze Szene aus Rossinis Maometto II zeigt, welch entrückten Schönklang die Sängerin zusammen mit Kollegen passenden Timbres zu erzeugen vermag. Bedenkt man dazu, wie die junge Dame aussieht, dann weiß man, dass sie in vielen Partien zweifellos eine Traumbesetzung für jeden Operndirektor wäre.
Garancas Mezzo klingt klar, hell und silbrig. Sie verfügt über einen erstaunlichen Stimmumfang; die Spitzentöne gelingen allerdings nicht durchweg überzeugend. Und für die Hosenrollen wünscht man sich mehr Markanz, und eine große Portion Frechheit und Selbstbewusstsein. Diesem Romeo glaubt man nicht wirklich, dass er schon Menschenleben auf dem Gewissen hat.

Brahms: Violin Concerto / Double Concerto (Deutsche Grammophon)


Brahms' Violinkonzert in D-Dur
op. 77 wurde 1879 im Leipziger Gewandhaus uraufgeführt, dirigiert vom Komponisten, und mit Joseph Joachim als Solisten. Es ist nur logisch, dass sich Vadim Repin für seine Einspielung dieses Konzertes ebenfalls für das Gewandhaus-orchester entschieden hat: "Zu der ganz eigenartigen Klangfarbe dieses Orchesters passt wunderbar Vadims ebenfalls sehr eigene Tongebung auf seiner Guarneri-del-Gesù-Violine mit ihrer unglaublichen Strahlkraft", bestätigt Gewandhauskapellmeister Riccardo Chailly. Der norwegische Cellist Truls Mork, der gemeinsam mit Repin im Doppelkonzert für Violine und Violoncello a-Moll op. 102 konzertiert, fügt sich in diesen "sächsischen" Ton mit seinen warmen Streicherklängen und den ebenso präzisen wie melodiösen Bläsern ebenfalls perfekt ein.
Das ist wichtig, weil in beiden Werken die Solisten, quasi als gleichberechtigter Partner des Orchesters, im beständigen Dialog mit den Tutti stehen. Alle Beteiligten setzen auf diese musikalische Struktur - und so gelingt eine wunderbare, harmonische Aufnahme, die uneingeschränkt empfohlen werden kann.

Samstag, 16. Januar 2010

Vivaldi: Concertos for two violins (Deutsche Grammophon)


Vivaldi gehört ohne Zweifel zu den "Vätern" der Gattung Instrumental-konzert. Er schrieb jede Menge Solokonzerte, unter anderem mehr als 250 Violinkonzerte, doch auch Werke für viele andere Instrumente, in nahezu jeglicher Anzahl und Kombination. Die innovative musikalische Form, die er auf Grundlage der Triosonate entwickelte, wurde europaweit bewundert und kopiert.
Vivaldi, der das Instrument selbst virtuos beherrschte, stellte hohe Anforderungen an die Solisten seiner Violinkonzerte - gern auch als Doppelkonzert mit zwei höchst anspruchsvollen Solopartien. Viktoria Mullova und Giuliano Carmignola haben an solchen Herausforderungen hörbar Vergnügen. Sie werden vom Venice Baroque Orchestra unter Andrea Marcon am Cembalo, historisch-authentisch, begleitet.

Abschied vom Walde (Berlin Classics)


