Seine letzten Konzerte mit Beethovens berühmter Missa solemnis, beim Styriarte-Festival und bei den Salz- burger Festspielen im Sommer 2015, bezeichnete Nikolaus Harnoncourt als sein musikalisches Vermächtnis. Es waren die letzten Konzerte eines bedeutenden Dirigenten; und es war sein ausdrücklicher Wunsch, dass die bei den Proben und Konzerten in Graz entstandenen Mitschnitte seine letzte Veröffentlichung werden sollten.
Mit der Missa solemnis hatte Harnoncourt 1992 sein Debüt bei den Salzburger Festspielen gegeben. Mit dem Werk hatte der Musiker zunächst Probleme; bei den Wiener Philhar- monikern hatte er als Cellist immerhin sieben verschiedene Interpreta- tionen kennengelernt – und war mit keiner zufrieden. Erst in hohem Alter gelang es ihm, Beethovens Musik zu erschließen: „Was immer ich als leeres Pathos enpfunden habe, hat sich plötzlich ins Gegenteil verkehrt“, so zitiert das Beiheft Harnoncourt.
In der Partitur fand er „seinen“ Beethoven, und indem er die Vorgaben des Komponisten so getreu wie nur möglich einzuhalten versuchte, erkannte er sein Ziel: „Das Unerhörte wiederzufinden und erlebbar zu machen“. Um den originalen Klang zu reproduzieren, spielt der Concentus Musicus Wien Streichinstrumente mit Darmsaiten, Naturtrompeten, alte Posaunen, alte Pauken und dazu auch historische Holzblasinstrumente: „Beethoven verlangt in der Missa solemnis Klarinetten in A, in B und in C – aber
C-Klarinetten spielt heute kein Orchester mehr, Heute ist alles transpo- niertes Dur und Moll, die Tonarten-Charakteristik wird einem nicht mehr bewusst“, so Harnoncourt. Die Einspielung soll die alten Kirchentonarten und die Klangfarben, mit denen Beethoven einst bewusst gestaltete, wieder erlebbar machen.
Auch das beteiligte Solistenquartett – Laura Aikin, Bernarda Fink, Johannes Chum und Ruben Drole – sowie der Arnold Schoenberg Chor sind vertraute Musizierpartner, was Harnoncourt in seinem Anliegen unterstützt. So bleibt am Ende dieser Einspielung wie eines langen und ertragreichen Musikerlebens ein Wort dieses Pioniers der historischen Aufführungspraxis, das ebenso für Beethovens Werk wie generell für die Musik stehen kann: „Wir werden durch Verwandlungen geführt, so dass wir selbst wohl als Verwandelte herauskommen.“
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