Heinrich Wilhelm Ernst (1814 bis 1865) stammte aus Brünn. Seine Eltern erkannten sein Talent, und sorgten dafür, dass er am Wiener Konservatorium studieren konnte. Dort unterrichteten ihn Joseph Böhm im Violinspiel und Ignaz Xaver von Seyfried im Fach Komposition.
1828 erlebte Ernst in Wien ein Konzert von Niccolò Paganini. Diese Begegnung wurde für den jungen Musiker zum Schlüsselereignis. Er durfte dem Meister vorspielen, und dieser sagte ihm eine große Karriere voraus. Heinrich Wilhelm Ernst hat von Paganini viel gelernt. Er soll den berühmten Kollegen sogar beim Üben belauscht haben; die Legende berichtet, beide Musiker hätten im Jahre 1837 gleichzeitig Konzerte in Marseille gegeben – und Ernst hätte bei dieser Gelegenheit Paganinis Werke gespielt. Wenn das stimmt, muss Ernst ein phänomenales Gehör und ein noch beeindruckenderes Gedächt- nis gehabt haben.
Der junge Musiker begnügte sich aber nicht damit, Paganini zu kopieren. Brillanz allein genügte seinen Ansprüchen nicht. Virtuosität war für Ernst eher Voraussetzung als Endzweck des Musizierens. Sein Gesamtwerk ist klein, doch bedeutend; es umfasst 26 Musikstücke mit Opusnummern, und offenbar noch einige weitere ohne. „Ernst war Virtuose im vollsten Sinne des Wortes“, so das Urteil von Zeitgenossen. „Sein Spiel war voll Glanz und Leidenschaft; er schwelgte in Schwierigkeiten, die mitunter auch ans Bizarre streiften; dagegen wußte er in der Cantilene einen großen, vollsaftigen Ton und wirklichen Adel des Vortrags zu entwickeln; sein Adagio war tief ergreifend.“
Joseph Joachim, selbst einer der bedeutendsten Geiger seiner Zeit, schrieb 1864 über den Kollegen, mit dem er einst gemeinsam in London Beetho- vens Streichquartette gespielt hatte: „Ähnliches habe ich niemals wieder gehört; wie denn Ernst der Geiger war, der turmhoch über allen anderen stand, denen ich im Leben begegnet bin.“ Erstaunlicherweise sind heute die Werke von Heinrich Wilhelm Ernst aus den Konzertprogrammen nahezu vollständig verschwunden. Sein Violinkonzert beispielsweise ist rundum romantisch und absolut bezaubernd; es gilt aber als technisch derart schwierig, dass es derzeit kaum jemand spielen mag.
Thomas Christian präsentiert auf dieser Doppel-CD eine Auswahl aus dem Schaffen des großen Virtuosen. Zu hören sind Originalkompositionen für Violine und Klavier – vorgetragen gemeinsam mit dem Pianisten Evgeny Sinaiski – sowie das Streichquartett in B-Dur und einige kleinere Musikstücke in Arrangements für Streichquartett bzw. Streichquintett. Damit folgt das Thomas Christian Ensemble der zeitgenössischen Aufführungspraxis; allerdings stammen die Bearbeitungen nicht von Ernst selbst, sondern von Christian sowie von dem Kontrabassisten Hans Winking.
Berühmt ist die Fantaisie Brillante sur la Marche et la Romance de l'Opera Otello de Rossini op. 11. Auch die Elegie op. 10,3 ist ein bekanntes Stück. Werke hingegen für Solovioline allein, wie die Grande Caprice op. 26 über Schuberts Erlkönig sowie die 6 mehrstimmigen Etüden sind auf der CD nicht mit enthalten.
Es ist sehr verdienstvoll, dass Thomas Christian, der als Professor in Detmold lehrt, an Ernst und sein Werk erinnert. Beschlossen wird die Doppel-CD von Henri Wieniawskis Rêverie für Viola und Klavier, die dieser seinem Freund und Quartettkollegen Ernst in Andenken an das gemeinsame Musizieren gewidmet hat.
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