"Das schönste was ich aber in meinem Leben bis jetzt von Gesellschaften gesehen habe, war ein Fest im Walde hier [...]. Eine Viertelstunde vom Wege ab, tief im Walde, wo hohe dicke Buchen einzeln stehn und oben ein großes Dach bilden, und man rings umher nur grünen Wald durch die vielen Bäume durchschimmern sah, da war das Local; man mußte auf einem kleinen Fußweg durch's Gesträuch sich dahin arbeiten, und sobald man auf dem Platze ankam, sah man in der Entfernung die vielen weißen Gestalten unter einem Rand von Bäumen, die mit dicken Blumenkränzen verbunden waren und der den Concertsaal vorstellte - wie lieblich da der Gesang klang, wie die Sopranstimmen so hell in die Luft trillerten, und welcher Schmelz und Reiz über den ganzen Tönen war, alles so still und heimlich und doch so hell, - das hatte ich mir nicht vorgestellt", so schrieb Felix Mendelssohn Bartholdy 1839 an seine Mutter. "Es war ein Chor von etwa zwanzig guten Stimmen, aber bei einer Probe im Zimmer hatte manches gefehlt, und alles war unsicher gewesen. Wie sie sich nun den Abend unter die Bäume stellten, und mein erstes Lied "ihr Vöglein in den Zweigen schwank" anhoben, da war es in der Waldstille bezaubernd, daß mir beinahe die Thränen in die Augen kamen. Wie lauter Poesie klang es."
Im Kammerchor Vocal Concert Dresden, 1993 von Peter Kopp gegründet, singen überwiegend Absolventen der Dresdner Musikhochschule und ehemalige Mitglieder des Dresdner Kreuzchores. Sie haben sich nunmehr jener Lieder angenommen, die Fanny Hensel und Felix Mendelssohn Bartholdy für derartige Streifzüge ins Grüne komponiert haben. Doch die Chorsätze sind nicht nur eingängige, stimmungsvolle Kompositionen; sie sind zugleich wie ein Zwiegespräch des wohl berühmtesten Geschwisterpaares der deutschen Romantik, das zeitlebens eng verbunden blieb.
Wenn man den Chor erstmals hört, und dann ins Booklet schaut, wird man erstaunt feststellen, dass er doch recht stark besetzt ist - was im glasklaren, homogenen Gesang nur dort spürbar wird, wo Kopp Lautstärke abverlangt. Denn nicht einmal im Fortissimo wird der Chorklang schrill oder grell. Und alle Register sind wunderbar ausbalanciert, das hört man gern. Reserven hat das Ensemble allerdings bei der Aussprache; mehr Verständlichkeit wäre wünschenswert.

Hermann Prey: Die Schubert-Trilogie (Deutsche Grammophon)


Die schöne Müllerin, die Winterreise und der Schwanengesang, gesungen von Hermann Prey, aufgezeichnet in den 70er Jahren - und bis zum heutigen Tage Referenzaufnahmen. Das hat seinen Grund zuallererst in der Gesangskunst des Baritons, der technisch faktisch keinerlei Limits kennt. Mit welcher Leichtigkeit Prey beispielsweise seine "Schöne Müllerin" beginnt, mit welcher Intensität er dann die Trocknen Blumen bedenkt, und wie elegant er im Zwiegespräch des Müllers mit dem Bach die Gefahr, in den Kitsch abzugleiten, umgeht - das sind absolute Glanzstücke der Liedinterpretation. Und davon bietet diese Trilogie eine ganze Menge.
An den drei Liedzyklen lässt sich zudem hervorragend beobachten, welchen Einfluss der Begleiter am Klavier auf die musikalische Gestaltung nimmt. Denn die Müllerin spielt Leonard Hokanson - leider oftmals poltrig, zu laut und zu dominant, was möglicherweise aber auch an der Abmischung liegen könnte. Die Winterreise begleitet Wolfgang Sawallisch - sehr klar strukturiert, durchhörbar und wohlüberlegt bis in den letzten Akzent. Gerald Moore, ebenfalls einer der Großen dieses Faches, ist im Schwanengesang zu hören. Er gestattet sich etwas mehr Klangmalerei und Leidenschaft; insgesamt sehr beeindruckend.

