Halb Europa feierte die Musik Richard Wagners – und Gioacchino Rossini scherte sich überhaupt nicht darum. Der Komponist hatte sich schon nach der Uraufführung seiner Oper Guillaume Tell im Jahre 1829 in das Privatleben zurückgezogen. Da war er gerade einmal 37 Jahre alt, hatte bereits 39 Opern komponiert, und damit triumphale Erfolge erlebt. Das Publikum bedauerte dies durch- aus: „Die Schwäne singen am Ende ihres Lebens“, so schrieb Heinrich Heine 1836, „Rossini aber hat in der Mitte zu singen aufgehört.“
Die neuen Entwicklungen am Musiktheater interessierten den Kompo- nisten offenbar wenig; er hatte genug mit seiner angegriffenen Gesundheit zu kämpfen, und schrieb nie wieder eine Oper. In seinen letzten Lebensjahren, nach seiner Genesung, schuf er kaum noch Musik für die Öffentlichkeit. Doch er komponierte eine Vielzahl kleiner Stücke zum rein privaten Gebrauch, die er Péchés de vieillesse nannte, Sünden des Alters.
Ab 1855 wohnte Rossini gemeinsam mit seiner zweiten Ehefrau Olympe Pélissier in Paris – und das Paar führte einen gefragten Salon. Tout-Paris traf sich dort zum musikalischen Samedi Soir, und bei dieser Gelegenheit erklangen auch die „Alterssünden“. Und davon gibt es nicht gerade wenige: Es sind immerhin 13 Notenbände mit Vokal-, Chor- und Kammermusik sowie über einhundert Klavierstücken, die der „pianiste de 4ème classe (sans rivauxs)“, so Rossini über Rossini, zu Papier brachte und auch den „Pianisten der vierten Klasse“ widmete.
Stefan Irmer hat sich diesem Repertoire zugewandt und die Klaviermusik aus den Péchés de vieillesse im Verlaufe mehrerer Jahre komplett auf acht CD eingespielt. Der Pianist präsentiert die „Morceaux Semicomique“ ebenso sorgsam wie hintergründig, mit Sinn für Ironie und Doppel- bödigkeiten sowie mit viel Humor und Elan.
Das Label Dabringhaus und Grimm hat nun sämtliche Aufnahmen dieser nur scheinbar leichtgewichtigen Werke in einer liebevoll gestalteten Box noch einmal zusammengefasst. Der Zuhörer erhält damit die Chance, einen gewichtigen Teil des Schaffens Rossinis kennenzulernen. Man erlebt den Komponisten als einen witzigen, engagierten, scharfsinnigen und auch hochpolitischen Kommentator jener Zeit. Grandios!
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