Cameron Carpenter ist ohne Zweifel ein Virtuose. Mit seinem Instrument, der International Touring Organ (ITO), von ihm selbst entworfen und von Marshall & Ogletree 2013 speziell für ihn angefertigt, reist der Amerika- ner durch die Lande. „It's not un- usual for an organist to be attached to one organ for many years“, meint der Musiker, „but usually that means an attachment to place.“ Carpenter hingegen nimmt sein Instrument mit; er spielt es oft auch in Konzertsälen, in denen sich bedeutende „klassische“ Orgeln befinden.
Die digitale ITO ist ein Klangmonster, mit einer gigantischen Menge an Registern, Koppeln und Spielhilfen sowie fünf Manualen und einem nach jeder Seite gegenüber dem 32er Standard noch um fünf Töne erweiterten Pedal. Bei der Disposition orientierte sich Carpenter an den großen amerikanischen Konzertinstrumenten aus der Zeit zwischen 1895 und 1950. So bietet das fünfte Manual, Bombarde, wuchtige Register, wie sie in amerikanischen Theaterorgeln einst verwendet worden sind. Ein Dutzend sanfterer Stimmen aus dieser Traditionslinie wurde dem ersten Manual, Accompaniment, zugeordnet. Besondere Klangfarben ermöglicht ebenfalls ein spezielles Orchestral Pedal, ergänzend zum Main Pedal. Der Spieltisch erinnert ein bisschen ans Steuerpult von Raumschiff Enterprise. Und natürlich ist damit auch eine entsprechende Phalanx an Lautsprechern verbunden.
Dieses Instrument also steht im Mittelpunkt des vorliegenden Albums, das Cameron Carpenter zum Abschluss seiner Zeit als Artist in Residence am Konzerthaus Berlin eingespielt hat. Es ist seine erste Einspielung mit Orchester, nämlich mit dem Konzerthausorchester Berlin unter der Leitung von Christoph Eschenbach, und auch zum ersten Mal ein Live-Mitschnitt.
Ausgewählt hat Carpenter dafür die Rhapsodie über ein Thema von Paganini von Sergej Rachmaninoff und das Konzert für Orgel, Streicher und Pauke in g-moll, FP 93 von Francis Poulenc. Als Zugabe erklingt außerdem das Finale aus Louis Viernes Orgelsymphonie Nr.1 in d-Moll op. 14. Rachmaninoffs Paganini-Rhapsodie, eigentlich entstanden für Klavier und Orchester, hat Carpenter selbst für die Orgel arrangiert: „I love and want to play this work“, meint der Musiker. Der Orchesterpart blieb unverändert, aber seine Stimme wurde eine „recomposition for organ – guided by the original“, so Carpenter: „I don't see that a defense is required, since the moment you walk onstage to perform standard repertoire in a way which differs in instrumentation from the original, you've obviously declared yourself willing to question the composer's intentions. Of course, this can also be a way of honoring a great work. All transcriptions require this in some way.“
Ermöglicht wird ein derartiges Projekt durch die Konzerthaus-Akustik sowie die Präzision, mit der sich die elektronische Orgel spielen lässt. Rachmaninoffs virtuose Musik verlangt klangliche Transparenz und Klarheit in der Artikulation, wie dies mit einer Pfeifenorgel und im Nachhall eines Kirchenraums so kaum machbar wäre. Carpenter beherrscht sein Instrument absolut souverän. Er gestaltet irrwitzige Klangfassaden, und er wagt sich auch in die Schattenwelt feinster Nuancen. Dieser Musiker strebt nach hochvirtuoser Perfektion. Das macht den Rachmaninoff zu meinem persönlichen Favoriten auf dieser CD. Mit Carpenters Interpretation der französischen Musik allerdings kann ich mich weniger anfreunden. Das ist mir alles zu viel Flinke-Finger-Geglitzer und zu wenig wenig inhaltliche Substanz; erfreut hört man allerdings, wie souverän das Orchester dies alles begleitet.
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