Hermann Freiherr von Keyserlingk, russischer Gesandter am kursächsischen Hofe, erbat einst von Bach "einige Klavierstücke (...) die so sanften und etwas munteren Charakters wären, daß er dadurch in seinen schlaflosen Nächten ein wenig aufgeheitert werden könnte". Spielen musste sie Keyserlingks exzellenter Cembalist Goldberg, mit dessen Namen sie dann schließlich die Überlieferung verknüpfte. Bach selbst nannte sein Werk schlicht "Clavier-Übung", und bezeichnete es als "Aria mit verschiedenen Veränderungen" - für einen Zyklus diesen Formats wahrlich sehr tief gestapelt.
Das ganze Werk ist um die Zahl 32 herum konstruiert: Die Aria besteht aus 32 Takten, und ihre Bass-Stimme wiederum, auf der die Variation beruht, aus 32 Gerüsttönen. 32 Teile hat das Gesamtwerk; göttliche Ordnung gegen irdisches Leiden und menschliche Schlaflosigkeit. Dennoch zeigt Bach Humor - das Opus endet in einem Quodlibet, in dem deutlich erkennbar der Kehraus "Ich bin so lang nicht bei dir gwest" sowie "Kraut und Rüben haben mich vertrieben" erklingen. Darauf folgt dann die Aria da capo.
Ragna Schirmer gelang mit dieser ihrer allerersten CD seinerzeit ein großer Wurf. Diese Einspielung ist ohne Zweifel zu den Referenz-aufnahmen zu zählen; sie gehört in eine Reihe mit Interpretationen wie jenen von Glenn Gould, Keith Jarrett oder Wilhelm Kempff. Schirmer nimmt die Stücke ruhig, aber zugleich erfasst sie mit beeindruckendem Gespür ihren jeweiligen Charakter, und arbeitet jedes noch so kleine musikalische Detail mit großer Sorgfalt heraus. Chapeau! das ist wirklich hörenswert.
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