Freitag, 15. Januar 2010

Haydn: Die Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze - Klenke Quartett (Berlin Classics)


Diese berühmte Passionsmusik entstand 1786 als Orchestermusik für die Karfreitagsmesse in einer spanischen Kapelle - eine Einleitung, sieben durchweg langsame Instrumentalsätze plus abschließendes Presto-Erdbeben, konzipiert als Meditationsmusik zwischen den Lesungen. Einige Jahre später schrieb Haydn eine Bearbeitung dieses Werkes für Streichquartett; und in dieser Fassung wurde es weithin bekannt.
Die vier Musikerinnen des Klenke Quartetts, durchweg Absolventinnen der Hochschule für Musik "Franz Liszt" in Weimar, nehmen die Sieben Worte mit einem weichen, leichten Ton - und eher zurückhaltend als überzogen dramatisch. Mit präzisem, überlegtem Spiel tasten sie sich voran; der Zuhörer erlebt mit ihnen den leidenden und sterbenden Christus, und die Erschütterung angesichts seines Todes. Diese Interpretation ist stets souverän, und ebenso sensibel wie intelligent. Eines wird mehr als deutlich: Hier lässt sich ein Ensemble vernehmen, von dem man noch sehr viel erwarten darf.

Samstag, 9. Januar 2010

Bach: Brandenburgische Konzerte (Decca)


Von einem Leipziger Kapellmeister wird fast zwangsläufig erwartet, dass er Lokalheroen wie Mendels- sohn, Schumann und, vor allem, Bach dirigiert. Riccardo Chailly stellt sich dieser Tradition, und präsentiert dieser Tage im Gewandhaus Bachs Branden- burgische Konzerte. Später werden noch die Matthäus-Passion und das Weihnachtsoratorium folgen. Und dank Decca können sich alle diese Musik aus der mitteldeut- schen Messestadt ins Wohnzimmer holen.
Nun ist das Gewandhausorchester aber kein Barock-Schnellboot, sondern eher ein musikalischer Supertanker, geprägt durch Beethoven, Brahms und Bruckner. Wenn ein derartiger Klangkörper gegen zarte Blockflötenklänge aufspielt, dann lässt das Schlimmes befürchten.
Doch die Katastrophe bleibt aus. (Auch wenn Originalklang-Puristen das möglicherweise anders sehen werden!) Die alten Stücke und ein modernes Sinfonieorchester - das muss kein unüberwindbarer Gegensatz sein. Und das liegt wohl in erster Linie am klugen Konzept des Gewandhauskapellmeisters: Chailly wählt zumeist flotte Tempi; er setzt auf Schwung und auf klare Akzente. So gelingt ihm eine Interpretation im Geiste Mendelssohns; ein Leipziger Bach mit romantischen Wurzeln, durchaus verblüffend - und überraschend akzeptabel. 

Dienstag, 5. Januar 2010

Hermann Prey: Kein schöner Land (Deutsche Grammophon)

Kaum zu glauben, aber: Es gab eine Zeit, da waren hierzulande Volkslieder nicht unumstritten. Die Jugend, ebenso kritisch wie moralisch (und wohl auch ein bisschen benebelt vom Hasch und von der Revolte), wollte vom Erbe nichts mehr wissen.
Und da stellt sich ein deutscher Sänger, auf der internationalen Opernbühne ebenso renommiert wie als Liedersänger, hin, und singt "Wer hat die schönsten Schäfchen", "In einem kleinen Apfel", "Der Jäger längs dem Weiher ging" - und viele andere volkstümliche Lieder mehr. Acht (!) CD umfasst der Schuber, in dem die Deutsche Grammophon diese Aufnahmen aus den Jahren 1970 und 1971 zusammengefasst hat.
Ob Wandern, Jagen oder auch fröhliches Zechen - für jede Gelegenheit gibt's auch Gesang. Daran hat Prey erinnert, kunstvoll und weitab vom Musikantenstadl.

