Diese CD stellt einen Pianisten vor, dessen künstlerische Laufbahn brutal ein Ende fand: In der Nacht vom 7. zum 8. September 1943 wurde Karlrobert Kreiten in Berlin-Plötzensee hingerichtet.
Der junge Musiker hatte unter dem Eindruck von Stalingrad in einem privaten Gespräch Hitler als einen Wahnsinnigen bezeichnet, dessen Bild man besser von der Wand abnehmen sollte. Der Krieg, so Kreiten, sei praktisch schon verloren – und er werde zum vollständigen Untergang Deutschlands und seiner Kultur führen.
Eine Freundin seiner Mutter zeigte Kreiten an. Er wurde wenig später von der Gestapo verhaftet und wegen Wehrkraftzersetzung und Feindbegünsti- gung zum Tode verurteilt. Nicht einmal durch Gnadengesuche und durch Interventionen berühmter Kollegen, wie Wilhelm Furtwängler, ist es gelungen, ihn zu retten.
Bei der Vorbereitung auf ein Gedenkkonzert zum hundertsten Geburtstag von Karlrobert Kreiten im Jahre 2016 fand Tobias Koch einige bislang unbekannte Tonaufnahmen des Pianisten. Auch wenn der technische Zustand der meisten dieser Aufzeichnungen offenbar unglaublich schlecht war, ist es Karsten Lehl, der Restauration und Mastering übernommen hat, doch gelungen, Erstaunliches wieder hörbar zu machen.
Es sind private Aufnahmen, und Tobias Koch räumt ein, dass Kreiten selbst mit dieser Veröffentlichung kaum einverstanden gewesen wäre. „Wir haben uns dennoch dazu entschieden, denn hinter dem aufnahmetechnischen Schleier der behutsam restaurierten Aufnahmen verbirgt sich eine hochsensible jugendliche Meisterschaft, die in ihrer ebenso strukturbewussten wie schwerelosen Gestaltungskraft damals wie heute zugleich überrascht wie überwältigt“, schreibt Koch. Mein ganz persönlicher Favorit auf dieser CD ist Othmar Schoecks Toccata op. 29 Nr. 2 – ganz große Klavierkunst, noch heute atemberaubend.
Es erklingt sogar die Stimme Karlrobert Kreitens, in unverkennbar rheinischem Tonfall. Der Pianist kam in Bonn zur Welt; aufgewachsen ist er in Düsseldorf, wo er als Zehnjähriger in der Tonhalle debütierte. Bekannt wurde Karlrobert Kreiten, als er 1933 beim Internationalen Klavierwettbewerb in Wien als einer der jüngsten Teilnehmer mit einer silbernen Ehrenplakette ausgezeichnet wurde. Kurz darauf gewann er in Berlin den Mendelssohn-Preis.
Der junge Pianist studierte in Köln und in Wien, und lernte dann von 1937 bis 1940 in der Berliner Meisterklasse von Claudio Arrau. Er gab zahl- reiche Konzerte; so musizierte er zweimal mit den Berliner Philharmoni- kern. „Karlrobert Kreiten war eines der größten Klaviertalente, die mir persönlich je begegnet sind“, urteilte sein Lehrer noch viele Jahre später. „Er hatte eine erstaunliche Leichtigkeit, es gab keine Schwierigkeiten für ihn; was er machte, hatte immer einen musikalischen Sinn. Er war immer ein Künstler, nicht ein Virtuose.“
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