Rechtzeitig zum Osterfest erschien jüngst bei Carus die Matthäuspassion von Heinrich Schütz (1585 bis 1672). Es handelt sich dabei um ein spät, im Jahre 1666, entstandenes Werk. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Schütz bereits vom Dresdner Hof nach Weißenfels zurückgezogen, wo er aber, umsorgt von seiner ebenfalls betagten Schwester, noch immer Gewichtiges komponierte. Dazu gehört ohne Zweifel auch die Matthäuspassion – obzwar sie auf uns heute, im Vergleich zu Bachs Vertonung desselben Bibeltextes, zunächst ziemlich altmodisch und fremd wirkt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Schütz' Passionen durchweg A-cappella-Werke sind – in der Passionszeit hatten seinerzeit die Instrumente zu schweigen.
Irritierend wirkt auf den heutigen Zuhörer auch die Tatsache, dass in diesem Musikstück auf weiten Strecken psalmodiert wird. Dieses Gestaltungsmittel, bei dem der Text rhythmisch frei fast durchgehend auf einem Ton rezitiert wird, ist uralt. Doch wenn man genauer hinschaut, dann steckt schon in der Wahl des Rezitationstones ein theologisches Programm: Schütz wählte g-dorisch, und damit eine Kirchentonart, die auf Heil und Auferstehung verweist. Und auch sonst erkennt man bald, wie subtil dieses Werk gestaltet wurde. Hier ist kein einziger Ton nur Ornament. In der Reduktion auf das Wesentliche, dem Verzicht auf Opulenz, entfaltet Schütz' Musik eine enorme Kraft und Ausstrahlung.
Der Dresdner Kammerchor stellt sich nun dieser Herausforderung, und meistert sie ganz hervorragend. Im Mittelpunkt des Geschehens stehen Georg Poplutz in der Partie des Evangelisten und Felix Rumpf in der Rolle des Jesus. Sie deklamieren ihren Text ausdrucksstark und präzise; Schütz wäre darüber ganz sicher erfreut gewesen. Doch auch all die kleineren Soli sind exzellent besetzt, und der Chor singt grandios, mit blitzsauberer Intonation und beeindruckender Lebendigkeit. Der Text, ganz wichtig, ist stets zu verstehen.
Der Dresdner Kammerchor unter Hans-Christoph Rademann agiert auch in den drei weiteren Stücken mit Präzision und jener erfreulichen Sing- kultur, die das Ensemble kennzeichnet. Unterstützt werden die Sänger durch Margret Baumgartl und Karina Müller, Violine, Sarah Perl, Violone und Ludger Rémy an der Truhenorgel. Hervorzuheben ist insbesondere die Litania SWV 458, ein beeindruckender, fast zehnminütiger Wechselge- sang. Er wird von der Sopranistin Ulrike Hofbauer und dem Dresdner Kammerchor so gelungen gestaltet, dass der Zuhörer wie gebannt lauscht. Heinrich Schütz hat die Deutsche Litanei Martin Luthers übrigens dreimal vertont. Den Menschen, die damals – nicht zuletzt durch den Dreißigjäh- rigen Krieg – Leid, Not und Seuchen nur zu gut kannten, muss dieser Text aus der Seele gesprochen haben.
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