Giovanni Domenico Ferrandini (1709 bis 1791) war lange nur als Name präsent. Man wusste, dass er zum Freundeskreis um Giuseppe Tartini gehörte, und dass ihn 1771 Vater und Sohn Mozart in Padua besuchten. Doch seine Musik war weitgehend verschollen. Das änderte sich, nach- dem Musikwissenschaftler festgestellt hatten, dass die Passionskantate Il pianto di Maria HWV 234 nicht von Händel, sondern von Ferrandini stammt.
Reinhard Goebel hat dann in den 90er Jahren dieses Werk eingespielt, und sorgte damit für Furore. Man schaute plötzlich genauer hin – und fand noch weitere Werke des Komponisten. So wurden in Stockholm Flöten- konzerte überliefert, die Darmstädter Sinfonien sind auch erhalten geblieben, und zudem etliche Passionskantaten.
Auch der Lebensweg Ferrandinis ließ sich nachvollziehen. Geboren wurde er in Venedig als Sohn eines Schuhmachers und Oboisten; 1722 kam er gemeinsam mit seinem Vater an den Münchner Hof. Dort trat der 13jährige in den Dienst des Kurfürsten Karl Albrecht – zunächst spielte er Oboe, später wirkte er als Komponist, und er war obendrein ein exzellenter Gesangslehrer. Mit 28 Jahren wurde Ferrandini zum Kammermusik- direktor ernannt. Dennoch schrieb er weiter Opern, diese sind teilweise erhalten geblieben. So konnte man 2003 in München zum 250. Geburtstag des Cuvilliéstheaters die Oper Catone in Utica erleben, die Ferrandini einst 1753 für die Eröffnung des Hauses geschaffen hatte. 1755 kehrte Ferrandini schließlich nach Italien zurück. Mit einer Pension des Kurfürsten ausge- stattet, ließ er sich in Padua nieder, und vermittelte fortan Sänger an die Münchner Hofoper.
Zu den Gesangsschülern Ferrandinis gehörten auch die Kinder des Kur- fürsten. Kurprinzessin Maria Antonia Walpurgis heiratete 1747 Kurprinz Friedrich Christian von Sachsen. Es wird daher nicht verwundern, dass sich etliche Kantaten Ferrandinis in den Beständen der Landesbibliothek Dresden befinden. Die Kurfürstin war in vielen Künsten beschlagen – sie malte, komponierte und dichtete. Ihre Libretti waren begehrt, ihre Texte wurden unter anderem von Ferrandini, Hasse und Ristori vertont. Auch bei den Kantaten, die aus dem Dresdner Bestand für diese CD ausgewählt wurden, sind Verse der Kurfürstin die Textgrundlage.
Die Mezzosopranistin Olivia Vermeulen und das Ensemble Harmonie Universelle unter Florian Deuter stellen drei Werke aus einem Band mit sechs Cantate con Istromenti vor. Es sind umfangreiche, anspruchsvolle Stücke, die aufhorchen lassen. Denn Ferrandini hat seine ganz eigene Variante des galanten Stils entwickelt. Er knüpft an musikalische Traditionen an, und gestaltet seine Werke ausdrucksstark, einfallsreich und dicht am Text. Auch die zwei Sinfonien des Komponisten machen deutlich, dass galanter Stil deutlich mehr ist als Seufzerfiguren und Gesäusel zu seltsamen Versen. Bezaubernd! Man wundert sich allerdings, wie ein Meister dieses Formates so in Vergessenheit geraten konnte.
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