Sonntag, 3. Januar 2010

Peter Anders - Lieder & Arien (Berlin Classics)


Der Tenor Peter Anders startete seine Gesangskarriere in den 30er Jahren, und starb 1954 nach einem Auto-Unfall. In diesen gut 20 Jahren entwickelte er sich stimmlich von Buffo-Partien wie Pedrillo über die typischen Rollen des lyrischen Tenors, wie Belmonte und Tamino, bis hin zu Cavaradossi, Florestan, Lohengrin oder Stolzing. Mit drei CD erinnerte Berlin Classics an einen Sänger von hohen Gnaden, der der gleichen Generation angehörte wie etwa Erna Berger oder Maria Cebotari. 
Natürlich hat sich seitdem in der Manier des Vortrages - insbeson- dere im Liedgesang, den zwei der drei Silberscheiben dokumentieren - einiges geändert. Doch wenn man bedenkt, dass all diese Aufnahmen noch aus dem Mono-Zeitalter stammen, dann wird man schnell beeindruckt sein von diesem Dokument. Denn Anders erweist sich nicht nur als klangvoller Tenor mit einem sehr hörenswerten tiefen Register. Seine Stimme ist zudem enorm wandlungsfähig, und er verfügt über einen ganz erstaunlichen Sinn für Nuancierung und musikalische Gestaltung.

Puccini: La Bohème (Deutsche Grammophon)

"La Bohème" dürfte wohl die populärste Oper Puccinis sein. Entsprechend oft wurde sie eingespielt. Es gehört mittlerweile Mut dazu, neben die vielen vorhandenen Interpretationen eine weitere zu stellen. Einen Grund dafür sollte es schon geben, und das sollte sinnvollerweise nicht ausschließlich der Name eines aktuellen Opernsternchens sein.
Auch reicht es - selbst im Multimedia-Zeitalter - nicht aus, wenn die Sänger rein optisch-schauspielerisch als Idealbesetzung ihrer Rollen durchgehen könnten. Was also könnte die Deutsche Grammophon bewogen haben, diese CD auf den Markt zu bringen? Das Vertrauen auf das schlechte Gedächtnis und das noch schlechtere Gehör der Leute?
Man höre und vergleiche: Mit der Intensität einer Mirella Freni oder einer Maria Callas (deren stärkste Partie die Mimi freilich nicht war) kann eine Anna Netrebko nicht annähernd mithalten, vom Gesang gleich ganz zu schweigen. Und was Netrebko unterm System fehlt, das lässt Rolando Villazón als Rodolfo überm System vermissen. Beide wirken angestrengt und etwas orientierungslos. Die comprimari sind ebenfalls wenig glücklich besetzt. Und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks musiziert unter Bertrand de Billy derart farb-, saft- und ideenlos - es ist ein Trauerspiel, man mag gar nicht hinhören.

Best of Pavarotti & Friends (Decca)


Diese CD beweist es: Pavarotti hatte hörbar Vergnügen am Crossover. Lässig schmettert er, gemeinsam mit Frank Sinatra, "My way". Mit Sheryl Crow singt er "Là ci darem la mano" aus Mozarts Don Giovanni, mit Bryan Adams "O sole mio" - und mit den Eurythmics "There must be an angel". Mit Mariah Carey lässt er "Hero" erklingen, gemeinsam mit Elton John "Live like horses" - und mit Sting das "Panis Angelicus" von César Franck. Wer Spaß an einem großen Star-Aufgebot und an musikalischen Experimenten hat, der wird diese CD lieben.

Samstag, 2. Januar 2010

Telemann: Essercizii Musici (Stradivarius)


Telemann gehört zu den produktivsten Komponisten überhaupt; das Werkverzeichnis umfasst mehr als 3.600 (!) Stücke, die aller- dings auch in einem Zeitraum von 75 Jahren entstanden sind. Dass es sich dabei dennoch keineswegs um musikalische Meterware handelt, zeigt diese CD mit "Übungsstücken", so der zeitgemäß tiefgestapelte Titel. Die Sonaten und Triosonaten erweisen sich als entzückende Miniaturen, die sehr schön Einblick geben in Anforderungen an Instrumentalisten der damaligen Zeit. Interessant ist insbesondere ein Solo für Cembalo, das auch von Bach ungefähr zur gleichen Zeit als konzertierendes Instrument entdeckt wurde. In den Sonaten für (Block-)Flöte und Violine aber übernimmt das Cembalo nach wie vor den Continuo-Part.
Der Flötist Stefano Bagliano und sein Collegium Pro Musica musizieren gekonnt und schwungvoll; die Musiker gestalten ebenso geistreich wie mitreißend. Eine wunderschöne Aufnahme, die den zahlreichen bereits am Markt erhältlichen Einspielungen - unter anderem mit so renommierten Solisten wie den Camerata Köln - durchaus eigene Akzente hinzuzufügen weiß.

Freitag, 1. Januar 2010

Strauss: Der Rosenkavalier - Wiener Philharmoniker, Sir Georg Solti (Decca)


Eine Aufnahme aus dem Wiener Sofiensaal, entstanden im November 1968, für die ich mich nicht so recht begeistern kann. Das mag in erster Linie an Sir Georg Solti liegen, der Strauss' Ironie wenig Raum gibt, und sein Ensemble zügelt. Régine Crespin singt ihre Marschallin sehr beherrscht und nüchtern.
Und selbst bei der Übergabe der Silberrose fehlt das Knistern, daran ändert auch die Besetzung der Sophie mit der jungen Helen Donath nichts. Der amerikanischen Sopranistin Yvonne Minton, Octavian, liegt das Wienerische ohnehin wenig, was besonders im dritten Akt ungewollt komische Effekte mit sich bringt. Manfred Jungwirth poltert seinen Ochs auf Lerchenau derart daher, dass die Figur schlicht nur noch unsymphatisch erscheint. Den Herrn von Faninal singt Otto Wiener, den Sänger in bester italienischer Technik - in diesem Umfeld wirklich ein Kuriosum! - der junge Luciano Pavarotti. 
Und als Wirt agiert Anton Dermota, eine Wiener Legende - dieser Sänger wurde von der Staatsoper zu seinem 70. Geburtstag eingeladen, noch einmal den Tamino zu singen, was er auch in einer sagenhaften Qualität getan haben soll. In einer alternativen "Rosenkavalier"-Aufzeichung aus dem Jahre 1954 singt er den Sänger. Zu hören sind bei dieser Gesamtaufnahme, die für mich die Referenzaufnahme bleibt, ebenfalls die Wiener Philharmoniker, allerdings unter Erich Kleiber, und mit deutlich mehr Flair. Der Solti-"Rosenkavalier" vermag mich nicht zu überzeugen.

Handel: Twelve Concerti grossi, op. 6 (L'Oiseau-Lyre)


Ein Nachtrag zum Jubiläumsjahr: Diese Aufnahme präsentiert einen ungewohnten Händel, gespielt mit italienischem Temperament. Das liegt eigentlich nahe; immerhin war der Komponist seinerzeit, zur Ausbildung, geraume Zeit in Italien. In Venedig, Florenz und Rom lernte er zahlreiche Musiker und ihre Werke kennen - unter anderem Corelli, den "Vater" des klassischen Concerto grosso.
Händels Reise nach Italien hat sein Werk und seinen Stil nachhaltig geprägt. So veröffentlichte Händel 1739 ebenfalls zwölf Concerti grossi, um sie - unübersehbar ein kollegialer Gruß - 25 Jahre nach jenen des musikalischen Vorbildes erscheinen zu lassen. Händels Concerti grossi aber sind zugleich weltläufig; das bereitet den Musikern des Ensembles Il Giardino Armonico hörbar Vergnügen. Denn sie springen mit Lust zwischen der steifen höfischen französischen Ouvertüre und der eher schlüpfrigen englischen Hornpipe, sie lassen zur Polonaise aufmarschieren und das Menuett geziert schreiten. Diese Neigung zur Dramatik und zur theatralischen Klangsprache bekommt Händel überraschend gut; seine Musik wirkt frisch und lebendig, derart vom traditionellen Pomp bereinigt. Aus diesem Grunde sei die CD nicht nur Anhängern der historischen Aufführungspraxis empfohlen.